Die Mobilisierung für die Demonstrationen in der Nachbarstadt Solingen zum zwanzigsten Jahrestag des Brandanschlages in der Unteren Wernerstraße geht langsam in die heiße Phase. Bei einer Vielzahl von Veranstaltungen in der Region wird nochmal über die damaligen Ereignisse, den fünffachen Mord und die Verbindungen der Täter zum NRW-Verfassungsschutz, die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und über die Bezüge zu aktuellen Geschehnissen informiert. Letzten Mittwoch fand eine der Info-Veranstaltungen im Wuppertaler AZ statt. Dabei wurden frappierende Parallelen des damaligen Anschlages zur staatlichen Verstrickung in die Morde des « NSU » deutlich. Eine zweite Wuppertaler Veranstaltung ist für Donnerstag, den 23.05. im Kunstraum OLGA geplant.
Ausgehend von dem, was letzten Mittwoch von den Gästen aus Solingen und von den Wuppertaler Antifas, die 1993 den Fall « Untere Wernerstraße » ausführlich recherchiert haben, zu hören war, kann der Brandanschlag auf das Wohnhaus der Familie Genc nur als direkter Vorläufer der teilweise bizarren Geschehnisse um die staatliche Vertuschung der zehn Morde des « Nationalsozialistischen Untergrunds » aufgefasst werden. Ist es im aktuellen Fall vor allem das thüringische Landesamt für Verfassungsschutz, das für die haarsträubendsten der so genannten « Pannen » gesorgt hat, war es damals das nordrhein-westfälische Amt im SPD-regierten größten Bundesland. Erscheint heute der « Thüringer Heimatsschutz » als mithilfe von Nazis installierter staatlicher « Honeypot », der tatsächlich aber zur wichtigen Nazistruktur wurde, war es damals die Kampfsportschule « Hak Pao » in Solingen, mit der unter der Leitung des für den Verfassungsschutz arbeitenden Bernd Schmitt hochrangige Nazikader in einer « offenen Struktur » « eingefangen » und « beobachtet » werden sollten. Auch damals wurde jedoch der Brandanschlag am « Bärenloch », bei dem fünf junge Frauen und Mädchen getötet wurden, nicht verhindert.
Gespenstische Details zur Bedeutung der « Hak Pao»-Strukturen wurden bei der Veranstaltung im Wuppertaler AZ mitgeteilt : Beispielsweise, dass von dort, wenige Tage nach dem Brandanschlag, kistenweise Akten entfernt werden konnten – ohne, dass die Polizei eingegriffen hätte. Um bis zu 50.000 Blatt Papier soll es sich dabei gehandelt haben, darunter offenbar Skizzen und Zeichnungen von ausgespähten « Zielobjekten » nazistischer Anschläge in Wuppertal oder Bonn. Oder die damals recherchierten Verbindungen zu bekannten, hochrangigen Nazis, die weit über Solingen hinausreichten. Bei « Hak Pao » verkehrten u.a. Bernd Koch, Wolfgang Schlösser, oder der Altnazi Remer und auch der Aktivist der später verbotenen « Nationalistischen Front » (NF) Meinolf Schönborn. Nur drei Monate vor dem Anschlag veranstaltete die « Nationalistischen Front » in der Kampfsportschule noch einen « Schulungsabend ». Laut Bericht des Landesinnenministeriums bestand der von Bernd Schmitt gegründete DHKKV (Deutscher Hochleistungs-Kampfkunstverband), dem 180 « Hak Pao»-Mitglieder angehörten, zu 30% aus Rechtsextremisten. Auch, dass recherchierenden Personen aus der Antifa seinerzeit durch den Staatschutz offen damit gedroht wurde, sie « aus dem Verkehr zu ziehen » zeigt, dass die Angelegenheit weit mehr gewesen ist, als eine « aus Partyfrust » begangene Wahnsinnstat Einzelner. Bis heute bestehen über Täterschaft und Tatverlauf teils auch begründete Zweifel.
Das schnelle Präsentieren der vier jungen Solinger als Täter, die allesamt bei « Hak Pao » trainierten, lässt sich von heute aus nur verstehen, wenn die allgemeine Stimmung und die aufgestaute Wut vergegenwärtigt wird, die sich 1993 in Solingen über mehrere Tage entlud. Die damals berichtenden Medien wussten von bürgerkriegsähnlichen Szenarien zu berichten und schürten nach Kräften die Angst vor ethnischen Auseinandersetzungen. Ängste, die in der Realität unbegründet waren – den gegen ein Honorar von 100 Mark teilweise kamerawirksam verbrannten deutschen Fahnen zum Trotz. Im Gegenteil, in Solingen und auch in Wuppertal entstand eine große spontane Solidarität in der Bevölkerung, die aus den Ereignissen nach dem Brandanschlag für viele Menschen eine starke antifaschistische Erfahrung gemacht hat. Auch davon wurde bei der gut besuchten Veranstaltung im Autonomen Zentrum berichtet. Die Erinnerung an jene Wochen der Solidarität soll am 25.05. in Solingen neben der Erinnerung an den feigen Anschlag mit bundesweiter Beteiligung wachgehalten werden.
Am 29.05. findet darüberhinaus in Solingen eine Gedenkveranstaltung mit anschließender Demonstration zum damaligen Tatort statt.
In Wuppertal gibt es im Vorfeld der Demonstrationen noch eine weitere Veranstaltung, bei der am Rande letzte Informationen zur Demo gegeben werden : Am 23.05. präsentiert die « Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen » im Kunstraum OLGA in einer Uraufführung den neuen, abendfüllenden Dokumentarfilm « Akaba » der in Wuppertal lebenden Regisseurin Mehrandokht Feizi. Dabei wird auch an die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl am 26.05.1993 (also drei Tage vor dem Brandanschlag) erinnert werden.
Weitere Info- und Mobilisierungveranstaltungen in der Region :
Montag, 13.05. - Linkes Zentrum Düsseldorf
Dienstag, 14.05. - Kulturausbesserungswerk Leverkusen
Mittwoch, 15.05. - Schellack Siegen
Donnerstag, 16.05. - VHS-Forum Köln
Dienstag, 21.05. - Kult 41 Bonn
Freitag, 24.05. - VHS Solingen