I Love Nordstadt – Solidarisches Nachbarschaftsfest

Am Samstag, den 30.August laden verschie­dene Initia­tiven alle Nachbar*innen aus der Elber­felder Nordstadt zu einem kleinen Fest und einer Wupper­taler Filmpre­miere unter freiem Himmel auf den Schus­ter­platz ein. Als Wuppertaler*innen haben wir auch einen Schlecht­wet­ter­plan : Zumin­dest die Wupper­taler Erstauf­füh­rung von « My Heart will go on » wird bei Regen ins Stil Bruch am Otto-Böhne Platz verlegt. Das Fest beginnt um 16:00 Uhr, der Film wird gegen 20:30 Uhr gezeigt.

« I Love Nordstadt»-Fest auf dem Schus­ter­platz

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Fest und Open-Air-Kino sind Teil der « I Love Nordstadt»-Kampagne, mit der für den Erhalt des Autonomen Zentrums an der Gathe geworben werden soll. Der Ort des Nachbar­schafts­festes ist bewusst gewählt : Der Ölberg reprä­sen­tiert noch immer das Motto der Kampagne : « nachbar­schaft­lich, solida­risch und kämpfe­risch ». Zuletzt machte der Verzicht auf eine Luxus­sa­nie­rung in der Ekkehard­straße Schlag­zeilen, nachdem Mieter*innen sich zu Gegen­wehr entschlossen hatten und dabei viel Unter­stüt­zung aus der Nachbar­schaft erhielten. Am Samstag werden einige Mieter*innen aus der Ekkehard­straße dabei sein, um nochmal von den Mieter*innen-Treffen zu berichten.

Die Geschichte um die zunächst verhin­derte Verdrän­gung langjäh­riger Mieter*innen erzählt aber auch davon, dass auch ein Viertel wie der Elber­felder Ölberg Trans­for­ma­tionen erlebt, die die Lebens­qua­lität der Bewohner*innen stark verän­dern und beein­träch­tigen. Nicht alles läuft gut in der Nordstadt : Neben steigenden Mieten erlebt die Nordstadt seit Jahren auch einen Struk­tur­wandel. Schon lange kann zum Beispiel in der Marien­straße kaum noch einge­kauft werden und kranke und ältere Ölberger*innen müssen für ein Medika­ment jedes Mal « ins Tal », nachdem die letzte Apotheke zumachte. Auch immer mehr Eckkneipen und Cafés schließen, die als Ort des Austauschs und der Teilhabe wichtig sind. Ohne sie ist es viel schwie­riger, nachbar­schaft­liche Solida­rität zu organi­sieren.

Das Bedürfnis nach Austausch und Teilhabe ist bei vielen groß : Das zeigen die Aktivi­täten auf den beiden Plätzen des Quartiers – z.B. Termine wie die « Hexen­küche » des Autonomen Zentrums (donners­tags ab 17:00 Uhr auf dem Otto-Böhne Platz) oder dem « Sperr­müll­fest », mit dem bei jedem Sperr­müll­termin (das nächste Mal am 10.September) der freie Gratis-Tausch von Einrich­tungen und Geräten vor dem Zugriff des kommu­nalen Ordnungs­dienstes geschützt werden soll. Mit unserem Nachbar­schafts­fest wollen wir deshalb auch nochmal auf einen der zentralen Plätze auf dem Ölberg gehen, bevor es dafür wieder zu kalt und der Bedarf nach einem echten Nachbar­schaftsort wieder offen­sicht­lich wird.

Ab 16:00 Uhr werden Musik, Jonglage, Kinder­schminken und gemein­sames Kochen und Essen mit der AZ-Volxküche den Rahmen für Beiträge bieten, in denen sich Initia­tiven und Nachbar*innen zu ihrem Viertel und ihrer Vorstel­lung von Solida­rität äußern.

Open-Air-Kino am Abend : « My Heart will go on »

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Solida­rität ist auch das zentrale Thema der Wupper­taler Filmpre­miere am Abend (Beginn des Films : etwa 20:30 Uhr). Die das Schus­ter­platz­fest mitor­ga­ni­sie­rende neu gegrün­dete Initia­tive « w2wtal » (Welcome to Wuppertal), die konkrete Solida­rität für Geflüch­tete in Wuppertal organi­sieren will, zeigt in Zusam­men­ar­beit mit « The VOICE Refugee-Forum » den Theater­film « My Heart will go on » des in Wuppertal lebenden Filme­ma­chers Mamam Salissou Oumarou, der auf dem Schus­ter­platz persön­lich anwesend sein und etwas über den Film erzählen wird.

Maman Salissou Oumarou hat für seinen abend­fül­lenden Film im Jahr 2012 ein äusserst erfolg­reiches Theater­pro­jekt des Theater­hauses Jena und der Flücht­lings­selbst­or­ga­ni­sa­tion « The VOICE » gefilmt : « My Heart will Go on ». Das große Recher­che­pro­jekt von Claudia Grehn und Moritz Schöne­cker war eine Unter­neh­mung mit neun Geflüch­teten, vier Theater­haus-Schau­spie­lern, zwei Musikern und einem gewal­tigen Team, das die Anwesen­heit der Spieler auf der Bühne trotz Residenz­pflicht überhaupt erst möglich machte.

Das colla­gen­ar­tige Stück erzählt von einer « Willkom­mens­kultur », die für Geflüch­tete aus einem « kafka­esken Absur­di­stan » zu kommen scheint und von ihrem Alltag im Lager zwischen Schikanen des Hausmeis­ters, selbst­ver­liebten Auftritten von Politi­kern, Momenten der Freude und der Zunei­gung und einer ständig über allem schwe­benden Abschie­bung. « My Heart will go on » hatte großen Erfolg beim Publikum und der Kritik. Das Stück rückte die Flücht­lings-Proble­matik zumin­dest in Jena eine Zeitlang in den Mittel­punkt des allge­meinen Inter­esses. Es zeigt auch, wie wichtig ein leben­diges, in der Wirklich­keit veran­kertes Theater für eine Stadt sein kann, das « die direkte Verbin­dung von Hochkultur mit Sozio­kultur nicht scheut » («Nacht­kritik»)

Ab 20:00 Uhr wird es eine Einfüh­rung zum Film geben, die Projek­tion startet nach Einbruch der Dunke­heit gegen 20:30 Uhr. Die Nachbar*innen, die zum Film kommen wollen, bitten wir, Stühle oder Sitzge­le­gen­heiten mitzu­bringen !

Trailer zum Stück und zum Film gibt es hier.

Am Schus­ter­platz­fest betei­ligte Gruppen und Initia­tiven :
so_ko_wpt, Autonomes Zentrum, Eisbre­cher Wuppertal, The VOICE, w2wtal

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Solidarität lohnt sich !

Die Mieter*innen der Ekkehard­straße erzielen einen Erfolg und treffen sich jetzt jeden vierten Donnerstag mit Nachbar*innen am Ölberg.

Anfang des Jahres waren zwei Miets­häuser auf dem Elber­felder Ölberg in Wuppertal nach zwei Jahrzehnten bauli­cher Agonie und nur notdürf­tigster Instand­hal­tung verkauft worden. Es ist anzunehmen, dass die zwei ca. 700qm großen Nachkriegs­bauten von den vorhe­rigen Besitzer*innen, einer Erb*innen-Gemeinschaft, für einen günstigen Preis weiter­ge­reicht wurden. Der Käufer war Daniel von Baum. Er entstammt einer Wupper­taler Unter­neh­mer­fa­milie, die viel auf ihr bürger­li­ches, « dem Gemein­wohl » verpflich­tetes Engage­ment gibt.

Über seine Pläne mit den Wohnungen ließ von Baum die im Haus verblie­benen Mieter*innen – die Vorbe­sitzer hatten zuvor leerge­zo­gene Wohnungen teils jahre­lang unver­mietet gelassen – trotz Nachfragen zunächst im Unklaren. Die Mieter*innen schätzten ihre eher schlicht ausge­stat­teten Wohnungen in der Ekkehard­straße : Immerhin ermög­lichte ihnen die vergleichs­weise günstige Miete ein Wohnen in Innen­stadt­nähe und auf dem begehrten Ölberg. Sie machten sich deshalb wegen der unklaren Inves­to­ren­pläne Sorgen.

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Inter­es­sierte Nachbar*innen am Hombü­chel

Dass sie berech­tigt waren, stellte sich schnell heraus. Ein eher fragwür­diges Ankün­di­gungs­schreiben kündigte pauschal eine umfas­sende energe­ti­sche Sanie­rung an, deren Kosten größten­teils als « Moder­ni­sie­rungs­maß­nahme » auf die Mieter*innen abgewälzt werden sollten. Für einzelne Wohnungen des Hauses errech­nete sich daraus eine beabsich­tigte Mietstei­ge­rung um mehr als achtzig Prozent – es ergaben sich Mieten vom obersten Rand des Wupper­taler Mietpreis­spie­gels.

Schnell war klar : von den bishe­rigen Mieter*innen würden die Mieten nicht aufzu­bringen sein. Ebenso schnell fanden die meisten von ihnen zusammen, um gemeinsam gegen von Baums Pläne vorzu­gehen. Von Nachbar*innen am Ölberg wurden sie dabei bestärkt, und eine Beurtei­lung der Inves­to­ren­pläne durch Knut Unger vom Wittener Mieter*innenverein ermutigte sie weiter – auch als bekannt wurde, dass im Neben­haus ein älterer, seit vielen Jahren dort lebender Mann bereits ausge­zogen war.

Laut Knut Unger waren die beabsich­tigten Maßnahmen der Sanie­rung viel zu unprä­zise und unkon­kret. Dadurch wurde verschleiert, dass mehrere der im Anschreiben aufge­führten Arbeiten notwen­dige Repara­turen jahre­lang entstan­dener Schäden waren und keine Moder­ni­sie­rung darstellten. Das ist ein gewich­tiger Unter­schied : Im Gegen­satz zu einer « energe­ti­schen » Sanie­rung sind Kosten einer Instand­hal­tungs­maß­nahme nicht auf die Bewohner*innen eines Hauses übertragbar. Notwen­dige Repara­turen sind Vermieter*innen-Pflicht, auf die Mieter*innen ein Anrecht haben. Erfolgen sie nicht, können sie sogar die Mietzah­lung kürzen.

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Knut Unger, Mieter*innenverein Witten

Laut Knut Unger entsprach der Fall am Ölberg damit einem viel zu oft vorkom­menden Normal­fall des Umgangs mit Immobi­li­en­ei­gentum. Vielfach werden notwen­dige Rapara­turen am Haus und in den Wohnungen nicht durch­ge­führt, beispiels­weise, weil ein Miets­haus als Teil einer Erbmasse im Besitz einer Eigentümer*innen-Gemeinschaften ist, die sich nicht auf Inves­ti­tionen einigen kann. Verliert ein Bau dann immer mehr an Substanz, wird er irgend­wann an einen Investor verscher­belt.

Dieser kauft dann ein Haus mit einem großen Inves­ti­ti­ons­stau. Den zu beheben, wäre nun seine Pflicht. Gelingt es aber, Maßnahmen der Instand­hal­tung als (energe­ti­sche) Moder­ni­sie­rung zu dekla­rieren, zahlen die Mieter*innen anstelle der neuen Besitzer*innen. Sie zahlen dann doppelt – haben sie doch über die Jahre einen Teil der gezahlten Miete auch für die Erhal­tungs­kosten des Hauses an die Vermieter gezahlt. Durch die Hintertür kommt es durch die finan­zi­elle Belas­tung der Mieter*innen mit den Instand­hal­tungs­kosten zu einer Art kalter Verdrän­gung.

Die Hausge­mein­schaft der Ekkehard­straße machte ihre Situa­tion mit einem ersten Mieter*innen-Treffen auf dem Ölberg öffent­lich und wider­sprach den Plänen des neuen Vermie­ters. Zudem verstän­digte sie sich auf eigene Forde­rungen. Von Baum sollte damit aufge­for­dert werden, zunächst einmal die notwen­digen Repara­turen am Haus und in den Wohnungen durch­zu­führen. Dies sei Voraus­set­zung, die zusätz­lich zu den Sanie­rungs­plänen angekün­digte « reguläre » Mietstei­ge­rung auf Mietspie­gel­ni­veau zu akzep­tieren. Erst dann und in indivi­du­eller Absprache mit den einzelnen Mieter*innen, sollte nach deren Zustim­mung über weiter­ge­hende Arbeiten entschieden werden.

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Mieter*innen im Presse­ge­spräch

Mit der für Montag, den 18.August, von den Mieter*innen der Ekkehard­straße einbe­ru­fenen Presse­kon­fe­renz, sollte im nächsten Schritt eine breitere Öffent­lich­keit angespro­chen werden. Neben vielen Nachbar*innen und der lokalen Presse erschienen überra­schend auch Daniel von Baum und sein Rechts­an­walt. Anfangs deutete nichts daraufhin, dass er von seiner Linie abwei­chen würde. Er vertei­digte sich und seine Pläne. Dabei wurde offen­kundig, dass die geplante Luxus­sa­nie­rung auf dem Ölberg ziemlich hemds­är­melig und wenig durch­dacht angegangen worden war. Offenbar war darauf vertraut worden, dass die Umwand­lung billiger Wohnungen in teuren Wohnraum geräuschlos über die Bühne gebracht werden würde.

Es zeigte sich, dass das am Ölberg nicht funktio­nieren konnte. Die Lokal­presse inter­es­sierte sich für die Angele­gen­heit, die erschie­nenen Nachbar*innen zeigten eine gewisse Entschlos­sen­heit und mit Knut Unger vom Mieter*innenverein Witten war außerdem ein sachkun­diger Kritiker von Vermieter*innenstrategien und Verdrän­gungs­pro­zessen anwesend. Der Plan des Inves­tors, den Mieter*innen durch seine Anwesen­heit beim Presse­ge­spräch den Wind aus den Segeln zu nehmen, ging schief.

Als eine der Miete­rinnen befand, auch jemand der ohne finan­zi­elle Sorgen aufge­wachsen sei, müsse sich doch vorstellen können, was eine Verdop­pe­lung der Miete für Hartz IV-Bezieher*innen bedeute, und als die Umste­henden zuneh­mend unzufrieden auf seine Darstel­lung des Vorgangs reagierten, geriet von Baum in die Defen­sive. Als in der Stadt veran­kerter Akteur ist ihm sein Bild in der Öffent­lich­keit offen­sicht­lich wichtig. So wider­sprach er der Annahme, er sei ein « rein profit­ori­en­tierter Kapita­list » und verwies auf das umfang­reiche wohltä­tige Engage­ment seiner Familie.

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Irgendwas läuft schief… Der Investor und sein Anwalt

Mit der plötz­li­chen Mittei­lung von Baums, auf seine Pläne zu verzichten, hatten die Anwesenden dennoch nicht gerechnet. Er sicherte sogar zu, die genannten Mängel an Bausub­stanz und Wohnungen ohne weitere Mietstei­ge­rungen durch­zu­führen, und erst im Anschluss daran mit jeder Mietpartei einzeln über Weiter­ge­hendes zu verhan­deln. Selbst die mitschrei­benden Journa­listen waren wegen des miter­lebten Umschwungs überrascht. Für den Moment war es ein umfas­sender Erfolg der aktiv gewor­denen Mieter*innen.

Dieser Erfolg darf jedoch nicht darüber wegtäu­schen, dass es sich bei der Entspan­nung in der Ekkehard­straße um einen Einzel­fall handelt – auch durch die Tatsache begüns­tigt, dass der Investor in diesem Fall wenig anonym und auf sein image in der Stadt bedacht war. Eine inves­tie­rende Kapital­ge­sell­schaft würde mit dem Vorwurf einer reine Profit­ma­xi­mie­rung anders umgehen. Und auch wenn die Art des Vorge­hens in diesem Fall gericht­lich eventuell nicht bestä­tigt worden wäre, heißt das nicht, dass Entmieten und Verdrängen nicht oft genug genauso ablaufen, wie es in der Ekkehard­straße versucht wurde.

Die Änderungen des Mietrechts, die vor allem Einspruchs­mög­lich­keiten von Mieter*innen einge­schränkt haben, und die Konstruk­tion der so genannten « energe­ti­schen Sanie­rungen » begüns­tigen das Beheben von Inves­ti­ti­ons­staus auf Kosten der Mieter*innen. Anderswo sind davon schon viele betroffen. Mit der Inter­ven­tion in der Ekkehard­straße wurde nur ein erster, ziemlich krasser Fall von Moder­ni­sie­rungs­ver­drän­gung in Wuppertal vorläufig verhin­dert und die Hemds­är­me­lig­keit, mit der sie am Ölberg versucht wurde, zeigt, wie wenig eine immer wieder von Besit­zer­seite betonte Verant­wor­tung der Eigentümer*innen gegen­über dreist versuchter Profit­ma­xi­mie­rung zählt.

Umso wichtiger ist es, dass jene Gruppen, die Mieter*innenrechte vertei­digen sollen, politisch und gesell­schaft­lich engagiert auftreten und sich Fällen wie dem geschil­derten annehmen. Gerade in einer Stadt wie Wuppertal dürfen sich Mieter­schutz­ver­eine nicht auf eine indivi­du­elle Rechts­be­ra­tung beschränken. Mieter*innen, die sich organi­sieren und beginnen, sich zu wehren, benötigen Unter­stüt­zung – bei recht­li­chen Einschät­zungen, Organi­sa­tion und Öffent­lich­keits­ar­beit. Mehr noch benötigen sie aller­dings die breite Solida­rität von Nachbar*innen – das hat sich am Ölberg gezeigt.

Um solche Solida­rität zukünftig noch besser organi­sieren zu können, haben die Mieter*innen und Unterstützer*innen der Ekkehard­straße beschlossen, trotz des schein­baren Erfolgs mit dem Engage­ment jetzt nicht aufzu­hören – auch weil ihnen im Vorfeld mehrere andere Fälle von krassen Mietstei­ge­rungen auf dem Ölberg bekannt geworden sind. Deshalb wurde die Beibe­hal­tung des Ölberg-Mieter*innen-Treffens angekün­digt. Wer möchte, kann bei den Treffen vorbei­schauen. Die Initia­tive trifft sich an jedem vierten Donnerstag eines Monats um 19:00 Uhr im Stil-Bruch am Otto-Böhne Platz. Das erste offene Treffen findet bereits am 28.August statt.

Hier sind zwei Berichte dazu aus der Lokal­presse :

Westdeut­sche Zeitung, General Anzeiger
Wupper­taler Rundschau

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