Welcome to Stay-Konferenz in Bochum

Im richtigen Moment wollen der Bahnhof Langend­reer und der Flücht­lingsrat in NRW in eine oftmals autori­täre und rassis­ti­sche, manchmal auch humanitär-pater­na­lis­ti­sche, fast immer jedoch absurd geführte gesell­schaft­liche Debatte inter­ve­nieren : bei der Aktions­kon­fe­renz “Welcome to Stay”, die am 7.November in Bochum statt­findet, sollen prakti­sche Wege gefunden werden, die Situa­tion ankom­mender und bereits länger hier lebender Refugees zu verbes­sern. Zur Konfe­renz einge­laden sind vor allem Menschen, für die der Umgang mit der Situa­tion Praxis ist : So werden neben Heinz Drucks vom Flücht­lingsrat u.a. auch Vertreter*innen von “Jugend­liche ohne Grenzen“, der Netzwerke Langend­reer und Wohlfahrt­straße und von welcome2wuppertal (w2wtal) zum Treffen geflüch­teter Menschen und Unterstützer*innen beitragen.

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Im Mittel­punkt steht die Frage, wie Geflüch­tete dabei unter­stützt werden können, sich in ihrer neuen sozialen und politi­schen Umgebung zurecht­zu­finden und aktiv auf sie Einfluss zu nehmen. In verschie­denen Workshops geht es u.A. um Fragen selbst­or­ga­ni­sierter Sprach­kurse und vernünf­tiger Unter­künfte, um Probleme beim Aufbau von Netzwerken, um Rechte Geflüch­teter, aber auch darum, wie Abschie­bungen gemeinsam verhin­dert werden können. Im Rahmen eines Workshops, der unter dem Titel der gemein­samen Erklä­rung in Wuppertal lebender Refugees zum neuen Asylrecht steht (“Mit uns Lösungen suchen – nicht gegen uns!”) wird welcome2wuppertal versu­chen, Fragen zu Problemen und Heraus­for­de­rungen einer Selbst­or­ga­ni­sie­rung von Refugees zu stellen und – soweit möglich – auch zu beant­worten. Für den Workshop, bei dem möglichst vor allem Refugees selber zu Wort kommen sollen, koope­riert w2wtal mit Aktiven von “Afrique Europe Interact” und “Voix des Migrants“, die zur Zeit viel in Bochumer Erstauf­nah­me­ein­rich­tungen aktiv sind.

Abschluss der Konfe­renz wird eine Podiums­dis­kus­sion mit einem Vertreter von w2wtal, mit Heinz Drucks vom Flücht­lingsrat und Nurjana Arsla­nova von “Jugend­liche ohne Grenzen” sein, bei der Perspek­tiven von Inter­ven­tionen gegen eine restrik­tive Asylpo­litik bespro­chen werden sollen.

Für (Flüster-) Überset­zungen in Englisch, Franzö­sisch, Arabisch und Serbo-Kroatisch ist gesorgt. Einge­laden sind neben Refugees auch alle inters­sierten Unterstützer*innen, es wird um eine Anmel­dung per E-Mail bis zum 1.November gebeten. Die E-Mail kann an welcome2wuppertal geschickt werden.

Das ganze Programm der Konfe­renz findet sich in unserem Kalender.

Der Beitrag zur Tagung beträgt 5, bzw. 10 Euro (für Geflüch­tete frei). Einen Bericht zur Konfe­renz wird es beim w2wtal-Abend im Café Stil Bruch am Sonntag, den 8.November geben.

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Eine neue Phase in unserem Kampf

Die „Lampe­dusa in Hamburg”-Gruppe leitet eine neue Phase ihres Kampfes um ein Bleibe­recht ein. Mit zwei Konfe­renzen im Februar (1 ; 2) und einer Großde­mons­tra­tion am 1.März soll nach den Ausein­an­der­set­zungen des letzten Jahres eine neue Qualität bei der Beant­wor­tung der Frage „was tun?” erreicht werden.

Das so_ko_wpt ruft zur Teilnahme an der Großde­mons­tra­tion auf – Knapp zehn Wochen nach der „Flora-Demo” ist es Zeit, nach Hamburg zurück­zu­kehren und den Kampf der Flücht­linge wieder in den Fokus zu nehmen.

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Wir dokumen­tieren hier den Text der „Lampe­dusa in Hamburg”-Gruppe zur Einlei­tung der neuen Phase ihres Kampfes :

Eine neue Phase in unserem Kampf : Zwei Konfe­renzen (01. und 08.02.) und eine Großde­mons­tra­tion am 01.03.2014

Ein Jahr nach der Beendi­gung des EU Programms “emergencia Africa norte”, ein Jahr Leben auf der Straße, drei Jahre nach dem NATO Krieg in Libyen, drei Jahre seit dem Trauma des Krieges und dem Verlust von allem außer dem nackten Leben, zehn Monate des Kampfes für die Anerken­nung unserer Rechte in Hamburg, zehn Monate zwischen der Solida­rität aus der Gesell­schaft und der Ignoranz durch die Regie­rung steht unser Leben und das unserer Familien immer noch auf dem Kopf. Mit fortschrei­tender Zeit ohne Verän­de­rung unserer recht­li­chen Situa­tion, die uns ermög­li­chen würde, endlich ein „normales“ Leben zu beginnen, wächst die psychi­sche Belas­tung auf die Mitglieder unserer Gruppe. Der Satz „Wir haben nicht den NATO Krieg in Libyen überlebt, um auf Hamburgs Straßen zu sterben” wurde oft von Außen­ste­henden als übertrieben bezeichnet.

Aber schon bevor wir kamen, starben Menschen, die in Deutsch­land Schutz und Asyl suchten. Sie sterben in den Lagern aufgrund der Isola­tion, der Entrech­tung und dem mangelndem Zugang zu lebens­not­wen­diger Versor­gung. Ein Flücht­ling aus einem Lager in Nördlingen in Bayern beschrieb das jüngst so : „Lager müssen geschlossen werden, da wir Flücht­linge in diesen Lagern sterben an jedem Tag ! Die Menschen in den Lagern sind so frustriert, dass sie Selbst­mord begehen.

Man geht zum Arzt, der einen nur ansieht und sagt, man sei in Ordnung, obwohl man inner­lich stirbt.

In Hamburg ist im November 2013 Samuel Mensah gestorben, weil er wie in Italien zuvor gezwungen war, auf der Straße zu leben. Mitglieder unserer Gruppe hatten ihn bereits einen Monat zuvor krank auf der Straße gefunden und ihn ins Kranken­haus gebracht. Unsere Gruppe hat in der Zwischen­zeit mehrere Famili­en­mit­glieder in der Heimat verloren. Die anhal­tende Situa­tion nicht arbeiten zu dürfen, gibt uns keine Möglich­keit, Geld für nötige Medizin oder den Kranken­haus­be­such zu schicken.

Im Kreis­lauf von Flucht und Abschie­bung verlieren so viele Menschen ihr Leben. Die wenigsten davon sind Europäer  – mit Ausnahme der Roma, die eine bis heute verfolgte Bevöl­ke­rungs­gruppe inner­halb Europas ist. Wir haben viel gesehen, in den knapp 3 Jahren unseres Überle­bens in Europa. Das Bild des vereinten, demokra­ti­schen, humanen, zivili­sierten Europa, welches Europa von sich selbst vermit­telt, hat nicht viel mit dem zu tun, was wir erleben und noch weniger mit der kolonialen Konti­nuität auf unserem Konti­nent. Diese erfahren wir alltäg­lich durch die gnaden­lose Ausbeu­tung und die Unter­drü­ckung jegli­chen Strebens nach Unabhän­gig­keit und Souve­rä­nität.

Am 17. Januar jährte sich zum dreiund­fünf­zigsten Mal der Tag der brutalen Ermor­dung von Patrice Lumumba, dem Führer des kongo­le­si­schen Unabhän­gig­keits­kampfes und erster Premier­mi­nister der Demokra­ti­schen Republik Kongo. Einer der vielen politi­schen Morde im Auftrag der ehema­ligen Koloni­al­mächte (wieso sagt man eigent­lich ehemalig). Thomas Sankara löste Burkina Faso aus der kolonialen Kette und rief zur antiko­lo­nialen Verei­ni­gung Afrikas. Nur drei Jahre Präsi­dent­schaft von 1984 bis 1987 überlebte er. In Togo wurde am 23. Juli 1992 der junge sozia­lis­ti­sche Politiker, Tavio Amorin, auf offener Straße erschossen. Sein Wider­stand gegen die von Europa gestützte Diktatur in seinem Land fand große Unter­stüt­zung in der Bevöl­ke­rung und erzeugte mörde­ri­sche Angst im Regime.

Dieje­nigen, die sich offen gegen das uns aufge­zwun­gene Elend gewehrt haben, wurden und werden ermordet und manchmal wurden die Mörder zu Präsi­denten - nicht mit der Macht des Volkes sondern der Waffen, die Europa seinem neuen Vasallen verkauft für die reibungs­lose Ausplün­de­rung der bitter benötigten Rohstoffe.

Mehr Elend, mehr Waffen, mehr Gewalt, mehr Unsicher­heit, mehr Menschen fliehen. Afrika darf nicht unabhängig sein, weil Europa von Afrika abhängig ist. Das ist ein Teil der Wahrheit über den NATO Krieg in Libyen und auch über die Teilung des Sudans, des Kriegs in Mali und Zentral Afrika. Kongo, das Herz Afrikas blutet seit der Ankunft der Europäer bis heute in Strömen.

Wurden unsere Vorfahren damals in Ketten geschlagen und von Afrika auf andere Konti­nente verschleppt, werden wir, die Nachfahren, heute in Europa in Ketten geschlagen und nach Afrika depor­tiert.

Das Bild des vereinten, demokra­ti­schen, humanen, zivili­sierten Europas, das wir erleben, hat nicht viel mit dem Bild zu tun, was Europa in unseren Ländern von sich vermit­telt. Europa nennt sich eine Union und solida­ri­sche Staaten­ge­mein­schaft, dabei wächst das Reichtum-Armut Gefälle regional und von Land zu Land extrem. Heute in Zeiten der europäi­schen Finanz­krise hören wir, dass täglich 100 Isländer aufgrund der hohen Arbeits­lo­sig­keit und Armuts­per­spek­tiven Island verlassen. Und in den Nachrichten hören wir über die Angst vor Zuwan­de­rung von Bulgaren und Rumänen, die jetzt Unions­bürger sind.  Dann hören wir immer wieder, dass Deutsch­land in vielen Berei­chen Fachar­beiter braucht, während uns eine Arbeits­er­laubnis verwei­gert wird. Sind wir für die Wirtschaft auf dem irregu­lären Arbeits­markt profi­ta­bler oder ist es staat­li­cher Rassismus ?

Für unsere Brüder und Schwes­tern, die in deutschen Asylla­gern ihre Lebens­jahre und ihre Gesund­heit verlieren, stellt sich diese Frage längst nicht mehr. Rassis­tisch sind nicht nur die Perso­nen­kon­trollen, die zuletzt in Hamburg erfreu­li­cher­weise eine große und vehemente Ableh­nung aus Teilen der Bevöl­ke­rung erfahren haben, rassis­tisch ist das ganze System der hoch organi­sierten Isola­tion, der Sonder­be­hand­lung vom Lager über Essens­paket und Gutschein, Duldung , Abschie­be­haft und Abschie­bung. Rassismus ist unsere Erfah­rung mit der Haltung des Hamburger Senats. Wenn wir sagen, wir wären nicht hier, wenn wir in Italien hätten leben können und der Bürger­meister der Stadt sagt Hamburger Schüle­rinnen und Schülern auf deren Nachfrage „… Italien ist ein wunder­schönes Land….”, verstehen wir, dass er nicht mit uns selbst sprechen möchte. Was wir nicht verstehen, dass dies von vielen nicht als Rassismus gesehen wird.

Ohne den NATO Krieg in Libyen wären wir nicht in Europa. Wir sollen jetzt auf Europas  Straßen leben und sterben, aus Sicht des Senats möglichst nicht in Hamburg sondern besser  in Italien. Und wenn die Gesetze dies sagen, dann sind sie rassis­ti­sche Gesetze. Und eine Gesell­schaft, dies das akzep­tiert, muss sich rassis­tisch nennen.

Aber zusammen können wir lernen, Rassismus zu überwinden und die kolonialen Ketten zu zerreißen.

An unserem kleinen Protest­zelt sind über die Monate so viele Menschen verschie­denster Herkunft gekommen, sich zu infor­mieren, Rat und Hilfe zu suchen, uns Solida­rität auszu­spre­chen oder etwas Brot oder etwas zu trinken zu bekommen. Unserem Slogan „We are here to stay” an die Menschen in der Stadt, ist der Slogan der Unter­stüt­ze­rInnen „Wir sind mehr” dazuge­kommen.

Es ist viel passiert in den letzten Monaten und Wochen im Zusam­men­hang mit unserem Kampf für die Anerken­nung unserer Rechte in Hamburg. Wir sind nach wie vor überwäl­tigt von der großen Solida­rität und Sympa­thie für uns in Hamburg. Während am Anfang noch stärker unsere Stimme und unsere Situa­tion in der Öffent­lich­keit und in der öffent­li­chen Debatte standen, wurden es später die Positionen und Handlungen von unter­stüt­zenden Kreisen inner­halb der breiten Solida­ri­täts­be­we­gung, die die öffent­liche Debatte bestimmen. Auch Versuche unsere Selbst­be­stim­mung zu unter­laufen, haben statt­ge­funden und manche betreiben auf unsere Kosten ein falsches Spiel. Aber das passiert in jedem Kampf. Es ist wichtig, dies zu erkennen, aber nicht daran hängen­zu­bleiben. Deshalb wollen wir den verscho­benen Blick­winkel zurück auf den Kern des Problems, das uns verbindet, richten.

Zwei Konfe­renzen sollen das Verständnis und das Bewusst­sein über die Zusam­men­hänge von der Europäi­schen Außen­po­litik und dem Anwachsen von Flucht und erzwun­gener Migra­tion vertiefen. Erfah­rungen des Wider­stands, die Bedeu­tung von Solida­rität und der Aufbau von tragfä­higen, lokalen Gemein­schaften geben Antworten auf die Frage „Was tun?”

Mehr Infos zu „Lampe­dusa in Hamburg” gibt es hier : lampe​dusa​-hamburg​.info

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