Das so_ko_wpt war im März 2012 zunächst eine offene Initiative verschiedener Einzelpersonen und linker Gruppen, um den politischen Fokus transnational zu erweitern : Viele der damals Zusammengekommenen waren zuvor beim basta!-Bündnis aktiv, das sich in der damaligen Recht-auf-Stadt Bewegung verortete und ursprünglich gegen die lokale Wuppertaler Variante des später als Austeritätspolitik bekannt gewordenen Kürzungsdogmas gebildet hatte. Angesichts der europäischen Verwerfungen der neoliberalen Agenda im Jahr 2012 (vor allem in Griechenland) erschien manchen die Konzentration auf lokale Folgen der Austeritätspolitik keine angemesse politische Reaktion zu sein. Hinzu kam die wiederholte Erfahrung, in notwendigerweise breiter aufgestellten Bündnissen eigene Inhalte aus Rücksichtnahme auf Teile des bürgerlichen Spektrums immer wieder verwässern zu müssen. Die Kämpfe um eine andere Stadtentwicklung und -politik schienen besonders anfällig dafür. basta ! war damit an einem Endpunkt angelangt. Einige Aktive waren der Überzeugung, dass radikale linke Interventionen einen weiteren Fokus zurückerhalten mussten. Sie fanden sich in einer neuen Gruppe zusammen, die zunächst Solidarität mit dem griechischen Kampf gegen die Demontage des Landes in den Mittelpunkt ihres Engagements stellte und darüberhinaus die damals anwachsenden europäischen Kämpfe gegen die aus Deutschland forcierte Austeritätspolitik „im Herzen der Bestie” unterstützen wollte. Erfahrungen aus dem lokalen Engagement sollten dabei einfließen.
Der Name „solidaritäts-komitee wuppertal”, der bis heute dem Kürzel so_ko_wpt seine Bedeutung gibt, war Ausdruck der ersten Treffen, und eine intensive lokale Mobilisierung zur Erstausgabe von „Blockupy” in Frankfurt war der erste Aktivitätsschwerpunkt. Beeinflusst von den intensiven Kämpfen und Massenmobilisierungen in Griechenland oder Spanien folgten Jahre des Versuchs, die letztlich gescheiterten Aufstände im südlichen Europa angemessen in Deutschland zu reflektieren. Hierzu sollten verschiedene Kämpfe und Akteure verbunden und neue Perspektiven politischer Intervention in Wuppertal und darüberhinaus entwickelt werden. Heute – fünf Jahre später – müssen wir feststellen, dass dieser Versuch nur wenig erfolgreich war und wahrscheinlich auch nicht erfolgreich sein konnte. Heute können wir Fehleinschätzungen und teilweise falsch gesetzte Schwerpunkte benennen. An verschiedenen Wegmarken des Scheiterns wurden jedoch auch interne Ursachen für die aktuell oft beklagte Perspektivlosigkeit und Marginalität radikal linker Strukturen deutlich. So verhinderten falsche Rücksichtnahmen teilweise die notwendige Aufarbeitung eigener struktureller Schwächen. Im Lauf der Zeit zogen viele Konsequenzen und sich zurück – nicht nur beim so_ko_wpt Aktive. Die Folgen des Ausblendens von Strukturdefiziten sind heute zu sehen. Unserer Meinung nach nicht nur in Wuppertal. Das lässt uns glauben, dass wir nicht nur über hausgemachte Probleme reden. Der momentane Zustand radikal linker Politik und der stattfindenden Interventionen zeigt uns, wie nötig es gewesen wäre, im Bemühen um eine Verschränkung verschiedener Aktionsfelder und eine Überwindung partikularer Kämpfe erfolgreich zu sein. Wir waren es nicht. Die Konsequenz daraus zu ziehen, kleinere Gruppen in immer größere Zusammenhänge zu überführen oder gar aufzulösen, halten wir gleichwohl für wenig zielführend. Warum sollte im großen Maßstab gelingen, was im Kleinen nicht funktioniert ? Unserer Meinung nach potenzieren sich strukturelle Defizite in größeren Zusammenhängen eher, Korrekturmöglichkeiten nehmen hingegen ab.
Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als eigene Fehler zu reflektieren und mit fast allem neu anzufangen. Die uns beschäftigenden Themen haben sich nicht verändert, sie haben sich sogar noch zugespitzt. Unsere Geschichte ist auch eine Geschichte eines großen, aber gescheiterten, bzw. niedergeschlagenen Aufbruchs und Widerspruchs in den Jahren nach 2010 an der europäischen Peripherie beiderseits des Mittelmeeres. Die Brutalität mit der in 2012 in Griechenland, Spanien, 2013 in der Türkei oder auch in Ägypten die Suche nach emanzipatorischen Systemalternativen niedergeschlagen oder, im Falle Griechenlands, politisch niedergezwungen wurde, hat wesentlich dahin geführt, wo wir heute stehen. Die Bedingungen, unter denen linke Interventionen möglich sind, sind deshalb nicht mehr die gleichen. Inzwischen haben wir es an vielen Orten mit sehr starken zusätzlichen Feinden zu tun, die jene, durch die Niederschlagung schlecht vorbereiteter Aufstände entstandene Leere mit autoritär nationalistischen Schein-Alternativen zum Bestehenden füllen. Die eigene, im Vergleich zu Griechenland unter einer „linken” Regierung oder zu einer Türkei des Gezi-Aufstandes nur in homöopathischer Dosis gemachte Erfahrung des Scheiterns darf dabei nicht zum Vergessen einer seinerzeit empfundener Stärke führen. Vielmehr kann der Weg nur über eine Aufarbeitung eigener Fehler und auch Naivität führen. Es gilt, beim nächsten Mal „besser zu Scheitern”, wie wir an anderer Stelle geschrieben haben. Für uns als kleine, zumeist lokal arbeitende Gruppe bleibt es beim grundsätzlichen Anspruch, gemeinsam mit anderen emanzipatorische Alternativen aufzuzeigen und einzufordern. Denn eine Erfahrung aus den Niederlagen der letzten Jahre ist : Was uns mit unseren Kämpfen nicht gelang, ist dem System immanent – die Verknüpfung verschiedener Themenfelder zu kaum mehr entwirrbaren und miteinander verbundenen Krisen. Umso mehr sind wir davon überzeugt, dass partikulare Kämpfe geschlossener Peer-Groups keine Antwort darauf sein können. Doch auch die bisherige Bündnispolitik muss überprüft werden. Eine Aufarbeitung der dabei gemachten Erfahrungen ist notwendig.
Gründe für die wenig erfolgreichen Interventionen der letzten Jahre waren (…außerhalb Deutschlands) weniger eine fehlende Massenbasis – in Spanien wurden zeitweise zehn Prozent der Bevölkerung auf die Straßen und Plätze mobilisiert – oder mangelnde Entschlossenheit – in Griechenland wurde ein konsequenter Wandel sogar per Referendum befürwortet – sondern das Fehlen politischen Vorwissens um die Notwendigkeit einer über den euphorischen Aufstandsmoment hinausweisenden Organisation und fehlende Selbstbeherrschung. Sie ist Voraussetzung für Verbindlichkeit in Theorie und Praxis. Sie muss in radikal linken Zusammenhängen an die Stelle strikter Organisation treten. In der autonomen Wortbedeutung – der ausschließlichen Beherrschung durch sich selbst – steht Selbstbeherrschung für das Weiterdenken auf der Basis einer ehrlichen Analyse des Zustands eigener Handlungsfähigkeit und ein Erkennen jener Interventionsräume, in denen eine von äußeren Umständen und anderen geprägte Herrschaft über unser Tun reduziert werden kann. Dafür muss Unhinterfragtes ständig hinterfragt werden. Gegebenenfalls muss es auch über die Reeling gehen, wenn es die Erkenntnis gibt, dass die Motivation etwas zu tun oder etwas nicht zu tun, lediglich eine identitätspolitische ist. Selbstbeherrschung bedeutet deshalb auch, Prinzipien einer eigenen Nicht-Organisation zu überprüfen und Bedingungen für gemeinschaftliches Handeln so zu ändern, dass Misserfolge, Niederlagen und Bedrohungen eine Struktur nicht sofort zusammenbrechen lassen und endlich eine echte eigene, interne Konfliktfähigkeit zurückzuerlangen ; Selbstbeherrschung bedeutet, vom aktionistischen „jetzt aber auch mal was innerhalb und für die eigenen Filter-Bubble machen” zum strategischen Handeln zurückzukehren.
Ohne über sich verändernde Situationen und Bedingungen mit anderen nachzudenken und zu diskutieren, wäre das alles jedoch nichts anderes als der Umzug in einen Elfenbeinturm. Wenn es notwendig und sinnvoll erscheint, bleibt es für uns nach wie vor selbstverständlich, mit anderen zusammen zu handeln. Doch dazu ist ein steter Austausch notwendig. Wir werden also niemandem den Gefallen tun, hier jetzt eine Auflösung unserer Gruppe zu verkünden (damit würden wir uns auch zu wichtig nehmen). Wir werden vielmehr unseren Weg über regelmäßige Treffen und dabei zusammen beschlossene Themen- und Aktionsfelder fortsetzen. Das wird jedoch weniger kurzatmig geschehen als bisher. Wir werden uns die Zeit und die Formen nehmen, die es braucht. Denn auch das gehört zu den veränderten Bedingungen für unser Handeln : Inzwischen lässt sich an verschiedenen Stellen erkennen, wie radikal technische Veränderungen tatsächlich in unser Leben und unsere Kommunikation eingreifen. Auch das kann eigentlich nur bedeuten, sich auf die Suche nach Antworten in allen Themenbereichen zu begeben – auch wenn viele meinen, die Antworten längst gefunden zu haben. Eine unserer gefundenen Antworten ist sicher, dass durch Soziale Medien und deren Rezeption Debatten inzwischen soweit verkürzt wurden, dass es nicht nur zu ungeahnten Verschiebungen öffentlicher Diskurse gekommen ist, sondern auch eine eigene Sprachlosigkeit mit ausgelöst hat. Wir werden deshalb künftig öfter mal auf die Veröffentlichung eines wieder nur ein „Weiter so!” artikulierenden Aufrufs verzichten und stattdessen häufiger nachdenklichere Texte zugänglich machen und versuchen, den hechelnden Debatten sozialer Netzwerke etwas entgegenzusetzen.
Das wird die Veröffentlichungsfrequenz dieser Website vielleicht reduzieren und uns eventuell auch Seitenaufrufe kosten. Wir nehmen das in Kauf weil es notwendig ist. Umso mehr freuen wir uns über diejenigen, die bleiben und an unseren Diskussionsprozessen teilnehmen. Und nach wie vor freuen wir uns auch über alle, die an unseren Treffen (siehe Termine) und unserer eigenen Verortung in den Geschehnissen teilnehmen möchten. Mit ihnen stürzen wir uns dann auch gemeinsam gerne ins Handgemenge.
Wir bieten zukünftig gleich mehrere Möglichkeiten an, über neue Artikel auf dieser Seite informiert zu werden. Unsere Inhalte können über einen Channel bei telegram und auch über einen regelmäßigen Newsletter abonniert werden, es gibt natürlich auch noch den guten alten RSS-Feed. Unseren Twitter-Account werden wir selbstverständlich zusätzlich weiter bedienen – unsere letzten Tweets nach wie vor auf diesen Seiten einzubinden, scheint uns dann aber auch genug Tribut an die Höchstgeschwindigkeit zu sein mit der uns die Ereignisse zu überrumpeln versuchen. Auch die Facebook-Seite werden wir nicht ins Nirvana schicken, obwohl wir das wirklich supergerne täten. Es gehört zu den Rätseln der Welt, warum diese Scheiß-Plattform in den letzten Jahren eher noch an Bedeutung gewonnen denn verloren hat. Für Facebook gilt aber nach wie vor, dass wir das nur sehr sporadisch aufsuchen und bedienen. Deshalb : Wer mit uns direkt in Kontakt treten will, möge die bereitgestellten Wege dazu beschreiten : Via verschlüsselter E-Mail über das Kontaktformular oder per Direktnachricht bei Twitter. Das hat im Zweifel mehr Chancen einer schnellen Reaktion von uns als eine Nachricht bei Facebook. Wenn wir in der gleichen Stadt wohnen : Sprecht uns persönlich an ! Wir treffen uns normalerweise einmal monatlich. Wann und wo erfahrt ihr in der Terminübersicht.
Zuversichtliche Grüße. so_ko_wpt im Mai 2017