Samstag, high noon in Vohwinkel

Am morgigen Samstag will das strunz­däm­liche Wupper­taler Nazipack wieder einmal auf sich aufmerksam machen : Für die Zeit von 13-18 Uhr haben sie eine Kundge­bung in der Vohwinkler Edith-Stein Straße angemeldet. Neben einigen anderen Initia­tiven ruft auch w2wtal (welcome2wuppertal) dagegen auf.

Wir dokumen­tieren hier den Artikel von ihrer Seite :

Nazikund­ge­bung in Vohwinkel am 7.Februar verhin­dern !
Treff­punkt : Samstag, 12 Uhr in der Edith-Stein Straße.

Neo-Nazis und Neo-Rechte erleben bei ihren Versu­chen, den rassis­ti­schen « Pegida»-Müll aus Dresden auch in der Region auf die Straße zu tragen, seit Wochen derbe Nieder­lagen. Ihr Vorhaben, eine breite rassis­ti­sche Stimmung gegen Geflüch­tete zu erzeugen, ist in Düssel­dorf, Köln, Bonn oder Duisburg regel­mäßig geschei­tert. So gesehen, verhielten sich die Wupper­taler Nazis fast schon schlau, indem sie in Wuppertal bislang auf ähnliche Vorhaben verzich­teten. Aber eben nur fast.

Am Dienstag, den 3.Februar versuchten sie es dann doch. Nachdem die lokale Tages­zei­tung « WZ » – wohl in der Hoffnung auf rabiate Schlag­zeilen – ohne Not die Sanie­rung eines Hauses durch die Stadt in der Vohwinkler Edith-Stein-Straße proble­ma­ti­sierte, weil dort ein Übergangs­heim für neu in der Stadt ankom­mende Flücht­linge entstehen soll, rief « die Rechte » zur Störung einer von der Stadt organi­sierten Bürger­ver­samm­lung auf. Bei der Versamm­lung sollte darüber gespro­chen werden, wie die Vohwinkler*innen ihre neuen Nachbar*innen unter­stützen können. Fast 200 Menschen erschienen zu der Versamm­lung, die Stimmung war überwie­gend positiv, viele fragten nach Möglich­keiten, den Flücht­lingen zu helfen.

Es kamen ganze vier Nazis. Ihr Erscheinen erzeugte in der Versamm­lung jedoch eher das Gegen­teil des von ihnen beabsich­tigten – nachdem sie vor der Tür auftauchten, bestand beim Publikum endgültig keine Bereit­schaft mehr, « besorgte » oder gar rassis­ti­sche Äußerungen hinzu­nehmen. Der Versuch endete für die Nazis also ernüch­ternd. Aber ihre Lernfä­hig­keit tendiert bekannt­lich gegen Null. Und so überrascht es nicht, dass sie für diesen Samstag eine Kundge­bung in der Vohwinkler Edith-Stein Straße angemeldet haben.

Das schwach­sin­nige Motto der geplanten Kundge­bung lautet : « Nein zum Heim ! ». Dagegen regt sich breiter Wider­stand : Es sind mehrere Gegen­kund­ge­bungen angemeldet (ein Aufruf findet sich unten). Auch w2wtal ruft dazu auf, den Nazis am Samstag Mittag keinen Spiel­raum für ihre Hetze zu geben. Treff­punkt für Gegen­ak­ti­vi­täten ist um 12 Uhr in der Edith-Stein Straße in Wuppertal-Vohwinkel – die Kundge­bung der Nazis ist direkt vor der Kirche angemeldet (Edith-Stein Straße, Ecke Gustav­straße).

Vieles wird durch­ein­ander geworfen, vielen Menschen fehlen Infor­ma­tionen zur Situa­tion in Wuppertal. Deshalb ein paar Hinter­gund­infos zum geplanten Übergangs-Flücht­lings­heim in Vohwinkel : Im Jahr 2014 kamen rund 1.200 neue Wuppertaler*innen in der Stadt an (das ist nur die offizi­elle Zählung, Illega­li­sierte sind natür­lich nicht erfasst.) Für 2015 rechnet die Stadt mit 1.800 Menschen, die neu ankommen. Anders als in den meisten Städten der Region gibt es im Tal aber kein « echtes » Flücht­lings­heim oder -lager. Seit langer Zeit prakti­ziert die Stadt das, was überall gefor­dert wird : Geflüch­tete erhalten wenn möglich nach kurzer Zeit eigene Wohnungen. Die Aufent­halts­dauer in den Übergangs­heimen überschreitet selten drei Monate.

Für die Heime selber gibt es städti­sche Richt­li­nien zur Unter­brin­gung, so sollen nicht mehr als 40-50 Menschen gleich­zeitig unter­ge­bracht werden, je vier Bewohner*innen gibt es eigene sanitäre Anlagen und Küchen. Es gibt keine « Schlaf­säle », die Wohnein­heiten bieten also eine gewisse Privat­sphäre. Die Stand­orte der Übergangs­heime sind im Übrigen meistens relativ unbekannt – es kam sogar schon zu einer « Pro NRW»-Kundgebung vor einer falschen Adresse. Wenn die « WZ » nicht berichtet hätte, wäre auch das neue Heim in der Edith-Stein Straße wohl fast unbemerkt umgebaut worden.

Das alles heißt natür­lich nicht, dass für Geflüch­tete in Wuppertal alles ganz dolle super ist. Im abgeschot­teten Europa mit einer rassis­ti­schen Migra­tions- und Abschie­be­po­litik und angesichts auch hier existie­rendem Alltags­ras­sismus kann das gar nicht sein. Dennoch erscheint die Hetze der Wupper­taler Nazis vor diesem Hinter­grund ganz beson­ders dämlich und aussichtslos.

Lasst uns also auch ihren neuen Versuch zum Desaster machen !

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Massaker im Wuppertaler Burgholz

Während im Burgholz mögliche weitere Massen­gräber entdeckt wurden, führt eine neue Broschüre zu « verges­senen Orten » entlang der Nordbahn­trasse.

Ende 1944 zeigten sich auch im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Wuppertal erste Auflö­sungs­er­schei­nungen. Eine der Folgen : Zwangsarbeiter*innen entkamen aus ihren zerstörten Sklaven­la­gern und tauchten in den Trümmern der Stadt unter. Im Osten der Stadt fand sich so beispiels­weise eine Gruppe sowje­ti­scher Zwangs­ar­beiter zusammen, die sich auch bewaff­nete. Zur Siche­rung des eigenen Überle­bens verübten sie Überfälle und requi­rierten Lebens­mittel. Bei einem Überfall auf Güter­wa­gons in der Nacht vom 21. auf den 22.Januar 1945 kam es zu einem Schuss­wechsel am Bahnhof Wichling­hausen. Ein sowje­ti­scher Zwangs­ar­beiter und ein Beamter der « Reichs­bahn­fahn­dung » starben. In der Folge kam es im Ortsteil Hecking­hausen zu einer Razzia, bei der weitere Menschen ums Leben kamen.

In der Haft wurden die inhaf­tierten Zwangs­ar­beiter schwer gefol­tert, Kripo und Gestapo nahmen weitere russi­sche Zwangsarbeiter*innen fest. Insge­samt 80 Menschen wurde vorge­worfen « sich von der Arbeit entfernt [zu haben], um vom Stehlen zu leben ». Dreissig von ihnen wurden schließ­lich Ende Februar 1945 von der Wupper­taler Kripo zum Schieß­stand ins Burgholz gefahren und dort erschossen. Der Vorgang ist als das « Massaker vom Burgholz » Teil der oft unerzählten Lokal­ge­schichte.

burgholz

Der Schieß­stand der Wupper­taler Polizei im Burgholz

Nachlesen lässt sich diese Geschichte in einer neu erschienen Broschüre des « AK Verges­sene Orte », die zur Eröff­nung der Nordbahn­trasse erschienen ist und den Feier­lich­keiten zur (Teil-) Fertig­stel­lung des « Jahrhun­dert­bau­werks » einen notwen­digen histo­ri­schen Blick hinzu­fügt. Denn die alte, Anfang der 1990er Jahre still­ge­legte Bahnlinie auf Wupper­tals Nordhöhen weist bedeu­tende Orte der Erinne­rung an die Zeit des Natio­nal­so­zia­lismus in Wuppertal auf.

Die in der Broschüre vorge­stellte Tour von Westen nach Osten (vom Bahnhof in Vohwinkel bis zum Schee-Tunnel an der Stadt­grenze zu Nächs­te­breck) führt Spaziergänger*innen und Radfah­rende am ehema­ligen Durch­gangs­lager Giebel vorbei, in dem tausende Zwangsarbeiter*innen gequält und wie auf einem Sklaven­markt an Wupper­taler Unter­nehmer und Bauern verteilt wurden, erzählt von den Depor­ta­tionen aus Wupper­taler Alters­heimen gegen Kriegs­ende, weist auf eine unfass­bare Kinder­sterb­lich­keit im Kinder­lager der noch heute existie­renden Firma « Kolb & Co » hin, und schil­dert die Verfol­gung der Sinti und Roma aus Wuppertal – ohne zu verschweigen, dass speziell dieses Kapitel der NS-Verbre­chen noch lange nicht komplett erforscht ist. Die Tour endet am « Schee-Tunnel », in dem eine unter­ir­di­sche Produk­ti­ons­stätte für die Me 262 unter­ge­bracht war, in der unzäh­lige Zwangs­ar­beiter schuften mussten.

Doch das Heft zeigt auch auf Orte und Quartiere des Wider­stands entlang der Bahntrasse : Den Ölberg und den Osters­baum, aber auch den Kling­holz­berg in Barmen. Die ehema­lige « Notsied­lung » östlich der Schwarz­bach – deren Geschichte des Elends und der Ausgren­zung bis in die 1970er Jahre reicht und die tradi­tio­nell Wohnquar­tier von Roma und Sinti war – ist heute aus der Geschichts­schrei­bung der Stadt fast vollständig getilgt. Es gibt wenige Orte der Stadt, bei denen eine « Google»-Suche zu so wenigen Ergeb­nissen führt. Gäbe es nicht engagierte ehema­lige Bewohner, die einen Teil ihrer privaten Geschichte zugäng­lich machen, ließe sich die Geschichte des Kling­holz­berg kaum noch erzählen.

Der etwas andere Trassen­führer ist Beginn eines Projektes, das durch histo­ri­sche Beschil­de­rungen und Instal­la­tionen entlang der Route bedeut­same « verges­sene » Orte markieren will. Welche Lücken das Wissen zur Geschichte Wupper­tals in der NS-Zeit 70 Jahre nach Kriegs­ende noch immer aufweist, legt eine andere Recherche des Geschichts­ver­eins offen, die passender als zur Heraus­gabe der Broschüre nicht hätte publik werden können : Bei einer Begehung des Schieß­stands der Polizei im Burgholz, bei der das ehema­lige Massen­grab der dort exeku­tierten russi­schen Zwangsarbeiter*innen besucht werden sollte, wurde eine Anzahl weiterer Gruben der gleichen Art entdeckt, wie jener, in der die Opfer der Tat vom Februar 1945 begraben waren.

Es stellt sich die Frage, ob im Burgholz noch deutlich mehr Opfer als jene dreissig des bekannt­ge­wor­denen Massa­kers verscharrt worden sind. Der Verdacht wird dabei nicht zuletzt durch das mauernde Verhalten des im ehema­ligen Gestapo-Haupt­quar­tier ansäs­sigen Wupper­taler Polizei­prä­si­diums verstärkt, das sich auf Nachfragen außer­stande sah, alte Perso­nal­akten auszu­hän­digen. Dass die angefragten Akten entgegen der Beteue­rungen – zumin­dest teilweise – noch existieren, kam eher zufällig ans Licht, als für eine TV-Dokumen­ta­tion die allzu rührende Geschichte eines « zivil-coura­gierten » Beamten erzählt werden sollte.

Der Geschichts­verein hat wegen der entdeckten Gruben im Burgholz inzwi­schen eine mit Quellen fundierte Auffor­de­rung an den Leiter der Zentral­stelle für die Bearbei­tung von natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Massen­ver­bre­chen in NRW gerichtet, sich mit den gefun­denen Gruben zu befassen. In diesem Brief finden sich neben der Geschichte von der « zufällig » aufge­tauchten Perso­nal­akte auch Origi­nal­zi­tate von an den Erschies­sungen Betei­ligten. Sie legen nahe, dass es im Wald auf Wupper­tals Südhöhen weitere Massaker gegeben hat.

Die Broschüre « Verges­sene Orte » als pdf-Download (4,3 MB)
Die Auffor­de­rung zur Einlei­tung eines Ermitt­lungs­ver­fah­rens im Wortlaut (pdf)

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