Die Wahrheit kann die Polizei nicht unterdrücken !

Die Wahrheit kann die Polizei nicht unter­drü­cken !
Die Proteste aus den Lagern sind legitim und werden weiter­ge­führt !

Erklä­rung der KARAWANE für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen zu Polizei­re­pres­sionen gegen die BREAK ISOLATION Solida­rity Action und die Refugee Libera­tion Bustour.

Der deutsche Staat verfügt über ein großes Reper­toire der Isola­tion und Einschüch­te­rung für Flücht­linge in Deutsch­land. Das Alphabet der deutschen Flücht­lings­po­litik fängt mit Abschie­bung an und endet mit Zurück­wei­sung. Eine Reihe von Gesetzen und Verwal­tungs­richt­li­nien geben jedem Angestellten des Staates und der privaten Unter­nehmen, die in diesem System arbeiten, die Möglich­keit, Willkür, Diskri­mi­nie­rung und Unrecht gegen­über den Flücht­lingen auszu­üben. Sie erzeugen die Herren­men­schen­men­ta­lität, deren Opfer Flücht­linge in dem deutschen Lager­system tagtäg­lich werden. Flücht­linge müssen meist in Isola­ti­ons­la­gern leben, um eine vollstän­dige Ausgren­zung und Isola­tion durch­zu­setzen, Zugriff für Abschie­bungen zu gewähr­leisten und anderer­seits die Flücht­linge der Gesell­schaft als gefähr­lich und nutzlos darzu­stellen und somit - insbe­son­dere in Zeiten der Krise - Rassismus zu verstärken. Diese Lager sind wie offene Gefäng­nisse. Dort werden täglich Kontrollen, Strafen und Ernied­ri­gung ausgeübt. Das Leben in abgele­genen und oft misera­blen Gebäuden oder in alten und verrot­teten Baracken ist auf das Minimum einge­schränkt. Die Mensch­lich­keit ist auf das „Dahin­ve­ge­tieren“ reduziert und Angst wird durch die ständige Drohung der Abschie­bung erzeugt. Der gemein­same Kampf von uns Flücht­lingen und Migran­tInnen mit hier in Europa geborenen Menschen gilt seit über 20 Jahren diesem System der Ausgren­zung, dem System der Depor­ta­tion. Ein Teil der Vertei­di­gung unserer Leben sind Zusam­men­künfte zur Vorbe­rei­tung gemein­samer politi­scher Aktionen, solida­ri­sche Unter­stüt­zung, sowie kultu­reller und sozialer Austausch gegen die Entmensch­li­chung des Lager­sys­tems.

In unseren Kämpfen hier in Deutsch­land haben wir stetig nur eines getan : Die Wahrheit zu dokumen­tieren über das, was wir sehen, hören, am eigenen Körper erleben und erfahren. Wir haben uns verwei­gert : verwei­gert kontrol­liert, abgeschoben und gedemü­tigt zu werden. Wir haben uns verwei­gert, in IsoIa­ti­ons­la­gern zum langsamen Tod verdammt zu sein. Wir sind der Stille enteilt und haben unsere Stimmen auf die Straßen, in die öffent­li­chen Plätze getragen und haben die Orte der Isola­tion und der Verbre­chen in das gesell­schaft­liche Bewusst­sein gebracht. Die Proteste werden stärker, denn die Freun­dinnen und Freunde in den Isola­ti­ons­la­gern verharren nicht mehr dort und ergeben sich nicht ihrem Schicksal. Der konti­nu­ier­liche Protest in Berlin, die ununter­bro­chen geführten Kämpfe in Baden-Württem­berg, Branden­burg, Nieder­sachsen, Nordrhein­west­falen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zeugen von diesem Selbst­be­wusst­sein und der Selbst­ver­tei­di­gung.

Unser öffent­li­cher Wider­stand und ziviler Ungehorsam beunru­higen die Regie­renden. Denn das troja­ni­sche Pferd der Menschen­rechte, mit denen Kriege in unseren Ländern geführt werden oder durch die Einfluss mit dem Zweck des Profites in fernen Konti­nenten ausgeübt wird, zerfällt angesichts der hier verübten Verbre­chen. Wer ein Mal in einem Isola­ti­ons­lager war, glaubt nicht mehr an Menschen­rechte. Wer den Ursprung der Residenz­pflicht und seine Tragweite versteht, begreift, dass die Menschen­rechte nicht univer­sell sind. Wer die Nachrichten über die Tode von Flücht­lingen in den Lagern regis­triert und dem nachgeht, fragt sich, warum man die Menschen­rechte woanders einfor­dern soll, wenn sie hier nicht prakti­ziert werden. Wenn Menschen sehen, in welcher Offen­heit von staat­li­chen Organen verübte Morde - wie im Falle von Oury Jalloh, Christy Schwun­deck, Mohammad Sillah, Halim Dener und vielen anderen - durch die Behörden und leitende Personen in den Regie­rungen vertuscht werden, der folgt nicht mehr blind der Lügen­pro­pa­ganda über Menschen­rechte. Da die Regie­renden dies wissen, und die Erstar­kung der Flücht­lings­be­we­gung ebenfalls regis­trieren, greifen sie nun zu härteren Maßnahmen.

Am 10. März dieses Jahres wurde der Bustour der protes­tie­renden Flücht­linge aus Berlin mit Gewalt begegnet als die Flücht­lings­ak­ti­visten die Bewoh­ne­rinnen und Bewohner eines Lagers in Köln besuchen wollten (siehe PM). 19 Freun­dinnen und Freunde wurden festge­nommen und einige bis zum Morgen des nächsten Tages festge­halten. Einige trugen Verlet­zungen von der brutalen Vorge­hens­weise der Kölner Polizei davon. Der Grund des Angriffs lag darin, die Organi­sie­rung der ausge­grenzten Flücht­linge zu Unter­binden. Die Intrans­pa­renz über die Abschie­be­ma­schi­nerie (siehe Seite 21, des Buches „Blackbox Abschie­bung“) mit ihren Lagern soll weiterhin aufrecht erhalten werden.

In Thüringen wurden im Rahmen der BREAK ISOLATION Solida­rity Act 2013 am 24. April 2013 die Lager in Walters­hausen und Gerstungen besucht. Die Hausver­wal­tung infor­mierte sofort die Polizei, weil aus ihrer Sicht (der Herren­men­schen­men­ta­lität) die Menschen nicht das Recht haben, ohne Geneh­mi­gung Besuch zu empfangen. Aus ihrer Sicht darf in diesen Orten nicht gefilmt werden. Es ist der Ort, wo die Flücht­linge gezwun­ge­ner­maßen leben müssen. Warum darf sie keiner besuchen ? Warum dürfen diese Orte nicht gefilmt werden ? Stören sie etwa die wohltö­nende Image­kam­pagne einer vorgeb­li­chen Demokratie und der vorgeb­li­chen Geltung der Menschen­rechte ? Unsere Besuche in den Isola­ti­ons­la­gern, unsere Zusam­men­künfte zum Erfah­rungs­aus­tausch und alle Aktionen sind trans­pa­rent und nachver­folgbar. Wir haben mit allen Besuchen und Aktionen stets nur ein Ziel verfolgt, solida­ri­sche Struk­turen aufzu­bauen, um die Gewalt zu verdrängen, die physisch durch die Polizei, mental durch das erzwun­gene Leben in Lager selbst und durch die Behörden perma­nent ausgeübt werden. Das Verhin­dern der Dokumen­ta­tion dient dazu, die Ausübung der Gewalt zu vertu­schen und weiterhin das Bild des schönen und einheit­li­chen Europas der Menschen­rechte in die Köpfe zu tragen. Als am Abend des 24. April die Mitglieder von THE VOICE nach Jena zurück­fuhren, wurden die Autos von der Polizei kontrol­liert. Das Büro von THE VOICE Refugee Forum in Jena wurde von Polizei­be­amten durch­sucht. Das Büro ist und bleibt ein Ort des Anstandes und der Würde nicht nur für Flücht­linge in Deutsch­land. Trans­pa­rent und solida­risch werden von diesem Büro aus inmitten eines Landes, das jahrzehn­te­lang syste­ma­tisch das Leben von Flücht­lingen zerstört hat, politi­sche Aktionen organi­siert - gegen das fortge­setzte koloniale Unrecht und die Ideologie sowie Auswir­kung des staat­lich organi­sierten Rassismus. Das letzte Opfer dieser Politik ist ein 25-jähriger kurdi­scher Flücht­ling aus Gerstungen. Er starb am 30.4.2013 einige Tage nach dem Delega­ti­ons­be­such von THE VOICE. Ruslan Yatske­vich (geb. Polub­iatka) und Michael Kelly sind weitere Todes­opfer aus Thüringen. Doch neben den Toten tragen alle Freun­dinnen und Freunde, die in den Isola­ti­ons­la­gern waren, Narben von den Tagen und Nächten, die sie dort verbringen mussten. Jeden Tag und jede Nacht geht die schlei­chende Zerstö­rung der Menschen in den Lagern weiter.

Die staat­li­chen Angriffe auf die Bewegung die Isola­tion der Flücht­linge zu durch­bre­chen und zur Organi­sie­rung der Selbst­er­mäch­ti­gung und –vertei­di­gung wurde während der Refugee Libera­tion Bustour inten­si­viert. Während der Tour verfolgten Zivil­po­li­zisten den Bus. In Mannheim warteten am 4. Mai 2013 im dortigen gefäng­nis­ähn­li­chen Isola­ti­ons­lager die Polizei­be­amten bereits im Gebäude, um den Zutritt der Flücht­lings­ak­ti­visten zum Lager zu unter­binden.

In Offen­burg hatte Frau Alexandra Roth, die zum Verwal­tungs­per­sonal des Isola­ti­ons­la­gers gehört, im Vorfeld des Besuches der Flücht­lings­ak­ti­visten die Insassen des Isola­ti­ons­la­gers bedroht. Jede Betei­li­gung an der Zusam­men­kunft würde die Abschie­bung zu Folge haben. Als die Flücht­lings­ak­ti­visten am Mittwoch, den 8. Mai dort ankamen, wurde ihnen wie in Mannheim der Zutritt zum Lager verwei­gert. Die Polizei traf sofort an. Sie stürmte auf einen der Mitglieder der Bustour zu, der die Tour audio­vi­suell dokumen­tierte. Ihm wurde die Kamera abgenommen und er selbst wurde festge­nommen. Sein Ausweis wurde ihm abgenommen und Frau Alexandra Roth übergeben, die eine bereits vorge­fer­tigte Anzeige mit seinen Namen vervoll­stän­digte. Die Zusam­men­ar­beit zwischen der Polizei und der Lager­ver­wal­tung war also bereits vor der Aktion geplant. Es verwun­dert uns, dass die Polizei das Recht hat, den Ausweis und die Identität des Kamera­mannes sofort Frau Alexandra Roth zu übergeben. Die Polizei­be­amten löschten die Aufnahmen, die von dem Übergriff und der Aktion am Isola­ti­ons­lager zeugten. Doch unser Wissen und Bewusst­sein über die gesell­schaft­li­chen Verhält­nisse kann im Gegen­satz zu den Aufnahmen nicht ausge­löscht werden. Die Orte des Unrechts können nicht versteckt werden, solange diese existieren, werden wir diese besuchen und andere laden wir dazu ein, sich ein eigenes Urteil zu bilden.

Die Art und Weise, wie bereits die Begeg­nungen von Flücht­lingen unter­schied­li­cher Orte mitein­ander mit diesen Repres­sa­lien konfron­tiert werden, sollte alle Menschen wachrüt­teln. Wer hier nicht eingreift, muss damit rechnen, dass morgen in anderen gesell­schaft­li­chen Kämpfen, sei es für Frieden, für die Vertei­di­gung der Meinungs­frei­heit oder gegen Ausbeu­tung, der Staat mit härteren Mitteln durch­greift. Daher rufen wir alle auf, die Infor­ma­tionen über diese Gescheh­nisse überall zu verbreiten und die Stimme dagegen zu erheben.

Organi­siert Solida­ri­täts­ak­tionen mit der Refugee Libera­tion Bustour und allen Flücht­lings­pro­testen. Infor­miert in euren Kreisen über das bevor­ste­hende Flücht­lings­tri­bunal gegen die BRD in Juni 2013 in Berlin. Schreibt Solida­ri­täts­er­klä­rungen, haltet Kundge­bungen ab oder zeigt öffent­lich oder in euren Räumen die Filme, die im Rahmen der BREAK ISOLATION Solida­rity Act 2013 oder der Refugee Libera­tion Bustour entstanden sind.

Eine Kopie dieser Erklä­rung schicken wir ebenfalls an die Landes­re­gie­rungen in Baden-Württem­berg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. In zwei dieser Länder sind rot-grüne Regie­rungen an der Macht, die zwar tagtäg­lich von einer humani­tären Migra­ti­ons­po­litik sprechen, aber den Worten die Taten fehlen lassen. Wir vergessen ebenfalls nicht, dass sie 1999 erstmalig in der Geschichte der Bundes­re­pu­blik Auslands­ein­sätze der Bundes­wehr in die Wege leiteten und Deutsch­land in den Krieg führten. Mittler­weile sind die Auslands­ein­sätze der Bundes­wehr an der Tages­ord­nung und alle diese Kriege werden im Namen der Menschen­rechte geführt. Doch hier wird den Menschen verwei­gert, einander zu begegnen und das zu dokumen­tieren, was die Gesell­schaft nicht sehen soll, mitten in Deutsch­land.

Mit solida­ri­schen Grüßen

AGIF - Födera­tion der Arbeits­mi­gran­tInnen in Deutsch­land
KARAWANE für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen
SKB - Sozia­lis­ti­scher Frauen Bund

THE VOICE Refugee Forum

cross­point Kanal bei youtube (mit Videos zur Refugee Libera­tion Bustour BREAK ISOLATION SOlida­rity Act)

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