Einige „an der Vorbereitung von shoppenstoppen Beteiligte” haben am Wochenende eine Pressemitteilung zum „No Primark”-Aktionstag in der Wuppertal-Elberfelder Innenstadt veröffentlicht. Verlauf der Vorbereitung und Ablauf des Tages werden sicher noch eine intensivere Auseinandersetzung erfordern. Ein Anfang dazu kann bereits am Dienstagabend im „Stil-Bruch” auf dem Ölberg gemacht werden, wenn erneut zu einer aus dem AZ ausgelagerten Politkneipe eingeladen wird, die sich der Nachbereitung des 25.4 und der Vorbereitung der Vorabenddemo und des Autonomen 1.Mai widmen soll.
Wir dokumentieren hier die shoppenstoppen-Pressemitteilung im Wortlaut :
Pressemitteilung einiger an der shoppenstoppen-Vorbereitung Beteiligten zum Aktionstag am 25.4.2015 in Wuppertal-Elberfeld
Am Samstag, 25.4., haben über hundert Menschen an verschiedenen Orten der Elberfelder Innenstadt in Wuppertal an einem « shoppenstoppen»-Aktionstag teilgenommen. Mit einer Kundgebung, einer Demonstration und mehreren Aktionen sollte gegen unfaire Produktions- und Arbeitsbedingungen in Textilindustrie und -handel, gegen die geplante Ansiedlung von Primark am Döppersberg und gegen die undemokratische, lediglich auf Investoreninteressen ausgerichtete Stadtentwicklung in Wuppertal protestiert werden. Zwischenzeitlich wurde der Eingang des Kaufhauses C&A am von-der-Heydt Platz von ca. 20 Aktivist*innen symbolisch blockiert. Anlass des Aktionstages war der zweite Jahrestag des Zusammenbruchs des Rana Plaza in Sabhar/Bangladesh, in dem für viele Modeketten u.a. auch für Primark, produziert wurde. Der Einsturz des Gebäudes kostete damals über 1.000 Menschenleben.
Dass der Aktionstag trotz der demonstrativen « persönlichen Betreuung » für einige Aktivist*innen durch den Staatsschutz und trotz der duch einen rechtsradikalen Mordversuch an einem Freund vor 14 Tagen angespannten Situation stattgefunden hat, wird von einigen der Initiator*innen als Erfolg angesehen. Ob die Nachricht vom Aktionstag gegen die Primark-Ansiedlung auch den irischen Textildealer erreicht, muss abgewartet werden.
Bei der Kundgebung auf der Alten Freiheit wurden durch mehrere Redner*innen ganz verschiedene Aspekte der Thematik einer Primark-Ansiedlung vor dem Wuppertaler Hauptbahnhof angesprochen.
Zuerst ging es dabei natürlich um die Ausbeutung von Arbeiter*innen in Ländern wie Bangladesh oder Myanmar. Wie elend dort zum Beispiel mit Textilarbeiter*innen umgegangen wird, verdeutlichte ein Brief einer pakistanischen Gewerkschafterin, der zu Beginn durch eine Vertreterin von BaSo (Basisinitiative Solidarität) verlesen wurde.
Doch shoppenstoppen richtete sich nicht nur gegen die Arbeitsbedingungen in den Produktionsbetrieben des Trikont. Auch die Arbeitsverhältnisse der oft prekär Beschäftigten in den hiesigen Geschäften der Textilketten werden kritisiert. Das wurde den Verkäufer*innen noch am Morgen des Tages in einem persönlich überreichten Brief mitgeteilt, in dem versichert wurde, dass sich mögliche Blockaden nicht gegen sie oder ihre Arbeitsplätze richten würden, sondern « ausschließlich gegen die Konzerne, die unglaubliche Gewinne auf dem Rücken der Arbeiter*innen machen ».
Konkret wurden bei der Kundgebung auch einige der Unternehmen genannt, die sich noch immer weigern, in die ohnehin mickrigen Entschädigungsfonds für Angehörige und Überlebende von Katastrophen wie in Sabhar (1.130 Tote), Karatchi (289 Tote) oder Tazreen (120 Tote) einzuzahlen, darunter auch in Wuppertal tätige Unternehmen wie beispielsweise die Billigkette KiK, deren Laden in der Rathausgalerie diesmal leider ungeschoren davonkam. Dabei wurde betont, dass es nicht nur Billiganbieter sind, die von der Ausbeutung der Arbeiter*innen profitieren : Auch die Edelmarke Benetton war erst in diesem April und nur nach großem öffentlichen Druck bereit, in den Fonds für die Rana Plaza-Opfer einzuzahlen.
Anschließend machte Bernhard Sander (Stadtverordneter, Die LINKE) klar, wie die Stadt Wuppertal durch den Umgang der politischen Stadtspitze mit dem Döppersberg an Investoren ausgeliefert wurde. Die von ihm geschilderte Historie der Kostenentwicklung des Döppersbergumbaus verdeutlichte, dass die « Alternativlosigkeit » der Entscheidung des Stadtrates für den Investor Signature Capital und seinen Ankermieter Primark eine durch und durch selbstverschuldete ist, die bewusst in Kauf genommen wurde.
Frank Jäger vom Erwerbslosenverein Tacheles ging danach in seinem Beitrag auf die Lebensbedingungen der über 40.000 Hartz IV-Bezieher*innen in Wuppertal ein, deren für Bekleidung und Schuhe im monatlichen Regelsatz vorgesehene 33 Euro ihnen keine andere Möglichkeit lässt, als die unter miesesten Bedingungen produzierte Billigware zu kaufen. Dadurch werden fast 15% der Wuppertaler*innen zwangsweise zu Komplizen der Ausbeutung.
Der Landtagsabgeordnete der Piraten, Olaf Wegner, thematisierte nach den inhaltlischen Reden zum Thema eine andere Vorgeschichte des Aktionstages, die von polizeilichen Repressionen gegen die teils noch jugendlichen Aktivist*innen erzählte. Die Initiator*innen des Protestes hatten mit ihrer « No Primark»-Kampagne und der Ankündigung, « Sand ins Getriebe zu streuen » offenbar einen Nerv der verantwortlichen Lokalpolitiker*innen getroffen. Seit der Übergabe eines Briefes an die Fraktionen von CDU und SPD, die einen solch persönlichen « Dialog mit den Bürger*innen » scheinbar nicht mehr aushalten, waren vor allem die jungen Aktivist*innen einer fast täglichen Belästigung durch Zivilpolizist*innen und Staatsschutz, sowie haltlosen Anschuldigungen von Wegners SPD-Landtagskollegen, Dietmar Bell, ausgesetzt. Wegner, der im Landtag mit Familien- und Jugendpolitik befasst ist, kritisierte die gezielte Einschüchterung speziell junger Aktivist*innen, sprach sogar von einer « Verfolgung » engagierter junger Menschen und verlangte, dass mit ihnen verantwortungsvoller umgegangen werden müsse.
Zumal von einer « Bedrohung » von Politiker*innen im angesprochenen Brief keine Rede sein könne. Das bewiesen auch die im Wortlaut verlesene Erklärung, die zur Abgabe des so genannten « Ultimatums » verfasst worden war und ein Beitrag aus der Aktivist*innen-Gruppe, der über Lautsprecher eingespielt wurde. In ihm wurde nochmals ausgeführt, warum es eigentlich einige Menschen als notwendig ansehen, im Sinne einer lebenswerten Stadtentwicklung gemeinsam mit anderen selbst zu handeln anstatt immer nur wirkungslos an die Lokalpolitik zu appellieren.
Mit Solidaritätsadressen an eine am gleichen Tag stattfindende Kundgebung an der Berliner « Mall of Shame », bei der um ihren Lohn betrogene rumänische Bauarbeiter zum wiederholten Mal ihre ausstehenden Kohle einfordern wollten, und mit Genesungswünschen an den vor zwei Wochen durch einen Messerangriff rechtsradikaler Hooligans verletzten Freund endete die Kundgebung vor den City-Arkaden.
Das größte Einkaufzentrum der Stadt, vor dessen Türen die Kundgebung stattfand, hatte am shoppenstoppen-Aktionstag eine kurzfristige Steigerung seiner Personalkosten für Security zu verkraften. Ein Nebenschaden, der allerdings die richtige Adresse traf, steht es doch an jenem Ort, der noch vor drei Jahrzehnten Aktionsfläche für erfolgreichen öffentlichen Protest gegen eine Straßensatzung gewesen war und nun als privatisierter Stadtraum unter Hausrecht und Bewachung durch Sicherheitsdienste steht.
Dass die von Olaf Wegner angesprochenen Einschüchterungsversuche im Übrigen nicht den gewünschten Erfolg hatten, zeigten nicht nur einige kleinere Spontandemos und Aktionen in der Innenstadt, sondern auch die symbolische Sitzblockade des C&A-Eingangs am späten Mittag. Einige Menschen blockierten am von-der-Heydt Platz den Zugang zum Textil-Kaufhaus, das ebenfalls in Tarzeen produzieren ließ, von Kinderarbeit profitiert und sich auch schonmal weigerte, auf einen Arbeiter*innen drangsalierenden Zulieferer in Bangladesh einzuwirken. Die etwa zehnminütige Blockade wurde schließlich von den Aktivist*innen selber beendet, nachdem sie zunächst von mehreren Polizeifahrzeugen umstellt worden waren.
Durch die symbolische Blockade rückte überraschend der von-der-Heydt Platz für kurze Zeit ins Zentrum des Geschehens, auch weil dort – im Vorgriff auf das am 5.Juni stattfindende 33-jährige « Jubiläum » der legendären « Punkerschlacht am Brunnen » – gleichzeitig ein solidarisches Treffen von Punks stattfand, das den Anwesenden viel Spaß und dem Brunnen eine wirklich überschäumende Zeit einbrachte.
Eine am Nachmittag noch stattfindende Demonstration einiger Aktivist*innen vom Neumarkt zum verfallenden alten Schauspielhaus verlief schnell und laut.
Einige an der shoppenstoppen-Vorbereitung Beteiligte am 25.4.2015.