Which side are you on ? Demos in Solingen und Düsseldorf

aufruf_titel

Panische Reaktionen auf Kontroll­ver­lust

Seit Wochen erleben wir den Versuch von Ordnungspolitiker*innen, Nazis und dem rassis­ti­schen Teil der Gesell­schaft durch Hetze und struk­tu­relle Gewalt in Massen­la­gern eine angeb­lich nicht zu bewäl­ti­gende « Flücht­lings­krise » zu konstru­ieren. Viele Medien, die noch im Sommer in ihren Leitar­ti­keln eine « Willkom­mens­kultur » ausmachten, betreiben die gesell­schaft­liche Polari­sie­rung inzwi­schen mit. Eine Stimmung, die vieler­orts einfach nicht « kippen » will, soll um jeden Preis zum « kippen » gebracht werden. Gleich­zeitig versucht speziell Bundes­in­nen­mi­nister De Maiziére durch ständige, gegen Geflüch­tete gerich­tete Anord­nungen und in schneller Abfolge neu formu­lierte Forde­rungen nach einer Asylrechts­ver­schär­fung vollendete Tatsa­chen zu schaffen, denen Parteien und Parla­mente hinter­her­he­cheln. Noch bevor die letzte Asylrechts­än­de­rung von Oktober diesen Jahres auf Verfas­sungs­ver­stöße geprüft werden konnte, wird bereits die nächste Verschär­fung gefor­dert, die wieder im Höchst­tempo durch Bundestag und Bundesrat geprü­gelt werden soll.

Es ist der Versuch der Verfechter von « Law and Order », eine Kontrolle zurück­zu­ge­winnen, die ihnen durch die Autonomie der Migra­ti­ons­be­we­gung im Sommer entglitten war. Lange Unvor­stell­bares wurde Realität : Viele Grenzen wurden massen­haft überwunden, die Abgabe von Finger­ab­drü­cken auf der Flucht­route obsolet, die « Dublin»-Regelung de facto zertrüm­mert und die Flüch­tenden wählten ihre Aufent­halts­orte oft selber. Selbst Deutsch­land, das zuvor von Italien und anderen Ländern die notori­sche Regis­trie­rung von Durch­rei­senden im Befehston einge­for­dert hatte, verzich­tete darauf und schuf statt­dessen teilweise gar Struk­turen, die den Menschen die Weiter­reise an ihren Zielort ermög­lichten. Für einige Wochen war die Vision eines oft beschwo­renen Europa ohne Grenzen beinahe Realität : Wer kommen wollte, kam, und wie und wo er oder sie leben wollte, konnte teilweise selber entschieden werden.

Die Reaktion in weiten Teilen der Gesell­schaft darauf war bemer­kens­wert : Seit September engagieren sich viele Tausende in den verschie­densten Projekten, immer mehr persön­liche Kontakte entstehen, und nach und nach entwi­ckelt sich auch ein breiterer Diskurs über das zukünf­tige Zusam­men­leben in den Städten und in den Nachbar­schaften. Und allen Polari­sie­rungs­ver­su­chen zum Trotz ist nicht zu erkennen, dass sich daran etwas ändert, die Gesell­schaft scheint mehrheit­lich bislang nicht bereit, sich in Abgren­zung und Hass treiben zu lassen. Jene, die ein autori­täres Ordnungs­system und ein völki­sches Identi­fi­ka­ti­ons­kon­zept vertreten, reagieren darauf panisch-aggressiv und zuneh­mend auch militant : Hunderte von Anschlägen auf geplante oder bewohnte Unter­künfte für Refugees und ein sich steigernder Strom rassis­ti­schen Hasses in ihren asozialen Netzwerken sprechen eine deutliche Sprache. Dabei werden sie auf der Straße von sich als « neue SA » gebenden Hooli­gans aber auch politisch massiv unter­stützt.

Das Ende der neoli­be­ralen « offenen Gesell­schaft »

Denn außer « Pegida » und AfD agieren von Beginn an auch Vertreter*innen der so genannten « bürger­li­chen » Parteien als willfäh­riger politi­scher Arm eines proto­fa­schis­ti­schen Mobs, indem sie dessen geifernde Gier nach Gewalt und Ausgren­zung, nach Abschre­ckung, Inter­nie­rung und Depor­ta­tion ausfor­mu­lieren und in immer neue Geset­zes­vor­schläge gießen. Diese Koope­ra­tion zwischen Nazis, Hooli­gans, « besorgten » Rassisten aus der gesell­schaft­li­chen Mitte und den ordnungs­po­li­ti­schen Hardli­nern vom Schlage De Maiziéres oder Seeho­fers dient dabei dem Zweck, einen gesell­schaft­li­chen « Notstand » zu konstru­ieren. Unter dem so entste­henden « Handlungs­druck » werden dann Verschär­fungen oder gar eine vollstän­dige Abschaf­fung des Asylrechts vorbe­reitet. Um die bis heute unkon­rol­lier­bare Bewegung der Migra­tion zu stoppen, wird dabei alles in die Wagschale geworfen, was gestern noch den Kern des herrschenden europäi­schen Identi­täts­kon­strukts ausmachte : Das Schengen-Abkommen, die offenen Grenzen, oder demili­ta­ri­sierte Zivil­ge­sell­schaften.

Vor dem Hinter­grund, dass viele der Anordungen und Geset­zes­än­de­rungen zunächst ohne größere konkrete Wirkung bleiben, da sie organi­sa­to­risch oder struk­tu­rell momentan gar nicht umsetzbar sind, lässt sich diese Politik nur durch die Motiva­tion erklären, jetzt Weichen­stel­lungen für eine autoritär-ordnungs­po­li­ti­sche Zukunft in die Wege zu leiten. Angesichts einer weiter zuneh­menden Migra­ti­ons­be­we­gung sollen die legis­la­tiven und gesell­schaft­li­chen Voraus­set­zungen dazu geschaffen werden, die « Festung Europa » auch mit Maßnahmen abzusi­chern, die jetzt noch von Menschen­rechts-Diskursen oder morali­schen Skrupeln verhin­dert werden. Das Europa, dass da geschaffen werden soll, wird mit dem bisher vorherr­schenden neoli­be­ralen Konzept einer « offenen Gesell­schaft » kaum noch etwas zu tun haben.

Die Ausein­an­der­set­zungen um weitere Geset­zes­ver­schär­fungen weisen daher weit über die tages­ak­tuell disku­tierten Zusam­men­hänge hinaus : Sie sind Teil eines wesent­lich größeren und folgen­schwe­reren Konflikts um gesamt­ge­sell­schaft­liche Ausrich­tungen, der selbst inner­halb der herrschenden Klasse nicht endgültig entschieden scheint. Dass die autori­tären Konzepte trotz nicht entschie­dener interner Ausein­an­der­set­zungen und trotz einer gesell­schaft­li­chen Mehrheit gegen autori­täre Abschot­tungs­kon­zepte aktuell durch­ge­setzt werden können, liegt an verschie­denen Faktoren. Neben der jeder demokra­ti­schen Entschei­dungs­fin­dung spottenden Geschwin­dig­keit, mit der die jeweils letzten Forde­rungen auf Zuruf umgesetzt werden, ist es vor allem die Verschie­bung der Diskus­si­ons­ebenen auf kurzfris­tigste und zum Teil mutwillig produ­zierte « Problem­lagen », die vom weitrei­chenden Inhalt der Entschei­dungen ablenken.

Which side are you on ?

Doch es ist auch eine seltsam gelähmte radikale antiras­sis­ti­sche Linke und eine weitver­brei­tete Unauf­merk­sam­keit vieler « zivil­ge­sell­schaft­li­cher » Akteure, die De Maiziére und Co in die Hände spielen. Viele, die mit einer immer bruta­leren Abschot­tung Europas ganz sicher nicht einver­standen sind, engagieren sich zur Zeit mit und für Geflüch­tete : Ihnen fehlt zwischen den Projekten und der Hilfe bei alltäg­li­chen Problemen einfach die Zeit für eine Ausein­an­der­se­tung. Doch mit dem Mitte November vorge­legten Entwurf des Bundes­in­nen­mi­nis­ters für ein erneut drastisch verschärftes Asylrecht sollte spätes­tens klarge­worden sein, dass dem ordnungs­po­li­ti­schen Amoklauf etwas entge­gen­ge­setzt werden muss.

Es entscheidet sich jetzt, ob Flucht nach Europa möglich bleibt, oder ob es zukünftig auch militä­risch gegen die « Autonomie der Migra­ti­ons­be­we­gung » vorgehen wird, so, wie es jetzt bereits an der Grenze zwischen Mazedo­nien und Griechen­land geschieht. In diesem Konflikt wird auch entschieden, ob die rassis­tisch-völki­schen Vorstel­lungen des Mobs in Zukunft offen die politi­sche Agenda bestimmen oder ob sie in jene muffig-miefigen Umgebungen zurück­ge­drängt werden können, aus denen sie sich in weiten Teilen des Landes in der Vergan­gen­heit nicht heraus­trauen konnten. Es ist notwendig, für eine Zeit gemeinsam die vielen Hilfs­pro­jekte und die sich oft zu selbst­ge­wissen Zonen antifa­schis­ti­schen Wider­stands zu verlassen : Lasst uns jetzt zusammen die « Innen­mi­nis­ter­krise » lösen ! Lasst uns das neue Asylrecht verhin­dern und die Autonomie der Migra­ti­ons­be­we­gung und die Flüch­tenden vertei­digen !

Wir rufen gemeinsam mit « welcome2wuppertal » für Samstag, 5.12. zur Teilnahme an zwei Demons­tra­tionen in der Region auf :

Die Autonomie der Migra­ti­ons­be­we­gung und die Flüch­tenden vertei­digen !
Innen­mi­nister stoppen ! Asylrechts­ver­schär­fung verhin­dern !

11 Uhr : Demons­tra­tion « Bunt statt Braun » in Solingen
15 Uhr : Demons­tra­tion « Öffnet die Grenzen ! » in Düssel­dorf
19 Uhr : w2wtal-Abend im Café Stil Bruch in Wuppertal

Um 11:00 Uhr begint in der Nachbar­stadt Solingen vor der Postfi­liale in der Birker­straße eine Demons­tra­tion des Bündnisses « Bunt statt Braun », zu der auch emanzi­pa­to­ri­sche Zusam­men­hänge aus Solingen aufrufen ; um 15:00 Uhr startet im Anschluss in Düssel­dorf eine Demons­tra­tion von Geflüch­teten und befreun­deter Initia­tiven unter dem Motto « Öffnet die Grenzen » vor dem DGB-Haus in der Fried­rich-Ebert-Straße. Abschlie­ßend besuchen wir den w2wtal-Abend in der « Refugees Welcome-Area Ölberg » im Café Stil-Bruch am Otto-Böhne Platz auf dem Elber­felder Ölberg, bei dem gemeinsam mit Geflüch­teten gekocht, gegessen und gefeiert wird (Beginn : 19:00 Uhr).

Artikel teilen

Kobanê ruft zur Tat ! Aufruf zur Demo in Düsseldorf

Heute Mittag erreichten uns die bitteren Nachrichten vom Fall des YPG/YPJ-Haupt­quar­tiers in der seit Wochen belagerten Stadt Kobane in Rojava. Es wird noch gekämpft in der Stadt. Vertei­digt werden nicht nur die Menschen, sondern auch ein emazi­pa­to­ri­sches Projekt. Wir fordern alle emanzi­pa­to­ri­schen Kräfte auf, sich mit dem Wider­stand in Rojava zu solida­ri­sieren !

Für den morgigen Samstag – 11.Oktober –  wird von einer Vielzahl von Organi­sa­tionen zu einer bundes­weiten Solida­ri­täts­demo für den Wider­stand in Rojava und in der Stadt Kobane aufge­rufen. Wir schließen uns dem Aufruf des Antifa AK Cologne an, den wir hier dokumen­tieren :

Biji Berxwe­dana Kobanê !
Es lebe der Wider­stand in Kobanê !

Demokra­ti­sche Selbst­ver­wal­tung statt IS-Dschi­ha­dismus !

Kurdish girl shouts slogans as thousands of Turkish Kurds gather to celebrate Newroz in Diyarbakir

Die Todes­banden der selbst­er­nannten “Gotteskrieger*innen” des “Islami­schen Staates” (IS) sind seit der Nacht vom fünften auf den sechsten Oktober in die kurdi­sche Stadt Kobanê einge­fallen – es droht ein Massaker an der dort verblie­benen Bevöl­ke­rung. Weltweit haben Kurd*innen seit Wochen an die Weltöf­fent­lich­keit appel­liert, ihnen das Recht zur Selbst­ver­tei­di­gung und des Schutzes ihres Lebens einzu­räumen. Doch die Welt schweigt.

Die kurdi­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräfte Yekîneyên Paras­tina Gel (YPG) und die Frauen­ver­tei­di­gungs­kräfte Yuh-Pah-Juh (YPJ) vertei­digen Kobanê bis zur letzten Patrone gegen den Ansturm der hochge­rüs­teten Dschihadist*innen des „Islami­schen Staates“. Mit veral­teten Waffen, Mut und sehr viel Entschlos­sen­heit gelang es ihnen, den Vormarsch zu verlang­samen. Dabei vertei­digen die YPG/YPJ zur Stunde in Kobanê nicht nur ihr eigenes Leben und das Leben der Bevöl­ke­rung, sondern die kurdi­sche Selbst­ver­wal­tung und deren emanzi­pa­to­ri­schen Errun­gen­schaften wie Basis­de­mo­kratie und Frauen­par­ti­zi­pa­tion. In Kobanê kämpfen die Menschen nicht nur für das Leben, sondern vertei­digen die Idee der univer­sellen Humanität.

Die Wahrheit ist konkret. – Demokra­ti­sche Selbst­ver­wal­tung oder IS-Dschi­ha­dismus ?

Der Terror des Assad-Regimes und der Bürger*innenkrieg in Syrien haben ein unermess­li­ches Leid über die Bevöl­ke­rung gebracht und Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Der „Islami­sche Staat“ nutzte die aus dem Bürger*innenkrieg entstan­dene humani­täre wie politi­sche Krise zur Expan­sion ; dort kämpfte er faktisch an der Seite des Assad-Regimes, indem er konkur­rie­rende dschi­ha­dis­ti­sche Gruppen wie die Al-Nusra-Front, aber auch die Freie Syrische Armee und die demokra­ti­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräfte der Kurd*innen, bekämpft hat.

Trotz der katastro­phalen Auswir­kungen des Krieges haben die Menschen in Westkur­di­stan (Nordost­sy­rien) in der Region Rojava seit 2011 begonnen, eine politi­sche und soziale Revolu­tion durch­zu­führen, die eine alter­na­tive Entwick­lung in allen gesell­schaft­li­chen Berei­chen angestoßen hat. Inspi­riert vom Modell des Demokra­ti­schen Konfö­de­ra­lismus wurde eine kommu­nale und regio­nale Selbst­ver­wal­tung durch Rätede­mo­kratie, Frauen­räte und eigene demokra­tisch organi­sierte Sicher­heits­kräfte geschaffen. Die Räte orien­tieren sich an einer multi­eth­ni­schen, multi­re­li­giösen und antipa­tri­ar­chalen Vision jenseits des bürger­lich-kapita­lis­ti­schen Staates. In den Räten ist jede Bevöl­ke­rungs- und religiöse Gruppe vertreten und sie werden immer von einer geschlech­ter­quo­tierten Doppel­spitze geleitet. Im Zentrum dieses basis­de­mo­kra­ti­schen Modells, das angelehnt ist an den kommu­na­lis­ti­schen Anarchismus um Murray Bookchin, steht die Frauen­be­freiung. Zugleich wird versucht eine neue Form von Ökonomie jenseits kapita­lis­ti­scher und “feudaler” Ausbeu­tungs­ver­hält­nisse aufzu­bauen in Form von kommu­nalen Genos­sen­schaften in der Landwirt­schaft wie auch in der Wasser­wirt­schaft und auf dem Energie­sektor. Dieser Versuch eines sozialen Wirtschafts­mo­dells als Antwort auf den Neoli­be­ra­lismus hat unter den schwie­rigsten Umständen von Kriegs­öko­nomie über Militär­ope­ra­tionen bis hin zu Embar­go­po­litik seitens der AKP-regierten Türkei einige Erfolge erreicht. Bei aller Kritik an den Unzuläng­lich­keiten, die gegeben sind, stellen die Anfänge einer demokra­ti­schen Selbst­ver­wal­tung nicht nur eine Bastion gegen den IS-Dschi­ha­dismus, sondern auch eine histo­ri­schen Schritt in Richtung einer Antwort auf die postko­lo­niale Ausbeu­tungs­öko­nomie dar.

Wie einst der europäi­sche Faschismus in der Arbeiter*innenbewegung seinen Erzfeind erkannte, so begreifen die Dschihadist*innen den demokra­ti­schen Aufbruch in Rojava als die größte Gefahr für ihre Vorstel­lung eines Kalifats, also eines rein islami­schen Staates mit Herrschafts­an­spruch über alle musli­mi­schen Menschen der Welt. Geführt wird dieses Projekt vom selbst­er­nannten „Kalifen“ Al Baghdadi. Er spricht jedem anderen Staat in der musli­mi­schen Welt die Legiti­mität ab und befindet ausschließ­lich sein “islami­sches System” für recht­mäßig. Dieses basiert auf den totali­tären (alle Lebens­be­reiche umfas­senden) und unhin­ter­frag­baren politi­schen und „religiösen Macht­be­fug­nissen” von Al Baghdadi. Er allein sei das politi­sche Oberhaupt, er allein sei die “oberste religiöse Autorität“ , er allein zeichnet sich für die “Scharia“, das “göttliche Gesetz“, verant­wort­lich. Wer Al Baghdadi die Huldi­gung verwei­gert, gilt als ein “Abtrün­niger“ (murtadd), was in der Regel das Todes­ur­teil bedeutet. Der “Islami­sche Staat“ ist eine moderne Maschine des Todes, er lebt von einer Vernich­tungs­ideo­logie gegen­über allen “Ungläu­bigen“ und „Abweichler*innen“.

Die scharfe Opposi­tion zu diesem Projekt des Wahnsinns richtet sich nicht primär an der Frage von Religio­sität, in diesem Fall gegen den Islam, aus. Der expan­sive religiöse Funda­men­ta­lismus des “Islami­schen Staates” ist eine höchst autori­täre politi­sche Formie­rung in einem von der Krise politisch wie sozial zerfal­lenen Gebiet, welches sich klar und deutlich als mörde­risch, brutal, funda­men­ta­lis­tisch, sexis­tisch und homophob hervortut. Die Relati­vie­rung dieser politi­schen Dimen­sion auf ein “kultu­relles Phänomen” verdeckt den Bezug auf die kapita­lis­ti­schen Wider­sprüche vor Ort und bedient rassis­ti­sche sowie kultu­ra­lis­ti­sche Argumen­ta­tionen von der politi­schen Rechten. Genauso, wie die kurdi­sche Selbst­ver­wal­tung eine fortschritt­liche Antwort auf die Krisen­haf­tig­keit der Region darstellt, so ist der “Islami­sche Staat” keine “kultu­relle” oder “spiri­tu­elle” Erschei­nung, sondern eine reaktionär-funda­men­ta­lis­ti­sche politi­sche.

Weder Ankara noch Berlin

Während die Menschen zu Hundert­tau­senden vor dem dschi­ha­dis­ti­schen Terror fliehen müssen, erklärt die türki­sche Regie­rung die demokra­ti­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräfte (YPJ/YPG) zu einer vergleichbar großen “terro­ris­ti­schen Gefahr“, während die deutsche Regie­rung durch ihre Handeln dieser Position der türki­schen Regie­rung Rücken­de­ckung gibt. Mit dieser wider­wär­tigen Gleich­set­zung offen­baren Ankara wie Berlin ihre wahren Inter­essen im Nahen Osten. Alle Lippen­be­kennt­nisse den Kurd*innen gegen­über, gegen den IS-Terror prakti­sche Hilfe zu leisten, sind nichts als Lügen-Märchen. Die deutsche Regie­rung verfolgt allein wirtschafts­po­li­ti­sche Inter­essen und steht in geopo­li­ti­schen Fragen an der Seite ihres NATO-Bündnis­part­ners Türkei. Ankara will die drama­ti­sche Situa­tion nutzen um alle demokra­ti­schen Versuche nach mehr Selbst­be­stim­mung der kurdi­schen Bevöl­ke­rung im eigenen Land zu unter­drü­cken und sich zugleich als Beschützer der Sunnit*innen im Nahen Osten aufzu­spielen. Es droht neben dem Massaker an der Bevöl­ke­rung durch den IS auch noch der Einmarsch der türki­schen Armee in die demokra­tisch selbst­ver­wal­teten Gebiete. Ankara lässt die IS-Dschihadist*innen gewähren und unter­stützt diese damit – durch ungestörte Grenz­über­que­rungen oder durch gedul­dete Waffen- und Materi­al­lager in Grenz­nähe. Gleich­zeitig unter­bindet die türki­sche Regie­rung alle verzwei­felten Versuche den Menschen in Kobanê zu helfen mit brutaler polizei­lich-militä­ri­scher Gewalt. Die Katastrophe von Kobanê ist kein Zufall, sie ist der politi­sche Wille der deutschen wie der türki­schen Regie­rung und der vorläu­fige Höhepunkt einer syste­ma­tisch anti-kurdi­schen Politik !

Schluss mit dem Geheu­chel der Regie­rungen !
Humani­täre Hilfe für Kurdi­stan ! Waffen für die YPG/YPJ ! Weg mit dem Verbot der PKK !

Die Menschen in Kobanê werden derzeit weder aus Ankara noch aus Berlin Hilfe erhalten. Es ist an der gesell­schaft­li­chen Linken in der BRD wie in der Türkei das Gewissen der Mensch­heit zu vertei­digen. Aufgrund der Bedro­hung durch den IS-Dschi­ha­dismus bedarf es einer Diskus­sion über andere Kampf­formen und prakti­scher Solida­rität als sie bisher nur in Ansätzen geleistet wurde.
Unmit­tel­barer Ansatz­punkt in der BRD bildet die Lebens­si­tua­tion der geflüch­teten Menschen. Die verlo­gene Moral der bürger­li­chen Regie­rungen zeigt sich im europäi­schen Abschot­tungs­re­gime Frontex. Allein die Etablie­rung eines Ortes, wo Leben und Würde nicht tagtäg­lich bedroht sind, ist die unmit­tel­bare Notwen­dig­keit des tages­po­li­ti­schen Handelns. Gegen die Krimi­na­li­sie­rung der demokra­ti­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräfte von Rojava gilt es die politi­sche Aufklä­rung voran­zu­treiben und das Ende der politi­schen Verfol­gung von kurdi­schen und türki­schen Linken Gruppen einzu­for­dern.

In Nordkur­di­stan (Türkei) und Südkur­di­stan (Irak) und Europa finden grade massive Proteste statt. In vielen europäi­schen Städten besetzen Kurd*innen und Internationalist*innen Medien, Regie­rungs­ge­bäude und Flughäfen. In vielen Teilen Kurdi­stans ist ein Aufstand losge­bro­chen und es kommt zu massiven Ausein­an­der­set­zungen mit Polizei und Militär, wobei inzwi­schen mehr als 22 Menschen ermordet wurden.

Kobanê ruft auf zur Tat !

Artikel teilen