Heiligenhaus : Aufruf zur Demonstration der Flüchtlinge

Für Freitag, den 10.01. 2014 rufen die Flücht­linge aus Heili­gen­haus im Rahmen eines Aktions­tages zur Demons­tra­tion gegen die Bedin­gungen ihrer Unter­brin­gung und für die Aufklä­rung der Todes­um­stände ihres Freundes Hassan auf.

Das so_ko_wpt unter­stützt ihren Aufruf. Rassis­ti­sche Zustände vor Ort bekämpfen !
Kommt nach Heili­gen­haus !

Seit einem Monat protes­tieren die Heili­gen­hauser Flücht­linge aus dem Übergangs­heim in der alten Schule an der Ludge­russtraße gegen die Bedin­gungen ihrer Unter­brin­gung und die Umstände des Todes ihres Freundes Hassan. Hassan war am 08.Dezember verstorben, nachdem Anrufe von Mitbe­woh­ne­rInnen des Geflüch­te­ten­heims bei den örtli­chen Notruf­num­mern erfolglos geblieben waren. Ob Hassan noch leben könnte, wenn der Notarzt recht­zeitig gekommen wäre, ist eine der Fragen, die seine Freunde und Freun­dinnen seither umtreibt.

Am 12.Dezember haben die Heili­gen­hauser Flücht­linge deshalb bei einer Demons­tra­tion zum Rathaus Aufklä­rung von Bürger­meister Heinisch (CDU) über die verspä­tete Hilfe­leis­tung für Hassan verlangt. Außerdem verlangten sie von der Stadt Heili­gen­haus ein Ende der menschen­un­wür­digen Unter­brin­gung. Zur Zeit müssen sich achtzig Menschen  die Klassen­zimmer in einer alten Schule und völlig unzurei­chende Sanin­tär­an­lagen teilen. Bürger­meister Heinisch versprach ihnen zwar an jenem Tag ein ernst­haftes Gespräch und Infor­ma­tionen zu Hassans Tod – die Stadt Heili­gen­haus reagierte jedoch, wie es bei deutschen Behörden üblich ist : Mit Hinhalten, sinnlosen Worthülsen und dem Versuch der Spaltung des Flücht­lings­pro­tests.

Nach dem noch vor Weihnachten statt­ge­fun­denen Gespräch zwischen einer Delega­tion der Geflüch­teten und Bürger­meister Heinisch scheint klar, dass die Stadt Heili­gen­haus gar nicht daran denkt, den Menschen aus der Schule entge­gen­zu­kommen : Ihre Forde­rung nach Unter­bin­gung in eigenen Wohnungen wurde unter Verweis auf die Haushalts­lage der Stadt glatt abgewiesen ; statt­dessen kalku­liert die Stadt lieber mehrere Millionen Euro für die Wieder­rich­tung des alten Contai­ner­la­gers an der Fried­hofs­allee ein. Dabei haben die Heili­gen­hauser Flücht­linge längst klar gemacht, dass für sie nicht nur ein weiterer Verbleib in der ehema­ligen Schule undenkbar ist, sondern dass sie sich auch eine Rückkehr an den weit ab von der Stadt liegenden alten Standort nicht vorstellen können.

Auch im Umgang mit dem verstor­benen Freund Hassan zeigte sich die Stadt Heili­gen­haus unmensch­lich. Anstatt neuer Infor­ma­tionen zu seinen Todes­um­ständen gab es für die Geflüch­teten die Mittei­lung, er sei bereits beerdigt worden – ohne die Menschen, die jahre­lang mit ihm gewohnt und gelebt haben, zu infor­mieren. So wurde ihnen auch noch die Möglich­keit genommen, sich würde­voll von Hassan zu verab­schieden. Die spätere Zusage, ihnen wenigs­tens das Grab von Hassan zu zeigen, wurde bislang nicht einge­halten. Inzwi­schen wird bezwei­felt, dass es überhaupt ein Grab gibt. Seine Freunde und Freun­dinnen werden nun mit einer impro­vi­sierten Trauer­feier in dem Raum, in dem er zuletzt gelebt hat, am Freitag vor der Demons­tra­tion von Hassan Abschied nehmen.

Die Geflüch­teten von Heili­gen­haus zeigen in ihrem Protest eine bemer­kens­werte Solida­rität : Alle Versuche der Stadt, die Gruppe mit « Lockan­ge­boten » zu spalten – z.B. mit der Zusage, beson­ders aktive Geflüch­tete in eigenen Wohnungen unter­zu­bringen, wenn sie mäßigend auf die anderen einwirken würden – blieben erfolglos. « Alle oder keiner » heißt das Motto der teilweise seit Jahren unter unwür­digen Umständen im kleinen aber reichen Ruhrge­biets­vorort Heili­gen­haus Unter­ge­brachten. Es geht ihnen bei ihrem Protest nicht um persön­liche Vorteile. Die Stadt Heili­gen­haus scheint ihre Entschlos­sen­heit jedoch falsch einzu­schätzen.

Um ihre Forde­rungen noch einmal zu bekräf­tigen, rufen sie deshalb für Freitag, den 10.01. im Rahmen eines Aktions­tages zu einer erneuten Demons­tra­tion auf, für die sie um Unter­stüt­zung aus der Region bitten.

Ihre Forde­rungen sind :

  • Wir wollen nicht mehr in der Schule (dem Behelfs­heim) leben.
  • Wir wollen nicht zurück in die Fried­hof­allee.
  • Jede/r bzw. jede Familie muss ein eigenes Zimmer, eine eigene Dusch­mög­lich­keit und Toilette haben.
  • Wir wollen wissen, wo Hassan beerdigt worden ist, und warum der Kranken­wagen so spät gekommen ist.

Wir rufen dazu auf, die Flücht­linge in Heili­gen­haus bei ihrem Protest zu unter­stützen. Kommt zur Demons­tra­tion der Geflüch­teten am Freitag, den 10.01.2014 um 17 Uhr, Treff­punkt : das Heim an der Ludge­russtraße.

Bereits zuvor sind alle Unter­stüt­ze­rInnen im Flücht­lings­heim herzlich willkommen : Bereits um 14 Uhr findet eine öffent­liche Presse­kon­fe­renz der Flücht­linge statt, bei der sie die Presse über ihren Protest und die weiteren Schritte infor­mieren wollen, im Anschluss versam­meln sich Hassans Freunde und Freun­dinnen zu einer impro­vi­sierten Trauer­ze­re­monie in der Schule.

Es reicht ! Gegen rassis­ti­sche Zustände in Heili­gen­haus und überall !
Gegen unwür­dige Unter­brin­gung ! Wohnungen für alle Geflüch­teten !
Warum musste Hassan sterben ? Wir fordern die Aufklä­rung seines Todes !

Weitere aufru­fende Organi­sa­tionen sind u.a.:

Karawane für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen Wuppertal
The VOICE Refugee Forum Germany - Flücht­linge und Asyl in Deutsch­land
Umoja Kamite - (eine Gruppe Menschen aus verschie­denen Ländern Afrikas)

AGIF - Födera­tion der Arbeitsimmigrant/innen aus der Türkei in Deutsch­land e.V.

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Heiligenhaus : Ungebetener Besuch und unerfüllte Forderungen

Update zu Heili­gen­haus : Am Donnerstag den 19.12. kamen die Geflüch­teten und einige Unter­stüt­ze­rInnen erneut zusammen, um konkrete Forde­rungen an die Stadt Heili­gen­haus zu formu­lieren. Diese hatte sich in Person des Bürger­meis­ters Heinisch zu verbind­li­chen Gesprä­chen bereit erklärt, nachdem die Bewoh­ne­rInnen der alten Schule mit einer Demons­tra­tion auf sich und den Tod ihres Freundes Hassan aufmerksam gemacht hatten. Während des ausführ­li­chen Treffens zeigte sich, dass die Geflüch­teten einen enormen Zusam­men­halt entwi­ckelt haben und sehr darauf bedacht sind, jede im Heim wohnenden Perso­nen­gruppe an der Formu­lie­rung der gemein­samen Forde­rungen zu betei­ligen. Neben den Bedin­gungen der Unter­brin­gung in der Schule waren das vor allem auch Punkte, die den Tod und die schnelle, unange­kün­digte Beerdi­gung ihres Freundes Hassan betrafen. So wollen sie natür­lich wissen, wo er begraben wurde und wie ihnen jetzt noch Gelegen­heit gegeben werden soll, sich würdig von ihrem Mitbe­wohner zu verab­schieden.

Am Freitag­morgen wollte sich eine fünfköp­fige Gruppe mit Vertre­te­rInnen aller ethni­schen Gruppen aufma­chen, um gegen­über Heinisch folgende vier Haupt­for­de­rungen zu artiku­lieren :

  • Wir wollen nicht mehr in der Schule (dem Behelfs­heim) leben.
  • Wir wollen nicht zurück in die Fried­hof­allee (das alte, neu geplante Contai­ner­lager).
  • Jede/r bzw. jede Familie muss ein eigenes Zimmer, eine eigene Dusch­mög­lich­keit und Toilette haben.
  • Wir wollen wissen, wo Hassan beerdigt worden ist, und warum der Kranken­wagen so spät gekommen ist.

Doch bevor es zu dem Gespräch mit dem Bürger­meister kam, erschüt­terte ein Vorfall in der Nacht zu Freitag die Bewoh­ne­rInnen des Heims an der Ludge­russtraße. Gegen vier Uhr morgens wurden zwei Fremde in den Räumen der Schule bemerkt. Nach ihrem Verschwinden fanden sich angeb­lich Brand­be­schleu­niger im Objekt. Die Gemein­schafts­küche wurde verwüstet. Die Polizei kam, nahm Spuren auf, konnte jedoch keine Angaben zu den Eindring­lingen machen. Zwischen­zeit­liche Berichte, nach denen es auch bereits gebrannt habe, ließen sich später bei Gesprä­chen mit den Flücht­lingen nicht verifi­zieren. Das alles zeigt jedoch, wie unsicher sich die Bewoh­ne­rInnen in dem Heim fühlen müssen, dessen Türen offen stehen und dessen fehlende Privat­sphäre von den Bewoh­ne­rInnen mit Recht beklagt wird..

Trotz der nächt­li­chen Aufre­gung hielten die Geflüch­teten jedoch an ihrem Gesprächs­termin fest, der dann umso enttäu­schender verlief. Bürger­meister Heinisch ging auf die Forde­rungen hinsicht­lich der Wohnbe­din­gungen praktisch nicht ein. Er verwies ledig­lich auf fehlendes Geld, das es Heili­gen­haus unmög­lich mache, die Geflo­henen in privaten Räumen und Wohnungen unter­zu­bringen. Angesichts von 3,8 Millionen Euro, die der Neubau der Unter­kunft an der Fried­hofs­allee lt. Aussage von Heinisch im Haupt­aus­schuss des Heili­gen­hauser Stadtrat kosten soll, erscheint das vorge­brachte Argument wie Hohn. Immerhin ließen sich von dieser Summe an die fünfzig Wohnungen zu 500 Euro im Monat für mindes­tens zehn Jahre bezahlen. Statt einer angemes­senen Unter­brin­gung versprach der Bürger­meister der Geflüch­teten-Delega­tion ledig­lich neue Duschen in der Schule. Eine Maßnahme, die nach Aussagen von Handwer­kern, die die Schule nach dem Zwangs­umzug im Juli begut­ach­teten, « irrsinnig teuer » werden wird, und auf die die Geflüch­teten lieber verzichten würden, wenn sie vernünf­tige Unter­künfte erhielten. Deshalb äußerten sie auch entschieden, dass sie keine Renovie­rung brauchen, und dass sie weder weiter in der alten Schule hausen, noch in die Fried­hofs­allee zurück­gehen wollen.

Ledig­lich bezüg­lich ihren Fragen nach Hassans Grab kam ihnen die Stadt entgegen. Die letzte Ruhestätte des vor knapp zwei Wochen verstor­benen Freundes, der wohl in Velbert beerdigt wurde, soll ihnen gezeigt werden. Zum verspä­teten Eintreffen der Ambulanz, das ursäch­lich für Hassans Tod gewesen ist, konnte ihnen jedoch auch beim heutigen Gespräch nichts Neues mitge­teilt werden.

Das Gespräch mit dem Bürger­meister war unbefrie­di­gend. Es braucht offen­sicht­lich noch mehr Druck damit die Stadt umlenkt – aus dem Heim an der Ludge­russtraße und von außen.

Auch medialer Druck ist hilfreich : Die WDR Lokal­zeit vom 12.12. nach der Demo der Flücht­linge :

Link : Auch die WAZ berichtet über den Vorfall und das Gespräch mit Heinisch.

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