w2wtal beim Schusterplatzfest

Die Initia­tive „welcome2wuppertal” (w2wtal) betei­ligte sich dieses Jahr am Schus­ter­platz­fest auf dem Ölberg nach der Autonomen 1.Mai-Demonstration. Wir dokumen­tieren hier ihren Redebei­trag, der auf der Homepage der Initia­tive veröf­fent­licht wurde. (English version)

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Liebe Freunde, liebe Freun­dinnen !

Europa führt einen Krieg gegen Flücht­linge. Wir finden die momen­tane Situa­tion der Flücht­linge und die aktuelle Asylpo­litik unerträg­lich und wollen diese nicht weiter hinnehmen !

Die Festung Europa produ­ziert täglich Tote, vor allem im Mittel­meer und an den Außen­grenzen. Im letzten Jahr starben 3.400 Menschen, und das, obwohl Italien mit der Opera­tion « Mare Nostrum » das größte Programm zur Seenot­ret­tung das es im Mittel­meer je gab, gestartet hatte. Aber weil die EU nicht bereit war, sich an den Kosten von « Mare Nostrum » zu betei­ligen, wurde selbst diese Mission einge­stellt und durch « Triton » ersetzt. « Triton » aber ist, im Gegen­satz zu « Mare Nostrum » keine Seenot­ret­tung, sondern eine von Frontex gelei­tete Grenz­schutz­ope­ra­tion. « Triton » deckt nur ein wesent­lich kleineres Seege­biet ab und ist nicht darauf ausge­richtet, Menschen­leben zu retten.

Die Konse­quenzen aus der misera­blen Politik und des Auflö­sens von « Mare Nostrum » waren in der vorletzten Woche allzu deutlich erkennbar. Inner­halb einer Woche ertranken mehr als 1000 Flüch­tende im Mittel­meer auf ihrem Weg nach Europa.

Trotzdem fällt den Regie­renden nichts Besseres ein, als die Mittel für den Grenz­schutz, also für Frontex, aufzu­sto­cken und Fischer­boote in Libyen zu zerstören, die vielleicht Schleu­ser­boote sein könnten. Europa scheint es weiterhin nur darum zu gehen, das Elend der Welt von seinen Grenzen fernzu­halten. Statt­dessen lassen sie lieber die flüch­tenden und asylsu­chenden Menschen in ihren kriegs­ge­schüt­telten Herkunfts- und Transit­län­dern verre­cken. Bedau­erns­wer­ter­weise trägt ein großer Teil der Bevöl­ke­rung in Deutsch­land diesen menschen­ver­ach­tenden Zynismus mit und verschließt die Augen vor den Flucht­gründen.

Die meisten der Flüch­tenden sind auf Schleuser angewiesen und verdanken ihnen ihr Überleben. Sie nehmen das hohe Risiko auf sich, über den Seeweg nach Europa zu gelangen, weil es ihren Tod oder großes Elend bedeuten würde, in den Herkunfts- und Transit­län­dern zu bleiben. Auf dem Landweg sind ihre Chancen noch geringer in Europa anzukommen, beson­ders für Familien mit Kindern. Es gibt keinerlei Alter­na­tiven. Außer­halb Europas gibt es keine Möglich­keit, ein humani­täres Visum zu beantragen und legal und sicher einzu­reisen. Selbst Kriegs­flücht­linge haben keine Chance, auf sicheren Wegen nach Europa zu kommen.

Genau daraus ergibt sich unsere Forde­rung, die sich als offen­sicht­liche Lösung aufdrängt : Sichere Flucht­wege zu öffnen und Möglich­keiten ein humani­täres Visum außer­halb Europas zu beantragen !

Fähren statt Frontex !

Es ist zum Verzwei­feln, dass angesichts der humani­tären Katastro­phen und des politi­schen Total­ver­sa­gens europäi­scher Asylpo­litik die einzige Reaktion der europäi­schen Regie­rungen in einem « Weiter so ! » besteht. Das ist aller­dings keine neue Erfah­rung, sondern bereits seit zwanzig Jahren der Fall. Wir ziehen daraus unsere Konse­quenz : Appel­lieren allein reicht nicht mehr aus ! Wir selbst, jeder von uns, müssen das mörde­ri­sche Kriegs­re­gime angehen und Initia­tive zeigen ! Wir fragen uns : Wie kann das aussehen ?

Vor über 200 Jahren wurde in den USA die „Under­ground Railroad“ aufge­baut. Diese Initia­tive schaffte Flucht­routen, über die Sklaven aus den Südstaaten in den sicheren Norden flüchten konnten. Betei­ligt waren zum Teil befreite Sklaven, aber auch weiße US-ameri­ka­ni­sche Sklaver­ei­geg­ne­rInnen. Über 100.000 Menschen wurden über diese Schleu­ser­routen aus der Sklaverei befreit. Das Ziel, heutzu­tage ein autonomes Schleu­ser­netz­werk aufzu­bauen ist sicher hoch gesteckt, aber wir wollen in eine ähnliche Richtung gehen und es gibt inner­halb Europas schon einige Ansätze.

Zum einen gibt es « welcome2europe»”, ein Netzwerk, das Flüch­tende unter­stützt und sich für ihre Rechte einsetzt. Zum anderen gibt es das Schiff “MS Sea-Watch ». Das ist ein privates Schiff, das bald ganz praktisch dem unhalt­baren Zustand im Seege­biet zwischen Malta und der libyschen Küste etwas entgegen setzen will. Die « MS Sea-Watch » wird ab nächste Woche Flücht­lings­booten in Not Ersthilfe leisten und die Seenot­ret­tung rufen. Außerdem gibt es das « Watch the Med»-AlarmPhone. Auch das Alarm­Phone ist eine private Initia­tive von politi­schen Aktivis­tInnen. Das « Watch the Med»-AlarmPhone ist 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche für in Seenot geratene Flücht­linge erreichbar. Nach einem Alarm-Anruf rufen die Aktivis­tInnen die Küsten­wache, den UNHCR und die Medien und sorgen dafür, dass Rettungs­maß­nahmen einge­leitet werden.

Das europa­weite Netzwerk « welcome2wurope » unter­stützt Geflüch­tete auf ihrem Weg durch Europa und stellt wichtige Infos oder Kontakte zur Verfü­gung. Doch es gibt ebenso lokale Initia­tiven in den Städten wie « welcome2wuppertal ».

Wir sind zwar keine Seeleute und können deshalb keine Flücht­linge aus Seenot retten. Doch das hält uns nicht davon ab, inner­halb unserer Stadt etwas zu tun ! Wir heißen Menschen, die neu in Wuppertal sind, willkommen und wollen für sie unsere Netzwerke und Freun­des­kreise öffnen. Außerdem möchten wir sie dabei unter­stützen, hier gut anzukommen, zum Beispiel in Form von Hilfe bei der Wohnungs­suche, oder beim Deutsch-Lernen. Dazu haben wir mit dem Café Ada einen selbst­or­ga­ni­sierten Deutsch-Kurs geschaffen. Nicht zuletzt tolerieren wir in unserer Stadt keine Nazis und gehen gegen sie vor, wo immer es nötig ist. Wenn es notwendig wird, sind wir auch bereit dazu, Abschie­bungen zu verhin­dern.

Einmal im Monat – an jedem dritten Sonntag – gestalten wir zusammen mit neu angekom­menen Flücht­lingen und Aktivis­tInnen ein Frühstück im Café ADA. (Das nächste Frühstück findet am 17.5. statt) Aus einem der Treffen ergab sich unsere gemein­same Aktivität beim Schus­ter­platz­fest am 1. Mai. Einige aus unserer Gruppe haben sich dazu bereit erklärt, etwas für unsere Nachba­rInnen zu kochen und Musik zu machen. Danke dafür !

Wir freuen uns über alle, die an unserem Infotisch vorbei­kommen und das Gespräch mit uns suchen.

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welcome2wuppertal (w2wtal)

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Der 30.April und der 1.Mai in Wuppertal

Auch dieses Jahr wurde mit zwei Demos und dem Schus­ter­platz­fest der Autonome 1.Mai in Wuppertal begangen. Die unange­mel­dete Demo des Autonomen Zentrums am Freitag­nach­mittag fand bereits zum 29. Mal statt.

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Ein lauter Block vor dem LKW sorgte für eine kämpfe­ri­sche Vorabend­demo.

Der Autonome 1.Mai in Wuppertal stand unter dem Eindruck des Mordver­suchs an einem Freund vor drei Wochen am Autonomen Zentrum. Sowohl die zum fünften Mal vom so_ko_wpt verant­wor­tete Vorabend­demo, als auch die AZ-Demo am nächsten Nachmittag waren dem nach wie vor schwer verletzt im Kranken­haus liegenden Freund gewidmet, der in der Nacht vom 10. auf den 11.4. durch einen „Hogesa”-Nazi mit Messer­sti­chen in den Rücken lebens­ge­fähr­lich verletzt wurde.

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Jeweils etwa 350 Menschen waren den Demoauf­rufen gefolgt.

An beiden Demons­tra­tionen nahmen jeweils etwa 350 Menschen teil. Angesichts der Kürze der eher impro­vi­sierten Mobili­sie­rungen eine zwar nachvoll­zieh­bare, letzt­lich jedoch eher enttäu­schende Zahl Teilneh­mender. Einige solida­ri­sche Wuppertaler*innen mehr auf der Straße wären als starker Ausdruck gegen die brutale Nazige­walt wünschens­wert gewesen. So verstärkte sich der Eindruck, dass es für weite Teile der so genannten „Zivil­ge­sell­schaft” verschie­dene Opfer­ka­te­go­rien gibt, mit denen mensch sich mal mehr, mal weniger empathisch zeigt. Auch die diffa­mie­rende und das Autonome Zentrum stigma­ti­sie­rende Presse­mit­tei­lung der Wupper­taler Polizei nach dem Mordan­schlag hat ihre Wirkung in der Öffent­lich­keit offen­sicht­lich nicht verfehlt.

Sichtbar wurde dies auch am Rande der DGB-Kundge­bung zum 1.Mai, bei der, laut einem Bericht, einigen jungen AZ-Sympathisant*innen nicht gestattet wurde, von der Bühne eine Botschaft an die Teilneh­menden der Kundge­bung zu richten. Dass die lebens­be­droh­liche Attacke an einem Antifa­schisten nicht einmal kurzzeitig zur Auflö­sung von einge­schlif­fenen Feind­bil­dern und Abgren­zungen führt, muss enttäu­schen. Der Aufbau eines antifa­schis­ti­schen Selbst­schutzes, der eine offen­bare Entso­li­da­ri­sie­rung der Zivil­ge­sell­schaft berück­sich­tigt, erscheint vor diesem Hinter­grund noch dring­li­cher.

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Unsere Ansage.

Umso erfreu­li­cher, dass die beiden Demos – obwohl weitge­hend auf sich gestellt – kraft­volle und kämpfe­ri­sche antifa­schis­ti­sche State­ments waren, die zumin­dest im Viertel von solida­ri­schen Anwohner*innen beklatscht wurden. Denn sowohl der Demozug am Abend über den Ölberg mit einer Zwischen­kund­ge­bung auf dem Otto-Böhne Platz, als auch die teils „semi-selbst­be­stimmt” laufende unange­mel­dete Autonome 1.Mai-Demo des AZ sollten auch Ausdruck von Solida­rität mit Anwohner*innen sein. Es freut uns, dass das - dank eines lautstarken Blocks vor dem LKW - auch bei der Vorabend-Nacht­tanz­demo über weite Strecken funktio­nierte.

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Platz im Antifa-Olymp : Die Happy Horsemen

Dass es beim Weg über den Ölberg aufgrund der bereits sehr späten Uhrzeit - die Zwischen­kund­ge­bung fand erst gegen 23 Uhr statt - keine noch inten­si­vere Ansprache an die durch den versuchten Mord ebenfalls bestürzten Nachbar*innen gab, war bedau­er­lich. Zu lange Umbauten nach einem fantas­ti­schen Auftritt der „Happy Horsemen” zum Auftakt im Deweerth’schen Garten hatten zu Verzö­ge­rungen bereits vor dem Start der Demo gesorgt. Das heftige Theremin-Trommel-Getöse der Happy Horsemen war es anderer­seits wert. Für ihren solida­ri­schen Gig gebührt ihnen jeden­falls ein Platz im Antifa-Olymp – ebenso wie den beiden Block­schock-DJs, die nicht gezögert hatten, der Vorabend­demo kurzfristig zu helfen.

Die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich die Dinge im Tal entwi­ckeln. Für den Moment steht für uns die Gesund­heit des verletzten Freundes noch immer im Mittel­punkt. Der Austausch mit der Nachbar­schaft geht ansonsten auch in dieser Woche weiter : Das AZ Wuppertal lädt inter­es­sierte Nachbar*innen für Sonntag, den 10.5. um 15 Uhr zu einem Treffen ein. Als Ort hat sich dankens­wer­te­weise das ADA in der Wiesen­straße zur Verfü­gung gestellt.

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