Manifest für Lampedusa in Hamburg

Nach über einem Jahr Kampf um ein kollek­tives Aufent­halts­recht nach § 23, für Arbeits­er­laub­nisse und eine Perspek­tive zum Bleiben steht die „Lampe­dusa in Hamburg”-Gruppe faktisch wieder da, wo sie angefangen hat : Auf der Straße. Zugeständ­nisse seitens des SPD-Senats unter Olaf Scholz konnten trotz vielfäl­tiger Proteste und einer großen Solida­rität aus der Hamburger Bevöl­ke­rung nicht erreicht werden.

Jetzt ist ein Manifest formu­liert worden, mit dem der Druck auf die Politik noch einmal erhöht werden soll. Wir dokumen­tieren hier den Text. Um eine Unter­zeich­nung wird gebeten.

Das Unter­zeichnen ist hier möglich : manifest​-fuer​-lampe​dusa​-hh​.de

Das Manifest im Wortlaut :

HIER EINE ZUKUNFT ! MANIFEST FÜR LAMPEDUSA IN HAMBURG

Europa und Deutsch­land müssten bei bedin­gungslos offenen Grenzen die Existenz infor­meller Siedlungen in und vor den Städten akzep­tieren, wie sie an vielen Orten der Welt verbreitet sind (…) Für Quali­fi­zierte aus Dritt­staaten hat Deutsch­land im Rahmen des europäi­schen Rechts die Grenzen geöffnet. (…) Wer eine Beschäf­ti­gung nachweist, bei der er mehr als 46.400 Euro brutto im Jahr verdient, kann dank der EU Blue Card mit Familie einreisen und de facto dauer­haft bleiben.“ (Olaf Scholz, Rede am 19.3.2014 im Thalia Theater)

Macht uns ruhig für Eure Lage verant­wort­lich ! / Wir können euch sogar Leute schicken, die euch bedauern / Je besser wir die Beute vor euch sichern / Desto bedau­er­li­cher können wir das alles finden / Und je mehr wir euch auf Abstand halten / Desto mehr haben wir den Kopf frei / Um uns für Euer unver­schul­detes Elend aufrichtig zu inter­es­sieren.“ (Gesang der Ableh­nung aus Schwa­bing­grad Ballett & Lampe­dusa in Hamburg „We Are the Evidence of War“, Perfor­mance für die Wiener Festwo­chen)

Wir, die Unter­zeich­nenden, erleben seit dem Frühjahr 2013 mit, wie eine Gruppe von afrika­ni­schen Flücht­lingen, die in Libyen gearbeitet haben und 2011 vor dem Krieg geflüchtet sind, hier in Hamburg für ihre Rechte kämpft. Wir unter­stützen den Kampf dieser Gruppe, aus den unter­schied­lichsten Gründen. Die einen sind aus christ­li­cher Nächs­ten­liebe dabei, andere aus humani­tären oder politi­schen Gründen, manche sind als Nachbarin oder Nachbar dazuge­kommen, andere von uns vertreten soziale, kultu­relle oder politi­sche Insti­tu­tionen. Was uns eint, ist die Überzeu­gung, dass diese Menschen eine Zukunft haben müssen – und zwar hier, in dieser Stadt. Wir meinen, dass sie alle Gründe haben, sich gegen die EU-Flücht­lings­po­litik zu stellen, die der Senat an ihnen zu exeku­tieren versucht. Wir sind froh, dass sie den Mut und die Ausdauer haben, sich dagegen zu stellen.

Denn dass sie in einem Asylver­fahren kaum eine Chance haben, hat die Innen­be­hörde oft genug kundgetan. Wir hätten in ihrer Lage genau das versucht, was sie gemacht haben : auf die Barri­kaden zu gehen. Was nicht einfach ist, wenn man, wie die Männer und Frauen aus Ghana, Mali, der Elfen­bein­küste, Togo, Burkina Faso, Kamerun, dem Sudan oder Nigeria, verein­zelt und mittellos in einer fremden Stadt ankommt. Sie gehörten zu den rund andert­halb Millionen afrika­ni­schen Migran­tinnen und Migranten, die im Libyen der Gaddafi-Ära Jobs gefunden hatten. Den Rebellen, die ohne Schüt­zen­hilfe der Nato mit logis­ti­scher Unter­stüt­zung aus Deutsch­land das Regime niemals hätten stürzen können, galten die Afrikaner als Gaddafi-Kolla­bo­ra­teure. Nach dem Sturz von Gaddafi gab es Pogrome gegen sie, die Nato bombar­dierte Tripolis, das Militär schaffte sie in überfüllten Schiffen außer Landes. Mit Glück gelangten sie nach Lampe­dusa. Nach fast zwei Jahren in italie­ni­schen Flücht­lings­la­gern schickten die Behörden sie mit ein paar Euro-Scheinen und einer tempo­rären EU-Aufent­halts­er­laubnis nach Norden. So kamen sie nach Hamburg. Statt abzutau­chen, um sich mit Hunger­löhnen und Wucher­mieten in einer Schat­ten­öko­nomie durch­zu­schlagen, wie es die meisten der Sans papiers in Deutsch­land machen müssen, zeigten sie sich öffent­lich und verlangten eine politi­sche Lösung für ihre desolate Lage.

Bis dato verwei­gert der SPD-Senat jedes konstruk­tive Gespräch über eine solche Lösung. Das Argument : Ein kollek­tives Bleibe­recht für die Lampe­dusa-Flücht­linge sei eine „Ungerech­tig­keit“ gegen­über jenen, die sich in einem regulären Verfahren befänden und sei „anderen Flücht­lingen nicht vermit­telbar“, so Innen­se­nator Michael Neumann. „Nur weil man ordent­lich Rabatz macht und am lautesten demons­triert, wird Unrecht nicht plötz­lich Recht“, erklärte Neumann in einem Inter­view. Als wäre das Unrecht nicht der mit Nato-Unter­stüt­zung geführte Krieg, der diesen Leuten die Existenz genommen hat. Als wäre die Forde­rung der Lampe­dusa-Gruppe nach Aufent­halts­recht nicht aus dieser Lage erwachsen – sondern ein freches Privileg gegen­über denen, die stumm im Lager ausharren müssen. Wir empfehlen, dass alle Politiker, die so argumen­tieren, sich mal probe­halber dem Regel­ver­fahren auslie­fern, das sie den Flüch­tenden ans Herz legen. Dass sie mal einige Wochen in den trost­losen Gemein­schafts­un­ter­künften und Contai­ner­dör­fern verbringen, in denen in Hamburg derzeit rund 7000 Menschen leben müssen – oft jahre­lang und in einer aussichts­losen Warte­schleife. Die „Einzel­fall­prü­fung“, von der der SPD-Senat redet, findet ohnehin nicht statt. Die Auslän­der­be­hörden urteilen pauschal : Aus welchem Land kommt jemand und über welches Land ist er oder sie einge­reist. Das war’s. Wenn das Herkunfts­land als sicher gilt ? Abschie­bung. Was dort wirklich los ist, inter­es­siert dabei wenig.

Ehrlich gesagt : Angesichts des EU-Grenz­re­gimes, das auch und gerade in Hamburg gilt, finden wir es völlig unpas­send, wenn der Bürger­meister die Stadt als „Arrival City“ preist. Hamburg sei „eine kosmo­po­li­ti­sche, also welt-bürger­lich orien­tierte Stadt“, so eröff­nete Olaf Scholz seine program­ma­ti­sche Rede im Thalia Theater. In Wahrheit handelt es sich um einen Kosmo­po­li­tismus, der auf dem Prinzip des Cherry-Picking basiert, der Menschen bloß als ökono­mi­sche Ressourcen begreift. Na klar, Hamburg und überhaupt Europas Metro­polen wollen inter­na­tional sein. Doch nicht die realexis­tie­rende Inter­na­tio­na­lität ist gemeint. Dass Europa durch die Ideen, Fähig­keiten und Poten­tiale berei­chert wird, die die Leute tatsäch­lich mitbringen, kann sich dieser Kosmo­po­li­tismus schwer vorstellen. Mobilität, Grenzen­lo­sig­keit und Freizü­gig­keit sollten nur gelten für Kapital­ströme, für Unter­nehmen und Hochqua­li­fi­zierte, deren Skills man gerne für das Wachstum der europäi­schen Ökono­mien nutzen möchte. Um alle anderen vom Übertritt der EU-Außen­grenzen abzuhalten, gibt die Gemein­schaft jedes Jahr hunderte von Millionen aus – für militä­ri­schen Grenz­schutz, Push-Back-Opera­tionen, Drohnen, Satel­li­ten­über­wa­chung, Compu­ter­sys­teme, Bürokra­tien und Security-Armeen. 23.000 Menschen sind seit der Jahrtau­send­wende gestorben, bei dem Versuch, Europa zu errei­chen.

Wir sind den Leuten von „Lampe­dusa in Hamburg“ dankbar, dass sie dem Protest gegen dieses Grenz­re­gime Stimme und Gesicht gegeben haben. Sie haben dieser Stadt klarge­macht, dass das mit dem Rosinen­pi­cken nicht funktio­niert. Dass man sich nicht einfach „Eure Armut kotzt mich an!“-Aufkleber auf die Heckscheibe pappen kann, dass man Menschen auch weder mit Mitleid noch mit milden Gaben loswerden kann, wenn sie dazu entschlossen sind, für ihr Bleibe­recht einzu­treten. Wenn sie dazu entschlossen sind, sich nicht in Lager stecken zu lassen, sich nicht auf Schritt und Tritt kontrol­lieren zu lassen, sich nicht in die Hände eines Behör­den­ap­pa­rates zu geben, der ihnen das Arbeiten und die Mobilität verbietet, der sie nach Belieben kontrol­liert, kaser­niert, umver­teilt und abschiebt. Ihr Aktivismus ist Ansporn und Hoffnung für alle die, die untätig und isoliert in deutschen Lagern sitzen. Daher ist uns auch klar : Es geht hier um einen Präze­denz­fall. Mit der Weige­rung, eine politi­sche Lösung herbei­zu­führen, will der Senat jede Hoffnung im Keim ersti­cken, dass selbst­or­ga­ni­sierter Wider­stand von Flücht­lingen sich lohnen könnte. Die breite Lampe­dusa-Solida­ri­täts­welle darf gerne als Sommer­mär­chen in die Annalen eingehen, das positiv auf das Image einer toleranten Metro­pole einzahlt – aber sie soll folgenlos bleiben.

Wir meinen : Ihr Kampf und unsere Solida­rität müssen Folgen haben. Trotz über einem Jahr Protest, trotz Dutzender von Demons­tra­tionen, trotz breiter zivil­ge­sell­schaft­li­cher Unter­stüt­zung sitzt die Mehrzahl der Lampe­dusa-Flücht­linge heute wieder auf der Straße. Diese Situa­tion muss sich ändern. Wir unter­stützen daher die Forde­rung der Gruppe nach einem „Lampe­dusa in Hamburg Haus“ – also einem Ort, der Unter­kunft sowie eine soziale und politi­sche Infra­struktur bieten kann.

Es geht um sehr viel. An der Zukunft der Lampe­dusa-Flücht­linge in Hamburg hängt für uns auch die Hoffnung auf ein anderes Europa, das global tatsäch­lich Verant­wor­tung übernimmt, statt nur seine Inter­essen durch­zu­setzen. Uns ist klar, dass dieses Europa eines ist, das wir von unten, zivil­ge­sell­schaft­lich und in Zusam­men­ar­beit mit den Flücht­lingen durch­setzen müssen. Wir rufen ihnen zu : Ihr seid hier, um zu bleiben !

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Eine neue Phase in unserem Kampf

Die „Lampe­dusa in Hamburg”-Gruppe leitet eine neue Phase ihres Kampfes um ein Bleibe­recht ein. Mit zwei Konfe­renzen im Februar (1 ; 2) und einer Großde­mons­tra­tion am 1.März soll nach den Ausein­an­der­set­zungen des letzten Jahres eine neue Qualität bei der Beant­wor­tung der Frage „was tun?” erreicht werden.

Das so_ko_wpt ruft zur Teilnahme an der Großde­mons­tra­tion auf – Knapp zehn Wochen nach der „Flora-Demo” ist es Zeit, nach Hamburg zurück­zu­kehren und den Kampf der Flücht­linge wieder in den Fokus zu nehmen.

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Wir dokumen­tieren hier den Text der „Lampe­dusa in Hamburg”-Gruppe zur Einlei­tung der neuen Phase ihres Kampfes :

Eine neue Phase in unserem Kampf : Zwei Konfe­renzen (01. und 08.02.) und eine Großde­mons­tra­tion am 01.03.2014

Ein Jahr nach der Beendi­gung des EU Programms “emergencia Africa norte”, ein Jahr Leben auf der Straße, drei Jahre nach dem NATO Krieg in Libyen, drei Jahre seit dem Trauma des Krieges und dem Verlust von allem außer dem nackten Leben, zehn Monate des Kampfes für die Anerken­nung unserer Rechte in Hamburg, zehn Monate zwischen der Solida­rität aus der Gesell­schaft und der Ignoranz durch die Regie­rung steht unser Leben und das unserer Familien immer noch auf dem Kopf. Mit fortschrei­tender Zeit ohne Verän­de­rung unserer recht­li­chen Situa­tion, die uns ermög­li­chen würde, endlich ein „normales“ Leben zu beginnen, wächst die psychi­sche Belas­tung auf die Mitglieder unserer Gruppe. Der Satz „Wir haben nicht den NATO Krieg in Libyen überlebt, um auf Hamburgs Straßen zu sterben” wurde oft von Außen­ste­henden als übertrieben bezeichnet.

Aber schon bevor wir kamen, starben Menschen, die in Deutsch­land Schutz und Asyl suchten. Sie sterben in den Lagern aufgrund der Isola­tion, der Entrech­tung und dem mangelndem Zugang zu lebens­not­wen­diger Versor­gung. Ein Flücht­ling aus einem Lager in Nördlingen in Bayern beschrieb das jüngst so : „Lager müssen geschlossen werden, da wir Flücht­linge in diesen Lagern sterben an jedem Tag ! Die Menschen in den Lagern sind so frustriert, dass sie Selbst­mord begehen.

Man geht zum Arzt, der einen nur ansieht und sagt, man sei in Ordnung, obwohl man inner­lich stirbt.

In Hamburg ist im November 2013 Samuel Mensah gestorben, weil er wie in Italien zuvor gezwungen war, auf der Straße zu leben. Mitglieder unserer Gruppe hatten ihn bereits einen Monat zuvor krank auf der Straße gefunden und ihn ins Kranken­haus gebracht. Unsere Gruppe hat in der Zwischen­zeit mehrere Famili­en­mit­glieder in der Heimat verloren. Die anhal­tende Situa­tion nicht arbeiten zu dürfen, gibt uns keine Möglich­keit, Geld für nötige Medizin oder den Kranken­haus­be­such zu schicken.

Im Kreis­lauf von Flucht und Abschie­bung verlieren so viele Menschen ihr Leben. Die wenigsten davon sind Europäer  – mit Ausnahme der Roma, die eine bis heute verfolgte Bevöl­ke­rungs­gruppe inner­halb Europas ist. Wir haben viel gesehen, in den knapp 3 Jahren unseres Überle­bens in Europa. Das Bild des vereinten, demokra­ti­schen, humanen, zivili­sierten Europa, welches Europa von sich selbst vermit­telt, hat nicht viel mit dem zu tun, was wir erleben und noch weniger mit der kolonialen Konti­nuität auf unserem Konti­nent. Diese erfahren wir alltäg­lich durch die gnaden­lose Ausbeu­tung und die Unter­drü­ckung jegli­chen Strebens nach Unabhän­gig­keit und Souve­rä­nität.

Am 17. Januar jährte sich zum dreiund­fünf­zigsten Mal der Tag der brutalen Ermor­dung von Patrice Lumumba, dem Führer des kongo­le­si­schen Unabhän­gig­keits­kampfes und erster Premier­mi­nister der Demokra­ti­schen Republik Kongo. Einer der vielen politi­schen Morde im Auftrag der ehema­ligen Koloni­al­mächte (wieso sagt man eigent­lich ehemalig). Thomas Sankara löste Burkina Faso aus der kolonialen Kette und rief zur antiko­lo­nialen Verei­ni­gung Afrikas. Nur drei Jahre Präsi­dent­schaft von 1984 bis 1987 überlebte er. In Togo wurde am 23. Juli 1992 der junge sozia­lis­ti­sche Politiker, Tavio Amorin, auf offener Straße erschossen. Sein Wider­stand gegen die von Europa gestützte Diktatur in seinem Land fand große Unter­stüt­zung in der Bevöl­ke­rung und erzeugte mörde­ri­sche Angst im Regime.

Dieje­nigen, die sich offen gegen das uns aufge­zwun­gene Elend gewehrt haben, wurden und werden ermordet und manchmal wurden die Mörder zu Präsi­denten - nicht mit der Macht des Volkes sondern der Waffen, die Europa seinem neuen Vasallen verkauft für die reibungs­lose Ausplün­de­rung der bitter benötigten Rohstoffe.

Mehr Elend, mehr Waffen, mehr Gewalt, mehr Unsicher­heit, mehr Menschen fliehen. Afrika darf nicht unabhängig sein, weil Europa von Afrika abhängig ist. Das ist ein Teil der Wahrheit über den NATO Krieg in Libyen und auch über die Teilung des Sudans, des Kriegs in Mali und Zentral Afrika. Kongo, das Herz Afrikas blutet seit der Ankunft der Europäer bis heute in Strömen.

Wurden unsere Vorfahren damals in Ketten geschlagen und von Afrika auf andere Konti­nente verschleppt, werden wir, die Nachfahren, heute in Europa in Ketten geschlagen und nach Afrika depor­tiert.

Das Bild des vereinten, demokra­ti­schen, humanen, zivili­sierten Europas, das wir erleben, hat nicht viel mit dem Bild zu tun, was Europa in unseren Ländern von sich vermit­telt. Europa nennt sich eine Union und solida­ri­sche Staaten­ge­mein­schaft, dabei wächst das Reichtum-Armut Gefälle regional und von Land zu Land extrem. Heute in Zeiten der europäi­schen Finanz­krise hören wir, dass täglich 100 Isländer aufgrund der hohen Arbeits­lo­sig­keit und Armuts­per­spek­tiven Island verlassen. Und in den Nachrichten hören wir über die Angst vor Zuwan­de­rung von Bulgaren und Rumänen, die jetzt Unions­bürger sind.  Dann hören wir immer wieder, dass Deutsch­land in vielen Berei­chen Fachar­beiter braucht, während uns eine Arbeits­er­laubnis verwei­gert wird. Sind wir für die Wirtschaft auf dem irregu­lären Arbeits­markt profi­ta­bler oder ist es staat­li­cher Rassismus ?

Für unsere Brüder und Schwes­tern, die in deutschen Asylla­gern ihre Lebens­jahre und ihre Gesund­heit verlieren, stellt sich diese Frage längst nicht mehr. Rassis­tisch sind nicht nur die Perso­nen­kon­trollen, die zuletzt in Hamburg erfreu­li­cher­weise eine große und vehemente Ableh­nung aus Teilen der Bevöl­ke­rung erfahren haben, rassis­tisch ist das ganze System der hoch organi­sierten Isola­tion, der Sonder­be­hand­lung vom Lager über Essens­paket und Gutschein, Duldung , Abschie­be­haft und Abschie­bung. Rassismus ist unsere Erfah­rung mit der Haltung des Hamburger Senats. Wenn wir sagen, wir wären nicht hier, wenn wir in Italien hätten leben können und der Bürger­meister der Stadt sagt Hamburger Schüle­rinnen und Schülern auf deren Nachfrage „… Italien ist ein wunder­schönes Land….”, verstehen wir, dass er nicht mit uns selbst sprechen möchte. Was wir nicht verstehen, dass dies von vielen nicht als Rassismus gesehen wird.

Ohne den NATO Krieg in Libyen wären wir nicht in Europa. Wir sollen jetzt auf Europas  Straßen leben und sterben, aus Sicht des Senats möglichst nicht in Hamburg sondern besser  in Italien. Und wenn die Gesetze dies sagen, dann sind sie rassis­ti­sche Gesetze. Und eine Gesell­schaft, dies das akzep­tiert, muss sich rassis­tisch nennen.

Aber zusammen können wir lernen, Rassismus zu überwinden und die kolonialen Ketten zu zerreißen.

An unserem kleinen Protest­zelt sind über die Monate so viele Menschen verschie­denster Herkunft gekommen, sich zu infor­mieren, Rat und Hilfe zu suchen, uns Solida­rität auszu­spre­chen oder etwas Brot oder etwas zu trinken zu bekommen. Unserem Slogan „We are here to stay” an die Menschen in der Stadt, ist der Slogan der Unter­stüt­ze­rInnen „Wir sind mehr” dazuge­kommen.

Es ist viel passiert in den letzten Monaten und Wochen im Zusam­men­hang mit unserem Kampf für die Anerken­nung unserer Rechte in Hamburg. Wir sind nach wie vor überwäl­tigt von der großen Solida­rität und Sympa­thie für uns in Hamburg. Während am Anfang noch stärker unsere Stimme und unsere Situa­tion in der Öffent­lich­keit und in der öffent­li­chen Debatte standen, wurden es später die Positionen und Handlungen von unter­stüt­zenden Kreisen inner­halb der breiten Solida­ri­täts­be­we­gung, die die öffent­liche Debatte bestimmen. Auch Versuche unsere Selbst­be­stim­mung zu unter­laufen, haben statt­ge­funden und manche betreiben auf unsere Kosten ein falsches Spiel. Aber das passiert in jedem Kampf. Es ist wichtig, dies zu erkennen, aber nicht daran hängen­zu­bleiben. Deshalb wollen wir den verscho­benen Blick­winkel zurück auf den Kern des Problems, das uns verbindet, richten.

Zwei Konfe­renzen sollen das Verständnis und das Bewusst­sein über die Zusam­men­hänge von der Europäi­schen Außen­po­litik und dem Anwachsen von Flucht und erzwun­gener Migra­tion vertiefen. Erfah­rungen des Wider­stands, die Bedeu­tung von Solida­rität und der Aufbau von tragfä­higen, lokalen Gemein­schaften geben Antworten auf die Frage „Was tun?”

Mehr Infos zu „Lampe­dusa in Hamburg” gibt es hier : lampe​dusa​-hamburg​.info

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