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Ddorf : Bundesweiter Grundrechte-Kongress
7. Oktober 2017 • 11:00 - 18:00
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Aufruf zum Widerstand gegen den Abbau unserer demokratischen Grundrechte
Von den USA bis zur Türkei, von Frankreich bis Ungarn rücken Regierungen nach rechts, heben durch die Verfassung gesicherte demokratische Grundrechte auf, verbieten und unterdrücken Proteste und Streiks und gehen den Weg in einen Polizeistaat. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland liegt in diesem Trend : In den letzten zwei Jahren hat auch sie demokratische Grundrechte von Millionen hier lebenden Migrant*innen massiv beschnitten, insbesondere 2016 im Zuge des „Asylpaket II“; mit verfassungswidrigen Methoden hat sie viele Migrantenorganisationen verfolgt und kriminalisiert, beispielsweise kurdische und türkische Frauen-, Studenten- und Arbeiterorganisationen wie NAV-DEM, ATIK und YXK.
Seit den jüngsten Gesetzesänderungen durch die Bundesregierung (u.a. §§113, 114 StGB sowie Massen-Überwachung von WhatsApp/facebook), der Initiative zur Einschränkung des Streikrechts („Tarifeinheit“) und den schweren Grundrechtsverletzungen gegen Demonstrant*innen, Sanitäter*innen, Rechtsanwält*innen und Journalist*innen beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 ist es offensichtlich : Nach den Repressionen gegen Flüchtlinge und Migrantenorganisationen werden der gesamten sozialen Bewegung und der ganzen Bevölkerung der Bundesrepublik grundlegende demokratische Rechte genommen – insbesondere das Recht auf Versammlungsfreiheit.
Schon Wochen vor dem G20-Gipfel wurden unverzichtbare Bestandteile der Versammlungsfreiheit wie zentrale Übernachtungsmöglichkeiten in Protestcamps verboten ; genehmigte Camps räumte die Polizei in den Tagen vor dem Gipfel gegen ausdrückliche Gerichtsbeschlüsse. Die Auftakt-Demo der Gipfelgegner am 6.7. wurde unter Einsatz von brutaler Gewalt, mit Wasserwerfern und Schlagstöcken polizeilich aufgelöst, obwohl von ihr keinerlei Eskalation ausgegangen war. Dutzende Demonstranten wurden durch Polizeigewalt im Laufe der Demonstrationen schwer verletzt. Die Polizei griff sogar gekennzeichnete Anwält*innen, Sanitäter*innen und Journalist*innen tätlich an. Mehr als 30 missliebigen Journalist*innen entzogen die deutschen Behörden im Verlauf des Gipfels nachträglich die Arbeitserlaubnis vor Ort. Hoch gerüstete Spezialeinheiten stürmten mit Kriegswaffen in Hamburg Häuser, sie terrorisierten ganze Straßenzüge, während die behaupteten Anlässe keiner Überprüfung standhalten. Privatwohnungen und Jugendzentren wurden polizeilich „durchsucht“ und verwüstet.
Über 250 Demonstrant*innen wurden von der Polizei unter teils haarsträubender Begründung in oftmals überfallartigen Szenen von vermummten Polizeibeamt*innen festgenommen und tagelang unter folterähnlichen Bedingungen ihrer Freiheit beraubt, darunter fast der gesamte Jugendvorstand der ver.di-Jugend NRW-Süd und ein kompletter anreisender Bus der Jugendorganisation „Die Falken“. Zu den Haftmethoden zählten systematischer Schlafentzug, Demütigungen und Schläge. Knapp einen Monat nach den Gipfelprotesten dauert die Freiheitsberaubung immer noch an, noch sitzen 31 Demonstrant*innen in Untersuchungshaft, der größte Teil von ihnen ausländischer Herkunft. Die mittlerweile freigelassenen ver.di-Mitglieder werden weiterhin mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedroht, die mit einer Reihe von neuen Gesetzen durchgesetzt werden sollen.
Bereits wenige Wochen vor dem G20-Gipfel reformierte die Bundesregierung die §§113 und 114 des Strafgesetzbuches („Widerstand oder tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“). Demnach droht in diesem Fall künftig eine Mindeststrafe von drei Monaten. Für den Vorwurf des Widerstands reicht dabei oft schon ein ängstlich weggezogener Arm. Zudem wurde der Katalog für besonders schwere Fälle, die mit sechs Monaten Mindeststrafe belegt sind, erweitert : Künftig reicht dafür u.a. auch die so genannte gemeinschaftliche Tatausführung – doch welche Demonstration, welcher Streik erfolgt nicht gemeinschaftlich ?
Diese Gesetzesänderungen werden das gesamte Demonstrationsgeschehen in Deutschland nachhaltig verändern. Wenn jeder Demonstrant Angst haben muss, z.B. im Falle eines Handgemenges hinter Gittern zu landen – und zwar auch, wenn es von der Polizei ausging – werden sich viele von der Teilnahme an Kundgebungen, Demos oder Streiks abgeschreckt sehen. Die derzeitigen Gesetzesänderungen gehören zu den tiefsten Eingriffen in die Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes) seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und höhlen damit ein elementares Recht völlig aus, das vom BVerfG als „ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“ bezeichnet wurde. Weiterhin widersprechen sie der Menschenwürde (Art. 1), der Freiheit der Person (Art. 2), schränken die Meinungsfreiheit (Art. 5) massiv ein, die das BVerfG als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt bezeichnete und richten sich nicht zuletzt gegen die Pressefreiheit. Die uns durch unsere Verfassung gewährten Rechte lassen wir uns nicht nehmen.
Referate von Experten schlagen Alarm wegen Grundrechte-Abbau
Angesichts des aktuellen Grundrechte-Abbaus und der hohen Haftstrafen bei den aktuellen Prozessen gegen Demonstranten beim G20-Gipfel lädt die Initiative »Demonstrationsrecht verteidigen!« aus Gewerkschaften, Migranten- und Bürgerrechtsorganisationen, Journalisten- und Anwaltsverbänden zum Grundrechte-Kongress nach Düsseldorf. Am 7. Oktober kommen dort interessierte BürgerInnen und AktivistInnen zu Wort, nach einer Eröffnung des Kongresses durch Vorträge von Experten wie
- Alexander Bosch – Sprecher für den Themenkomplex „Polizei und Menschenrechte“ bei Amnesty International Deutschland
- Gabriele Heineke – Mitglied im Bundesvorstand des Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), Pressesprecherin des Anwaltlichen Notdienstes-G20 in Hamburg und Anfang Juli in Hamburg als Beobachterin der Demonstrationen und der Polizei auf der Straße, nachts in der ›GeSa‹ und dem für Gipfelgegner aus dem Boden gestampften ›Amtsgericht Neuland‹
- Ulla Jelpke – innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag ; während der G20-Gipfeltage in Hamburg – wie schon bei vielen anderen Demonstrationen – als parlamentarische Beobachterin unterwegs
- Gerhard Kupfer – Maschinenschlosser, Gewerkschafter seit 45 Jahren, bis 2014 IG-Metall-Vertrauensmann, Mitglied der Vertrauenskörperleitung und der Tarifkommission, sowie Mitglied des Betriebsrates bei Daimler Bremen
- Peter Dinkloh – langjähriger Journalist, u.a. Reuters und Correctiv, ver.di-Gewerkschaftssekretär Papierverarbeitende Industrie und Druckereien, JournalistInnen und Verlage
- Jasper Prigge – Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ), Versammlungsrechtler, Klägeranwalt des ersten erfolgreichen Prozesses gegen polizeiliche Misshandlung von Jugendlichen beim G20-Gipfel
- Alexander Ernst –Ephorus Kirchliche Hochschule Wuppertal/Bethel