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Her yer Taksim her yer direniş
Demo u. VA in Wuppertal
2. Juni 2014 • 18:00 - 22:00
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Ein Jahr nach GEZI, drei Wochen nach SOMA – Demonstration und Veranstaltung.
GEZI´den bir yıl sonra - SOMA´dan üç hafta sonra - Yürüyüş ve Etkinlik
Am 28.Mai jährt sich der Beginn der Proteste rund um den Gezi-Park in Istanbul. An diesem Tag besetzten AktivistInnen die innerstädtische Grünanlage neben dem Taksim. Dort wollte der ECE-Konzern ein neues Einkaufszentrum errichten, die Istanbuler Stadtverwaltung und die türkische Regierung unter Premierminister Erdogan versuchten, dieses Vorhaben mit allen Mitteln durchzusetzen. Es kam zur gewaltsamen Räumung des Areals mit anschließendem Widerstand großer Teile der Istanbuler Bevölkerung gegen die eskalierte Polizeigewalt. Nach einer Wiederbesetzung des Parks erfolgte am Abend des 15.Juni eine zweite, noch gewaltsamere, Räumung. Es begann ein tagelanger Aufstand, der die gesamte Türkei erfasste.
Offene Wunden des Aufstands
Die Folgen des Gezi-Aufstands und seiner gewaltsamen Niederschlagung sind weitreichend, vor allem für die revolutionäre Linke und andere, die die protestierende Bevölkerung im Sommer 2013 beschützten und maßgeblich den Widerstand trugen. Insgesamt kamen bei den Protesten 10 Menschen ums Leben, tausende wurden verletzt, hunderte wurden in teilweise koordinierten nächtlichen Razzien verhaftet. Während viele am Aufstand Beteiligte inzwischen wieder die meiste Zeit in ein « normales Leben » zurückkehrten, sitzen viele AktivistInnen der türkischen Linken noch immer in Haft, vielen von ihnen drohen langjährige Haftstrafen. Die Verfolgungswut des Regimes traf speziell diejenigen, die den Kampf auf der Straße konkret angenommen und weitergeführt hatten. Ein Jahr nach Gezi sind noch viele Wunden geöffnet, die die brutale Repression und die Verfolgung durch den Staat gerissen hat. (Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die zeitgleich in Deutschland durchgeführten Razzien gegen Angehörige der « Anatolischen Föderation » – gerade erst hat in Düsseldorf der Prozess wegen §129b gegen Özkan Güzel begonnen.)
Der Aufstand, der 2013 erst mit Beginn der Urlaubszeit vorläufig nachließ, flammt allen Repressionen zum Trotz bis heute immer wieder auf. Die Anlässe für Massenproteste und auch für militante Widerstandsaktionen gehen inzwischen weit über den ursprünglichen Widerstand gegen urbane Transformation und ausufernde Polizeigewalt hinaus. So standen Ende des letzten Jahres Korruptionsenthüllungen im Mittelpunkt der Proteste, später richteten sie sich gegen die Zensur sozialer Medien durch die türkische Regierung oder ein Demoverbot am Taksim zum 1.Mai. Bei jeder Regung der Bevölkerung schlägt der türkische Staat mit äußerster Brutalität zu. Oft werden Ansammlungen bereits im Vorfeld einer Demo von der Polizei angegriffen.
Ein Massaker, kein Unglück !
Die gleichen Szenen eines enthemmten Polizeistaats, der jeden Widerstand im Keim ersticken will, spielen sich in diesen Tagen ab, wenn Tausende ihre Trauer und ihre Wut über mehrere hundert tote Kumpel in Soma auf die Straßen der türkischen Städte tragen. Am 13.Mai war es in der nördlich von Izmir gelegenen Stadt zu einer Explosion in der Kohlemine gekommen. Die Anzahl der Todesopfer ist bis heute unklar. Schnell standen die Arbeitsbedingungen und die fehlenden Sicherheitsvorkehrungen des Bergwerks im Mittelpunkt der Kritik. Angklagt wurde die Betreibergesellschaft und die neoliberale Politik der AKP-Regierung, die für die Toten verantwortlich gemacht werden. Fokussierten viele Analysen nach Gezi noch auf die zivilgesellschaftlichen Verhältnisse eines Landes mit einer islamisch ausgerichteten Regierungspartei, wobei kapitalistische, neoliberale Ursachen der Transformationen häufig vernachlässigt erschienen, rücken nach Soma genau diese in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Angeklagt sind nicht nur Minenbetreiber und AKP, die Anklage richtet sich gegen das ganze, profitgesteuerte System. Erstmals breiteten sich Proteste auch unter den ArbeiterInnen aus, nachdem einige Gewerkschaften im Vorjahr noch zögerlich auf die Proteste reagiert hatten.
Die Trauerversammlungen in Soma, aber auch solidarische Proteste in Istanbul, Ankara und anderen türkischen Städten wurden auch diesmal von Einheiten der Riot-Cops mit Tränengas und Wasserwerfern angegriffen. Erdogan verstieg sich zu der Behauptung, solche Unfälle seien eben Normalität und verwies zur Begründung auf tödliche Minenunglücke des vorletzten Jahrhunderts in England. So absurd diese kalte Reaktion auf hunderte Tote ausfiel, so sehr entsprechen die türkischen Arbeitsbedingungen unter Tage tatsächlich jenen der frühindustriellen Ausbeutungsverhältnisse. Die Parole der Streikenden und Protestierenden lautet : « Es war Mord, kein Unfall ». Doch ihre Verbreitung soll rigoros verhindert werden : Inzwischen wurde der Zugang zur Mine in Soma zugemauert, obwohl noch immer Kumpel vermisst werden. Und die Stadt Soma wurde weiträumig abgeriegelt, um weitere Proteste gegen den Minenbetreiber und die Regierung zu unterbinden.
Her yer Taksim her yer direniş
Die Solidarität mit dem türkischen Aufstand des letzten Sommers war international. Auch in Wuppertal fanden für einige Zeit wöchentliche Demonstrationen mit bis zu 2.000 Teilnehmenden statt, die die Forderung nach einem Rücktritt der Erdogan-AKP-Regierung lautstark unterstützten. Einen Höhepunkt der Solidaritätswelle bildete die Großdemonstration in Köln, zu der mehrere zehntausend Menschen anreisten. Die Forderung der Menschen in der Türkei, in Wuppertal, Köln und anderswo blieb leider unerfüllt : Erdogan ist noch immer im Amt, durch die Kommunalwahlen fühlt er sich in seinem totalitären Kurs sogar noch bestätigt. Am Samstag, den 24.Mai traut er sich selbst nach Köln, wo ihn zwar zehntausende DemonstrantInnen erwarten werden, aber auch eine Diaspora, in der es ebenso Stimmen für die Präsidentschaftswahlen abzuholen gibt.
Gut eine Woche später, am Montag, den 2.Juni wollen wir gemeinsam mit unseren türkischen Freunden und Genossinnen im Umfeld des ersten Jahrestages der Gezi-Proteste mit einer erneuten Demonstration in Wuppertal-Elberfeld die unerfüllte Forderung nach einem Ende des Erdogan-Regimes wieder auf die Straße tragen und vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse bekräftigen. Die Demo wird deshalb nicht nur den Opfern des Gezi-Aufstandes sondern vor allem auch den Opfern und Hinterbliebenen von Soma gewidmet werden.
Neben dem so_ko_wpt rufen verschiedene deutsche und türkische Gruppen und Organisationen zur Teilnahme an der Demo aus.
Im Anschluss an die Demonstration lädt das so_ko_wpt zusammen mit dem ADA in der Wiesenstraße zu einer Veranstaltung ein, die sich nochmals mit den Ereignissen des letzten jahres auseinandersetzt. An einem genauen Ablauf wird zur Zeit noch gearbeitet. Achtet deshalb auf weitere Ankündigungen.
Ort : ADA, Wiesenstraße 6, Wuppertal-Elberfeld