#14n - Einiges Europa : Knüppel für die Bevölkerung

Der erste Versuch, europä­isch mit einem länder­über­grei­fenden General­streik gegen die brutale Kürzungs­po­litik der sogenannten „EU-Troika” vorzu­gehen, hinter­ließ am letzten Mittwoch, dem 14.November, gemischte Gefühle. Einer großen Betei­li­gung am Streik in Portugal und in weiten Teilen Spaniens und gigan­ti­schen Massen­de­mons­tra­tionen in fast allen spani­schen und portu­gie­si­schen Städten standen sehr spärliche Betei­li­gungen in anderen Ländern gegen­über. Ledig­lich in Italien kam es, ähnlich wie auf der iberi­schen Halbinsel, zu Großdemos in Mailand, Neapel oder Rom. Weder in Griechen­land oder Frank­reich, weder in Belgien oder Polen gingen nach überein­stim­menden Berichten jeweils mehr als ein paar tausend Menschen auf die Straßen. Dass es in Deutsch­land bei den zwei größten Soli-Kundge­bungen in Berlin und Köln gerade mal für ein paar hundert Menschen reichte, war dagegen wenig verwun­der­lich. Auf Solida­rität durch die deutsche Bevöl­ke­rung werden die Menschen in Spanien oder Portugal lange warten müssen – ein Eindruck, der sich auch bei der als Gesprächs­forum angelegten, ganztä­gigen Soli-Aktion in Wuppertal wieder­holt aufdrängte. (Der Bericht zu #14n in Wuppertal folgt noch)

Dennoch ist das teilweise Schei­tern des „Europäi­schen General­streiks” kein Grund, den 14.November insge­samt als geschei­tert anzusehen. Gerade in Griechen­land lagen erst eine Woche zuvor zwei Tage kräfte­zeh­render General­streik hinter den Menschen, und in Spanien hatte die nicht überall erfolgte Mobili­sie­rung vor allem auch hausge­machte Gründe, die sich die großen, sozial­part­ner­schaft­lich orien­tierten Gewerk­schaften zuschreiben lassen müssen. Einige der Hinter­gründe dieser hausge­machten Ursachen lassen sich in einem Artikel von Ralf Streck bei Telepolis nachlesen. („Grenzen europäi­scher Streik-Bewegungen”) Auch von der FAU-IAA ist ein lesens­werter Beitrag dazu erschienen. („Millionen im Streik, Millionen auf der Straße”)

Trotz dieser Schwie­rig­keiten, trans­na­tio­nale Streiks und Solida­rität zu organi­sieren, zeigen die Massen­pro­teste der letzten Monate offenbar auch konkrete Wirkung. Nachdem bereits Korrek­turen am Kürzungs­pro­gramm in Portugal vorge­nommen worden waren, nachdem dort vor wenigen Wochen erstmals eine Million Menschen protes­tierten, gibt es nun auch für Spanien Signale, dass wenigs­tens die schlimmsten Einschnitte in die Existenz­be­din­gungen der Menschen abgewendet werden könnten. In einem am Tag des General­streiks veröf­fent­lichten Memorandum der EU-Kommis­sion ist die Rede davon, unbegrenzt spani­sche Staats­an­leihen anzukaufen – ohne weitere Auflagen. Das wäre eine Rückkehr der EU zur Schul­den­po­litik der letzten Jahrzehnte, etwas, dass vor Kurzem nur „über die Leiche Angela Merkels” erreichbar schien. „Spanien hat genug gespart”, heißt es in dem Memorandum, dass seltsa­mer­weise nur in einem Artikel der „Deutschen Wirtschafts Nachrichten” Erwäh­nung fand, ansonsten aber vollständig von den Medien ignoriert wurde. Es scheint, dass unbedingt der Eindruck vermieden werden soll, Proteste könnten etwas errei­chen. („EU gibt Sparkurs auf und erlaubt Spanien höheres Defizit” - Memorandum im Artikel verlinkt)

Doch da kann noch mehr gehen, als eine Renais­sance keynsia­ni­scher Politik. Wenn es jenseits unrea­lis­ti­scher Einschät­zungen der Massen­or­ga­ni­sa­tionen, die fast unisono von einem „vollen Erfolg der General­streiks” sprachen, (quasi als Spiegel­bild der Regie­rungen, die den Streik­erfolg lächer­lich herab­zu­reden versuchten), zu einer auch selbst­kri­ti­schen Analyse kommt, können weitere Versuche europäi­scher Solida­rität wesent­lich schlag­kräf­tiger ausfallen als es auch diesmal schon gelungen ist. Immerhin betei­ligten sich in Portugal und Spanien (ohne das Basken­land) am 14.November mehrere Millionen Menschen an den Arbeits­nie­der­le­gungen. Ebenso ist es gelungen, eine europa­weite Basis gegen­sei­tiger Infor­ma­tion und Unter­stüt­zung zu schaffen, die bei besseren Abstim­mungen im Vorfeld die nächsten europa­weiten Streiks und Aktions­tage sehr weit tragen kann.

Wieviel Angst die Regie­renden davor haben, dass eines Tages tatsäch­lich wirklich europa­weite Solida­rität entstehen könnte, war auch an #14n wieder zu erkennen. Darin zeigt sich Europa nämlich sehr einig : Wie die Regie­renden mit ihren demons­trie­renden Bevöl­ke­rungen umgehen. Die friedens­no­bel­preis­be­schämte EU, die so schrill nach Menschen­rechten schreit, wenn es um Weißruss­land, die Ukraine oder Moskau geht, hat für Menschen, die um ihre Existenz fürchten und auf die Straße gehen, überall nur eines übrig : Brutale Gewalt.

Ob in Valencia, Madrid oder Barce­lona, ob in Lissabon oder Rom – spätes­tens am Abend des 14.November zeigten die Bilder, dass nicht gezögert wird, Krieg gegen die eigene Bevöl­ke­rung zu führen. Knüppel, Gummi­ge­schosse und Tränengas waren die Mittel, mit denen versucht wurde, den Protest zu stoppen. Gelungen ist das nicht. In Italien trafen die Carabi­nieri teilweise auf offensiv agierende Blöcke, wie sie in Griechen­land schon länger zu sehen sind. Und auch in Spanien, wo die Menschen bislang eher defensiv auf die Gummi­ge­schoss-Orgien der Riot-Cops reagierten, wurde von ersten Gegen­wehr­maß­nahmen berichtet. Nach Hause gingen die Spanie­rinnen und Spanier sowieso nicht – selbst am nächsten Tag, am 15.11. zogen wieder Demons­trie­rende durch Madrid und Barce­lona.

Weil die großen deutschen Medien die ausufernde Polizei­ge­walt des Mittwoch mal wieder durch ihr „Relevanz­raster” fallen ließen, haben wir einige Videos des Tages und des Kriegs gegen die eigenen Bevöl­ke­rungen zusam­men­ge­stellt. Geholfen hat uns dabei vor allem eine Sammlung der Online­ak­ti­visten.

Die verfolgte Person in diesem Video ist ein 13-jähriger Junge. Er wird von seinen Eltern geschützt.

Kurzdoku (13-min): Plaza de la Beata María Ana de Jesús, Madrid - diesmal gab es auch Gegen­wehr.

Riotcops schiessen auf alle, die sich bewegen. Preis­schiessen für Adrena­lin­jun­kies. Barce­lona.

30 Minuten des Live-Streams aus Barce­lona mit engli­schem Kommentar

Zehn Minuten aus dem Krieg gegen die Bevöl­ke­rung am Parla­ment in Lissabon.

Kurzes Video aus Rom – in Italien gab es teilweise heftige Gegen­wehr.

Protest von Studie­renden in Padua, Italien. Angriff der Cops am Bahnhof.

Menschen­jagd in Spanien durch Riot-Cops.

Diese Auswahl reprä­sen­tiert nur einen kleinen Teil der am 14.November 2012 dokumen­tierten Polizei­ge­walt und des Krieges gegen die eigenen Bevöl­ke­rungen.
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