Interview „Das andere sind die kackfrechen Lügen”

Das Inter­view zum Döppers­berg Umbau und zur Initia­tive döpps105 ist ursprüng­lich in der AZ-Massen­zei­tung zum 1.Mai erschienen Es wurde von den Mache­rInnen der Zeitung am 1.April mit Frank Jäger (Tacheles e.V., döpps105) und Loba vom so_ko_wpt geführt. Das dabei angespro­chene Inter­view mit Thomas Wagner und eine vorläu­fige Einschät­zung der Initia­tive döpps105 von unserer Seite gibt es hier : Trotz Mitmach­falle : Die Initia­tive macht weiter.

Das Inter­view : „Das andere sind die kackfre­chen Lügen”

Die Initia­tive döpps105, die sich für die Begren­zung der Umbau­kosten am Döppers­berg stark macht, hat am 14.03. die für ein Bürge­rIn­nen­be­gehren erfor­der­liche Anzahl an Unter­schriften bei der Stadt Wuppertal einge­reicht.

Loba ist aktiv im so_ko Wuppertal (soli-komitee), das sich an der döpps105-Initia­tive betei­ligt hat. Frank ist Berater bei Tacheles e.V. und hat in den letzten Monaten das Bürge­rIn­nen­be­gehren von döpps105 mit voran­ge­trieben. Wir sprachen mit den beiden über Bürge­rIn­nen­be­tei­li­gung in Wuppertal und die Art, wie die Stadt­spitze mit dem Bürge­rIn­nen­be­gehren umgeht, sowie über die inves­to­ren­freund­liche Stadt­ent­wick­lungs­po­litik in Wuppertal.

Frage :  Der Umbau am Döppers­berg wird bekannt­lich viel teurer als geplant. Nun sollen über 35 Millionen mehr inves­tiert werden. Glaubt ihr, dass es bei der angekün­digten Kosten­stei­ge­rung bleiben wird ?

Frank : Es gibt unter­schied­liche Schät­zungen, die so bei über 200 Millionen Euro liegen - der Wupper­taler Unter­nehmer Schmersal, der sehr erfahren in großen Baupro­jekten ist, geht fest davon aus. Die Stadt­spitze versucht, die Frage der Kosten­stei­ge­rung zu umschiffen. Es wird auf jeden Fall teurer ; um wie viel, ist meiner Meinung nach Kaffee­satz­le­serei.

Wie ist denn der aktuelle Planungs­stand beim Umbau ?

Loba : Es gibt Presse­mel­dungen, dass die weiteren Pläne mit dem irischen Unter­nehmen Signa­ture Capital, dem Investor des Geschäfts­hauses vor dem Bahnhofs­ge­bäude, das jetzt auch das Schwe­be­bahn­ge­bäude am Döppers­berg kauft, eng verzahnt abgestimmt werden müssen. Das heißt es könnte am Ende auch auf eine Public Private Partnership (PPP) hinaus­laufen, wo Signa­ture Capital der Stadt unter die Arme greift, aber dafür auch viele Zugeständ­nisse bekommt. Die Rolle von Signa­ture Capital ist bislang noch völlig unklar, aber es könnte auf eine massive Priva­ti­sie­rung öffent­li­chen Raums hinaus­laufen.

Frank : Es gibt aber auch Aufga­ben­felder, die laut Presse jetzt wieder in den Aufga­ben­be­reich der Stadt zurück­fallen, beispiels­weise sind die Kosten für den Pavillon an der Wupper in den Kalku­la­tionen der Stadt noch gar nicht aufge­führt.  Man kann in beide Richtungen speku­lieren – teurer wird es auf jeden Fall.

Die döpps105-Initia­tive hat Unter­schriften gesam­melt : Wie ist jetzt der Stand bei der Initia­tive ?

Frank : Die ersten Treffen gab es im September 2013, die Initia­tive hat sich also erst gegründet, als die Mehrkosten nicht mehr vertuschbar waren. Das haben zwar alle, die das Projekt beobachtet haben, schon lange gewusst. Die Empörung ist aber erst hochge­kocht, als die Stadt die Katze aus dem Sack gelassen hat. Dann formierte sich eine Initia­tive aus unter­schied­li­chen Gruppen und Einzel­per­sonen. Am 18.November ist per Ratsbe­schluss ein früherer Beschluss – nämlich die Baukosten auf 105 Millionen zu begrenzen - aufge­hoben worden. Ziel des Bürge­rIn­nen­be­geh­rens von döpps105 ist es nun, diesen neuen Beschluss, der eine Kosten­stei­ge­rung um 35 Millionen beinhaltet, aufzu­heben. Dafür kamen trotz widriger Bedin­gungen seit Mitte Januar deutlich mehr als die notwen­digen 11.000 Unter­schriften zusammen.

Loba : Es gibt Leute, die sich mit diesem Bürge­rIn­nen­be­gehren schwer getan haben, unter anderen auch ich. Ich bin schon der Meinung, dass das Feld urbaner Trans­for­ma­tion bespielt werden muss, aber dass Bürger­be­gehren ein sehr fragwür­diges Instru­ment sind. Vor allem ist da natür­lich die Kritik daran, dass dabei nur „Wahlbürger” mitma­chen dürfen. Was ist mit unseren türki­schen und arabi­schen Freun­dInnen ? Es geht aber auch um Grund­sätz­li­ches : Der Autor Thomas Walter beschreibt in seinem Buch „Die Mitmach­falle“ sehr eindrück­lich, wie gesetz­liche Betei­li­gungs­ver­fahren in der Regel mögli­chen Wider­stand kanali­sieren, spalten und wirkungslos machen. Der „runde Tisch” bei „Stutt­gart 21” ist da ein Beispiel. Es ist wie bei Wahlen : Wenn Bürge­rIn­nen­be­gehren etwas verän­dern könnten, wären sie verboten. Also gibt es jede Menge Versuche, sie letzten Endes juris­tisch zu blockieren. Auch in diesem Falle werden wir sehen, wie diese 13.000 Unter­schriften mit juris­ti­schen Argumen­ta­tionen vom Tisch gewischt werden. Es wird jetzt spannend, zu sehen, wie die Initia­tive auf die Wirkungs­lo­sig­keit ihres Begeh­rens reagiert.

Die Stadt hat ja schon verlauten lassen, dass sie die Unter­schriften nicht anerkennen wird. Wie will die Initia­tive darauf reagieren ?

Loba : Die Frage ist jetzt, ob die Leute sich auf das juris­ti­sche Spiel einlassen, oder ob sie sagen, wir haben uns so engagiert, und die Stadt inter­es­siert das jetzt alles einen Scheiß­dreck : wir müssen nach anderen Wegen suchen und Struk­turen schaffen, wie wir solchen Entschei­dungen zukünftig wirkungs­voller entge­gen­treten können. Da wird es jetzt verschie­dene Strate­gien geben, und es wäre meiner Meinung nach unsere Aufgabe, dieje­nigen zu stärken, die Recht-auf-Stadt-Struk­turen aufbauen wollen, die in Zukunft wirklich inter­ve­nieren können.

Wie setzt sich die Initia­tive Döpps105 denn zusammen ?

Frank : Die Initi­aitve ist relativ breit aufge­stellt. Viele Leute, die sich vorher nicht in Stadt­po­litik einge­mischt haben, sind jetzt aufgrund dieser Kosten­stei­ge­rung so empört, dass sie sich politi­siert haben. Es gab da keine Partei oder bestehende Struktur, die die Initia­tive dominiert hätte, und auch die Unter­schrif­ten­samm­lung war durchweg selbst­or­ga­ni­siert.

Loba : Es gibt einen für uns spannenden Punkt : Es gibt in Wuppertal mehr Leute als gedacht, die in Initia­tiven tätig sind, die aber oft außer­halb unserer Wahrneh­mung sind. Es gibt Nachbar­schafts­in­itia­tiven, die sich z.B. gegen eine Kanal­ver­le­gung wehren oder gegen die IKEA-Ansied­lung im Wupper­taler Norden und viele andere. Die Menschen organi­sieren sich aber haupt­säch­lich sehr klein­räum­lich, zum Beispiel in Hinblick auf ihre Straße oder Siedlung. Da müssen wir ansetzen, lokale „Mappings” wären ein guter Anfang.

Was waren denn für euch die ursprüng­li­chen Beweg­gründe, sich mit dem Döppers­berg zu befassen?!

Frank : Ich komme aus dem Bereich der Sozial­po­litik, und wir sehen ja, wo das Geld überall fehlt. Jetzt wird nochmal zusätz­lich Geld für den Döppers­berg ausge­geben, der Investor bekommt den roten Teppich ausge­rollt, und dem Rest der Stadt fehlt die Kohle. Was die Kürzungen im Sozial­be­reich oder Bildungs­be­reich angeht, ist das Ende der Fahnen­stange schon lange erreicht. Das war für mich der ausschlag­ge­bende Punkt, zu sagen, das geht einfach nicht. Das andere sind die kackfre­chen Lügen : Im Jahr 2010 wurde das schärfste Kürzungs­paket geschnürt, erfolgten die Weichen­stel­lung für die Schlie­ßung des Schau­spiel­hauses und mehrerer Schwimm­bäder. Im gleichen Jahr wird das Projekt Döppers­berg einge­tütet, und zwar gerecht­fer­tigt mit einer klaren Kosten­de­cke­lung auf die 105 Millionen. Das ist eine große Lügen­ge­schichte, die mich wie viele andere auf die Palme brachte.

Loba : Für mich waren es mehr stadt­pla­ne­ri­sche Aspekte : Wie die Stadt, in der wir leben, nach neoli­be­ralem Zuschnitt umgebaut wird, wessen Inter­essen hier bedient werden, wer die Beute davon schleppt, und wieviel Lebens­qua­lität für die Leute hier übrig bleibt. Es gibt da grund­sätz­liche Fragen : wieviel Einzel­han­dels­fläche wird neu geschaffen, die keineR braucht, warum kann ich in meinem Kiez nicht mehr einkaufen gehen, wieso wird eine Stadt so besin­nungslos zubeto­niert, warum muss der Platz am Kolk, der auch ein Park sein könnte, einem Einkauf­zen­trum wie den ECE-City Arkaden weichen ?

Womit glaubt ihr, was der Döpps-Umbau in den nächsten Jahren für die Stadt bedeutet ? Was denkt ihr, was die Stadt­spitze sich davon verspricht, das auf Teufel komm raus durch­zu­boxen ?

Loba : Für Leute wie den CDU-OB Jung oder den SPD-Mann Reese funktio­niert das ganz schlicht : Jubel­mel­dungen der Lokal­presse, dass die Immobi­li­en­preise auch in Wuppertal anziehen, nehmen die als  positiv wahr. Das berück­sich­tigt aber in keiner Weise die Leute, die für mich Wuppertal ausma­chen, die jetzt schon keine bezahl­baren Wohnungen finden, oder in der Innen­stadt Platz­ver­bote erteilt bekommen. Das inter­es­siert aber Jung und Reese nicht, weil das nicht die Leute sind, für die sie Politik machen. Die machen Politik für ihren Plan einer Zweit­liga-Gentri­fi­zie­rung als Schlaf­stadt für Köln oder Düssel­dorf und für Inves­toren, die aus dieser Stadt Profit rausziehen wollen.

Frank : Es stimmt, dass durch diese Politik ein Drittel der Bevöl­ke­rung abgehängt wird. Es geht darum, genug Leute dafür zu inter­es­sieren, dass dieses Drittel eben auch zur Stadt gehört, nicht einfach abgeschrieben werden kann, und dass dieses Drittel die Stadt in den nächsten zehn Jahren genauso mitge­stalten wird – denn das Thema Döppers­berg wird uns schließ­lich noch bis mindes­tens 2018 begleiten.

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