Zum 8.Mai : Wie aus der deutschen Identität aussteigen ?

Zum 8.Mai veröf­fent­li­chen wir einen Redebei­trag, den der in Köln lebende Schrift­steller Doğan Akhanlı für die Feier am 17.April zum 70. Jahrestag der Befreiung Wupper­tals vom Natio­nal­so­zia­lismus beisteu­erte. Wir danken Doğan Akhanlı dafür, dass er uns seine Rede, die viele der Anwesenden sehr berührte, zur Verfü­gung gestellt hat.

(Direkt zum Text der Rede springen)

Am 8.Mai vor siebzig Jahren war Deutsch­land endlich besiegt. Das Land kapitu­lierte, nachdem sein geliebter Führer sich wenige Tage zuvor selbst erledigt hatte. Die deutsche Bevöl­ke­rung, die in weiten Teilen noch bis zum 8.Mai nicht vom Glauben an einen « Endsieg » lassen wollte und sich vielfach auch fleißig an den Endpha­se­ver­bre­chen beteilgte, um vor dem Ende noch möglichst viele zu ermorden, ergab sich.

Inzwi­schen ist der 8.Mai ein Tag, an dem viel zu viele « Danke » sagen und der auch von jenen als « Tag der Befreiung » gefeiert wird, die speziell heute einfach mal den Mund halten sollten. Wenn dieser Tag für Menschen eine Bedeu­tung hat, die im Land der Täter*innen leben, dann jene einer Beschäf­ti­gung mit den Taten, mit deren Ursachen, Wirkungs­weisen und Folgen. Mit jeder Zeitzeugin, jedem Zeitzeugen, der nicht mehr unter uns ist, mit jedem Jahr, wird es jedoch schwie­riger, dieser Bedeu­tung gerecht zu werden und die Inter­pre­ta­tion des Datums nicht einer inter­es­sen­ge­steu­erten Geschichts­schrei­bung zu überlassen.

Es stellt sich damit die Frage, wie ein 17.April oder ein 8.Mai diese Bedeu­tung in Zukunft behalten, und die damit verbun­dene leise Hoffnung auf Prozesse des Lernens und Verste­hens erfüllen kann. Denn es geht nicht nur um das Sterben der letzten Zeitzeug*innen. Auch das Land der Täter*innen hat sich verän­dert. Weniger ideolo­gisch als faktisch.

In einer Stadt wie Wuppertal leben inzwi­schen fast 100.000 Menschen mit einer migran­ti­schen Geschichte. Fast jede dritte Wupper­ta­lerin und jeder dritte Wupper­taler erlebt Tage wie den 8.Mai also inmitten der Nachfahren eines Täter­volks, ohne sich über Rückgriffe auf eine eigene (Familien-) Geschichte wirklich mit dem Anlass identi­fi­zieren zu können. Vielfach reagieren deutsche Antifaschist*innen irritiert auf diese mangelnde Identi­fi­ka­tion, ohne dabei wahrzu­nehmen, dass die eigene Beschäf­ti­gung mit trauma­ti­sie­renden Opfer- und Täter­ge­schichten jener irgend­wann zugewan­derten Menschen auch dürftig ausfällt. Denn kaum eine Bevöl­ke­rungs­gruppe mit migran­ti­scher Geschichte, die nicht auch von Genoziden, Massa­kern oder Vertrei­bungen geprägt ist.

2015, das Jahr, in dem sich eben nicht nur die Nieder­lage Deutsch­lands zum siebzigsten Mal jährt, sondern auch « Aghet » – der Genozid an den Armenier*innen – zum einhun­dertsten, wird das beson­ders augen­fällig, speziell in einer Stadt wie Wuppertal mit großen Commu­nities, die einen türki­schen oder kurdi­schen Bezug haben. Erst durch ein gegen­sei­tiges Inter­esse an der kollek­tiven Geschichte kann auch eine gemein­same Beschäf­ti­gung mit ihr erfolgen. Und erst, wenn daraus eine gemein­same Erfah­rung erwächst, kann am Ende vielleicht auch eine gemein­same Entwick­lung entstehen, die Tagen wie dem 8.Mai mehr Bedeu­tung verleiht als die wohlfeile Selbst­ver­ge­wis­se­rung eines peinli­chen Versuchs der Teilhabe an einem Sieg über den Faschismus.

Den Veranstalter*innen des lokalen « Befrei­ungs­festes » am 17.4. im Deweerth’schen Garten ist es deshalb hoch anzurechnen, den Versuch gewagt zu haben, verschie­dene kollek­tive Histo­rien und Verknüp­fungen von Täter- und Opfer­ge­schichten mitein­ander in einen Dialog zu bringen und damit eine Basis für eine mögliche zukünf­tige gemein­same Erinne­rungs­ar­beit zu legen.

Rede von Doğan Akhanlı beim Wupper­taler Befrei­ungs­fest

dogan

Ich möchte hier über die Nachwir­kungen von Gewalt und über meine Erfah­rungen mit Erinne­rung und Erinne­rungs­kultur berichten. Mein Beitrag ist daher auch eine persön­liche Geschichte von Fremd­heit und Nähe, Schuld und Verar­bei­tung, Schei­tern und Lernpro­zessen, von Verlet­zungen und mensch­li­chen Begeg­nungen.

Ende 1991 landeten wir als mittel­lose Flücht­lings­fa­milie in Köln. Gerade passierten die Pogrome und Brand­an­schläge in Hoyers­werda, in Rostock-Lichten­hagen und in Mölln. Wir lebten in einem Asylbe­wer­ber­heim in Bergisch Gladbach. Obwohl unser Asylan­trag noch nicht anerkannt war, durften wir in eine Wohnge­mein­schaft ziehen, weil unsere zukünf­tigen Mitbe­wohner uns dazu einluden. Sie hatten sich entschlossen, mit einer Asylbe­wer­ber­fa­milie zusammen zu wohnen. Kurze Zeit nach unserem Einzug starben fünf Menschen bei einem Brand­an­schlag auf ein Zweifa­mi­li­en­haus in Solingen. Es war unerträg­lich für uns, nach so langer Verfol­gung im Herkunfts­land weiter in einer bedroh­li­chen Situa­tion leben zu müssen. Aber auf der anderen Seite war mir bewusst, dass wir in dieser WG einen Schutz­raum erhalten hatten, der uns ermög­lichte, unser Leben noch mal aufzu­bauen.

Im Laufe der Zeit habe ich entdeckt, dass es zwischen der aktuellen Gewalt, von der wir als Familie getroffen waren, und der histo­ri­schen Gewalt unseres Landes Verbin­dungen gibt. Für mich war es eine wichtige Erkenntnis, dass ich bzw. wir Linken nicht das einzige Opfer der Gewalt sind. Und es kam die Frage auf, was hat unsere Erfah­rung mit dem Massen­mord an den Armeniern vor 100 Jahren zu tun ? Die Aufar­bei­tung der Deutschen und der Umgang mit ihrer Geschichte haben mir geholfen, zu meiner eigenen Aufar­bei­tung zu finden und zu einem neuen Umgang mit der Geschichte meines Herkunfts­landes. Nachdem ich mein Buch „Die Richter des Jüngsten Gerichts” fertig geschrieben hatte, war mir klar geworden, dass die Genozidopfer von 1915 der absoluten, totalen Willkür der jung-türki­schen Macht unter­worfen worden waren. Sie waren kollektiv zum Tode verur­teilt worden.

Eines Tages bin ich mit meiner Familie ins Kino gegangen, um den Film „Das Leben ist schön” von Roberto Benigni zu sehen. Nach dem Film war meine Tochter schockiert. „Das Leben sei überhaupt nicht schön” sagte sie. Sie meinte dann, „dass die Eltern von unseren deutschen Mitbe­woh­nern bestimmt nicht mitge­macht hätten” Und dann sagte sie „Gott sei Dank, dass wir keine Deutschen sind!”. Bis dahin verstand sie sich als Deutsche und plötz­lich wollte sie keine mehr sein. Sie hatte in diesen Abgrund geblickt und wollte aus der deutsche Identität aussteigen. Da habe ich mich gefragt, was ist denn mit den deutsch­stäm­migen Kindern ? Wie können sie aus der deutschen Identität aussteigen ? Und was passiert, wenn ich meinen Kindern vom Genozid an den Armeniern erzähle, in welche Identität können sie dann flüchten ?

Das war natür­lich eine katastro­phale Pädagogik, meine Kinder in so einen Film mitzu­nehmen. Doch haben mich ihre Reaktionen zu der Suche motiviert, welchen Weg es gibt, die Geschichte der beiden Verbre­chen so zu erzählen, dass klar wird, dass der Holocaust nicht nur eine deutsch-jüdische, sondern auch eine inter­na­tio­nale Geschichte ist.

Dann begann meine Odyssee in die deutsche Geschichte und Erinne­rungs­land­schaft : Ich erfuhr von der Gedenk­stätte Sachen­hausen, wo auf ausdrück­li­chen Wunsch zweier höherer Beauf­tragter der türki­schen Sicher­heits­kräfte im Januar/ Februar 1943 eine Besich­ti­gung in das Besuchs­pro­gramm genommen wurde. Von der Gedenk­stätte Ravens­brück, wo unter anderem zwölf türki­sche Jüdinnen aus Berlin mit drei Kindern am 26. Oktober 1943 einge­lie­fert wurden. Besuchte die Gedenk­stätte „Haus der Wannsee Konfe­renz”, wo fünfzehn Spitzen­be­amte der Minis­te­ri­al­bü­ro­kratie und der SS über die organi­sa­to­ri­sche Durch­füh­rung der „Endlö­sung” gespro­chen haben, die Gedenk­stätten Majdanek, Sobibor, und nicht zuletzt Ausch­witz, aus dem ich als retrau­ma­ti­sierter Mensch zurück­kehrte. Mir half nicht, dass ich kein Deutscher war, dass ich nicht einmal geboren war, als die Nazis einen Teil der Mensch­heit ausge­löscht hatten. Dort, in Ausch­witz-Birkenau, war ich nicht mehr Türke, Linker, Flücht­ling oder Folter­opfer. Dort sind Opfer und Täter in mir verschmolzen. Diese Erfah­rung hat  mich beinahe geschichtslos und handlungs­un­fähig gemacht. Doch bin ich kein Geschichts­loser geworden. Ich habe doch meine Handlungs­fä­hig­keit nicht verloren. Ich musste aller­dings meine Aufgabe, die ich mir selber gestellt habe, neu definieren.

Heute erinnern wir hier den 70. Jahrestag der Befreiung Wupper­tals vom Natio­nal­so­zia­lismus. Nach mir hält Uli Klan von der Armin T. Wegner Gesell­schaft über die deutsche Mitver­ant­wor­tung für den Völker­mord an den Armeniern 1915 eine Rede. Danach sprechen Vertre­te­rInnen der kurdi­schen und alevi­ti­schen Gemeinden, Nevzat Sahin und Funda Öztürk. Das Gypsy Trio Koblenz ist da, um mitzu­feiern. Wir hören Grußworte von Angehö­rigen und Verbänden der NS-Opfer. Das ist außer­or­dent­lich, dass Sie als Veran­stalter, mit dieser inhalt­li­chen Auswei­tung einen deutli­chen Bezug auf die armeni­schen Opfer des Völker­mords vor 100 Jahren, auf die in Deutsch­land wenig bekannten Massaker an Kurden in Dersim 1938 und die Massaker an Alewiten in Mara?, Çorum und Sivas nehmen. Dieser trans­na­tio­nale Erinne­rungs­raum ermög­licht uns, die Erfah­rungen und Geschicht(en) der Einwan­de­rInnen, die z.T. seit zig Jahren in Wuppertal leben, sichtbar zu machen, ohne die Schoah zu relati­vieren.

Wir wissen heute, dass mehrere deutsche Offiziere als osmani­sche Militär­be­rater an wichtigen Entschei­dungen über die Depor­ta­tionen der Armenier betei­ligt waren. Wir wissen heute, dass deutsche Diplo­maten immer wieder Berichte nach Berlin gesendet und das Ausmaß der Armenier­mas­saker geschil­dert haben. Wir wissen heute, was ab 1915 im osmani­schen Reich geschah. Raphael Lemkin, der Verfasser der UN-Völker­mord­kon­ven­tion, hat dem Verbre­chen einen Namen gegeben. Und die Forschung hat das Verbre­chen gegen Armenier und Aramäer, neben der Vernich­tung der Juden, Roma und Sinti in Europa und der Vernich­tung der Tutsi in Ruanda als „totalen”, „endgül­tigen” und „absoluten” Völker­mord einge­stuft.

Trotz so viel Wissen, solida­ri­siert sich die deutsche Politik hundert Jahre später weiter mit der türki­schen Täter­po­litik, die die Vergan­gen­heit ausra­dieren und ihr mörde­ri­sches Natio­nal­staats­pro­jekt fortsetzen will. Ich verstehe nicht, warum die deutsche Politik, die gelernt hat, sich der eigenen Geschichte zu stellen, den Völker­mord nicht anerkennen will. Warum deutsche Außen­po­litik ihre Stimme nicht auch für Menschen­rechte und Minder­hei­ten­rechte in der Türkei erheben will. Warum ist falsch, die genozi­dalen Erfah­rungen des 20. Jahrhun­derts zu einem zentralen Teil der Holocaust Educa­tion zu machen ? Die Beschäf­ti­gung mit dem Völker­mord an den Armeniern ist keine Relati­vie­rung der Schoah, sondern eine Erwei­te­rung und Vertie­fung der deutschen Aufar­bei­tung, die nicht mehr deutsch bleiben sollte. Um die Zukunft zu gestalten, brauchen wir in Deutsch­land - wie es hier gerade passiert - einen trans­na­tio­nalen Gedächt­nis­raum.

Wenn wir das Schicksal der Völker­mord­opfer nicht ändern, wenn wir sie niemals entschä­digen können, so haben wir doch die Möglich­keit in diesem trans­kul­tu­relle Erinne­rungs­raum die mörde­ri­sche Vergan­gen­heit zu verän­dern, wie Walter Benjamin es sich vorge­stellt hatte. Wir können mit unserem Wissen und das richtige Handeln die Bedeu­tung der Vergan­gen­heit verän­dern. Wir können die Geschichten der Opfer neu schreiben. Und auf diese Weise, wie Walter Benjamin glaubte, könnten wir unsere Vorfahren gewis­ser­maßen erlösen.

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Verstärkte Arbeit notwendig. Wir müssen reden !

Am Samstag fand in Wuppertal-Elber­feld eine Demons­tra­tion in Solida­rität mit ukrai­ni­schen Antifa­schis­tInnen und im Gedenken an den Befrei­ungstag am 8.Mai statt. Die Demo, die sich unter dem Motto „Nie wieder Krieg - Nie wieder Faschismus!” gegen die Unter­stüt­zung ukrai­ni­scher Nazis durch die CDU/C­SU/SPD-Regie­rung wandte, war gleich­zeitig ein antina­tio­nales State­ment zur geostra­te­gi­schen Kriegs­trei­berei kapita­lis­ti­scher Macht­blöcke in den USA, der EU und in Rußland. Ein Resultat der Demovor­be­rei­tungen : Wir müssen reden. Bericht.

Trotz eines zu Beginn heftigen Maire­gens versam­melten sich am letzten Samstag zwischen 50 und 60 Menschen am Kersten­platz, um bei einer antina­tio­nalen Demons­tra­tion in Wuppertal Solida­rität mit den Opfern des Faschismus zu zeigen. Aktueller Anlass der Demo war das Massaker im ukrai­ni­schen Odessa, bei dem von Faschisten und Hooli­gans mehrere dutzend Menschen im Gewerk­schafts­haus verbrannt worden waren. Die Demo richtete sich gegen die offene Unter­stüt­zung der ukrai­ni­schen Nazis durch die Bundes­re­gie­rung und die ehema­lige Regie­rungs­partei « Die Grünen ». Gleich­zeitig wurde eine grund­sätz­liche Gegner­schaft zu allen natio­na­lis­ti­schen Konstruk­tionen betont. Antifa­schis­ti­sche Arbeit kann nicht an Staaten delegiert werden, weder an fremde Mächte wie Russland, noch im eigenen Land. Daran sollte zwei Tage nach dem 8.Mai erinnert werden.

Die aufgrund des Wetters und einiger anderer Faktoren leider etwas kleiner als erwartet ausge­fal­lene Demons­tra­tion – u.a. hatte sich die Polizei mit dem geplanten Ort der Auftakt­kund­ge­bung im Zentrum Elber­felds nicht einver­standen erklärt – erreichte an diesem Samstag­mittag dennoch durchweg inter­es­sierten Menschen. Auch vor diesem Hinter­grund war es notwendig, dass sich die antifa­schis­ti­sche Linke erstmals öffent­lich zu diesem Thema positio­nierte, um die Ausein­an­der­set­zung damit nicht rechts­of­fenen Platt­formen wie den so genannten « Montags­mahn­wa­chen » zu überlassen.

Klein aber kraftvoll: Demo am Samstag in Elberfeld

Klein aber kraft­voll : Demo am Samstag in Elber­feld

Bei den durchweg infor­ma­tiven Redebei­trägen wurden verschie­dene Aspekte deutlich. In ihnen ging es zunächst natür­lich um die Lage in der Ukraine und um die Verant­wort­lich­keiten für die dort entstan­dene Situa­tion. Dabei wurden die EU und die Bundes­re­pu­blik sowie die USA als Haupt­ver­ant­wort­liche für die erste Macht­über­nahme militanter Faschisten in Europa nach dem zweiten Weltkrieg benannt. Auch die « pro-europäi­schen » und « pro-russi­schen » kapita­lis­ti­schen Macht­zen­tren der Ukraine, und die mit ihn verbun­denen Partner aus der EU, den USA oder Rußland wurden als verant­wort­liche Akteure der Krise und der zuneh­menden Anhei­zung des Konflikts benannt. Die Solida­rität gilt allen in der Ukraine, die einen Bürger­krieg fürchten, den Antifa­schis­tInnen, die den parami­li­tä­ri­schen und militä­ri­schen Truppen des Kiewer Regimes entge­gen­treten und jenen, die rassis­ti­sche und antise­mi­ti­sche Gewalt durch Nazis und Faschisten zu fürchten haben.

Gerd-Peter Ziele­zinski, Stadt­ver­ord­neter der Partei DIE LINKE, gab zudem einen Überblick zu den Wahlak­ti­vi­täten rechter Gruppie­rungen in Wuppertal, die bei den Kommu­nal­wahlen am 25.Mai aufgrund organi­sa­to­ri­scher Mängel zwar nicht alle flächen­de­ckend antreten können, durch eine Konzen­tra­tion der Stimmen auf die verblie­benen Kandi­da­turen aber eher gefähr­li­cher geworden sind. Es gälte zu verhin­dern, dass es einer rechten Gruppe gelingt, im Wupper­taler Stadtrat einen - auch finan­ziell attrak­ti­veren – Frakti­ons­status zu erlangen. Der 25.Mai wurde auch im Hinblick auf das in einigen europäi­schen Ländern wie Holland oder Frank­reich bei der Europa­wahl zu erwar­tende gute Ergebnis « neu-rechter » Parteien als dring­liche Mahnung aufge­fasst, jegli­chem Natio­na­lismus noch entschlos­sener entge­gen­zu­treten.

Bei einer Zwischen­kund­ge­bung vor der Wupper­taler SPD-Zentrale gab es einen Beitrag der VVN-BdA zu den Konti­nui­täten der Zusam­men­ar­beit Deutsch­lands mit ukrai­ni­schen Faschisten. Gerade vor dem geschicht­li­chen Hinter­gund der deutschen Beset­zung wurden die Wupper­taler SPD-Bundes­tags­ab­ge­ord­neten aufge­for­dert, sich für eine sofor­tige Beendi­gung der Unter­stüt­zung des Kiewer Regimes durch den deutschen SPD-Außen­mi­nister einzu­setzen. Dass es sich bei den Swoboda-Mitglie­dern in der Kiewer Regie­rung und dem meist mit parami­li­tä­ri­schen Siche­rungs­auf­gaben betrauten « Rechten Sektor » um Nazis handelt, ist inzwi­schen so offen­kundig wie fundiert belegt, das wurde in der Rede heraus­ge­stellt. Die Hoffnungen auf eine Kursän­de­rung der SPD sind jedoch nicht allzu groß – schließ­lich hat die SPD eine gewisse Tradi­tion der Koope­ra­tion mit Ultra­na­tio­na­listen. Das wurde deutlich, als vor der SPD-Zentrale an die Rolle der Sozial­de­mo­kratie im Jugosla­wien-Krieg erinnert wurde. Auch der von Gerhard Schröder im Nachhinein als « völkerr­rechts­widrig » bezeich­nete Krieg gegen Jugosla­wien wurde in Zusamen­ar­beit mit natio­na­lis­ti­schen Kräften vorbe­reitet, nachdem diese zunächst für einen Bürger­krieg bewaffnet worden waren. Der Vertei­di­gungs­mi­nister, der damals mit jenem serbi­schen „Hufei­sen­plan” aufwar­tete, der ein milti­tä­ri­sches Eingreifen erzwingen sollte, war der Sozial­de­mo­krat Schar­ping.

Abschlusskundgebung am Mahnmal

Abschluss­kund­ge­bung am Mahnmal

Beim kurzen Stopp auf dem nach dem Wupper­taler kommu­nis­ti­schen Wider­stands­kämpfer Otto Böhne benannten Platz auf dem Ölberg hörten die Teilneh­me­rInnen der Demons­tra­tion ein kurzes Referat zum Leben und zur Ermor­dung Otto Böhnes, der bereits im Februar 1934 infolge schwerer Folter im KZ Kemna bzw. Börger­moor verstarb. Die Rede leitete den zweiten Teil der Demo ein, die dem Gedenken anläss­lich des Befrei­ungs­tages am 8.Mai gewidmet war. Bei der Abschluss­kund­ge­bung am Mahnmal aller Wupper­taler Opfer des Natio­nal­so­zia­lismus im Deweerth’schen Garten schloss sich dabei der thema­ti­sche Kreis, als eine Aktivistin über das Schicksal ukrai­ni­scher Zwangs­ar­bei­te­rInnen in Wuppertal berich­tete.

Neben Schil­de­rungen des Moments der Befreiung durch US-ameri­ka­ni­sche Truppen in Wuppertal (der Tag der Befreiung der Stadt ist der 15.April) wurde auch das spätere Schicksal der von den deutschen Besat­zern versklavten Zwangs­ar­bei­te­rInnen angespro­chen. Einige von ihnen wurden in der stali­nis­ti­schen UdSSR der Kolla­bo­ra­tion mit dem Feind bezich­tigt und litten Zeit ihres Lebens unter dieser Situa­tion. Zu einigen Angehö­rigen besteht noch immer ein Kontakt. So wurde am Rande der Kundge­bung bekannt, dass der Insti­tua­tion, die mit Geldern des Entschä­di­gungs­fonds für Zwangs­ar­bei­te­rInnen politi­sche Bildungs­ar­beit in Kiew leistete, nach der Macht­über­nahme durch das neue Regime die Bankkonten gesperrt wurden. Die Mitar­bei­te­rInnen sind nun ihren Job los, es steht zu befürchten, dass sich die neuen Macht­haber des Geldes der Zwangs­ar­bei­te­rInnen bemäch­tigen wollen.

Korrektur : Wir wurden in der Sache nochmal kontak­tiert. Die Sache sieht so aus : Die Entschä­di­gungs­zah­lungen durch die Stiftung Erinne­rung, Verant­wor­tung und Zukunft  (Gelder der Wirtschaft und steuer­fi­nan­ziert) an die ehema­ligen Zwangs­ar­bei­te­rInnen wurden 2007 beendet. Aus Erträgen des Stiftungs­ver­mö­gens werden u. a. diverse Projekte unter­stützt. Auch jene der Stiftung „Verstän­di­gung und Toleranz” in Kiew. Die die Gelder verwal­tende Bank scheint nun pleite zu sein, sodass seit drei Monaten keine Gehälter mehr an die Mitar­bei­te­rInnen der Stiftung ausge­zahlt werden konnten und in Zwangs­ur­laub geschickt, bzw. gekün­digt wurden.

Es gibt also keine Erkennt­nisse darüber, dass die jetzigen Macht­haber Zugriff auf die Gelder der Stiftung Verstän­di­gung und Toleranz hatten”

Wir bitten, das Mißver­ständnis zu entschul­digen.

Über das abschlie­ßende State­ment zweier Genos­sInnen, die zwei Tage zuvor in Frank­furt die mit den ukrai­ni­schen Antifa­schis­tInnen solida­ri­sche Gedenk­demo zum 8.Mai mitin­iti­iert hatten, waren die Anwesenden sehr erfreut. In ihrer Rede mahnten sich nachdrück­lich, die Anstren­gungen gegen einen erstar­kenden Faschismus zu bündeln und zu verstärken.

So sieht die Tafel übrigens inzwischen aus.

So sieht die Tafel übrigens inzwi­schen aus.

Das Resultat der Demo und der Diskus­sionen in ihrer Vorbe­rei­tung wird eine verstärkte Arbeit zum Thema sein. Die Zielset­zung muss darin bestehen, den vielen Menschen, die irritiert und besorgt die politi­schen Entwick­lungen und die medialen Kampa­gnen zum Thema verfolgen, ein eigenes antifa­schis­ti­sches Angebot zum Austausch und zum Handeln machen zu können. Das Inter­esse der zufäl­ligen Passanten und Nachba­rInnen, aber auch eigene, zur Zeit nur schwer zu beant­wor­tende Fragen zur Einschät­zung der Gesamt­ent­wick­lung lassen es notwendig erscheinen, sich inhalt­lich weiter und vertiefter mit der europa­weiten Zunahme « neu-rechter » Handlungs­op­tionen und speziell auch mit der Entwick­lung in der Ukraine zu befassen.

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