Auch dieses Jahr wurde mit zwei Demos und dem Schusterplatzfest der Autonome 1.Mai in Wuppertal begangen. Die unangemeldete Demo des Autonomen Zentrums am Freitagnachmittag fand bereits zum 29. Mal statt.
Der Autonome 1.Mai in Wuppertal stand unter dem Eindruck des Mordversuchs an einem Freund vor drei Wochen am Autonomen Zentrum. Sowohl die zum fünften Mal vom so_ko_wpt verantwortete Vorabenddemo, als auch die AZ-Demo am nächsten Nachmittag waren dem nach wie vor schwer verletzt im Krankenhaus liegenden Freund gewidmet, der in der Nacht vom 10. auf den 11.4. durch einen „Hogesa”-Nazi mit Messerstichen in den Rücken lebensgefährlich verletzt wurde.
An beiden Demonstrationen nahmen jeweils etwa 350 Menschen teil. Angesichts der Kürze der eher improvisierten Mobilisierungen eine zwar nachvollziehbare, letztlich jedoch eher enttäuschende Zahl Teilnehmender. Einige solidarische Wuppertaler*innen mehr auf der Straße wären als starker Ausdruck gegen die brutale Nazigewalt wünschenswert gewesen. So verstärkte sich der Eindruck, dass es für weite Teile der so genannten „Zivilgesellschaft” verschiedene Opferkategorien gibt, mit denen mensch sich mal mehr, mal weniger empathisch zeigt. Auch die diffamierende und das Autonome Zentrum stigmatisierende Pressemitteilung der Wuppertaler Polizei nach dem Mordanschlag hat ihre Wirkung in der Öffentlichkeit offensichtlich nicht verfehlt.
Sichtbar wurde dies auch am Rande der DGB-Kundgebung zum 1.Mai, bei der, laut einem Bericht, einigen jungen AZ-Sympathisant*innen nicht gestattet wurde, von der Bühne eine Botschaft an die Teilnehmenden der Kundgebung zu richten. Dass die lebensbedrohliche Attacke an einem Antifaschisten nicht einmal kurzzeitig zur Auflösung von eingeschliffenen Feindbildern und Abgrenzungen führt, muss enttäuschen. Der Aufbau eines antifaschistischen Selbstschutzes, der eine offenbare Entsolidarisierung der Zivilgesellschaft berücksichtigt, erscheint vor diesem Hintergrund noch dringlicher.
Umso erfreulicher, dass die beiden Demos – obwohl weitgehend auf sich gestellt – kraftvolle und kämpferische antifaschistische Statements waren, die zumindest im Viertel von solidarischen Anwohner*innen beklatscht wurden. Denn sowohl der Demozug am Abend über den Ölberg mit einer Zwischenkundgebung auf dem Otto-Böhne Platz, als auch die teils „semi-selbstbestimmt” laufende unangemeldete Autonome 1.Mai-Demo des AZ sollten auch Ausdruck von Solidarität mit Anwohner*innen sein. Es freut uns, dass das - dank eines lautstarken Blocks vor dem LKW - auch bei der Vorabend-Nachttanzdemo über weite Strecken funktionierte.
Dass es beim Weg über den Ölberg aufgrund der bereits sehr späten Uhrzeit - die Zwischenkundgebung fand erst gegen 23 Uhr statt - keine noch intensivere Ansprache an die durch den versuchten Mord ebenfalls bestürzten Nachbar*innen gab, war bedauerlich. Zu lange Umbauten nach einem fantastischen Auftritt der „Happy Horsemen” zum Auftakt im Deweerth’schen Garten hatten zu Verzögerungen bereits vor dem Start der Demo gesorgt. Das heftige Theremin-Trommel-Getöse der Happy Horsemen war es andererseits wert. Für ihren solidarischen Gig gebührt ihnen jedenfalls ein Platz im Antifa-Olymp – ebenso wie den beiden Blockschock-DJs, die nicht gezögert hatten, der Vorabenddemo kurzfristig zu helfen.
Die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich die Dinge im Tal entwickeln. Für den Moment steht für uns die Gesundheit des verletzten Freundes noch immer im Mittelpunkt. Der Austausch mit der Nachbarschaft geht ansonsten auch in dieser Woche weiter : Das AZ Wuppertal lädt interessierte Nachbar*innen für Sonntag, den 10.5. um 15 Uhr zu einem Treffen ein. Als Ort hat sich dankenswerteweise das ADA in der Wiesenstraße zur Verfügung gestellt.