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Reihe : Wege aus der Gewalt ?
Krieg gegen Tiere, Umwelt, Klima ?
9. Mai 2014 • 19:30 - 21:30
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Krieg gegen Tiere, Umwelt und Klima? Auf dem Weg zu weniger Gewalt bei Konsum und Ernährung. Vortrag von Konstantinos Tsilimekis (Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Berlin). Eine Veranstaltung aus der Reihe "Wege aus der Gewalt - Nach 100 Jahren Globalisierung von Krieg und Frieden" der Stiftung W und der Armin T. Wegner Gesellschaft*. »Solange es Schlachthäuser gibt, gibt es auch Schlachtfelder!« Dieses Motto des russischen Dichters und Pazifisten Leo Tolstoi nimmt Konstantinos Tsilimekis zum Ausgangspunkt und schlägt den Bogen in die Gegenwart, in der der Zusammenhang zwischen industrieller Kriegführung und dem Krieg der Lebensmittelindustrie gegen Lebewesen und Klima noch deutlicher als zu Tolstois Zeit hervortritt.
Der Referent zeigt zudem, dass viele Persönlichkeiten der internationalen Friedensbewegung auch in ihrer persönlichen Lebensführung die Gewalt verweiger(te)n. Schon Leo Tolstoi, Mahatma Gandhi, Albert Einstein, Helene Stöcker oder Armin T. Wegner stellten sich – neben ihrem großen öffentlichen Einsatz gegen Militarismus und Krieg – auch selbst auf gewaltärmere Ernährung um und lebten vegetarisch oder vegan. Diese Entwicklung nimmt heute deutlich zu. Aktuelle Beispiele beleuchten die praktische Arbeit der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt.
Das Cafe Simonz bietet an diesem Abend neben seiner traditionellen Karte (vegetarische und Fleischgerichte) auch ein veganes Gericht an.
Konstantinos Tsilimekis ist Referent der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt (Berlin), welche sich auf der Grundlage von Schweitzers handlungsleitender Maxime der »Ehrfurcht vor dem Leben« für den Schutz und die Rechte der Tiere einsetzt.
* "Wege aus der Gewalt - Nach 100 Jahren Globalisierung von Krieg und Frieden":
Jeder Krieg ist barbarisch. Der Erste Weltkrieg aber, dessen Beginn sich 2014 zum 100. Mal jährt, war barbarischer, verheerender und weiter reichend als alle vorangegangenen. Die Waffengewalt erfasste mehr Länder, der Wahn verseuchte mehr Menschen und Schlachtfelder als je zuvor. Dieser Krieg vergiftete zudem in nicht gekanntem Ausmaß alle Bereiche der Zivilgesellschaft, die Wirtschaft und die Technik, das Denken und das Fühlen, die Publizistik und die Kultur. Und dieser Krieg war zugleich der tödliche Keim vieler neuer Kriege – er verminte das gesamte Jahrhundert und legte weltweit Dauer-Sprengsätze des Unrechts, des Hasses und der Rache bis heute. Diese erste globale Austragung von Gewalt verdrängte das Humane so gründlich wie nie zuvor. Im Schatten dieses beispiellosen Krieges taten sich Abgründe der Unmenschlichkeit auf: vom zynischen Vernichten Hunderttausender im sinnlosen Stellungskrieg bis hin zur Entwicklung des Krieges aus der Luft, von der industriellen Produktion und dem massenvernichtenden Einsatz von Giftgas bis hin zum Völkermord an den Armeniern.
Eine Entwicklung, die sich im Zweiten Weltkrieg noch verschärfte – mit den Luftbombardements auf die Zivilbevölkerung der Großstädte, zunächst durch Nazi-Deutschland und dann auch durch die USA, Großbritannien und die Sowjetunion, mit der Jagd nach der sogenannten Wunderwaffe, mit dem Holocaust und mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Zum nuklearen Overkill-Potential und zu anderen tödlichen Arsenalen der Vergangenheit gesellen sich gegenwärtig immer neue Techniken der Kriegsführung bis hin zum Cyber-War und zu ferngelenkten Drohnen – Killermaschinen auf Knopfdruck ohne »menschliche« Besatzung. Dabei wird »unterhalb« eines globalen Konfliktes wieder zunehmend mit dem Feuer regionaler Kriege gespielt und behauptet, solche Kriege seien für eine »moralisch gerechte« Sache zu legitimieren, man könne sie gewinnen und begrenzen. Kommt es zu Toten unter der Zivilbevölkerung, so werden diese Morde als Kollateralschäden verniedlicht – wo gehobelt wird, da fallen eben auch Späne.
Die verschiedenen Fratzen des Krieges
Befeuert werden die aktuellen und künftigen Kriegsherde durch ein räuberisches Wirtschaftssystem, welches mit seiner Jagd nach »immer schneller, immer mehr, immer brutaler« alle Grenzen niederreißt. Mit dem Morden werden beste Geschäfte gemacht. Hier bleibt der Tod ein Meister aus Deutschland – unser Land gehört weltweit zu den größten Waffenexporteuren. »Just for profit« lieferte schon der deutsche »Kanonenkönig« Krupp vor hundert Jahren schamlos Waffen an verschiedene Kriegsgegner gleichzeitig – ein Geschäftsmodell, welches die deutsche Waffenschmiede Heckler & Koch erfolgreich fortführt. Doch nicht nur Waffen, sondern auch der Krieg auf den Finanzmärkten tötet. Die Spekulation auf Grundnahrungsmittel, auf Wasser und Energiequellen ist Ursache für Gewalt, Flüchtlingsströme und neue Krisenherde.
Der Krieg hatte immer ein schmutziges Gesicht. Gestern wie heute tarnt er seine blutige Fratze. Tarnung gehört zum Krieg wie der Gehorsam zum Militär. Auch 100 Jahre »danach« fällt es nicht leicht, die Menschen von der Notwendigkeit kriegerischer Einsätze zu überzeugen. Die Kriegstreiber und Kriegsgewinnler geben sich daher gerne »rational« und »soft«, schwadronieren von Operationen, wenn es um Mord geht, reden von Putativnotwehr statt vom Angriff und von Sicherheitswirtschaft statt vom Geschäft mit dem Tod.
Das Argument, man müsse irgendwo einmarschieren, um Menschenrechte zu schützen oder humanitäre Hilfe zu bringen, kommt den Kriegstreibern gelegen. Solche Legitimierung von Gewalt ist besonders perfide, da sie unmittelbar an unser Gerechtigkeitsempfinden, unsere Empörung über die elenden Zustände in vielen Teilen der Welt und an unsere Hilflosigkeit appelliert. Wenn auch zuweilen mit hehren Motiven begründet, ist das in der Praxis meist nur die moderne Variante der alten Lüge vom gerechten Krieg. Statt wirkliche Hilfe zu leisten, statt entschlossen dem Elend, der Verzweiflung und dem Fanatismus die Basis zu entziehen, heizt man mit dem reflexartigen Ruf nach Kriegsintervention in aller Regel nur den Hass weiter an. Auf der Strecke bleibt eine ernstzunehmende Politik des Friedens, des Teilens und der Solidarität.
Globalisierung der Kriegsverweigerung
Aber: Seit dem Ersten Weltkrieg gibt es weltweit auch zunehmend Menschen und Organisationen, die dem Krieg widerstehen und sich ihm bewusst und offensiv entziehen. Sie vernetzen sich immer mehr auch international. Mahatma Gandhis gewaltfreie Widerstandsbewegung mit ihren Unterstützern in vielen Ländern ist hier sicherlich bis heute ein besonders inspirierendes Beispiel für einen erfolgreichen, gewaltfreien Widerstand gegen Unterdrückung, Krieg und Militarismus. Als frühes Beispiel aus Deutschland ist der Bund der Kriegsdienstgegner zu nennen, der sich unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges 1919 gründete und sich durch seinen Zusammenschluss mit gleichgesinnten Bewegungen in den »War Resisters International« bereits 1921 internationalisierte. Beide Vereinigungen wurden übrigens von zwei Wuppertaler Persönlichkeiten mitgegründet: von dem Dichter und Menschenrechtler Armin T. Wegner und von der Philosophin, Frauenrechtlerin und Sexualreformerin Helene Stöcker.
In unserer Veranstaltungsreihe zu 100 Jahren Globalisierung von Krieg und Frieden folgen wir den Spuren historischer Kriegsgegner wie diesen, aber mit Fragestellungen des 21. Jahrhunderts. Wir fragen nach aktuellen Entwicklungen der Gewalt und nach den gegenwärtigen und zukünftigen Wegen, wie wir diese Gewalt schrittweise hinter uns lassen können. Wir sind damit selbst auf der Suche. Quer zu den herrschenden Verhältnissen, zu alten Strukturen und schlechten Gewohnheiten wollen wir uns miteinander und mit vielen Menschen neu verständigen. Gemeinsam verweigern wir uns der herkömmlichen Gewaltspirale und wollen dazu beitragen, dass kreativ und von der Basis her eine Kultur und Politik des Zivilen entwickelt wird. Während Staaten dem Status quo dienen, während sie Hierarchien und militärische Strukturen verewigen wie das Skelett eines Dinosauriers, setzen wir uns für zivilgesellschaftliche Strukturen und Umgangsformen sowie für die Demokratisierung in allen Ländern ein. Die Dinos sind längst ausgestorben! Aber viele bunte, selbstbestimmte Gesellschaften des Friedens, des Teilens und der Gerechtigkeit können nachhaltig leben – miteinander und mit der Natur.
Gewaltärmere Verhältnisse schaffen
Regierungen stürzen heute schneller denn je – aus verschiedenen Gründen. Flüchtige sogenannte Revolutionen, wie gegenwärtig die »Arabellion« oder der Umsturz in der Ukraine, kommen und gehen. Kurzfristig mögen sich dadurch gesellschaftliche Missstände zurückschrauben lassen. Wenn es den Menschen aber nicht gelingt, Schritt für Schritt gewalttätige Strukturen einzudämmen und sich auf zivilen Wegen dauerhaft emanzipierte, respektvolle und basisdemokratische Strukturen des Miteinanders zu schaffen, wird eine gestürzte Regierung wohl doch nur durch die nächste bewaffnete Bande ersetzt.
Um gewalt- und herrschaftsärmere Verhältnisse zu schaffen, müssen wir nicht auf eine bessere Welt warten oder darauf, dass jemand sie für uns schafft.
Jede und jeder kann jetzt beginnen
- das eigene Verhältnis zur Gewalt zu überprüfen und nach Wegen zu suchen, die Anwendung von Gewalt zu minimieren,
- Krieg, Waffenproduktion und -handel zu verweigern, zu behindern oder öffentlich bloßzustellen,
- mörderische Geheimnisse enttarnen zu helfen, mutige Enthüllungsautoren, Blogger oder Whistleblower zu unterstützen, zu verstecken und ihnen Asyl zu ermöglichen,
- den Ausstieg von Soldaten und Paramilitärs, Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren zu unterstützen,
- Kriegstraumatisierten durch Anerkennung, Öffentlichkeit, Hilfe und die Entwicklung von Ausstiegsprogrammen zu helfen und
- Flüchtlingen mit offenen Grenzen, Mitmenschlichkeit und Solidarität den Weg in ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Wir alle sind noch auf dem Weg der Zivilisierung. Daher wird es zudem darauf ankommen, auch »zivile« Gewaltstrukturen zu überwinden. Es mag sein, dass gewaltvolle Anteile zur Natur des Menschen gehören. Dies sollte uns aber nicht davon abhalten, stets unsere eigene Gewaltbereitschaft auf den Prüfstand zu stellen – und zudem die kollektive Militanz für das, was man für die »Beste aller Welten« hält. Und nicht zuletzt geht es auch darum, Alternativen zu entwickeln und zu leben, mit denen wir dem täglichen Krieg gegen unsere Mitwelt und unser Klima begegnen: durch die Art, wie wir konsumieren, essen, reisen oder kommunizieren.