Einen ewigen Namen will ich ihnen geben

Video-Instal­la­tion in Wuppertal am 16.01.:
Neun Stunden SHOAH zum Holocaust-Gedenktag

SHOAH von Claude Lanzmann - Screenshot

SHOAH von Claude Lanzmann - Screen­shot

2015 sind seit dem Ende des Natio­nal­so­zia­lismus in Deutsch­land 70 Jahre vergangen. Anlass für mehrere Tage des Geden­kens. Bis zum 15.April und dem 8.Mai, den Tagen, an denen wir die Befreiung Wupper­tals von den Nazis und die Kapitu­la­tion Deutsch­lands feiern, gibt es einige markante Daten in der Region, zu denen in Wuppertal Veran­stal­tungen und Ausstel­lungen geplant sind. Zum Auftakt am 27.Januar ist der Gedenktag zur Befreiung des Vernich­tungs­la­gers Ausch­witz durch die Rote Armee Anlass mehrerer Veran­stal­tungen, u.A. zu einer Begeg­nung mit der 92-jährigen F.P.O.-Partisanin Fania Branzow­skaja in der Elber­felder CityKirche.

Schon nächsten Freitag, am 16.Januar wollen wir vom so_ko_wpt einen Beitrag zum siebzigsten Gedenktag zur Befreiung des KZ in Ausch­witz leisten und gleich­zeitig in beson­derer Weise Berichte von Zeitzeugen für einen Tag zum Teil des Alltags­ge­sche­hens auf dem Ölberg machen : mit einer Video-Instal­la­tion im Laden der Karawane Wuppertal, die uns für das Vorhaben ihren monat­lichen Kino-Termin zur Verfü­gung stellt. Ab 14 Uhr zeigen wir im Laden den mehr als neunstün­digen Dokumentar- und Inter­view­film SHOA von Claude Lanzmann, der 1985, vor genau 30 Jahren, fertig­ge­stellt wurde. Wir versu­chen, Ton und Bild auch außer­halb des Laden­lo­kals zu übertragen, sodaß die von Lanzmann zusam­men­ge­tra­genen Berichte und Bilder vor dem Laden zur unauf­dring­lich-präsenten Umgebung eines Tages werden.

Für ausdau­ernde und zeitwei­lige Besucher*innen der Instal­la­tion gibt es gegen Spende den ganzen Tag über heiße Getränke im Laden.

Der Eintritt ist frei.

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Shoah von Claude Lanzmann – Screen­shot

Installation/Filmvor­füh­rung SHOAH – Freitag, 16.1.15
Ort : Laden der Karawane Wuppertal
ca. 14:00 Uhr : Beginn SHOAH, Teil 1  ca. 18:30 - 19:30 Uhr : Pause
ca. 19:30 Uhr : Beginn SHOAH, Teil 2  ca. 24:00 Uhr : Ende

Zum Film :

«‘Claude Lanzmanns Film SHOAH’, schrieb Lothar Baier nach der Pariser Urauf­füh­rung im April 1985, sei „die denkbar massivste Antwort auf Bitburg : die radikale, unauf­hebbare Diffe­renz zwischen Tätern und Opfern wird wieder­her­ge­stellt.’ Dieser Film komme zur rechten Zeit, ‘um in der neuen deutschen Micky­maus­welt, in der Ausch­witz und die Vertrei­bung der Ostdeut­schen dieselbe Bonbon­farbe annehmen, die Propor­tionen zurecht­zu­rü­cken.’»

«(…) [SHOAH] markiert eine radikale, unauf­hebbare Diffe­renz zwischen Trauer und Vergessen. Zwischen der Micky­maus­welt derer, die sich wie Kanzler Kohl in der ‘Gnade der späten Geburt’ sonnen, und jener ‘ecriture’, die Ausch­witz auf unserer Erdober­fläche und in unserer Geschichte hinter­lassen hat, gibt es keine Kommu­ni­ka­tion. Die Sprach­lo­sig­keit des unbedarften Geschwätzes ist die adäquate Verlän­ge­rung jener sprach­losen Destruk­ti­vität, die Ausch­witz der Geschichte hinzu­fügte. Claude Lanzmann setzt dagegen : (…) [SHOAH ist] die wohl letzte und umfas­sendste filmi­sche Dokumen­ta­tion über die Juden­ver­nich­tung : noch einmal eine beses­sene Anstren­gung, alles festzu­halten, was Opfer und Schlächter, soweit sie überlebten, nach mehr als 40 Jahren zu sagen haben. Festzu­halten auch, was nicht gesagt werden kann, weil die Stimme zerbricht, weil die Bilder der Erinne­rung übermächtig werden und namen­loses Entsetzen alles, was Sprache vermag, nichtig erscheinen läßt. »
(Klaus Kreimeier in einer Filmkritik aus dem Februar 1986)

Szene aus SHOAH

Shoah von Claude Lanzmann – Screen­shot

Übersicht der Wupper­taler Veran­stal­tungen zum Holocaust-Gedenktag 2015 :

16.1., 14:00 Uhr, Karawane-Laden, Marien­straße 52, Wuppertal-Elber­feld
SHOAH - neunstün­dige Video­in­stal­la­tion auf dem Ölberg

25.1., 16:00 Uhr, CityKirche Elber­feld
Deser­teure und Fahnen­flücht­linge in Wuppertal. Vortrag

27.1., 17:00 Uhr
Depor­ta­tions-Mahnmal am S-Bahnhof Stein­beck – Gedenk­rund­gang

27.1., 19:00 Uhr, Die Börse
Szeni­sche Lesung »Professor Mamlock« von Fried­rich Wolf

27.1., 19:30 Uhr, Citykirche Elber­feld
Begeg­nung mit der Parti­sanin Fania Brancovs­kaja (Vilnius, Litauen)

30.1., 17:00 Uhr, Lichthof Rathaus Barmen
Eröff­nung der Ausstel­lung « Neofa­schismus in Deutsch­land »

3.2., 19:30 Uhr, Stilbruch, Otto Böhne-Platz Wuppertal-Elber­feld
Otto Weidt und sein Netzwerk zur Rettung verfolgter Juden. Vortrag

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Die Täter bei der Polizei konfrontieren ! Gemeinsam nach Dessau !

Die Karawane mobili­siert landes­weit für die Oury Jalloh-Demo.

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Am 7.Januar 2015 jährt sich der Tod Oury Jallohs zum zehnten Mal. Der damals 36-Jährige wurde 2005 - an eine Matratze gefes­selt – in einer Dessauer Polizei­zelle verbrannt. So ungeheu­er­lich der offen­sicht­liche Mord an einem hilf- und wehrlosen Menschen an sich schon ist – noch unvor­stell­barer ist die zehnjäh­rige Geschichte der Suche nach den Täter*innen. Welche Fragen auch gestellt, welche Indizien benannt und welche Gutachten auch immer von der für eine Aufklä­rung des Falles kämpfenden Initia­tive der Freund*innen Oury Jallohs auch einge­bracht wurden – die Antwort der ermit­telnden Behörden und der Justiz stand bereits fest und war immer dieselbe : Der Mann aus Sierra Leone habe die Matratze selber und damit sich selbst angezündet. Die ausblei­bende Rettung durch die in der Wache anwesenden Polizist*innen wurde mit einer merkwür­digen Abfolge techni­scher Pannen und falscher Einschät­zungen erklärt. Bei jeder Neuauf­lage der Verhand­lungen und Recher­chen kamen neue Manipu­la­tionen, abgespro­chene Aussagen und unter­schla­gene oder vernich­tete Beweis­mittel zum Vorschein. Die absurde polizei­liche Version des Tather­gangs blieb offiziell jedoch unerschüt­tert.

Jeder Versuch einer Aufklä­rung und Aufar­bei­tung zerschellte an einer Mauer des Schwei­gens und Lügens, die jeden Rahmen des berüch­tigten Corps­geistes sprengt, wie er bei Vertu­schungen von Polzei­ge­walt und -willkür üblich ist. Der offen­kun­dige Wille, Schul­dige zu schützen und Abläufe geheim zu halten erinnert im Fall Oury Jallohs fatal an die Vorgänge rund um die Ermitt­lungen zu den zehn Morden des « Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grunds ». Wo in Dessau zumin­dest Akteure einer Polizei­clique geschützt werden sollen, sind es beim NSU-Verfahren Geheim­dienst­struk­turen quer durch die Bundes­re­pu­blik. Beide Taten und Verstri­ckungen verweisen auf eine neue Qualität des rassis­ti­schen Konsens in den Organen des nach der Wieder­ver­ei­ni­gung wieder­erstarkten Deutsch­land. Die den Taten folgenden und bis heute andau­ernden Versuche, Betei­li­gungen von Menschen im Staats­auf­trag zu verbergen und abzusi­chern, belegen, dass bis heute kein Brunch mit diesem rassis­ti­schen Konsens erfolgte und auch nicht beabsich­tigt ist – allen politi­schenen Beteue­rungen zum Trotz.

Die fortge­setzte Forde­rung der « Initia­tive in Gedenken an Oury Jalloh » nach Aufklä­rung mag daher erscheinen wie der Kampf gegen Windmüh­len­flügel und die immer noch neu hinzu­kom­menden Beweise für die Unhalt­bar­keit der staat­li­chen These vom Suizid scheinen auch zukünftig kaum dazu in der Lage, das dichte Netz aus Lügen, abgespro­chenen Gedächt­nis­lü­cken und Drohungen zerreißen zu können ; und doch macht gerade das die Gedenk­de­mons­tra­tion in der kleinen Provinz­stadt in Sachsen-Anhalt wichtig. Zeigen sie der Clique in der Polizei­dienst­stelle – ein Großteil ist noch immer in Dessau tätig – doch jährlich, dass kein staat­li­cher Freibrief eine Garantie für Vergessen bedeutet. Wenn die Justiz außer­stande und offen­sicht­lich unwillig ist, die Schul­digen mit ihrer Tat zu konfron­tieren, müssen wir es tun. Immer und immer wieder – erst Recht am zehnten Jahrestag des Mordes. Wie sehr diese Konfron­ta­tion die Richtigen trifft und vor allem auch nervt, zeigte sich zuletzt 2012, als die Polizei die Demo wegen des Slogans « Oury Jalloh - das war Mord ! » massiv gewaltsam bei der Abreise angriff und dabei auch ganz gezielt gegen einzelne Aktivisten der Initia­tive vorging.

Für die Demo am zehnten Jahrestag mobili­siert Die Wupper­taler Gruppe der « Karawane für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen » mit mehreren Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tungen, zu denen auch ein Freund der Dessauer Initia­tive einge­laden ist. Für den 7.Januar wird eine gemein­same Anreise organi­siert – Tickets können u.a. bei den Veran­stal­tungen erworben werden. Die Anreise ist am Morgen des 7.Januar, die Rückreise am Abend des gleichen Tages. Die Wupper­taler Infor­ma­ti­ons­ver­stal­tung findet am Dienstag, den 16.Dezember im Autonomen Zentrum an der Marko­man­nen­straße statt. Weitere Veran­stal­tungen sind u.a. am 17.12. in Duisburg und am 18.12. in Düssel­dorf geplant.

Weiter­füh­rende Infor­ma­tionen zum Mord an Oury Jalloh :

Ein ausführ­li­ches Dossier bei LabourNet Germany dazu

Ein WDR-Radio­fea­ture zum Fall Oury Jalloh aus dem Oktober 2014 :
Wider­sprüch­liche Wahrheiten (53 Minuten) [sc_embed_player fileurl=„https://soli-komitee-wuppertal.mobi/wp-content/uploads/2014/12/Widerspruechliche_Wahrheiten.mp3”]

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