Fast vierzig Prozent Zugewinn – und nun ?

Eine lokale Analyse und Betrach­tung für Wuppertal zur Bundes­tags­wahl am 24.September von der Website „Politik in der Rechts­kurve“.

Wuppertal liegt voll im westdeut­schen Trend der Ergeb­nisse zur Bundes­tags­wahl vom 24. September. Die rechte AfD kann in Wuppertal die Anzahl ihrer Stimmen in nur vier Monaten verdop­peln. Auch die LINKE legt zu, „Wohlfühl­kieze“ bleiben stabil, sind aber nicht immun gegen rechte Zugewinne. Die Ost-West-Diffe­renz in der Stadt ist verfes­tigt.

Das Ergebnis der AfD in Wuppertal liegt mit 10,8% ziemlich exakt auf dem Niveau der Ergeb­nisse für die Partei in Westdeutsch­land (10,7%), aber über dem Ergebnis in NRW (9,4%), (im Osten Deutsch­lands wählten 21,7% die AfD). In NRW gehört Wuppertal neben vielen Ruhrge­biets­städten damit zum oberen Mittel­feld der rechten Ergeb­nisse. Deutlich besser schnitt die AfD ledig­lich im Norden des Ruhrge­biets ab (in Essen II 15%, in Duisburg II 15,4%, in Gelsen­kir­chen 17%). In Münster (4,9%), Köln (5%-8%) und in Düssel­dorf I (7,9%) bekam die AfD hingegen unter­durch­schnitt­lich wenige Stimmen. Angesichts eines eher wenig präsenten AfD-Wahlkampfs in der Stadt ist es ernüch­ternd, dass sich Wuppertal in den Gesamt­trend der Wahl einreiht. Im Gegen­satz zu anderen Städten ist es hier nicht gelungen, den Trend zu rechter Politik zu brechen. Und es wird nicht einfa­cher werden. Nach dieser Wahl muss einkal­ku­liert werden, dass die AfD auch im lokalen Umfeld zukünftig deutlich präsenter sein wird. Von den etwa 400 Mio. Euro, die ihr durch Parla­ments­zu­ge­hö­rig­keiten in den nächsten vier Jahren zufallen, wird ganz sicher auch ein Teil nach Wuppertal fließen.

Nach der Landtags­wahl im Mai konsta­tierten wir „13.574 Wupper­ta­le­rInnen wählen rechts“. Das waren verdammt viele, doch die Zahl ist seit dem Mai nochmals deutlich größer geworden. Bei der Bundes­tags­wahl am 24.September machten 20.645 Menschen ihr Kreuz bei einer der rechten Parteien. Alleine auf die AfD entfielen 18.931 Stimmen. Im Vergleich zu den 12.586 Stimmen bei der Landtags­wahl sind das 50% mehr. Auch wenn die höhere Wahlbe­tei­li­gung bei der Bundes­tags­wahl berück­sich­tigt wird, ist das eine Steige­rung um 37,8% – geht man davon aus, dass die Wahlan­teile gleich­blei­bend verteilt worden wären. (Im Landes­schnitt von NRW hat die AfD nach dieser Berech­nung ebenfalls 38% Stimmen im Vergleich zur Landtags­wahl hinzu­ge­wonnen.) Diese Steige­rung um fast 40% in nur vier Monaten ist besorg­nis­er­re­gend und löst Fragen nach der Ursache aus. Handelt es sich um einen bundes­po­li­ti­schen Effekt, oder ist die eindeutig rechts positio­nierte Bundes-AfD wählbarer, als die sich unter Markus Pretzell gemäßigter gebende Landes-AfD ? Dagegen spricht das eher stabile, jedoch margi­nale NPD-Ergebnis, die nach 567 Stimmen im Mai immer noch von 423 Nazis in Wuppertal gewählt wurde.

AfD kann überall dazuge­winnen

Bei Betrach­tung der Wupper­taler Einzel­er­geb­nisse fällt zunächst auf, dass die AfD in allen Wahlbe­zirken, also in allen Milieus und allen Lagen, in ähnli­cher Weise dazu gewinnen konnte. Negativ inter­pre­tiert bedeutet das, dass auch Viertel mit noch im Mai sehr schlechten Ergeb­nissen für die Partei nicht immun gegen den Rechts­ruck sind. Positiv betrachtet, flacht sich die Kurve der Zugewinne in den bisher als AfD-Hochburgen geltenden Wahlbe­zirken zuneh­mend ab. Ergeb­nisse von mehr als 20% bleiben die Ausnahme (ihr bestes Ergebnis erzielte die AfD mit 24,76% in Ronsdorf-Ost, Wahlbe­zirk 210, 52 Stimmen). Dabei gibt es einzelne Ausreißer, bei denen sich ein genauerer Blick auf die Bedin­gungen lohnen würde. Im Wahlbe­zirk 114 (Steinweg, Barmen 86 Stimmen) ist es der Partei gelungen, mit 22, 75% vor der SPD stärkste Partei zu werden, die hier noch bei der Landtags­wahl fast doppelt soviele Stimmen wie die AfD bekam. (SPD Landtags­wahl : 32,12%; Bundes­tags­wahl : 22,49%)

Auffällig ist die nach wie vor geringe Wahlbe­tei­li­gung in jenen Wahlbe­zirken, in denen die AfD beson­ders gute Ergeb­nisse erzielen konnte. Vielfach liegt dort die Betei­li­gung an der Wahl nach wie vor unter 50%. Ebenso auffällig ist die nach wie vor bestehende Ost/West-Diffe­renz. Mit wenigen Ausnahmen wie Ronsdorf-Ost oder in Vohwinkel (ausge­rechnet im Wahlbe­zirk 88 am Elfen­hang) befinden sich alle Bezirke mit überpro­por­tional hohen AfD-Anteilen in Wupper­tals Osten ; in Barmen, Oberbarmen, Langer­feld und Hecking­hausen. Dass es nicht ein hoher Anteil an Bewoh­ne­rInnen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ist, der beispiels­weise für die Ergeb­nisse in Oberbarmen verant­wort­lich ist, zeigt das Beispiel der im Norden Elber­felds liegenden Gathe, die in Lokal­presse und von AfD-Hetzern oft als Hort des Bösen skanda­li­siert wird. Hier konnte die AfD nur 7,23% holen (42 Stimmen), weit hinter die LINKE, die an der Gathe zweit­stärkste Partei wurde (24,44%, 142 Stimmen).

Alle Einzeler­ge­nisse zeigen, dass die beiden großen Parteien SPD und CDU in ihren Hochburgen jeweils deutlich verloren haben. Doch während im Osten davon vor allem die AfD profi­tierte, war es in einigen Wahlbe­zirken des Elber­felder Nordens die LINKE. Sie konnte zum Beispiel im Wahlbe­zirk Schles­wiger Straße, im Herz des noch bei der Landtags­wahl zwischen rechts und links heftig umkämpften Bezirkes um den Platz der Republik, diesmal mit 24,44% stärkste Partei werden (152 Stimmen). Die AfD erhielt hier ledig­lich 40 Stimmen oder 6,43% (fast gleich­blei­bend zu Mai). In anderen Wahlbe­zirken am Opphof sieht das Wahler­gebnis nicht so gut aus. Auf der östli­chen Seite des Platz der Republik, am Engeln­berg, konnte die AfD die LINKE jetzt als dritte Kraft ablösen (AfD 13,38%, 84 Stimmen, die LINKE 11,62% 66 Stimmen). Die „andere Seite“ der Elber­felder Nordstadt bleibt also, bei konstant niedriger Betei­li­gung und teils katastro­phalen Ergeb­nissen für SPD und CDU,  ein umkämpftes Gebiet.

Der Ölberg bleibt nach wie vor Ort linker Hegemonie. Die LINKE konnte bei schon vorher guten Werten auch bei der Bundes­tags­wahl nochmals deutlich zulegen. Am Hombü­chel (29,67%, 214 Stimmen), in der Marien­straße (28,20%, 247 Stimmen) und auch in der Helmholtz­straße (26,37% 173 Stimmen) wurde sie stärkste Partei. Die AfD kam in diesen Bezirken auch diesmal nicht über die 5%, konnte aber dennoch überall an absoluten Stimmen rund 30% zulegen. Das sind im Vergleich zur Landtags­wahl im Mai jeweils zwischen sieben und zehn in der unmit­tel­baren Nachbar­schaft wohnende Wähle­rInnen mehr. Auch auf dem Ölberg gibt es Wahlbe­zirke mit größeren AfD-Zugewinnen. Sie konnte im Wahlbe­zirk 10 (das Gebiet Ekkehard­straße, Grüne­walder Berg und der untere Teil des Ölberges) zum Beispiel ihr Ergbnis von 2,91% auf 6,37% steigern. Gleich 18 Nachba­rInnen mehr als im Mai haben hier nun rassis­tisch gewählt, bei der Landtags­wahl waren es nur 13 gewesen.

Der Kampf gegen Rechts wird in den Vierteln geführt

Das macht deutlich, dass auch die Gegenden, in denen sowohl im Alltag als auch bei den Wahlen bislang kaum etwas vom Rechts­ruck der Gesell­schaft zu spüren gewesen ist, nicht immun dagegen sind. Es wäre ein Fehler zu glauben, die oft so genannten „Wohlfühl­kieze“ als dauer­haft gesichert gegen rassis­ti­sche Tendenzen anzusehen. Denn was bedeutet „Wohlfühl­kiez“ über (noch) beruhi­gende Wahler­geb­nisse hinaus ? Wenn die Wahlbe­zirke betrachtet werden, in denen die AfD eher wenig Zustim­mung findet, dann lässt sich häufig ein großes zivil­ge­sell­schaft­li­ches Engage­ment auch außer­halb der Wahlpe­ri­oden feststellen. Viele Initia­tiven und Inter­ven­tionen – nicht zuletzt auch linke – sind für ein Klima verant­wort­lich, in dem sich eine Kritik am Bestehenden eher konstruktiv artiku­liert. Diese Alltags­ar­beit jedoch ist im wahrsten Sinn des Wortes viel zu oft prekär – unhono­riert, freiwillig und sie wird sehr oft mit zu wenigen Aktiven geleistet. Kleine Änderungen der Lebens­um­stände der Betei­ligten oder der Umgebung können ausrei­chen, die Arbeit in den Kiezen einschlafen zu lassen.

Wenn Viertel, die über sehr hetero­gene Nachbar­schaften definiert werden, einen sozio-kultu­rellen Wandel durch­laufen – so, wie es anläss­lich der sehr spezi­ellen Wupper­taler Form von Gentri­fi­zie­rung gerade auf dem Ölberg passiert – besteht die Gefahr, dass zuvor gewach­sene linke Inter­ven­ti­ons­mög­lich­keiten margi­na­li­siert werden können, wenn nicht bewusst an ihnen weiter­ge­ar­beitet wird. Da kann die Schlie­ßung einzelner Lokale die als Orte des Austauschs dienten, schon reichen, wesent­lich an Einfluss zu verlieren. Dabei geht es nicht um Agita­tion sondern um perma­nenten Austausch mit den Nachba­rInnen. Es geht darum, ein Gesamt­klima zu schaffen, in dem rechte Entwick­lungen gar nicht Fuß fassen können. Angesichts von etwa 50% Nicht­wäh­le­rInnen auch auf dem Ölberg könnten auch dort Wahler­geb­nisse künftig überra­schend negativ ausfallen, wenn die Erwei­te­rung von Sagbar­keits­räumen und rechte Diskurs­ver­schie­bungen zugelassen werden. Ähnli­ches gilt für die Gegend um den Mirker Bahnhof und die Wiesen­straße.

Die nach der Landtags­wahl disku­tierte Alter­na­tive, besser in anderen, scheinbar schon „gekippten“ oder zumin­dest „umkämpften“ Vierteln zu inter­ve­nieren statt sich auf das eigene Quartier zu konzen­trieren, ist keine. Die eigenen Viertel dürfen nicht vernach­läs­sigt werden, so richtig es zweifellos ist, ein rechtes Überge­wicht auch in Hecking­hausen oder Ronsdorf nicht einfach hinzu­nehmen. Doch schon nach der Landtags­wahl stellte sich die Frage, wie das von der radikalen wie der parla­men­ta­ri­schen Linken gestemmt werden soll. Ohne die eigene Basis zu vergößern, wird das nicht funktio­nieren. Bevor Inter­ven­tionen außer­halb eigener Zonen erfolgen können, muss deshalb in Teilen ein Neuaufbau statt­finden. Es könnte sein, dass der „Schock“, den viele angesichts der Wahl dann doch empfunden haben, eine Reorga­ni­sa­tion auf breiterer Basis erleich­tert.

Doch bevor das passiert ist, stellt sich eine ganz andere Frage : Was ist eigent­lich mit den großen Parteien ? Auch wenn sie bundes­weit zur Zeit darum bemüht zu sein scheinen, die AfD rechts überholen zu wollen, ihre katastro­phalen Ergeb­nisse auf lokaler Ebene müssten auch sie eigent­lich motivieren, gegen­zu­steuern. Es geht ja auch um „ihre“ Viertel. Es kann nicht sein, dass Alltags­en­ga­ge­ment und „demokra­ti­sche Inter­ven­tion“ weiterhin an Antifa und Linke delegiert werden, die man ansonsten bekämpft. Mehr noch als in Sonntags­reden der Bundes­po­li­ti­ke­rInnen wird sich in den nächsten Jahren an der Präsenz in den Quartieren und Nachbar­schaften festma­chen lassen, ob die „demokra­ti­sche Mitte“ gewillt ist, dem Rechts­ruck etwas entge­gen­zu­setzen. Ein vierjähr­li­cher „Türklin­gel­wahl­kampf“ oder bei Straßen­festen feilge­bo­tene Bratwürste werden dafür aber nicht reichen – da müsste schon mehr kommen. Wenn sie sich perso­nell oder inhalt­lich nicht dazu in der Lage sehen, sollten sie zumin­dest dafür sorgen, dass in der Stadt mehr Mittel als bisher für gesell­schaft­liche Initia­tiven bereit gestellt werden.

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13.574 Wuppertaler wählen rechts

Im Nachgang zur in unserer Reihe „Politik in der Rechts­kurve” dazwi­schen gescho­benen Veran­stal­tung am 2. Mai zum Umgang der radikalen Linken mit den diesjäh­rigen Wahlen mit Bernhard Sander (die LINKE), haben wir uns ein wenig mit den Ergeb­nissen der Landtags­wahl in Nordrhein-Westfalen beschäf­tigt.

Ein Haufen Zahlen aus Wuppertal

Unabhängig vom Verhältnis der radikalen Linken zum Parla­men­ta­rismus müsste die Beschäf­ti­gung mit den Ergeb­nissen einer Wahl Standard radikal linker Politik sein. Nirgends findet sich ein so detaill­rei­ches Bild von der Stadt­ge­sell­schaft und den Nachbar­schaften wie in den Stimm- und Kommu­nal­wahl­be­zirken. Es sind Hinweise auf Inter­ven­ti­ons­mög­lich­keiten und -notwen­dig­keiten und sie helfen dabei, die Stimmungs­lage auch in den Quartieren einzu­schätzen, die nicht zur eigenen Filter­blase gehören. Bei der Betrach­tung der Ergeb­nisse der Landtags­wahl haben wir uns auf die Kommu­nal­wahl­be­zirke beschränkt. Wer sich für noch genauere Ergeb­nisse inter­es­siert, kann sich auf der Seite der Stadt Wuppertal auch das Abstimm­ver­halten der direkten Nachba­rInnen im eigenen Stimm­be­zirk anschauen. Dort kann zum Beispiel nachge­sehen werden, ob es im direkten Umfeld Nazis gibt und wenn ja, wie viele.

Das wichtigste Ergebnis zuerst : Die Tatsache, dass die AfD in Wuppertal so gut wie keinen Wahlkampf führte (es gab z.B. gar nicht erst den Versuch der Plaka­tie­rung), hat der Zustim­mung zur Partei in der Stadt keinen Abbruch getan. Ihr Ergebnis fiel mit 8,51% sogar ein Prozent besser aus als im Landes­schnitt. Insge­samt gaben 12.585 Menschen in Wuppertal ihre Stimme der AfD. Mit ihrem Ergebnis liegt die AfD im Tal in zwei von drei Wahlkreisen auch vor der LINKEN. Nur im Wahlkreis Wuppertal II, das ist Elber­feld (mit dem Ölberg und der Nordstadt), konnte die LINKE ein knapp besseres Ergebnis erzielen als die AfD (8,04% zu 7,50%).

Für insge­samt 567 Wupper­ta­le­rInnen war die AfD jedoch noch nicht rechts genug. Sie wählten die NPD. Das waren aller­dings 304 Stimmen weniger als 2012. Hinzu kommen anderer­seits aber 206 Stimmen für die Republi­kaner und 81 Stimmen für die krimi­nellen Hardcore-Nazis von „die Rechte“, sowie 134 Stimmen für die „Initia­tive Volks­ab­stim­mung“, die 2012 allesamt nicht zur Wahl angetreten waren.

Anders als die „klassi­sche Rechte“, die am Ölberg nie ein Bein auf den Boden brachte, konnte die AfD auch dort dreistel­lige Anzahlen an Stimmen einsam­meln, wenn auch deutlich weniger als im übrigen Stadt­ge­biet. Im Kommu­nal­wahl­be­zirk Hombü­chel, in dem die LINKE zweit­stärkste Partei noch vor CDU und den Grünen wurde, erhielt die AfD 155 Stimmen (3,89%), 8 Menschen wählten hier zudem die NPD ; am Höchsten waren es 161 (5,25%) Stimmen für die AfD, 9 Stimmen für die NPD. Eine Stimme gab es hier für die Nazis von „die Rechte“. Am Osters­baum wählten 290 Menschen die AfD (8,84%), aber auch 378 die LINKE (11,25%). Hier wählten darüber­hinaus 20 Leute die Nazis von NPD oder „die Rechte“. Die Betei­li­gung an der Wahl lag am Osters­baum signi­fi­kant unter dem Stadt­durch­schnitt (knapp 50%), was den großen Parteien nicht gut getan hat. Es ist der polari­sier­teste Kommu­nal­wahl­be­zirk der Stadt. Von der Hälfte der Wahlbe­rech­tigten die wählten, wählten 20% die LINKE oder AfD. Der Osters­baum ist mehr denn je ein Nordstadt-Quartier auf der Kippe.

Die Hochburgen der Rechten finden sich an den beiden Enden der Stadt : Im Westen in Vohwinkel-Ost (9,7%, 403 AfD-Stimmen, 19 Stimmen NPD, 7 Stimmen für „die Rechte“) und -West (10,74% oder 374 AfD-Stimmen, 10 Stimmen für die NPD und 2 für „die Rechte“), sowie ab dem Loh in Richtung Osten. Im Osten Wupper­tals konnte die AfD zum Teil drama­tisch gute Ergeb­nisse erzielen (Loh : 11,61%, bzw. 412 Stimmen für die AfD, 16 Stimmen NPD plus 5 Nazis für „die Rechte”). Ähnlich waren die AfD-Ergeb­nisse in Barmen-Mitte (326 Stimmen, bzw. 10,51%, 15 NPD-Stimmen plus 7 Stimmen für „die Rechte“), sowie am Sedans­berg (284 Stimmen oder 10,18% für die AfD, 22 Stimmen für die NPD und 2 „die Rechte“-WählerInnen). Noch übler sieht es in Oberbarmen und Langer­feld-Nord aus. Hier konnte die AfD 13,65% (oder 323 Stimmen) bzw. 12,49% (oder 522 Stimmen) abgreifen. Hinzu kommen 21 bzw. 36 Stimmen für die Nazi-Parteien NPD und „die Rechte“. In beiden Wahlbe­zirken lag die Betei­li­gung an der Wahl deutlich unter 50% (in der Stadt gesamt waren es 62%). Weitere Kommu­nal­wahl­be­zirke, in denen es eine niedrige Wahlbe­tei­li­gung gab und die AfD zweistel­lige Ergeb­nisse holte, waren Wichling­hausen-Süd und -Nord (10,60%, und 10,76% bzw. 286 und 398 Stimmen, sowie 32 bzw. 23 Stimmen für NPD und „die Rechte“) sowie Nächs­te­breck und Hecking­hausen-Ost (10,35% oder 539 Stimmen für die AfD, 22 Stimmen für die Nazi-Parteien bzw. 11,83%, 420 Stimmen und 26 Stimmen für die Nazi-Parteien). Auch in Hecking­hausen-West waren es fast 10% (9,10%). In allen genannten Wahlbe­zirken lag die LINKE deutlich hinter der AfD, beson­ders schlimm ist dies in Nächs­te­breck und Langer­feld.

Insge­samt lässt sich feststellen, dass das Auftau­chen der AfD deutli­cher als je zuvor macht, dass sich von den „Wohlfühl­zonen“ einiger Elber­felder Quartiere niemand blenden lassen darf – es gibt eben auch ein Leben außer­halb des Ölbergs. Auch die zumeist mit einem Kräfte­ver­hältnis von zehn zu eins statt­fin­denden antifa­schis­ti­schen Aktivi­täten gegen Nazi-Aufmär­sche und rechte Kundge­bungen sollten nicht zum Irrtum verleiten, sie reprä­sen­tierten das Gesamt­kräf­te­ver­hältnis in der Stadt. Speziell in den als „soziale Brenn­punkte“ bezeich­neten Quartieren haben sich sehr viele derer die wählen dürfen, vom Parla­men­ta­rismus vollständig verab­schiedet. Das Ergebnis sind zwar schreck­liche Wahler­geb­nisse für die AfD, doch bedeuten überpro­por­tional rechte Wahler­geb­nisse jedoch nicht, dass dort auch tatsäch­lich überpro­por­tional rechts gewählt würde. Es lohnt sich ein Blick auf die absoluten Zahlen der Stimmen : Davon ausge­hend, dass rechte Parteien ihr Klientel zuver­lässig an die Wahlurnen gebracht haben, relati­viert sich das Bild, die rechten Parteien würden von den so genannten „Unter­schichten“ häufiger gewählt als von der „Bürger­li­chen Mitte“. Für Oberbarmen ergibt ein um die niedrige Wahlbe­tei­li­gung berei­nigtes Ergebnis beispiels­weise knapp 10% AfD-Stimmen statt der 13,65%, die das Spitzen­er­gebnis in Wuppertal darstellen. Umgekehrt ergäbe sich auf dem gleichen Weg für ein eher bürger­li­ches Viertel mit überduch­schnitt­lich hoher Wahlbe­tei­li­gung wie Cronen­berg-Süd auch ein berei­nigter AfD-Anteil von knapp 9,5%. Gleich­zeitig räumt das auch mit dem Klischee auf, in Vierteln mit beson­ders hohem Migra­ti­ons­an­teil seien Rechte erfolg­rei­cher.

Und was bedeutet das alles ?

Im Gespräch mit Bernhard Sander waren ähnliche Ergeb­nisse auch für den ersten Wahlgang zur franzö­si­schen Präsi­dent­schafts­wahl festge­stellt worden. Die oft gehörte These, es seien vor allem „sozial Schwache“, die den Front National wählen würden, erweist sich auch dort als voreilig, wenn die niedrige Wahlbe­tei­li­gung in bestimmten Gegenden berück­sich­tigt wird. Es ist eine sehr weitge­hende politi­sche Absti­nenz der Bevöl­ke­rung, die rechten Parteien dort oft hohe Ergeb­nisse bringt – siehe Oberbarmen. Die tatsäch­liche Veran­ke­rung rechter Parteien in der Bevöl­ke­rung diffe­riert hingegen weniger als viele meinen ; ohne die Erkenntnis, dass die AfD „in der Mitte der Gesell­schaft“ ebenso veran­kert ist wie an ihren Rändern, werden sich wirkungs­volle Strate­gien gegen den Rechts­ruck jedoch kaum entwi­ckeln lassen. Wuppertal wurde auch bei dieser Wahl wieder von der SPD „gewonnen“, und nicht zuletzt die Tatsache, dass die Partei alle drei Direkt­kan­di­daten „durch­ge­bracht“ hat, wird ihr den Blick darauf verstellen, wie drama­tisch dieser Rechts­ruck jenseits ihrer eigenen Abschiebe- und Law and Order-Politik auch in Wuppertal gewesen ist. Das lässt sich am besten an den absoluten Zahlen der Stimm­ver­luste, bzw. -gewinne bei der Wahl ablesen. Insge­samt haben die Parteien „rechts der Mitte“ – also AfD, CDU und FDP – in der Stadt 31.107 Stimmen im Vergleich zur letzten Wahl gewonnen ; SPD, Grüne und Piraten verloren hingegen 25.717 Stimmen ; mit 8.088 Stimmen weniger haben im Übrigen die Grünen mehr Stimmen verloren als die SPD (- 7.820 ; Piraten minus 9.809). Auf der anderen Seite konnte ledig­lich die LINKE mit einem Stimmen­plus von 4.336 gegen den Trend abschneiden. Umgerechnet auf das Gesamt­er­gebnis haben die die Parteien „links“ von der CDU also im Vergleich zu 2012 round­about 20% verloren. Das ist jede/r Fünfte.

Damit liegt Wuppertal absolut im Trend aller in diesem Jahr statt­ge­fun­denen Wahlen. Sowohl inter­na­tional (Nieder­lande, Frank­reich), als auch in Deutsch­land (Saarland, Schleswig-Holstein, jetzt Nordrhein-Westfalen), verlieren Sozial­de­mo­kraten und links von Liberal-Konser­va­tiven angesie­delte Parteien drama­tisch. Gleich­zeitig zeigt sich bei mehreren liberal-konser­va­tiven Parteien ein Drift zum Autori­ta­rismus. Sowohl Macron in Frank­reich als neuer­dings auch der ÖVP-Jungstar Kurz in Öster­reich propa­gieren eine ganz auf ihre Person zugeschnit­tene Politik, für die sie die Auflö­sung bishe­riger Partei­struk­turen in Kauf nehmen. Zur Mitte dieses Wahljahres lässt sich feststellen, dass die Antwort der bürger­li­chen Klasse auf die Heraus­for­de­rung durch Rechte eine Wieder­kehr reaktionär-autokra­ti­scher Politik­kon­zepte zu sein scheint. In NRW wird das (mögli­cher­weise in abgemil­deter Form), in den nächsten fünf Jahren zu erleben sein. Umso bedau­er­li­cher ist es, dass es für die LINKE zum Einzug in den Landtag nicht reichte, weil gerade einmal 8.561Stimmen gefehlt haben. Allen auch schweren politi­schen Diffe­renzen zum Trotz wird ein Gegenpol zur AfD im Landtag fehlen. Und die Bedeu­tung eines „parla­men­ta­ri­schen Arms“, über die wir bei unserer Diskus­sion viel mit Bernhard Sander gespro­chen haben, wird vielen (auch jenen 1.006 Menschen, die dem Spaßfaktor der PARTEI in Wuppertal den Vorzug gegeben haben) sicher noch aufgehen. Während die zu erwar­tende CDU/FDP-Landes­re­gie­rung noch skrupel­loser als die alte Abschie­bungen (auch nach Afgha­ni­stan) forcieren wird, wird es erstmals seit sieben Jahren keine frühzei­tigen Termine zu beabsich­tigten Sammel­ab­schie­bungen mehr geben. Auch auf parla­men­ta­ri­sche Anfragen wie zum Racial Profiling an Silvester in Köln oder eine kriti­sche Betei­li­gung an Unter­su­chungs­aus­schüssen wie dem zum NSU wird verzichtet werden müssen, während die rechte AfD alle diese Möglich­keiten ab sofort hat und für Anti-Antifa-Arbeit nutzen wird. (An dieser Stelle auch ein Danke an einzelne Piraten im letzten Landtag, die vielfach hilfreiche Arbeit gemacht haben.)

Für die radikale Linke bedeuten die Ergeb­nisse neben des Alarms wegen des Erfolgs für die AfD vor allem eines : Auch in politi­sierten Zeiten wie in diesem Jahr (in denen die allge­meine Wahlbe­tei­li­gung steigt) gibt es in weiten Teilen der Bevöl­ke­rung eine völlige Abwen­dung von „offizi­eller“ Politik, die tatsäch­lich in einer schweren Krise steckt. Wo Hipster und Öko-Bourgeois sich einem Schaum­schläger wie dem für die Grünen kandi­die­renden Jörg Heynkes zuwenden, der immerhin 14.756 Stimmen im Tal holte, bleiben in den „sozialen Brenn­punkten“ nach wie vor die meisten bei einer Wahl einfach zuhause – die einen, weil sie mangels Pass nicht wählen dürfen, die anderen weil sie offenbar definitiv nichts mehr erwarten. Die radikale Linke weiß seit langem, dass ihre Politik dort, außer­halb der eigenen Wohlfühl-Oase präsent sein müsste, will sie den Rechten nicht mittel­fristig das Feld überlassen. In Betrach­tung des üblen Rechts­rucks in der Stadt und des Erfolgs der AfD wäre jetzt höchste Zeit, das lange Bekannte umzusetzen. Angesichts der eigenen Verfas­sung wäre es vermessen zu glauben, die radikale Linke könnte zum Beispiel in Oberbarmen oder in Langer­feld erfolg­reich nebenbei inter­ve­nieren. In beiden Quartieren muss schon jetzt von einer schlechten Ausgangs­po­si­tion gespro­chen werden. Hier müsste zunächst einmal ein viel inten­si­verer Kontakt zu den dort lebenden Migranten und Migran­tinnen aufge­baut werden, um die drohende Hegemonie rechter Diskurse zu brechen. Doch nebenan, am Osters­baum, ist lange nichts entschieden : Das Viertel ist polari­siert und desil­lu­sio­niert. Eine Konse­quenz für die radikale Linke aus den Wahler­geb­nissen müsste sein, den Kampf um den „anderen Berg” jetzt aktiv zu führen und zu inten­si­vieren.

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