Zweiter Text des AZ zum Mordversuch durch Hogesa-Nazis

Zwei Wochen nach dem Mordver­such durch „Hogesa”-Anhänger an einem Antifa­schisten am Autonomen Zentrum in Wuppertal ist aus dem Umfeld des AZ Wuppertal nun eine zweite, sehr ausführ­liche Erklä­rung zu dem Vorfall veröf­fent­licht worden, die wir hier im Wortlaut dokumen­tieren. Auch von unserer Seite wünschen wir dem verletzten Freund viel Kraft.

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Eine zweite Erklä­rung

Am Samstag­morgen den 11.04.2015 um 1.00 Uhr wurde ein Freund unseres Hauses, ein Antifa­schist mit türki­schem Migra­ti­ons­hin­ter­grund, auf der Straße vor dem Autonomen Zentrum von mehreren Tätern angegriffen und mit zahlrei­chen Messer­sti­chen in den Rücken und zusätz­lich mit stumpfer Gewalt lebens­ge­fähr­lich verletzt. Vorher hatten die drei Männer mit HoGeSa-Sprüchen AZ-Besucher*innen bedroht. Nach dem Messer­an­griff flohen die Männer.

Der Angriff hat uns alle sehr geschockt und betroffen, teilweise sprachlos gemacht. Unsere erste Sorge gilt unserem lebens­ge­fähr­lich verletzten Freund. Er ist nach kurzer Unter­bre­chung wieder im künst­li­chen Koma. Er wird weiterhin intensiv-medizi­nisch behan­delt, sein Zustand ist weiterhin kritisch.

Unsere Gedanken sind bei Dir ! Wir schicken Dir -auch auf diesem Weg- die herzlichsten Grüße und Wünsche und viel Kraft ins Kranken­haus !

Bereits die wenigen oben genannten Fakten zeigen, dass der Angriff eine wesent­liche politi­sche Dimen­sion trägt, die wir im Folgenden genauer aufzeigen.

Täter

Mindes­tens einer der dringend Tatver­däch­tigen ist ein HoGeSa-Nazi. Aufgrund eines Hinweises einer Passantin, nicht etwa durch Ermitt­lungen der Polizei, wurde der HoGeSa-Nazi Patrick Petri in der Tatnacht an den Elber­felder City-Arkaden aufge­griffen und von der Polizei als „der rechten Szene“ zuzuordnen bezeichnet.

Er hat u.a. offen im Internet zur Teilnahme an der rassis­ti­schen Pegida-Demons­tra­tion am 14. März 2015 in Wuppertal aufge­rufen. Ein Post vom 12.04.2015 auf der öffent­li­chen Facebook-Seite von „Die Rechte - Kreis­ver­band Wuppertal“ von Mario Leise­ring aus Oberhausen weist auf seine Tatbe­tei­li­gung hin und zeigt eine enge Verbin­dung in führende Kreise von HoGeSa-Nazis in NRW.

Seit Montag, den 20.04.2015 sind nach unseren Infor­ma­tionen drei Personen festge­nommen, die nach Aussage der Polizei die drei Tatver­däch­tigen sind.

Ermitt­lungen der Polizei

Reflex­haft funktio­niert bei der Wupper­taler Polizei das Feind­bild gegen Links bzw. gegen Antifaschist*innen.

Das zeigt sich zum einen am Handeln und Verhalten der Wupper­taler Polizei am Abend : Unter Schock stehende Besucher*innen wurden mit Schlag­stock und Pfeffer­spray bedroht. Während der Notfall­ver­sor­gung wurde das AZ von Polizeibeamt*innen gestürmt. Ermitt­lungen und Spuren­si­che­rungen in der Tatnacht und am darauf folgenden Morgen konzen­trierten sich offen­sicht­lich ausschließ­lich nur auf Zeug*innen bzw. Besucher*innen aus dem AZ.

Anstatt mit einem direkt vor Ort angebo­tenen Schlüssel alle Räume im Haus zu betreten, wurden zwecks „Tatort­si­che­rung“ fast alle Türen des Autonomen Zentrums einge­treten und zerstört. Flucht­wege von Tätern wurden nicht überprüft. Zeug*innen und Ersthelfer*innen wurden teilweise bis zum nächsten Mittag in Polizei­ge­wahrsam festge­halten bzw. als Beschul­digte festge­nommen. Ein „blutver­schmiertes Messer“, womög­lich die Tatwaffe, wurde erst am Montag von der Polizei sicher­ge­stellt.

Das zeigt sich zum anderen am Handeln und Verhalten der Wupper­taler Polizei in ihren Erklä­rungen : In ihrer ersten Presse­mit­tei­lung spricht die Polizei von einer „Ausein­an­der­set­zung“. Diese falsche Wortwahl kennen wir bereits aus dem geplanten Überfall von Wupper­taler Nazis auf Besucher*innen des Vohwinkler Flohmarkts und aus dem überre­gional organi­sierten Nazi-Überfall auf eine Vorstel­lung des Medien­pro­jekts Wuppertal im Cinemaxx.

Damals wie jetzt wird bewusst sugge­riert, dies sei ein beidsei­tiger Konflikt zwischen „Rechts“ und „Links“, anstatt eindeutig die brutale einsei­tige schwere Verlet­zungs- und dieses Mal Tötungs­ab­sicht von Nazis zu benennen.

Weiterhin erzählt die Polizei die Geschichte ihres Einsatzes am AZ in inzwi­schen verschie­denen Versionen : In der ersten Presse­mit­tei­lung verlaut­baren sie :

Bei Eintreffen der Rettungs­kräfte wurden Polizei­be­amte und Rettungs­wa­gen­be­sat­zungen im Gebäude von mehreren Angehö­rigen der linken Szene angegriffen und der Zutritt verwehrt. Erst durch den Einsatz von Pfeffer­spray und mittels Schlag­stock konnten die Einsatz­kräfte den Verletzten zur weiteren ärztli­chen Versor­gung aus dem Gebäude retten.“

(Presse­mit­tei­lung der Polizei Wuppertal 11.04.2015 – 08:58)

In der Lokal­zeit vom 11.04.2015 behauptet die Polizei­spre­cherin Anja Meis :

Es gab Wider­stand­hand­lungen, dass heißt wir mussten unter Einsatz von Pfeffer­spray und Schlag­stock in das Gebäude.“

(Lokal­zeit vom 11.4.2015)

In der Lokal­zeit vom 13.04.2015 wird die Geschichte ebenfalls durch die Polizei­spre­cherin Anja Meis wieder anders erzählt :

Die Kollegen sind in das Gebäude rein. Es gab Range­leien und Schub­se­reien. Und da musste man auch zwischen­durch wieder rausgehen, sich sammeln. Die verletzte Person konnte aber aus dem Gebäude gebracht werden und wurde dann aber weiter behan­delt.“

Die verschie­denen Erzäh­lungen der Polizei zeigen deutlich, dass hier absicht­lich und berech­nend Falsch­dar­stel­lungen in Umlauf gebracht werden, die von der Presse bislang ungeprüft übernommen worden sind.

Es wurden mutwillig AZ-Besucher*innen / Antifaschist*innnen von Seiten der Polizei verleumdet.

In dem Wissen, dass die zusam­men­ge­lo­gene Geschichte über die Gescheh­nisse der Nacht womög­lich nicht haltbar sein werden, verbreitet die Presse­spre­cherin der Wupper­taler Polizei immer neue Versionen des Einsatz­ab­laufs, zuletzt am 13.04.2015. Ab diesem Zeitpunkt schweigt die Polizei. Selbst von den Festnahmen der drei Tatver­däch­tigen wird bis heute nicht öffent­lich berichtet. Warum ? Mit welchem Zweck ?

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Karawane : Zu den Vorfällen im Flüchtlingsheim Heiligenhaus

Im Heili­gen­hauser Flücht­lings­heim an der Ludge­russtraße ist es in letzter Zeit zu mehreren bedroh­li­chen Zwischen­fällen gekommen. Teilweise wurden im Freien gelagerte Möbel und Müllcon­tainer in Brand gesteckt. Auch am letzten Wochen­ende kam es im Übergangs­heim in der ehema­ligen Schule wieder zu einem Brand.

Diesmal brannten Matratzen im Haus. Die WAZ berichtet von einer durch die Rauch­ent­wick­lung verletzten Person. Die Karawane für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen hat zu den Vorfällen der letzten Wochen eine Erklä­rung veröf­fent­licht, die wir hier dokumen­tieren.

Wir sind sehr besorgt, aber auch wütend, angesichts der zahlrei­chen Meldungen der letzten Tage über Brände rund um die Flücht­lings-Notun­ter­kunft in Heili­gen­haus. Wütend vor allem angesichts der Ignoranz der Heili­gen­hauser Stadt­spitze, die bis heute trotz der zugespitzten Situa­tion an der zentralen Unter­brin­gung festhält - und damit zudem ein großes Risiko für die Bewoh­ne­rInnen der Schule in Kauf nimmt.

Wie die Flücht­linge schon oft betont haben : Die Schule ist eine Schule und nicht zum Wohnen für Menschen gemacht. Das Zusam­men­pfer­chen von Flücht­lingen in Lagern und Sammel­un­ter­künften setzt sie nicht nur Stress und unzumut­baren Bedin­gungen aus : Darüber hinaus, das ist deutlich geworden, bedeutet sie auch eine unmit­tel­bare Gefähr­dung.

Auch wenn wir nicht wissen, wer hinter den Anschlägen steckt : Sicher ist, dass Menschen in Flücht­lings-Sammel­un­ter­künften auf dem Präsen­tier­teller sitzen, dass sie auch Bedro­hungen durch Rassisten und Nazis ausge­setzt sind. Die Einrich­tung eines Wachdienstes kann dafür auf mittlere Sicht keine Lösung sein. Die Gefahr lässt sich nur durch eine dezen­trale Unter­brin­gung der Flücht­linge in Wohnungen deutlich reduzieren.

Seit den letzten Demons­tra­tionen am 10.Januar sind wir davon überzeugt, dass viele Menschen in Heili­gen­haus die Forde­rungen der Flücht­linge unter­stützen und dass eine bessere Unter­brin­gung der Flücht­linge in der Bevöl­ke­rung positiv aufge­nommen werden würde.

Wir hoffen (immer noch!) sehr, dass auch die Stadt­spitze in Heili­gen­haus das zur Kenntnis nimmt - und dass sie sich endlich eine Lösung und um Wohnungen für die achtzig Männer, Frauen und Kinder bemühen wird.

Wuppertal, 20. Januar 2014
KARAWANE
für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen

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