Wenig hat die Menschen in Wuppertal in der letzten Zeit so beschäftigt, wie das letztlich vom Stadtrat zurückgewiesene BürgerInnenbegehren der Initiative döpps105. Die Initiative wurde auf vielen Wegen auch vom so_ko_wpt unterstützt. Für uns ging es dabei auch um eine Art Untersuchung, wie wirksam Beteiligungsmodelle in der Praxis sind.
Es gibt viele Vorbehalte gegen die gesetzlichen Beteiligungsverfahren, mit denen sich Menschen in die Politik einbringen können sollen. Neben zentralen Kritikpunkten, wie der Nicht-Beteiligung vieler Menschen, weil sie keine WahlbürgerInnen sind, sind das vor allem Aspekte der Machtstrategie. (Einen guten Überblick der Kritik bietet « Die Mitmachfalle », ein Radiointerview mit dem Buchautoren Thomas Wagner.)
Aber auch die Adressaten solcher Beteiligungsverfahren müssen thematisiert werden, wie letzten Mittwoch bei der Veranstaltung „Die Stadt als Beute” ausgeführt wurde. Die dort von Knut Unger (MieterInnenverein Witten, europäisches Aktionsbündnis für das Recht auf Wohnen und die Stadt) vorgestellten Geschäftsmodelle und Strukturen der „Finanzialisierung” des Wohnens sind (abgewandelt) auch auf die Entwicklung urbaner Umgebungen und auf völlig andere politische Entscheidungsfelder übertragbar. Überall, wo private Investoren eine entscheidende Rolle spielen, verändert Ihre Beteiligung grundsätzliche Bedingungen und Voraussetzungen einer Entscheidung.
Widerspruch und Protest muss sich mehr dem Unternehmensmanagment zuwenden und auf der Ebene privater Investoren und Akteure abspielen. „Beteiligungsverfahren” laufen auf der Entscheidungsebenebene der Managements jedoch ins Leere. Wie das aussieht, ist beim Umbau des Döppersberg derzeit live in der Entstehung zu besichtigen : Nach und nach wird die Planungshoheit bei der Bauplanung an den Investor abgetreten. Schon jetzt sind Teile der ursprünglichen Planung kassiert oder bis zur Unkenntlichkeit verändert worden, beispielsweise der „Wupperpark”. (Zur Veranstaltung mit Knut Unger folgt noch eine längere Einschätzung.)
Thomas Wagner spricht in seinem Buch „Die Mitmachfalle” hauptsächlich die prinzipiellen, demobilisierenden Effekte von Beteiligungsverfahren an. Sie sind durchaus auch beim Protest gegen das Prestigeobjekt Wuppertaler Stadttransformation sichtbar geworden. Viele Menschen nutzten döpps105, um ihre Wut an die vermeintlich starke aktive Initiative zu delegieren – die Unterschrift auf den Sammellisten suggerierte zudem einen Kanal, dem Ärger Luft zu machen. Die Konzentration auf das Sammeln von Unterschriften zu den Mehrkosten bei der Bauplanung führte außerdem dazu, dass das Thema nach kurzer Zeit nur noch verkürzt wahrgenommen wurde. Hier zeigte sich, dass einer Initiative wie döpps105 deutlich mehr Mittel zur Kommunikation zur Verfügung stehen müssten, damit die von der Gegenseite beabsichtigte Verkürzung und Trivialisierung des Protestes verhindert werden kann.
In Wuppertal gibt es, anders als in Walters Beispielen der „Mitmachfalle”, jedoch eine Besonderheit, die den demobilisierenden Moment der Beteiligung relativiert : Die Politik der Stadt befindet sich quasi noch in einer geschichtlichen « Frühphase » der von Wagner beschriebenen Machtstrategie. Wo in fortgeschrittenen Rathäusern bürgerliche Empörung über politische Entscheidungen durch Mediationen befriedet und systemverträglich kanalisiert werden soll, stellt BürgerInnenbeteiligung für die Wuppertaler Politik lediglich eine ärgerliche und lästige Manifestationen von Unzufriedenheit dar. Es wäre der lokalen Politik ein Leichtes gewesen, den Unmut vieler WuppertalerInnen über die Art der Durchsetzung der Pläne zum Döppersberg zu befrieden. döpps105 hätte frühzeitigen Gesprächsangeboten in der Außenkommunikation kaum etwas entgegenzusetzen gehabt. Erst als diese Strategien ausblieben konnte die Sammlung von Unterschriften durch döpps105 überraschend erfolgreich abgeschlossen werden (döpps105 sammelte über 13.000 Unterschriften).
In ihrem politischen Denken befinden sich Provinzpolitiker wie Jung, Slawig oder Reese noch im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert, als Modelle einer demokratischen Beteiligung der BürgerInnen als ursprünglich emanzipatorische Forderung von Newcomern (vor allem von den Grünen) in die Politik eingebracht und von den Etablierten heftig bekämpft wurden – in Wuppertal kann die Mutation einer emanzipatorischen Idee zu einem Herrschaftsinstrument real beobachtet werden. Beteiligungsinstrumente sind hier (noch) kein verfeinertes Machtmittel zur Durchsetzung sondern offene Herausforderung. Entsprechend haben Stadtspitze und die beiden sie tragenden großen Parteien auf das Erscheinen der Initiative döpps105 reagiert. Es gab ausgereizte Fristen, frühzeitig in Auftrag gegebene und nach Wunsch ausgefallene teure Rechtsgutachten, schlichte Falschbehauptungen und wohl auch eine Anzahl (bezahlter) Jubelperser, die sich an dummer Trollerei und Drohanrufen versuchten, und dabei das ganze Repertoire fieser Kommunikation durchzogen. Das sollte die in politischem Agieren zum Teil noch unerfahrenen BürgerInnen ganz offenkundig einschüchtern.
Auch dank der Unterstützung durch erfahrene AktivistInnen konnten kritische Momente in der Kampagne jedoch immer überstanden werden. In der Stadt, die seit dem Verschwinden des „Recht auf Stadt”-Aktionsbündnisses „basta!” in resignativen Tiefschlaf gefallen schien, konnte so ein (Teil-) Erfolg erzielt und für erhebliche Verunsicherung bei den großen Parteien gesorgt werden. Nach fast drei Jahren, in denen es um die Entwicklung Wuppertals eher ruhig war, war döpps105 die erste Initiative, die den schlimmen und teils auch skurillen Transformations-Plänen Kritik entgegensetzte und damit auch Wirkung erzielte.
Selbst die im Tal traditionell zahnlose Lokalpresse musste zwischenzeitlich umschwenken und begann zu bestimmten Umständen nachzufragen. Die Rolle der Presse muss deswegen aber nicht neu bewertet werden : Die Essenz der geäußerten Kritik bestand weniger in handfester Recherche zu den Vorgängen rund um den Döppersberg. Bedauert wurde vor allem die oben angesprochene Rückständigkeit der politischen (Kommunikations-) Strategie. Die umstrittene Beauftragung des Kommunikationsprofessors Busmann, der für 300.000 Euro im Jahr eine erfolgreichere Reklame für das Projekt machen soll, ist eine hilflose Reaktion der Stadt auf diese Art der Kritik.
Darum darf es aber nicht gehen : Benötigt wird keine „Mitmachfalle”, sondern Widerstand gegen eine Lokalpolitik, die zum Totalausverkauf einer der ärmsten Großstädte Deutschlands führen muss. Und dieser Widerstand muss sich neu orientieren : Wenn Beteiligungsmodelle entweder befrieden oder schlicht ignoriert werden, jedoch keinesfalls zu einem Umdenken führen, und wenn zentrale Aspekte der Stadtentwicklung immer willfähriger an Investoren delegiert werden, muss Kritik an Bauplänen zum Protest gegen eine „finanzialisierte” Stadtentwicklungspolitik als Ganzes weiterentwickelt werden. Das kann nur durch die Verknüpfung verschiedener urbaner Kämpfe funktionieren (wie z.B. von der Gruppe „Eisbrecher” gefordert wurde).
Wohnungspolitische Konflikte (wie von Knut Unger am Mittwoch beschrieben), der Kampf um Freiräume (beispielsweise um das AZ an der Gathe) und Fragen der Stadtentwicklung (z.B. beim Döppersberg oder dem geplanten Ausbau der „City-Arkaden”) müssen viel mehr als Ganzes wahrgenommen und geführt werden. Auch Verflechtungen der Politik mit den Interessen der Investoren müssen dabei benannt und angegriffen werden : In Wuppertal befindet sich Korruption traditionell auf hohem Niveau. Die Tatsache, dass jener Professor Busmann auch die Kommunikationsstrategie des in Wuppertal am Platz am Kolk interessierten Global Players ECE betreut, sollte klar machen, in welche Richtung eigene Recherchen laufen müssen.
Lange haben sich die WuppertalerInnen eine nicht an ihren Interessen orientierte Stadtpolitik fast widerspruchslos bieten lassen. Selbst der Döppersbergumbau blieb zunächst ohne größeren Widerstand : noch vor drei Jahren biss sich das Aktionsbündnis „basta!” am verbreiteten Desinteresse zum Thema die Zähne aus. Dabei war der Döppersberg von Anfang an ein Scharnier neoliberaler Ausplünderung. Er diente als zentrales Argument bei der Privatisierung kommunaler Betriebe : Der für den Erhalt der Landesförderung erforderliche Teilverkauf der Energiesparte der Stadtwerke, (der heute für Linienstreichungen und Niedriglöhne bei den Verkehrsbetrieben mitverantwortlich sein dürfte) und die ebenfalls im Zuge des Stadtwerkeverkaufs durch den Ausgleich von Schulden erfolgte Privatisierung der städtischen Kliniken blieben ohne größere Proteste – eben bis zum Auftauchen von döpps105 und dem zurückgewiesenen Bürgerinnenbegehren, mit dem diese Vorgänge wieder ins Gedächtnis gerückt sind.
Damit schließt sich ein Kreis : Es gibt es eine Chance für einen Neuanfang im Kampf um eine lebenswerte Stadt für alle. Die Ankündigung der Initiative, auch nach der Zurückweisung der Unterschriften mit döpps105 weiterzumachen, ist ein erster Schritt. Und dass bei der Demo am 12.April für mehr Beteiligung erstmals das legendäre Banner von „basta!” mit dem Konterfei von Jung und Slawig wieder auftauchte, macht Hoffnung.
Ein Interview mit Frank Jäger (Tacheles, döpps105) und Loba vom so_ko_wpt zum Döppersberg und zur Initiative döpps105 ist in der AZ Massenzeitung zum 1.Mai erschienen. Es kann auch hier nachgelesen werden.
Radiointerview mit Thomas Wagner zu „Die Mitmachfalle” (mp3)