Her yer Taksim – Her yer direniş !

Her yer Taksim – Her yer direniş ! Überall ist Taksim, überall ist Wider­stand !

Über 2.000 Menschen versam­melten sich gestern zu einer in nur wenigen Stunden verab­re­deten Soli-Demo in der Wupper­taler Innen­stadt. Die Demo zog mit lauten Parolen sehr kämpfe­risch durch die Poststraße, die Neumark­straße zum Kasino­kreisel und durch die Fußgän­ger­zone wieder zurück zum Ausgangs­punkt an den City-Arkaden. Auch diesmal waren Angehö­rige der « türki­schen Commu­nity » in der absoluten Mehrzahl – die Reaktion vieler « Deutscher » bleibt bislang eher reser­viert. Das kann und soll sich ändern : Am heutigen Montag den 17.06., findet eine weitere Demons­tra­tion eines breiten Bündnis von türki­schen, kurdi­schen und deutschen Gruppen und Personen im Tal statt. Treff­punkt um 18 Uhr ist wieder der Bereich vor den City-Arkaden in Wuppertal-Elber­feld.

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Am Abend des Samstag überschlugen sich unerwartet die Nachrichten aus Istanbul. Nachdem es zunächst nach einer Beruhi­gung der Lage zumin­dest für diesen Abend ausge­sehen hatte, stürmte die türki­sche Polizei überra­schend den besetzten Gezi-Park. Dort befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch viele Familien mit Kindern, die an das von Premier­mi­nister Erdogan ausge­spro­chene Ultimatum geglaubt hatten, nach dem der Park bis Sonntag­abend, 18 Uhr geräumt sein solle. Die die Proteste organi­sie­rende « Taksim-Platt­form » hatte sich auf Erdogans Ultimatum sogar weitge­hend einge­lassen. So sollten bis auf ein symbo­li­sches Zelt alle Unter­künfte und auch politi­sche Plakate von linken Organi­sa­tionen aus dem Park entfernt werden, bevor Erdogans AKP ihre für den frühen Sonntag­abend geplante Partei­ver­samm­lung abhalten würde. Doch dazu kam es nicht mehr.

Es folgte ein hinläng­lich dokumen­tierter brutaler Polizeiterror, der vor Unbetei­ligten, Verletzten und Hilflosen nicht Halt machte. Massen­weise wurde Tränengas verfeuert und Wasser aus Wasser­wer­fern auf flüch­tende Gruppen geschossen. Das dabei einge­setzte Wasser war zudem in derart hoher Dosie­rung mit Reizstoffen versetzt, dass sich Getrof­fene teilweise entkleiden mussten, damit ihnen nicht die Haut verätzt wurde. In der Nacht wurden Not-Lazarette in Hotels gestürmt und auch das deutsche Kranken­haus gezielt mit Tränengas einge­deckt. Überein­stim­mend berich­teten Istan­buler Kontakte darüber, dass parami­li­tä­ri­sche „Jendarma”-Truppen Erdogans Polizei bei ihrer Jagd auf Protes­tie­rende unter­stützten.

Die Menschen in der Türkei zeigten sich trotz des brutalen Einsatzes von Polizei und „Jendarma” kämpfe­risch und sehr entschlossen. Zu zehntau­senden strömten sie in den Stadt­teilen Istan­buls, Ankaras und anderen Städten hinaus aus den Häusern und versuchten in teils kilome­ter­langen Märschen, zu Fuß die Innen­städte zu errei­chen.  Dabei kam es überall zu Angriffen der Staats­macht auf die Marschie­renden, die sich so gut es ging dagegen zur Wehr setzten.

Auch in einigen Städten Deutsch­lands kam es noch am Samstag­abend und in der Nacht zu spontanen Soli-Demons­tra­tionen, so z.B. in Berlin, Dortmund oder Köln. Allein dort trugen bis zu 1.000 Menschen ihre Empörung über die Kriegs­füh­rung Erdogans gegen die eigene Bevöl­ke­rung auf die Straße. Für Wuppertal wurde gegen 23 Uhr von der Alevi­ti­schen Gemeinde zu einer spontanen Demons­tra­tion am nächsten Mittag aufge­rufen.

Der Sonntag­morgen brachte in Istanbul und Ankara eine Fortset­zung der Gewalt durch die Polizei, aber auch des Widerstands.Berichte, denen zu Folge in der ganzen Stadt Ärztinnen und Ärzte abgeholt wurden, die in der Nacht verletzten Menschen geholfen hatten, machten die Runde und von regulären Militär­ein­heiten auf dem Weg nach Istanbul war die Rede. Vor diesem Hinter­grund versam­melten sich um 14 Uhr immer mehr Menschen am mittler­weile tradi­tio­nellen Treff­punkt in Wuppertal, dem Vorplatz der ECE-«City-Arkaden », um ihren Zorn und ihre Empörung über die ungeheu­er­li­chen Vorgänge in der Türkei zu artiku­lieren. Schon zu Beginn der Demons­tra­tion waren es mehr Menschen als in den beiden Vorwo­chen bei den Demons­tra­tionen am Montag. Auf der Demo-Route wuchs die Menge stetig an.

Als die Demo zum Ausgangs­punkt an der « Alten Freiheit » zurück­kehrte, waren es schließ­lich über 2.000, die unter der Parole « Überall ist Taksim, überall ist Wider­stand ! » durch die Innen­stadt gezogen waren. Nach einer kurzen Kundge­bung wurde beschlossen, den geplanten Termin am Folgetag aufrecht­zu­er­halten und sich um 18Uhr am Montag, den 17.06. erneut in Elber­feld zu versam­meln.

Es bleibt die Hoffnung, dass es dabei zu einer größeren Solida­ri­sie­rung « nativer » deutscher Wupper­ta­le­rInnen kommen wird als bisher. Immerhin bestehen vielfäl­tige Verbin­dungen zu türkisch­stäm­migen Nachbarn und Kolle­ginnen, zu Freun­dinnen und Freunden. Das häufig zu hörende Argument, Protest auf deutschen Straßen « bringe nichts », verfängt in diesem Fall nicht richtig, da es vielmehr um den Ausdruck von Empathie und Anteil­nahme geht. Um eine deutlich artiku­lierte Solida­rität mit Mitmen­schen aus unserer Stadt, die sich auch emotional in Aufruhr befinden. Immerhin hat die mediale Aufmerk­sam­keit für das brutale Vorgehen der türki­schen Staats­macht und auch für die Proteste in den deutschen Städten deutlich zugenommen. Leider fehlen jedoch noch immer deutliche Aufrufe zur Solida­rität beispiels­weise von den deutschen Gewerk­schaften, die zu den Gescheh­nissen in der Türkei beredsam schweigen. Ein Appell, gemeinsam mit den türki­schen Kollegen und Kolle­ginnen zu den in vielen Städten geplanten Solida­ri­täts-Kundge­bungen zu gehen, würde sicher helfen, einen notwen­digen Solida­ri­sie­rungs­ef­fekt zu errei­chen.

[Update um 11:45 Uhr : Es gibt Solida­rität der Gewerk­schaften wurde uns mitge­teilt, z.B. hier]

Dass Anlass genug besteht, den fortdau­ernden Wider­stand gegen Erdogans Politik zu unter­stützen, bewies der weitere Verlauf des Sonntags in der Türkei. Während der Versuch von vielen tausend Menschen, den Taksim-Platz zu errei­chen, erneut brutal unter­bunden wurde, insze­nierte sich der Premier­mi­nister in einer durch­ge­knallten und an den legen­dären iraki­schen « Comical-Ali » erinnernden Insze­nie­rung vor heran­ge­karrten AKP-Anhän­gern als Sieger einer Ausein­an­der­set­zung, die bislang eigent­lich nur Verlierer kennt. Er wusste von « Massen­de­mons­tra­tionen für seine Politik im Ausland » zu berichten und  kündigte an, « alle zu verhaften », die gegen ihn sind. Eine Drohung, die seine Polizei während­dessen wahr machte. Es kam zu Massen­ver­haf­tungen in vielen türki­schen Städten. Im Anschluss an die bizarre Kundge­bung schickte seine Partei, die AKP, dann bewaff­nete Schlä­germobs los, die gemeinsam mit der Polizei in den Straßen Istan­buls Jagd auf Anders­den­kende machten.

Der Wider­stand der Bevöl­ke­rung hielt in der ganzen Nacht zum Montag an. Für diesen haben inzwi­schen mehrere große türki­sche Gewerk­schaften zum General­streik aufge­rufen.

Die Soli-Demo in Wuppertal am 17.06. beginnt um 18Uhr vor den « City-Arkaden »

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