Die Initiative neu in Wuppertal angekommener und bereits seit einiger Zeit in der Stadt lebender Menschen, w2wtal (welcome2wuppertal), will mit einem Offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal und an die im Wuppertaler Stadtrat vertretenen Parteien im Diskurs um flüchtende Menschen und geschlossene Grenzen die Offensive zurückgewinnen. Angesichts der Situation im Camp an der griechisch-mazedonischen Grenze in Idomeni und in Griechenland soll ein neuer Anlauf genommen weren, in die mittlerweile von Rassisten und Rechten beherrschte öffentliche Debatte einzugreifen. Dazu wird der Stadtrat aufgefordert, sich dazu bereit zu erklären, „ein angemessenes Kontingent Geflüchteter aus Idomeni in Wuppertal aufzunehmen.”
Dafür will w2wtal dort ansetzen, wo nach Ansicht der Gruppe noch am ehesten diskutiert werden kann : Im eigenen lokalen Umfeld, wo die Absurdität der geschlossenen Grenzen für jede/n sichtbar wird. Zumindest in einigen Städten (z.B. eben in Wuppertal) sind im vorigen Jahr geschaffene Kapazitäten zur Aufnahme geflüchteter Menschen inzwischen weitgehend ungenutzt, manche der noch vor kurzem eingestellten Sozialarbeiter*innen und Berater*innen beginnen bereits, um ihre Jobs zu fürchten. Außerdem erleben viele im alltäglichen Kontakt, dass einige der im letzten Jahr neu gewonnen Freund*innen verzweifelt darauf warten, dass ihre in Griechenland festsitzenden Familien endlich nachkommen können.
Hinter der Initiative sich an die lokalen Enstscheidungsträger zu wenden, steht die Hoffnung, dass viele Kommunen in Deutschland dem Beispiel der spanischen Regionen Barcelona und Valencia folgen könnten, die unlängst angeboten haben, Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen. Käme es dazu, wäre zumindest eine Debatte um den Umgang mit den Menschen in Idomeni wieder eröffnet. Ob sich die Regierungen in den Ländern und dem Bund davon beeindrucken ließen, stünde sicher auf einem anderen Blatt, auch wenn sich w2wtal überzeugt gibt, dass sie sich einer breit aufgestellten Forderung, Menschen aus Idomeni oder anderen griechischen Lagern in der jeweiligen Stadt oder dem jeweiligen Landkreis aufzunehmen, nicht entziehen könnten. Es geht w2wtal darum, die derzeitige Zufriedenheit mit einer mehr oder weniger auf Null reduzierten Aufnahme Flüchtender zu durchbrechen.
Für den Offenen Brief an die Vertreter*innen der Stadt Wuppertal, mit dem w2wtal den ersten Stein ins Wasser werfen will, wäre es zumindest sehr hilfreich, wenn möglichst viele Gruppen, Verbände, Parteien, Initiativen und Einzelpersonenden Brief mitzeichnen würden. Wer das tun will, kann w2wtal einfach eine E-mail schreiben : mitzeichnen [at] w2wtal.org
Wir dokumentieren hier den Offenen Brief :
Flüchtlinge aus Idomeni aufnehmen !
Offener Brief von w2wtal an den Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal und an die im Wuppertaler Stadtrat vertretenen Parteien.
„Als alte und neue BürgerInnen von Wuppertal fordern wir den Stadtrat auf, zu beschließen, dass Wuppertal sich bereit erklärt, ein angemessenes Kontingent von Flüchtlingen aus Griechenland aufzunehmen.”
Seit die « Visegrad»-Staaten sowie Mazedonien und Österreich beschlossen haben, keine Flüchtenden mehr nach Europa zu lassen, stecken tausende Menschen im griechisch/mazedonischen Grenzort Idomeni fest. Die Grenze ist mit Zäunen und NATO-Draht gesichert und wird Tag und Nacht von Grenzsoldaten überwacht. Nachdem es in den letzten Wochen immer wieder Berichte von brutaler Gewalt gegen Flüchtende gab, kam es am Sonntag, den 10.April bei einem Versuch hunderter Menschen, die Grenze zu überwinden, zu einem kriegsähnlichen Einsatz. Hunderte wurden durch Tränengasbeschuss, Schockgranaten und Gummigeschosse verletzt, darunter auch viele Frauen und Kinder.
Die in Griechenland ankommenden Flüchtlinge werden von vielen PolitikerInnen und Medien inzwischen nur noch als « illegale Einwanderer » bezeichnet. Aber sie sind – ebenso wie die Flüchtlinge, die bereits hier angekommen sind – vor dem syrischen Assad-Regime oder dem so genannten Islamischen Staat im Irak und Syrien geflüchtet, vor den Taliban in Afghanistan oder vor Terror, tödlichen Machtkämpfen, Hunger und Perspektivlosigkeit in Afrika. Diese « illegalen Einwanderer » sind mitunter die Angehörigen von denen, die es aufgrund günstigerer Bedingungen hierhin geschafft und zum Teil bereits einen Aufenthaltsstatus in Deutschland haben. Es sind Brüder und Schwestern, Eltern, Ehefrauen und Ehemänner von denen, die noch im September vergangenen Jahres an den Bahnhöfen begrüßt und von zahlreichen spontan entstandenen « Willkommens-Initiativen » in Empfang genommen wurden.
Die Änderung der Sprache bereitete den Paradigmenwechsel vor : Anstelle des Bemühens, für die Flüchtenden einen sicheren Aufenthaltsort zu schaffen, führt die EU jetzt selber Krieg gegen die Menschen, die der Gewalt entrinnen wollen. Das Leiden der in Idomeni Festsitzenden einerseits und das geforderte « Aushalten » der Bilder aus dem Flüchtlingscamp andererseits dienen nur einem Zweck : Abschreckung. Wir – selbstorganisierte Geflüchtete und Initiativen von UnterstützerInnen – ertragen diesen Zustand nicht länger.
Wir begreifen nicht, warum die Menschen dort unter unwürdigen Bedingungen in Zelten schlafen, während in Deutschland Aufnahmeeinrichtungen leer stehen. Wir erleben, dass die in aller Eile und zum Teil mit beeindruckendem Engagement von Haupt- und Ehrenamtlichen in den Kommunen geschaffenen Aufnahmestrukturen mittlerweile zunehmend brach liegen. SozialarbeiterInnen und Sicherheitsdienste in den Erstaufnahmeeinrichtungen verlieren allmählich ihre Aufgaben. Es geht also nicht um die Frage, ob die Aufnahme weiterer Menschen zu bewerkstelligen ist – sondern nur um die Bereitschaft zu einer politischen Entscheidung : Nämlich, dass Flüchtlinge in Deutschland weiterhin Schutz bekommen können.
Dies sollte, angesichts der deutschen Geschichte, aber auch angesichts internationaler und völkerrechtlicher Verpflichtungen und Standards (Genfer Flüchtlingskonvention, Europäische Menschenrechtskonvention) eigentlich selbstverständlich sein. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass Menschen und ihre allgemeinen Rechte inzwischen zur politischen Verhandlungsmasse geworden sind. Wir erleben, dass europäische PolitikerInnen sich zunehmend die Position rechter und rechtspopulistischer Parteien zueigen machen, und universale Menschenrechte schlicht bestreiten.
Gerade deshalb halten wir an dem Recht auf Schutz fest. Zudem wird Integration und wirkliches « Ankommen » der bereits hier Seienden nicht gelingen, solange ihre Familie, ihre Freunde und Nachbarinnen auf der Flucht von Hunger, Kälte, Krankheit und Tod bedroht sind.
In Abstimmung mit dem Bund können die Bundesländer beschließen, Flüchtlinge aus anderen Ländern aus humanitären Gründen aufzunehmen. In der aktuellen Situation in Europa und der Welt ist das nicht nur möglich, sondern ein moralischer Imperativ.
Als alte und neue BürgerInnen von Wuppertal fordern wir den Stadtrat auf, zu beschließen, dass Wuppertal sich bereit erklärt, ein angemessenes Kontingent von Flüchtlingen aus Griechenland aufzunehmen. Prioritär berücksichtigt werden sollen dabei neben Menschen mit Krankheiten und Behinderungen, Familien mit Kindern und Schwangeren vor allem diejenigen, deren Angehörige bereits hier leben – gleich ob als Asylsuchende oder mit Aufenthaltserlaubnis. Wir fordern die Stadtspitze auf, umgehend mit dem Innenministerium des Landes NRW in Kontakt zu treten und sich für eine solche humanitäre Lösung einzusetzen.
Download des Offenen Briefes als pdf-Datei (Deutsch)
Download des Offenen Briefes als pdf-Datei (English)