Mehr Rechte für « Undoitsche »

 

Wupper Nachrichten vom 03.07.1993
Seite 3

Mehr Rechte für «Undoitsche»

Alarmiert von den Mordanschlägen und den ihn folgenden Riots, aber in sicherer Entfernung vom Zentrum des Taifuns in Solingen-lnnenstadt trafen sich am 1. Juni im beschaulichen Vorort Wald die Ausländerbeiräte Solingens, Wuppertals und Remscheids zur ersten gemeinsamen Sitzung in ihrer Geschichte. Den deutschen Rats-Repräsentanten wurden die Leviten gelesen. Ein einmaliger, der besonderen Solinger Situation geschuldeter Akt?

In Wald hagelte es Vorwürfe und Fragen. Ein Türke zählt die ihm bekannten Übergriffe der Rechten in Solingen auf: "Als die RAF Wirtschaftsbosse tötete, waren das Terroristen. Aber jetzt, wo die Opfer Menschen aus dem Volk sind, sind die Nazi-Terroristen Tatverdächtige... Wir als Ausländerbeiräte haben dem Rechtsstaat bislang zu sehr vertraut" Aber nicht alle Ausländervertreterlnnen stellen derart unhöfliche Vergleiche auf, sondern nutzen die Gunst der Stunde, um schon lange formulierte Forderungen aus den Schubladen hervorzukramen.

Frederic Mann erinnert an die Forderung das kommunale Wahlrecht für Ausländer einzuführen. "Aber nicht nur fur EG-Ausländer", ruft eine Frau dazwischen. Ihr widerspricht niemand. Schließlich haben sich die SPD-dominierten Stadträte des bergischen Landes schon längst solchen Forderungen angeschlossen. Interessanter ist da schon die Frage, ob aus der Papierlage jetzt Konsequenzen gezogen werden. Nachdem die Solinger AusländervertreterInnen auf den Straßen bewiesen haben, daß sie sich als gute Demokraten verstehen und die Aufrührer zu Ruhe ermahnten, ist es wirklich schwer, ihre Wünsche nach mehr Partizipation wieder in den Schubladen verschwinden zu lassen.

Der SPD-Unterbezirk Solingen bekannte sich am 19.6. einstimmig zur Umgestaltung des deutschblütigen Staatswesens in eine Einwanderungsgesellschaft: "In unserer Lebensgemeinschaft muß ein Konsens, muß ein gewolltes 'Mieteinander leben' zu den Menschen entstehen, die heute noch als ausländische Einwohnerinnen und Einwohner bezeichnet werden. Sie sind Bürgerinnen und Bürger, die sich am Sozialprodukt beteiligen,..., die unser Leben mit ihrer Kultur bereichern". Da diese Fakten unabweisbar seien, sei eine "neue Definition der Ausländergesetze" erforderlich und auch eine Änderung des Grundgesetzes.

Konkret soll sich die SPD-Bundestagsfraktion für ein Einwanderungsgesetz stark machen, daß die Zuwanderung auch außerhalb des Asylverfahrens möglich macht. Für "rechtmäßig hier lebende ausländische Staatsbürger" soll die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft geschaffen werden, die hier geborenen Kinder sollen sie automatisch bekommen. Bundeseinheitlich soll für alle AusländerInnen, auch für Nicht-EG-Angehörige das aktive und passive kommunale Wahlrecht eingeführt werden. Die finanzielle Förderung der "AusIänderbetreuung" soll gesichert werden, rechtsradikale Organisationen sollen konsequent verboten werden.

Ein Wuppertaler Ratsbeschluss versucht jetzt, den gewiesenen Weg nachzuvollziehen. So sollen die Richtlinien für die Arbeit des Ausländerbeirates mit dem Ziel überarbeitet werden, die Stellung des Beirates zum Rat deutlich zu stärken: "Der Ausländerbeirat erhält Zuständigkeiten, insbesondere im Bereich Schule, Jugend, Soziales, Kultur und Sport. Seine Empfehlungen sollten mit der Gewichtung eines Ratsausschusses behandelt werden." Um dies zu gewährleisten, soll der Beirat in Zukunft frühzeitig alle städtischen Unterlagen bekommen, denn in der Vergangenheit wurden von den AusländerInnen nicht selten Vorschläge gemacht, die sich aufgrund der Beratungslage in den deutschen Gremien schon erledigt hatten.

Über diese Ausländerrechte hinaus will der Rat auch etwas für die Sicherheit der Ausländerlnnen tun. 80 Tsd. DM stellt er außerplanmäßig bereit, um in gefährdeten städtischen Wohnungen Rauchmelder zu installieren und defekte Türschliesser auszuwechseln Die GWG und die privaten Vermieter wurden aufgefordert, diesem Beispiel zu folgen. Die präziseren und detaillierteren Forderungen der Grünen zum gleichen Thema, so soll zum Beispiel die nächste Wahl zum Ausländerbeirat gleichzeitig mit der Kommunalwahl erfolgen, um damit dieses Gremium auch gegenüber dem Wahlvolk aufzuwerten-, wurden zu Vorberatung an die Fachausschüsse überwiesen.

Arif Izgi und Frederic Mann, für die SPD im Ausländerbeirat, glauben, daß jetzt über den Ratsbeschluss hinaus, viele alten Forderungen nach mehr demokratischer Beteiligung der Menschen ohne deutschen Pass zügig umgesetzt werden können. Auch die Entscheidung der Ausländerbeiräte der bergischen Großstädte, in Zukunft enger zusammenzuarbeiten, wertet Mann als einen großen Schritt heraus aus dem Schattendasein als Alibi-Vertreter.

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