1982 kam es in Wuppertal monatlich an den verkaufsoffenen Samstagen zu Treffen von Punks und Skins auf der Alten Freiheit - etwa an der Stelle, wo sich heute der Eingangsbereich zu den „City-Arkaden” befindet. Damals befand sich dort ein eher liebloser, flacher Brunnen. Jenes Treffen, dass heute vor 33 Jahren an diesem Brunnen stattfand, wurde legendär und ist als „Punker-Schlacht von Elberfeld” in die örtliche Historie eingegangenen.
Es darf gespannt abgewartet werden, ob es aus Anlass des 33.Jahrestages am morgigen Samstag in der Innenstadt zu einem « Generationentreffen » von Punks kommen wird. Das letzte Jubiläum der Wuppertaler Chaostage liegt immerhin nun schon acht Jahre zurück und endete mit mehreren Festnahmen durch genervte Cops, die vom G8-Treffen in Heiligendamm zurückkehrten und die Gelegenheit nutzten ihre Aggressionen an Jugendlichen auszulassen. Das immerhin kann diesmal nicht passieren : Die meisten Cops sollten in Elmau beim G7-Gipfel noch gut beschäftigt sein.
Der „Punker-Schlacht von Elberfeld” waren kleinere Auseinandersetzungen rund um die Treffen vorausgegangen. Wo heute privatisierter Stadtraum verhindert, dass shoppende Menschen mit anderen zusammentreffen, die sich aus anderen Gründen in der Innenstadt aufhalten, kollidierten in den Achtzigern der einkaufende Volkskörper und die biertrinkende Jugend. Angesichts bemalter Jacken und einiger Iros konnten vor allem Ältere oft nicht an sich halten. Die, die eigentlich gedacht hatten, mit den Hippies bereits den Gipfel des Unaushaltbaren gesehen zu haben, bemühten regelmäßig Vergleiche zur « guten alten Zeit », in der « noch gewusst wurde », wie mit solchen Leuten umzugehen sei. Arbeitslager und Prügelstrafe erlebten in der Elberfelder Fußgängerzone eine verbale Rennaissance.
Ihnen zur Freude verabschiedete die Stadt nach realtiv kurzer Zeit die so genannte „Straßensatzung”, mit der den Punks der Aufenthalt in der Innenstadt untersagt werden sollte. Die Formulierung der Satzung eröffnete aber auch Möglichkeiten darüber hinaus. Auch Straßenmusiker und Straßentheater hätten mit ihrer Hilfe aus der Shopping-Zone verbannt werden können und besonders die linke Szene sah die Gefahr, dass auch politische Aktionen in der City unmöglich werden würden. In der Folge kam es zu einer breiten Solidarisierung mit den Punks, die ihrerseits wiederum durch zusätzlich nach Elberfeld anreisende Freunde und Freundinnen schneller, kurzer Musikstücke aus anderen Städten Verstärkung erhielten.
Die Reaktion der Stadt löste so das Gegenteil des Beabsichtigten aus. Statt größerer Ruhe für die Wochenendeinkäufe löste allein die Ankündigung der « Straßensatzung » noch größeres Durcheinander bei den « Punkertreffen » aus. Heute würde sowas „Streisand-Effekt” genannt. Es folgten mehrere Stufen der Eskalation. Anfang März 1982 scheitert der Versuch des aus Wuppertal stammenden damaligen SPD-Ministerpräsidenten Johannes Rau, mit der « Jugend » einen « Dialog » in der damals noch aktionistischeren « börse » zu führen. Es kommt zu tumultartigen Szenen im « Kommunikationszentraum » am Viehhof, Rau wird am Reden gehindert. Schliesslich verschwindet der SPD-Politiker durch einen Nebeneingang.
Auch sechs Wochen später, am 15.April 1982, scheitert Johannes Rau mit Gesprächsversuchen auf dem heute nach ihm benannten Platz am Bramer Rathaus, bei denen er schlicht « niedergebrüllt » wird. Zuvor, am 3.April, war es am Brunnen erstmals zu einem Treffen auch mit Punks aus anderen Städten gekommen. Bei diesem « 3. Brunnentreffen » waren zehn Menschen verhaftet worden. Im Mai kocht die Angelegenheit dann richtig hoch : Zunächst ruft die Wuppertaler Polizei am 1.Mai in der Innenstadt und an der « börse » den Kriegszustand aus, weil etwa 500 Punks dort ein Punk-Festival besuchen. Obwohl jener 1.Mai noch ohne Festnahmen bleibt, weist er schonmal die Richtung, in die sich die Sache entwickeln wird. Denn als eine Woche später Punks versuchen, einen SPD-Bezirksparteitag in der Stadthalle zu besuchen, werden sie wenige Meter vor dem Tagungsort von einer Übermacht Polizei eingekesselt. Diesmal kommt es zu sechzig Festnahmen.
Das war das Vorspiel für den « 5. Brunnentreff », der heute vor 33 Jahren stattfand. Aufgrund der Repression im Vormonat wird zu diesem Treffen breit mobilisiert, selbst in der « Taz » wurde zu einer Demonstration gegen « Polizeiterror » und das Innenstadtverbot für Punks aufgerufen. Viele kamen, auch aus anderen Städten – angeblich sollen Leute sogar aus Berlin angereist sein. Auch die für heutige Verhältnisse drollig ausgerüsteten Cops waren mit einem Großaufgebot an diesem Samstag dabei. Nach einigem Geplänkel zum Auftakt folgte im Laufe des Tages dann « die Punker-Schlacht von Elberfeld », wie die Presse das Geschehen anschließend bundesweit betitelt. Im Laufe der Auseinandersetzungen konnte eine Polizeikette überrannt werden, es gab auch Glasbruch. Die Cops schlagen ihrerseits umso lieber zurück. Der Tag endete mit mehreren Verletzten im Krankenhaus und mit über 100 Verhaftungen.
Erfolgreicher Widerstand auf der Straße
Jene Samstage 1982, die für einige die Urversion der späteren « Chaostage » darstellen, waren jedoch nicht nur jugendliches Aufbegehren und ein Hauch von « Riot » im Einkaufstrubel. Rückblickend betrachtet, waren die Treffen und Demos neben dem erfolgreichen Kampf um ein Autonomes Zentrum nämlich auch der letzte wirklich erfolgreiche Widerstand gegen die lokale Politik auf der Straße in Wuppertal, denn der Stadtrat nahm die « Straßensatzung » schließlich zurück.
Heute sind die Dinge durch privatisierte Innenstädte bekanntlich anders „gelöst worden”. Befanden sich die « Punker-Treffen » damals noch mitten im Innenstadttreiben, hat sich dieses inzwischen in Einkaufspassagen und Malls verlagert. Dort wachen private Security-Dienste über die Einhaltung der Hausordnung : Demos kommen darin natürlich nicht vor.
Wer nachschauen mag, ob zum 33.Jubiläum was geht : Am Samstag, den 6.6. gegen Mittag am Ort des damaligen Geschehens. Auch Karl Nagel hat sich angekündigt.
Nachtrag : Auch für den 27.6. wird stadtweit mit A4-Aushängen zu „Chaostagen in Elberfeld” aufgerufen. Treffpunkt am 27.6. ist der Brunnen auf dem Von-der-Heydt Platz am C&A.
Weiterführendes : Bei „Punkfoto.de” finden sich ne Menge Fotos aus der damaligen Zeit und auf der Seite „force-of-hate.net”, der auch die Fotos und einige der obigen Informationen entnommen sind, findet sich neben einer Übersicht, Fotos und Materialien auch ein zeitgenössischer Bericht von 1983.