Über den Kampf der Bergarbeiter in Spanien 2012. Ein Kumpel schreibt.
Juan José Fernández – 14.06.2012
Sociología crítica – Articulos y textos para debate y análisis de la realidad social
Quelle des Originaltextes
Ausgangsbasis der Übersetzung
BRIEF ÜBER DEN BERGBAU-KONFLIKT
25 Jahre habe ich in der Mine gearbeitet. Als ich 18 Jahre alt war, stieg ich zum ersten Mal in eine Grube hinab. Viele Kommentare, die ich über den Bergbau und die Frühverrentung in dieser und in anderen Branchen lese, erstaunen mich. Ich will versuchen, ein paar Zweifel auszuräumen, die es, wie ich sehe, gibt.
1. Bei dem Kampf, den meine Genossen momentan führen, geht es nicht darum, um Geld zu bitten, sondern darum, die Vereinbarung zwischen dem Industrieministerium und den Bergbau-Gewerkschaften vom letzten Jahr einzuhalten, die zugewiesene Beihilfen bis 2018 zum Inhalt hatte.
Dieses Geld hat die EU zur Verfügung gestellt und nicht die spanische Regierung. Damit will ich sagen, dass es nicht die SpanierInnen bereitgestellt haben, wie viele der Leute glauben, die uns so sehr kritisieren.
Im Hinblick auf dieses Geld frage ich mich, wie fast alle Bergbau-Familien : Wo ist der Teil der finanziellen Mittel für den Bergbau, der angeblich für die Schaffung alternativer Industrien nach der Schließung der Minen in den Kohlerevieren bestimmt sein sollte ? Nun ja, wie so oft sind es die Politiker und die Gewerkschaften, die die Mittel managen. Mit einem Teil dieses Geldes, könnte ich euch zum Beispiel erzählen, hat Gabino de Lorenzo, (der Ex-Bürgermeister von Oviedo), die Straßenlaternen, den neuen Messe- und Kongresspalast und viele andere Bauten bezahlt. Die Ex-Bürgermeisterin von Gijón (Frau Felgeroso) hat das Geld in das Gebäude der Fachhochschule investiert und, wie der Erstgenannte, auch in andere Bauten.
In meinem Heimatort Valle de Turón (der zur Region Cuenca del Caudal gehört), starben zwischen 1889 bis zur Schließung im Jahr 2006 mehr als 600 Menschen in den Minen (soweit wir wissen, denn im Bürgerkrieg sind
alle vorherige Archive verbrannt). Als die Minen geschlossen wurden, hat man ein Sportzentrum errichtet, ohne allerdings zuvor den Schutt wegzuräumen. Dieser liegt bis heute hier. Es gibt bloß einen schmalen Fußpfad, um hindurchzugelangen. Unsere komplette Umgebung ist voller Trümmer, die man nach und nach aufzuräumen versucht. Aber von Reindustrialisierung, die sichere Arbeitsplätze schaffen würde, damit das Leben weitergehen könnte, keine Spur.2. Es irrritiert mich, dass viele Leute die Subventionen (in den Bergbau) nicht richtig finden. Ich schreibe das ungern, aber es gibt auch Subventionen für andere Branchen wie Viehzucht, Ackerbau, Fischfang und viele andere, die ich nicht erwähnen werde. Persönlich bin ich froh darüber, dass die Beihilfe den Arbeitern gewährt wird und nicht den Chorizos, die uns täglich ausrauben.
3. Es scheint auch, dass viele von euch nicht wissen, dass die spanischen Bergarbeiter nach dem Ende des Bürgerkrieges in diesem Land viele Jahre lang eine Stunde am Tag gratis arbeiteten, um das wiederaufzubauen, was der Franquismus zerstörte, während wir zuhause nichts zu essen hatten.
4. Im Jahr 1962 fingen die Bergarbeiter einen Streik an, der sich in ganz Spanien ausbreitete, womit viele der Rechte gewonnen wurden, die wir Spanier heutzutage haben, und die sie uns jetzt wegzunehmen versuchen. In diesem Streik 1962 gab es viele Schläge, viele Festnahmen, Hunger und Vertreibungen in andere Provinzen Spaniens. Die Bergleute wurden von ihren Familien getrennt. Sie begannen erst 1980 zurückzukehren.
5. Im Bezug auf die Frühverrentungen ist es nicht wahr, dass die Bergarbeiter mit 40 Jahren in Frührente gehen, und ihr redet über unsere Euros, als ob wir im Lotto gewonnen hätten. Die Realität ist eine andere : In der monatlichen Summe, die Frührentner erhalten, ist auch der Teil ihrer Extrazahlung eingeschlossen und die Summe is abhängig vom Beschäftigungsstatus. Ein Picador verdient nicht dasselbe wie ein Sprengmeister oder ein Sprengmeister-Assistent usw. Der Beitrag beträgt 50%, das heißt, damit zahlen wir alle zwei Jahre der Sozialversicherung ein Jahr mehr. So habe ich zum Beispiel – als jemand, der 25 Jahre lang gearbeitet hat – der Sozialversicherung in Wahrheit Beiträge für 37,5 Jahre bezahlt. Glaubt jemand von euch, jemals so viel in die Sozialversicherung einzahlen zu können ?
6. Die Kohle, die man von anderswo herbringt, ist eurer Meinung nach billiger als die einheimische. Ich bezweifle das, aber nehmen wir an, das stimmt : Wollt ihr uns als Sklaven sehen wie die Arbeiter in solchen Länder ? Ich will, dass kein Arbeiter auf der Welt ein Sklave ist.
Ich habe schon mit tschechischen und polnischen Kollegen gearbeitet. Als sie in Asturien ankamen und hier in den Märkten einkauften, waren sie beeindruckt, weil sie soviel einkaufen konnten, wie sie wollten – in ihren Ländern konnten sie das nicht tun. Sie feierten ihr erstes Weihnachten mit uns und brachten in jeder Hand eine Nougatstange mit. Wir fragten, warum sie das machten, und sie sagten uns, dass sie sich das in ihrem Land nicht leisten konnten, da ihr Einkommen nur für schlechtes Essen reichte. Damit will ich sagen, dass mit uns dasselbe geschehen wird, wenn wir unsere Rechte nicht einfordern.
7. Im Bezug auf die Blockaden der Autostraßen will ich denjenigen antworten, die sich so sehr beschweren, weil die Minenarbeiter sie daran hindern, zur Arbeit oder zum Unterricht zu gehen, und die sagen, dass auch sie, wenn sie mal Probleme in ihrem Unternehmen haben, in Zukunft andere “belästigen” werden.
Ich muss euch sagen, dass wir Bergarbeiter immer, wenn Kollegen anderer Sektoren uns um Hilfe beim Kampf um die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze baten, 24 Stunden-Streiks gemacht, und von hier und von außerhalb jede Unterstützung gegeben haben. Auch als die Streiks der englischen Bergarbeiter stattfanden, hörten wir auf zu arbeiten und es wurde eine Kollekte organisiert, um denen Geld zu schicken, damit sie ihre Familien ernähren konnten.
Zweifelt irgendjemand daran, dass wir uns jedem betroffenen Sektor anschließen würden ? Aber es scheint, dass es heute sogar andere um Hilfe zu bitten Arbeit kostet.
Uns gegenseitig zu unterstützen ist fundamental, was wir jedoch machen, ist das Gegenteil, und so werden die da oben immer mit Vorsprung spielen.
Wenn alle spanische Arbeiter so vereint wären wie die Bergleute, würden die Regierenden dieses Landes dreimal überlegen, ob sie solche Kürzungen vornehmen, wie sie es jetzt tun. Ihr solltet reflektieren, wer euch wirklich daran hindert, zur Arbeit oder zum Unterricht zu gehen. Wer euch behindert, sind unsere Politiker mit den heutzutage legalen Kündigungen und den Kürzungen im Bildungswesen.
Ich würde auch gerne denjenigen, die glauben, dass wir uns in Madrid vor den Türen der Ministeriums beschweren, und “die anderen in Ruhe lassen” sollten, sagen, dass wir da tatsächlich hingegangen sind. Aber aufgrund der Zensur der Medien, kann es sein, dass man darüber nicht informiert.
Schließlich glaube ich, dass der Arbeiter, der seine Rechte verteidigt, kein Terrorist ist – so, wie man uns nun bezeichnet, weil wir für das Wohlbefinden unserer Familien kämpfen. Ich fordere euch auf, eure Häuser zu verlassen, um eure Rechte zu verteidigen. Wenn ihr Zuhause bleibt, lasst ihr zu, dass sie den Hunger in euer Leben bringen.
Bleibt informiert und prüft alles, was ihr im Fernsehen seht. Ihr habt jetzt Internet und Mobiltelefone, um immer im Kontakt bleiben zu können. Organisiert euch, in welcher Form ihr auch wollt – friedlich oder aber auch direkt in den Barrikaden, aber organisiert euch ! Legt Ziele fest, die in einem kurzen Zeitraum zu erreichen sind. Die Regierung handelt schnell, wenn die Dinge zu ihren Gunsten stehen, das wisst ihr. Wir sollten das Wort “Angst” oder den Satz “es nützt sowieso nichts” aus unserem Verstand verbannen und die Kontrolle über unsere Zukunft übernehmen.
Vielen Dank an alle, die uns aus anderen Provinzen und Ländern unterstützen. Juan José Fernández. Asturien.
One Reply to “Brief eines spanischen Kumpels : Organisiert euch !”