Kampagne „AufRecht bestehen“: Unteilbare Würde

In der gesell­schaft­li­chen Debatte um einen richtigen Umgang mit flüch­tenden Menschen werden von verschie­denen Seiten die dunkelsten Ressen­ti­ments bedient. Das Prinzip rechter Politik ist so simpel wie leider oft effektiv : Entrech­tete und Einfluss­lose werden gegen­ein­ander in Stellung gebracht, Ängste um die gerechte Vertei­lung gnädig gewährter Krumen und Sorgen vor noch weiter­ge­hender Ausgren­zung werden geschürt. Neben klassi­schen echten Konflikten um künst­lich verknappte Ressourcen entstehen dadurch zu oft unsoli­da­ri­sche Haltungen und ein wenig wider­stands­fä­higes Umfeld. Zehn Jahre „Hartz IV” sprechen zum Erfolg dieser Herrschafts­stra­tegie eine deutliche Sprache – zu besich­tigen täglich auf den Fluren der Jobcenter.

Umso begrü­ßens­werter ist es daher, dass verschie­dene, unter dem Dach der Kampagne „AufRecht bestehen” tätige Erwerbs­lo­sen­in­itia­tiven (in Wuppertal z.B. Tacheles e.V.) sich mit einer Presse­mit­tei­lung deutlich und vernehmbar gegen die am 17.9. bekannt gewor­denen Pläne des Innen­mi­nis­te­riums wenden, das Asylrecht weiter zu verschärfen und in Teilen de facto abzuschaffen. In der noch zu schlep­pend verlau­fenden Debatte über diese Pläne ist diese Positio­nie­rung der Erwerbs­lo­sen­in­itia­tiven ein wertvoller Beitrag. Wir dokumen­tieren deshalb hier die Presse­mit­tei­lung im Wortlaut.

blockupy2012

Presse­mit­tei­lung der Kampagne „AufRecht bestehen“
Berlin/Wuppertal, 22.09.2015

Die Würde des Menschen ist unteilbar

Erwerbs­lo­sen­gruppen und -organi­sa­tionen der Kampagne „AufRecht bestehen“ verur­teilen  die Pläne der Bundes­re­gie­rung, das Aufent­halts- und Asylrecht auszu­höhlen und Tausenden gerade erst einge­reisten Schutz­su­chenden das Grund­recht auf Asyl und auf Existenz­si­che­rung  zu verwehren.

Noch immer werden geflo­hene Menschen an deutschen Bahnhöfen von der Bevöl­ke­rung mit Lebens­mit­teln, Geschenken und Herzlich­keit empfangen. Die Bundes­kanz­lerin überrascht mit  der humani­tären Geste, dass Deutsch­land Menschen in Not nicht im Stich lasse, und pflegt so im Ausland das neue Image eines offenen und hilfs­be­reiten Landes. Zeitgleich formu­liert die Bundes­re­gie­rung einen 150seitigen Gesetz­ent­wurf zur Verschär­fung des Aufent­halts- und Asylrechts sowie des Asylbe­wer­ber­leis­tungs­ge­setzes (AsylbLG), der alle sozial- und recht­staat­li­chen Errun­gen­schaften, die Asylsu­chende und ihre Unter­stützer in den vergangen 20 Jahren mühsam auch vor Gerichten erkämpft haben, wieder zunich­temacht.

Die Erwerbslosenvertreter/innen weisen darauf hin, dass erst im Frühjahr dieses Jahres das Asylrecht verfas­sungs­kon­form ausge­staltet wurde, um den Vorgaben des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom Sommer 2012 gerecht zu werden. Unter anderem wurde durch die enge zeitliche Begren­zung von Sachleis­tungen und die Anpas­sung des Leistungs­ni­veaus an den Hartz-IV-Regel­satz sicher­ge­stellt, dass alle in Deutsch­land lebenden Menschen das Recht auf die Gewäh­rung eines menschen­wür­digen Existenz­mi­ni­mums erhalten.

Jetzt, wo das AsylbLG und das Grund­recht auf Asyl dringender gebraucht werden denn je, kommt die Verschär­fung unter anderem mit Leistungs­ein­schrän­kungen, erwei­terter Sachleis­tungs­ge­wäh­rung, dauer­hafter Unter­brin­gung in Erstauf­nah­me­la­gern sowie Einschrän­kungen bei Bildungs­maß­nahmen und der Arbeits­auf­nahme einher. Allen über EU-Dritt­statten einge­reisten, sogenannten „Dublin-III-Flücht­lingen“ droht die Versa­gung von Leistungen – einschließ­lich Unter­kunft und medizi­ni­scher Versor­gung – und sie sollen mit einem Ticket zurück in den Herkunfts­staat und einem Verpfle­gungs­pa­cket abschoben werden. Auch tausende Schutz­su­chende, die gerade noch über Griechen­land, Ungarn oder Slowe­nien nach Deutsch­land einge­reist sind und einreisen, können so mittels Leistungs­ver­sa­gung zur Rückkehr in diese Länder gezwungen werden, egal ob sie dort menschen­würdig aufge­nommen und versorgt werden können oder nicht.

Die „Festung“ Europa hat gerade demons­triert bekommen, dass das „Dublin-System“ und die europäi­sche Flücht­lings­po­litik geschei­tert ist, und die Bundes­re­gie­rung versucht auf diesen geschei­terten Instru­menten aufbauend ein Asylrecht zu imple­men­tieren, dass das Land gegen Flücht­linge abschotten und diese durch Andro­hung von Hunger und Obdach­lo­sig­keit vor der Einreise nach Deutsch­land abschre­cken soll. Die Unterstützer/innen der Kampagne „AufRecht bestehen“ sehen hier die fakti­sche Abschaf­fung des Grund­rechts auf Asyl und die Abkehr des im Grund­ge­setz veran­kerten Ziels, die menschen­wür­dige Existenz aller sicher­zu­stellen. Die Erwerbs­lo­sen­gruppen fordern die vollstän­dige Rücknahme der Geset­zes­ver­schär­fung, ein modernes Einwan­de­rungs­ge­setz und die Stärkung des Asylrechts für Schutz­su­chende in diesem Land, auch wenn sie über Dritt­staaten einge­reist sind.

Artikel teilen

Jobcenter Schwarzbach : Am 1.September ist Zahltag !

Am Montag, 1. September ist Zahltag in Wuppertal

Soziale Rechte in den Jobcen­tern erkämpfen !
Sonder­rechts­zonen für Erwerbs­lose verhin­dern !

Der erste Werktag im Monat ist tradi­tio­nell der Termin für Protest­ak­tionen der Erwerbs­losen vor und in den Jobcen­tern. Viele kommen dann zur Behörde, weil ihr Arbeits­lo­sen­geld II gar nicht oder nicht in der erwar­teten Höhe auf das Konto überwiesen wurde. Sie fordern eine sofor­tige Auszah­lung, um ihren Lebens­un­ter­halt bestreiten und ihre Miete zahlen zu können. Der erste Werktag ist deshalb Zahltag !

Am 1. September ist es in Wuppertal wieder einmal soweit. Der Erwerbs­losen- und Sozial­hil­fe­verein Tacheles ruft auf zum Zahltag : am Montag von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr vor der Jobcenter-Geschäfts­stelle 7, Schwarz­bach 105 (Oberbarmen)

Aktivis­tInnen des Vereins werden dort eine mobile Sozial­be­ra­tung anbieten und Leistungs­be­zie­hende bei Bedarf solida­risch aufs Jobcenter begleiten. Darüber hinaus gibt es Kaffee und ein politi­sches Programm.

Unser Motto lautet : Rechts­freier Raum Jobcenter – soziale Rechte erkämpfen !

Damit wollen wir auf bestehende Missstände bei der alltäg­li­chen Praxis in den Wupper­taler Jobcen­tern hinweisen. Viele Wupper­taler Erwerbs­losen sind entnervt darüber, dass einge­reichte Unter­lagen ständig verloren gehen und mehrmals beim Jobcenter abgegeben werden müssen. Außerdem ist das Jobcenter Wuppertal nicht in der Lage, auf geänderte Verhält­nisse flexibel zu reagieren und Bewil­li­gungs­be­scheide schnell zu ändern und auszu­hän­digen. Der Erlass eines schrift­li­chen Bescheids ist wohl das Mindeste an Rechts­si­cher­heit, das Leistungs­be­zie­hende von einer Behörde verlangen können. Im Jobcenter Wuppertal bestehen offen­sicht­lich nicht einmal die techni­schen Voraus­set­zungen, um Bescheide dezen­tral zu ändern und direkt auszu­dru­cken – ein Armuts­zeugnis !

Thomas Lenz, Chef des Wuppertaler Jobcenters im Fernsehen.

Thomas Lenz, Chef des Wupper­taler Jobcen­ters im Fernsehen.

Außerdem will Tacheles darauf aufmerksam machen, dass die Unter­kunfts­kosten für Erwerbs­lose in Wuppertal viel zu niedrig bemessen sind und auch hier gegen geltendes Recht verstoßen wird. In zahlrei­chen Entschei­dungen ist das Jobcenter Wuppertal vom zustän­digen Sozial­ge­richt zur Übernahme höherer Mieten verur­teilt worden. Offen­sicht­lich besteht für die städti­sche Sozial­ver­wal­tung aber kein Anlass, die Mietober­grenzen für Leistungs­be­zie­hende nach den Sozial­ge­setz­bü­chern II und XII anzuheben und das Unrecht zu beenden. Nach Berech­nungen des Vereins werden den betrof­fenen Haushalten auf diese Wiese ca. 3 Mio. Euro im Jahr vorent­halten – ein Skandal !

Doch es kann schlimmer kommen : Unter dem verharm­lo­senden Titel „Rechts­ver­ein­fa­chungs­ge­setzt“ plant die Bundes­re­gie­rung eine Geset­zes­än­de­rung mit dem Ziel, Rechte von Erwerbs­losen empfind­lich einzu­schränken und Sonder­rechts­zonen in den Jobcen­tern zu schaffen. Tacheles e.V. wird beim Zahltag über diese geplanten Änderungen aufklären und erhofft sich davon u.a. öffent­li­chen Druck aufzu­bauen, um die Rechts­ver­schär­fung mit dem Namen „Rechts­ver­ein­fa­chung“ noch abzuwenden.

Wir rufen deshalb dazu auf, am Vormittag des 1. September zum Jobcenter nach Oberbarmen zu kommen und Tacheles beim Zahltag zu unter­stützen. Wir haben weitere Gruppen einge­laden, über ihre politi­sche Arbeit zu berichten. Wir freuen uns über Eure Betei­li­gung und solida­ri­sche Unter­stüt­zung. Auf zum Zahltag !

Download Aufruf/Flugblatt DIN A4 als pdf-Datei

Artikel teilen