Am Donnerstag, den 3.Juli demonstrierten rund sechzig Menschen unter dem Motto „You cant’t evict am Movement!” ihre Solidarität mit den kämpfenden Flüchtlingen bei einer unangemeldeten Kundgebung und Demonstration in Wuppertal-Elberfeld. Gleichzeitig wurde über das Verhalten der Polizei in den Tagen der Besetzung des « Reichekiez » in Berlin Kreuzberg berichtet und gegen die zunehmende Selbstermächtigung der Polizeistrukturen protestiert. Vielen Dank an alle, die gekommen waren. Dass es nicht noch mehr waren, lag sicherlich auch an der vorläufigen Einigung vom Vortag, die in letzter Minute zwischen den geflüchteten Menschen in der besetzten ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin Kreuzberg und der Grünen Bezirksverwaltung ausgehandelt worden war. Diese umstrittene vorläufige Einigung – nicht alle der Flüchtlinge in der Schule hatten sie unterschrieben – hatte in der Nacht auch zu einem Rückzug der meisten Polizeikräfte aus dem zuvor von der Staatsmacht besetzten Viertel geführt.
Bei der nicht angemeldeten Kundgebung auf dem Stadtplatz in der Fußgängerzone wurde über die Ereignisse der vergangenen Tage rund um die ehemalige Schule in Berlin informiert. Das erfreulich große Interesse der Passanten verdeutlichte, wie sehr eine eigene, « klassische » Informierung der Öffentlichkeit notwendig ist. Viele hatten zuvor von den Ereignissen in Berlin kaum etwas gehört. Auch die anderen Redebeiträge fanden interessierte Zuhörer – neben dem Staatsschutz waren es auch viele aufgeschlossene Menschen, die auf ihrem Weg nach Hause kurz bei der Kundgebung halt machten. Einige schlossen sich später der spontanen Demo an. In den weiterem Beiträgen ging es zunächst um die am gleichen Tag im Zuge einer Tagesordnungsänderung überraschend von der Bundesregierung noch vor der Sommerpause im Bundestag beschlossene Regelung zu den « sicheren Drittstaaten » des westlichen Balkan und um die ebenfalls am Donnerstag erfolgte Besetzung des Vorplatzes der « BAMF » (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) in Nürnberg durch Refugees. Auch über die brutalen Polizeiaktionen in Calais, die in der Nacht zuvor stattgefunden hatten, wurde berichtet.
Die « Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrantinnen » berichtete außerdem von den häufigsten Fluchtursachen und betonte die Unmöglichkeit, die Verantwortung Europas und der in Europa Lebenden dafür zu leugnen. Anschließend wurde die Verhaltensweise der Polizei in den Tagen der Berliner Dachbesetzung angesprochen und dazu aufgerufen, keine Selbstermächtigung der Polizei zuzulassen. Das von der Polizeiführung an die Bezirksregierung gestellte « Ultimatum », das zwischenzeitlich zum Auftrag zur Räumung der Schule führte, wurde als selbsterteiltes politisches Mandat der Staatsmacht aufgefasst, und die Einrichtung der « Sperrzone » um die Ohlauer Straße wurde in einen Zusammenhang mit der Verhinderung der Blockupy-Proteste 2012 und 2013, der Zerschlagung der Hamburger Demo am 21.12.2013 und der daran anschließenden eigenmächtigen Einrichtung eines « Gefahrengebietes » in Hamburg gesetzt. Wie weit das inakzeptable Selbstverständnis der Polizei auch in NRW inzwischen reicht, wurde am Beispiel der erst kürzlich bekannt gewordenen « Gefahrenzonen » in Köln und am Verhalten der Dortmunder Polizei nach dem Nazi-Angriff auf das Rathaus aufgezeigt.
Die Verantwortung der Partei « Bündnis90/Die Grünen » für die inakzeptable Einschaltung der Polizei in der Ohlauer Straße und die Mitwirkung der ehemaligen, selbsternannten « Menschenrechtspartei » bei der Ausgestaltung der « Festung Europa », wurde in den Beiträgen jeweils besonders angesprochen. Noch immer sind einige Grüne in bestimmten Zusammenhängen präsent und noch immer existieren auf lokaler Ebene viele Kontakte. Zu lange wurde dabei die allgegenwärtige Widersprüchlichkeit Grüner Politik hingenommen bzw. toleriert – gerade auch auf Landesebene (in NRW sind die Grünen schließlich Regierungspartei und damit bspw. auch für die regelmäßigen Sammel-Abschiebungen aus Düsseldorf mitverantwortlich). Nach kurzem Murren über politische Entscheidungen der Partei kehrten in der Vergangenheit meist viele zu schnell zu einem « umgänglichen » Verhalten im Alltag zurück. Die Ereignisse der Tage rund um die Schule in Kreuzberg machen das nun unmöglich.
Deshalb hätte eigentlich noch vor der Kundgebung ein Brief „einiger zorniger NachbarInnen ausm Tal” mit (meist symbolischen) Forderungen an die Wuppertaler Grünen übergeben werden sollen. Es scheiterte daran, dass während der angekündigten offenen Sprechstunde niemand im oder am Büro anwesend war – im Gegensatz zur Polizei, die offenbar das Ladenlokal beobachtete. Daher fiel der spontane Beschluss, den Brief mit einer kurzen Demo durchs Luisenvietel gemeinsam zum Kreisverband zu bringen. Die Solidemo war laut und wechselte mehrfach den Weg, die sie begleitende Polizei hielt sich an diesem Tag zurück und beschränkte sich auf die Verkehrslenkung. Nachdem erneut niemand im Büro der Grünen angetroffen wurde, und auch telefonisch kein Kontakt hergestellt werden konnte, wurde der Brief mit unseren Forderungen schließlich im Briefkasten deponiert.
Am selben Abend gab es dazu eine Reaktion in der Gesprächsbereitschaft signalisiert wurde. Es entstand der Eindruck, dass die Grünen-Basis durch die Ereignisse unter einem gewissen Druck steht. Das bietet die Möglichkeit den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Einige der aufgestellten Forderungen würden ein Gespräch sicher lohnen. So erwarten wir von den Wuppertaler Grünen vor allem eine verbindliche Festlegung, auf ihre Landtagsfraktion einzuwirken, damit das Gesetz zu den « sicheren Drittstaaten » den Bundesrat nicht passieren kann. Die Stimmen des Landes NRW sind hierfür von entscheidender Bedeutung. Auch im lokalen Rahmen gibt es konkrete Forderungen : So wollen wir, dass die Grünen auf ihren Parteifreund, den Leiter des Wuppertaler Jobcenters, Thomas Lenz, einwirken, damit das Jobcenter Umzugswünschen von Geflüchteten nach Wuppertal grundsätzlich stattgibt – unabhängig von einer Arbeitsstelle. Darüberhinaus fordern wir von den Wuppertaler Grünen, sich für ein Wuppertaler « Refugee Welcome Center » einzusetzen, in dem neben Beratungs- und Hilfsangeboten auch Kapazitäten zur Selbstorganisierung geflüchteter Menschen zur Verfügung stehen müssen. (Den Brief mit allen Forderungen gibt es hier : Brief an Grüne) Die Entscheidung, ob auf das Angebot der Grünen zum Gespräch eingegangen wird, steht noch aus.