Politik in der Rechtskurve : Zwischenhalt Landtagswahl

In unserer Veran­stal­tungs­reihe „Politik in der Rechts­kurve” legen wir vor der Landtags­wahl am 14. Mai in Nordrhein-Westfalen einen Zwischen­stopp ein, bei dem wir mit dem Wupper­taler Politiker der Partei Die LINKE, Bernhard Sander über die „Unmög­lich­keit des Notwen­digen” reden wollen. Muss sich die radikale Linke angesichts eines drohenden Einzugs der AfD in den Landtag diesmal auf den Parla­men­ta­rismus und eine schwie­rige Partei Die LINKE einlassen ?

Die Unmöglichkeit des Notwendigen. LINKE wählen ?

Streit­ge­spräch mit Bernhard Sander am Dienstag, 2. Mai im Stil Bruch
Otto-Böhne Platz, Wuppertal-Elber­feld, 20:00 Uhr. Freier Eintritt

Es gibt gute Gründe dafür, 2017 den antipar­la­men­ta­ri­schen und Anti-Parteien-Reflex in der radikalen Linken zu hinter­fragen. Zu auffällig ist die Diskre­panz zwischen dem verbrei­teten Alarmismus wegen eines voraus­sicht­li­chen Einzugs der neorechten AfD in den nordrhein-westfä­li­schen Landtag im Mai und in den Bundestag im September und der häufig propa­gierten Abwen­dung von Wahlen, Wahlkämpfen und Wahler­geb­nissen, die in Aufrufen und Publi­ka­tionen nach wie vor eine radikal linke Haltung darstellen soll. Auch angesichts einer für viele Aspekte emanzi­pa­to­ri­scher Politik gefähr­li­chen Polari­sie­rung der Gesell­schaft und von nach rechts verscho­benen Diskursen wird nur selten ernst­haft über Sinn und Unsinn einer Unter­stüt­zung der einzigen Partei in der BRD disku­tiert, die bei aller berech­tigten Kritik doch auch ein grund­sätz­li­ches antifa­schis­ti­sches Selbst­ver­ständnis im Parla­ments­system reprä­sen­tiert. Während es den Anschein hat, dass die lange zersplit­terte Rechte diesmal gemeinsam auf ihr neues Vorzei­ge­mo­dell AfD setzt, wird auf linker Seite weiter Unver­ein­bar­keit gelebt. Die LINKE macht es den Linken jedoch auch nicht einfach, sie zu unter­stützen.

Die Kritik an der Partei geht über eine – oft auch verkür­zende – Kritik an einzelnen Personen wie Sara Wagen­knecht oder Oskar Lafon­taine hinaus. Ein ungebro­chener natio­naler Fokus bei ihren Vorstel­lungen von Sozial- und Wirtschafts­po­litik, ein unhin­ter­fragter Fetisch um den kapita­lis­ti­schen Arbeits­be­griff oder ein fragwür­diges Solida­ri­täts­ge­habe einiger Gruppie­rungen in der Partei, die in einem unreflek­tiertem Antiim­pe­ria­lismus verharren, sind nur einige der Kritik­punkte. Hinzu kommen die Einzel­per­sonen, die bewusst eine missver­ständ­liche Kommu­ni­ka­ti­ons­po­litik in Kauf nehmen, weil um AfD-Wähle­rInnen geworben werden soll, oder jene Mitglieder und Funkti­ons­träger der LINKEN, die sich nicht nur an Montagen besin­nungslos auf jede Ansamm­lung „besorgter Menschen” stürzen – allen erkenn­baren Querfront­ten­denzen zum Trotz. Und dann gibt es auch noch jenen Flügel, der in Kretschmann’scher Manier alles auf Regie­rungs­be­tei­li­gungen setzt und der bereit scheint, auch Prinzi­pien dafür über Bord zu werfen. Gerade das katastro­phale Schei­tern Syrizas in der griechi­schen Regie­rungs­ver­ant­wor­tung, das sicher für die Rechts­kurve der europäi­schen Politik mitver­ant­wort­lich ist, macht die Aussicht auf eine LINKE als kleiner Partner einer mögli­chen rot-rot-grünen Konstel­la­tion nicht gerade verlo­ckend.

Dagegen steht u.a. die These, dass allein die Existenz einer Wahlal­ter­na­tive von links bislang das Erstarken einer rechten Protest­partei in Deutsch­land verhin­dert hat : Ohne die LINKE würde es eventuell auch in der BRD der Agenda 2010 einen „Front National” schon seit zehn Jahren geben. Gerne vergessen wird häufig auch, dass viele LINKE-Parlen­ta­rie­rInnen wichtige und aufklä­re­ri­sche Politik machen und Multi­pli­ka­toren für antifa­schis­ti­sche Positionen sind. So wären viele Kennt­nisse über Regie­rungs­han­deln ohne beharr­liche Anfragen auf parla­men­ta­ri­scher Ebene nie an die Öffent­lich­keit gelangt und für von §129a oder 129b-Verfahren Betrof­fene gäbe es ohne die LINKE gar keine Ansprech­part­ne­rInnen in den Parla­menten. Nicht zuletzt hat ein in Koope­ra­tion mit antifa­schis­ti­schen Struk­turen beharr­li­ches Nachfragen zu den Vorgängen rund um den „NSU-Komplex” dazu geführt, dass das Thema bis heute auf der Tages­ord­nung steht. Vor dem Hinter­grund, dass die Rechte ihrer­seits Möglich­keiten der Parla­mente beständig für Anti-Antifaar­beit nutzt und das nach den Wahlen in NRW und zum Bundestag voraus­sicht­lich weiter ausdehnen kann, ist diese parla­men­ta­ri­sche Präsenz sehr wichtig. Aus der Erfah­rung einer sehr dürftigen lokalen Debatte über den Umgang mit der AfD ergibt sich dann jedoch auch eine Thema­ti­sie­rung des zukünf­tigen Umgangs mit Rechten in Parla­menten.

Wie also mit den bevor­ste­henden Landtags- und Bundes­tags­wahlen umgehen ? Und wie mit einer Partei die LINKE, die Linke beständig in Abwehr­hal­tungen versetzt ? Gibt es die Situa­tion vor, ein breites Bündnis gegen den Rechts­ruck zu einer Notwen­dig­keit zu machen, speziell in einem Moment, in dem die bürger­liche Rechte inhalt­lich stark auf neorechte Parteien zugeht wie in den Nieder­landen oder Bayern ? Doch wie unmög­lich ist das Notwen­dige ? Es gibt konkrete Fragen nach den Zielen der Partei, danach, was sie für Antifa­schis­tInnen tun kann und was diese für die LINKE tun könnten oder sollten. Knapp zwei Wochen vor der Landtags­wahl in NRW wollen wir in einem Streit­ge­spräch u.a. diese Fragen mit dem Wupper­taler Stadtrat der LINKEN, Bernhard Sander disku­tieren, der auch partei­in­tern als kriti­scher Kopf gilt, es anderer­seits aber auch radikalen Linken nicht immer leicht macht.

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Politik in der Rechtskurve 2 : Die Türkei nach dem Referendum

Nach der Veran­stal­tung mit Niklas Reese zu den Philli­pinen unter Rodrigo Duterte im Januar, widmen wir uns mit unserer zweiten Diskus­sion zur Renais­sance autori­tä­rerer und rechter Politik­kon­zepte der Türkei und Recep Tayip Erdogan. Einge­laden haben wir mit Ismail Küpeli erneut einen guten alten Bekannten.

Hier ist die Ankün­di­gung der Diskus­sion von der Website der Veran­stal­tungs­reihe.

The winner takes it all - Die Türkei nach dem Referendum. Diskus­sion mit Ismail Küpeli

Am Oster­sonntag ist in der Türkei jene Entschei­dung gefallen, die sowohl innen- als auch außen­po­li­tisch seit langem im Zentrum der Entwick­lungen in der Türkei stand. In einem Referendum haben sich angeb­lich 51% der Wählenden für die Einfüh­rung einer autori­tären, durch parla­men­ta­ri­sche oder juris­ti­sche Instanzen nicht wirksam kontrol­lierten Präsi­di­al­de­mo­kratie entschieden. Das knappe Ergebnis wird jedoch von Manipu­la­ti­ons­vor­würfen überschattet – unter anderem wurden vor allem im (kurdi­schen) Südosten der Türkei kurzfristig mindes­tens 1,5 Millionen Wahlzettel akzep­tiert, die nicht offiziell validiert waren. Recep Tayyip Erdogan hat jedoch schon am Wahlabend keinen Zweifel daran gelassen, dass Einwände gegen das Referendum nicht zugelassen werden. Vielmehr wertet seine Partei AKP das angeb­liche Votum als eine nachträg­liche Legiti­ma­tion autori­tärer Politik, des Kriegs in den kurdi­schen Gebieten und der Massen­ent­las­sungen und -verhaf­tungen. Es ist zu befürchten, dass im Verlauf der bis 2019 geplanten Einfüh­rung der neuen Präsi­di­al­macht weitere Schritte zu einer offenen Diktatur gemacht werden ; am Tag nach dem Referendum wurde zunächst erneut der Ausnah­me­zu­stand  in der Türkei verlän­gert. Wie der Weg in die Diktatur aussehen wird, hängt nicht zuletzt von der Reaktion jener Hälfte der Bevöl­ke­rung ab, die am 16.4. mit „Nein“ stimmte – unmit­telbar nach der Verkün­dung des Ergeb­nisses haben in größeren türki­schen Städten tausende Menschen auf der Straße gegen die Wertung der Wahl protes­tiert. Ein breiter Wider­stand scheint jedoch bereits weitge­hend unmög­lich, zumal die größte Opposi­ti­ons­partei, die republi­ka­ni­sche CHP, regel­mäßig zwischen Koope­ra­tion und Wider­spruch pendelt.

Erwachende Ressen­ti­ments

Der sehr verbis­sene Wahlkampf um ein „Evet“ oder „Hayir“ hat aber zuneh­mend auch in Deutsch­land Spuren hinter­lassen, wo etwa 1,4 der 3,5 Millionen Menschen türki­scher Abstam­mung am 16.4. wahlbe­rech­tigt waren. Bespit­ze­lungen durch den türki­schen Geheim­dienst „MIT“ und Einrei­se­ver­bote in die Türkei sowie aus Ankara offen befeu­erte Denun­zia­tionen, Boykott­auf­rufe oder Gewalt­an­dro­hungen haben den Autori­ta­rismus tief in die türkisch/kurdischen Commu­nities deutscher Städte und in Beleg­schaften deutscher Betriebe getragen. Von der deutschen Mehrheits­ge­sell­schaft eher unbemerkt wurden viele „Nein“-WählerInnen in Furcht versetzt – wenn nicht um sich, dann doch um Freunde und Angehö­rige in der Türkei. Eine niedrige Wahlbe­tei­li­gung von nur 46% bei den hier lebenden Türkinnen und Türken und mehr als 60% der abgege­benen Stimmen für die Änderung der Verfas­sung in der Türkei waren eine Folge. Dieses Ergebnis wiederum hat in Deutsch­land viele Ressen­ti­ments auf den Plan gerufen, die in den letzten Jahren verblasst schienen. Oft war die Rede davon, „die Mehrheit der Türken“ in Deutsch­land habe sich für Erdogans Pläne entschieden, was angesichts der Zahl der Wahlbe­rech­tigten und der Wahlbe­tei­li­gung nicht zutrifft, aber dennoch zur Grund­lage von zum Teil absurden Forde­rungen gemacht wird.

Zehn Tage nach dem Referendum wollen wir bei unserer Veran­stal­tung im ADA darüber disku­tieren, wie es in der Türkei unter der Allein­herr­schaft eines Präsi­denten weiter­gehen kann und welche Möglich­keiten der Opposi­tion noch verbleiben. Ebenso wichtig ist uns auch eine Diskus­sion zu den Verwer­fungen in der türkisch-stämmigen Commu­nity in Deutsch­land, die noch lange nach dem Referendum fortwirken werden, und darüber, wieso dem „langen Arm Ankaras“ in Deutsch­land nicht genug entge­gen­ge­setzt wurde und wird.

Mit Ismail Küpeli haben wir einen der profi­lier­testen Publi­zisten zur türki­schen Politik zu Gast, der das Ergebnis des Referen­dums für uns einordnen soll. Ismail Küpeli ist jedoch nicht nur ein aufmerk­samer Beobachter und Bericht­erstatter zur türki­schen Politik, er hat zuletzt auch selber unlieb­same Erfah­rungen mit regie­rungs­nahen türki­schen Pressu­regroups gemacht. Anfang 2017 verkün­dete er deshalb einen viel beach­teten Rückzug aus sozialen Netzwerken. Mittler­weile berichtet Ismail auch wieder bei Twitter und Facebook über das Geschehen in der Türkei.

Donnerstag, 27.4.2017, 20:00 Uhr, Café ADA, Wiesen­straße 6, Wuppertal.
Der Eintritt ist frei, Spenden werden gerne entge­gen­ge­nommen.

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