Die Mieter*innen der Ekkehardstraße erzielen einen Erfolg und treffen sich jetzt jeden vierten Donnerstag mit Nachbar*innen am Ölberg.
Anfang des Jahres waren zwei Mietshäuser auf dem Elberfelder Ölberg in Wuppertal nach zwei Jahrzehnten baulicher Agonie und nur notdürftigster Instandhaltung verkauft worden. Es ist anzunehmen, dass die zwei ca. 700qm großen Nachkriegsbauten von den vorherigen Besitzer*innen, einer Erb*innen-Gemeinschaft, für einen günstigen Preis weitergereicht wurden. Der Käufer war Daniel von Baum. Er entstammt einer Wuppertaler Unternehmerfamilie, die viel auf ihr bürgerliches, « dem Gemeinwohl » verpflichtetes Engagement gibt.
Über seine Pläne mit den Wohnungen ließ von Baum die im Haus verbliebenen Mieter*innen – die Vorbesitzer hatten zuvor leergezogene Wohnungen teils jahrelang unvermietet gelassen – trotz Nachfragen zunächst im Unklaren. Die Mieter*innen schätzten ihre eher schlicht ausgestatteten Wohnungen in der Ekkehardstraße : Immerhin ermöglichte ihnen die vergleichsweise günstige Miete ein Wohnen in Innenstadtnähe und auf dem begehrten Ölberg. Sie machten sich deshalb wegen der unklaren Investorenpläne Sorgen.
Dass sie berechtigt waren, stellte sich schnell heraus. Ein eher fragwürdiges Ankündigungsschreiben kündigte pauschal eine umfassende energetische Sanierung an, deren Kosten größtenteils als « Modernisierungsmaßnahme » auf die Mieter*innen abgewälzt werden sollten. Für einzelne Wohnungen des Hauses errechnete sich daraus eine beabsichtigte Mietsteigerung um mehr als achtzig Prozent – es ergaben sich Mieten vom obersten Rand des Wuppertaler Mietpreisspiegels.
Schnell war klar : von den bisherigen Mieter*innen würden die Mieten nicht aufzubringen sein. Ebenso schnell fanden die meisten von ihnen zusammen, um gemeinsam gegen von Baums Pläne vorzugehen. Von Nachbar*innen am Ölberg wurden sie dabei bestärkt, und eine Beurteilung der Investorenpläne durch Knut Unger vom Wittener Mieter*innenverein ermutigte sie weiter – auch als bekannt wurde, dass im Nebenhaus ein älterer, seit vielen Jahren dort lebender Mann bereits ausgezogen war.
Laut Knut Unger waren die beabsichtigten Maßnahmen der Sanierung viel zu unpräzise und unkonkret. Dadurch wurde verschleiert, dass mehrere der im Anschreiben aufgeführten Arbeiten notwendige Reparaturen jahrelang entstandener Schäden waren und keine Modernisierung darstellten. Das ist ein gewichtiger Unterschied : Im Gegensatz zu einer « energetischen » Sanierung sind Kosten einer Instandhaltungsmaßnahme nicht auf die Bewohner*innen eines Hauses übertragbar. Notwendige Reparaturen sind Vermieter*innen-Pflicht, auf die Mieter*innen ein Anrecht haben. Erfolgen sie nicht, können sie sogar die Mietzahlung kürzen.
Laut Knut Unger entsprach der Fall am Ölberg damit einem viel zu oft vorkommenden Normalfall des Umgangs mit Immobilieneigentum. Vielfach werden notwendige Raparaturen am Haus und in den Wohnungen nicht durchgeführt, beispielsweise, weil ein Mietshaus als Teil einer Erbmasse im Besitz einer Eigentümer*innen-Gemeinschaften ist, die sich nicht auf Investitionen einigen kann. Verliert ein Bau dann immer mehr an Substanz, wird er irgendwann an einen Investor verscherbelt.
Dieser kauft dann ein Haus mit einem großen Investitionsstau. Den zu beheben, wäre nun seine Pflicht. Gelingt es aber, Maßnahmen der Instandhaltung als (energetische) Modernisierung zu deklarieren, zahlen die Mieter*innen anstelle der neuen Besitzer*innen. Sie zahlen dann doppelt – haben sie doch über die Jahre einen Teil der gezahlten Miete auch für die Erhaltungskosten des Hauses an die Vermieter gezahlt. Durch die Hintertür kommt es durch die finanzielle Belastung der Mieter*innen mit den Instandhaltungskosten zu einer Art kalter Verdrängung.
Die Hausgemeinschaft der Ekkehardstraße machte ihre Situation mit einem ersten Mieter*innen-Treffen auf dem Ölberg öffentlich und widersprach den Plänen des neuen Vermieters. Zudem verständigte sie sich auf eigene Forderungen. Von Baum sollte damit aufgefordert werden, zunächst einmal die notwendigen Reparaturen am Haus und in den Wohnungen durchzuführen. Dies sei Voraussetzung, die zusätzlich zu den Sanierungsplänen angekündigte « reguläre » Mietsteigerung auf Mietspiegelniveau zu akzeptieren. Erst dann und in individueller Absprache mit den einzelnen Mieter*innen, sollte nach deren Zustimmung über weitergehende Arbeiten entschieden werden.
Mit der für Montag, den 18.August, von den Mieter*innen der Ekkehardstraße einberufenen Pressekonferenz, sollte im nächsten Schritt eine breitere Öffentlichkeit angesprochen werden. Neben vielen Nachbar*innen und der lokalen Presse erschienen überraschend auch Daniel von Baum und sein Rechtsanwalt. Anfangs deutete nichts daraufhin, dass er von seiner Linie abweichen würde. Er verteidigte sich und seine Pläne. Dabei wurde offenkundig, dass die geplante Luxussanierung auf dem Ölberg ziemlich hemdsärmelig und wenig durchdacht angegangen worden war. Offenbar war darauf vertraut worden, dass die Umwandlung billiger Wohnungen in teuren Wohnraum geräuschlos über die Bühne gebracht werden würde.
Es zeigte sich, dass das am Ölberg nicht funktionieren konnte. Die Lokalpresse interessierte sich für die Angelegenheit, die erschienenen Nachbar*innen zeigten eine gewisse Entschlossenheit und mit Knut Unger vom Mieter*innenverein Witten war außerdem ein sachkundiger Kritiker von Vermieter*innenstrategien und Verdrängungsprozessen anwesend. Der Plan des Investors, den Mieter*innen durch seine Anwesenheit beim Pressegespräch den Wind aus den Segeln zu nehmen, ging schief.
Als eine der Mieterinnen befand, auch jemand der ohne finanzielle Sorgen aufgewachsen sei, müsse sich doch vorstellen können, was eine Verdoppelung der Miete für Hartz IV-Bezieher*innen bedeute, und als die Umstehenden zunehmend unzufrieden auf seine Darstellung des Vorgangs reagierten, geriet von Baum in die Defensive. Als in der Stadt verankerter Akteur ist ihm sein Bild in der Öffentlichkeit offensichtlich wichtig. So widersprach er der Annahme, er sei ein « rein profitorientierter Kapitalist » und verwies auf das umfangreiche wohltätige Engagement seiner Familie.
Mit der plötzlichen Mitteilung von Baums, auf seine Pläne zu verzichten, hatten die Anwesenden dennoch nicht gerechnet. Er sicherte sogar zu, die genannten Mängel an Bausubstanz und Wohnungen ohne weitere Mietsteigerungen durchzuführen, und erst im Anschluss daran mit jeder Mietpartei einzeln über Weitergehendes zu verhandeln. Selbst die mitschreibenden Journalisten waren wegen des miterlebten Umschwungs überrascht. Für den Moment war es ein umfassender Erfolg der aktiv gewordenen Mieter*innen.
Dieser Erfolg darf jedoch nicht darüber wegtäuschen, dass es sich bei der Entspannung in der Ekkehardstraße um einen Einzelfall handelt – auch durch die Tatsache begünstigt, dass der Investor in diesem Fall wenig anonym und auf sein image in der Stadt bedacht war. Eine investierende Kapitalgesellschaft würde mit dem Vorwurf einer reine Profitmaximierung anders umgehen. Und auch wenn die Art des Vorgehens in diesem Fall gerichtlich eventuell nicht bestätigt worden wäre, heißt das nicht, dass Entmieten und Verdrängen nicht oft genug genauso ablaufen, wie es in der Ekkehardstraße versucht wurde.
Die Änderungen des Mietrechts, die vor allem Einspruchsmöglichkeiten von Mieter*innen eingeschränkt haben, und die Konstruktion der so genannten « energetischen Sanierungen » begünstigen das Beheben von Investitionsstaus auf Kosten der Mieter*innen. Anderswo sind davon schon viele betroffen. Mit der Intervention in der Ekkehardstraße wurde nur ein erster, ziemlich krasser Fall von Modernisierungsverdrängung in Wuppertal vorläufig verhindert und die Hemdsärmeligkeit, mit der sie am Ölberg versucht wurde, zeigt, wie wenig eine immer wieder von Besitzerseite betonte Verantwortung der Eigentümer*innen gegenüber dreist versuchter Profitmaximierung zählt.
Umso wichtiger ist es, dass jene Gruppen, die Mieter*innenrechte verteidigen sollen, politisch und gesellschaftlich engagiert auftreten und sich Fällen wie dem geschilderten annehmen. Gerade in einer Stadt wie Wuppertal dürfen sich Mieterschutzvereine nicht auf eine individuelle Rechtsberatung beschränken. Mieter*innen, die sich organisieren und beginnen, sich zu wehren, benötigen Unterstützung – bei rechtlichen Einschätzungen, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit. Mehr noch benötigen sie allerdings die breite Solidarität von Nachbar*innen – das hat sich am Ölberg gezeigt.
Um solche Solidarität zukünftig noch besser organisieren zu können, haben die Mieter*innen und Unterstützer*innen der Ekkehardstraße beschlossen, trotz des scheinbaren Erfolgs mit dem Engagement jetzt nicht aufzuhören – auch weil ihnen im Vorfeld mehrere andere Fälle von krassen Mietsteigerungen auf dem Ölberg bekannt geworden sind. Deshalb wurde die Beibehaltung des Ölberg-Mieter*innen-Treffens angekündigt. Wer möchte, kann bei den Treffen vorbeischauen. Die Initiative trifft sich an jedem vierten Donnerstag eines Monats um 19:00 Uhr im Stil-Bruch am Otto-Böhne Platz. Das erste offene Treffen findet bereits am 28.August statt.
Hier sind zwei Berichte dazu aus der Lokalpresse :
Westdeutsche Zeitung, General Anzeiger
Wuppertaler Rundschau