Wir halten an der Kundgebung in Wuppertal fest !
Donnerstag, 03.07.2014 um 18:00 Uhr auf dem v.d.Heydt-Platz
Am Abend des 2.Juli und in der Nacht zu Donnerstag ist es zwischen dem von den Grünen regierten Berliner Bezirksamt Kreuzberg/Friedrichshain und den in der ehemaligen, von Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule verbliebenen Menschen zu einer Einigung gekommen. Der Auftrag zur gewaltsamen Räumung der Schule, der am Dienstag vom Grünen-Baustadtrat Panhoff an die Polizei erteilt wurde, wurde zurückgezogen. Die Sperren der Polizei, die den « Reichekiez » in Kreuzberg tagelang zu einem besetzten Gebiet machten, wurden schon in der Nacht aufgehoben – eine in Berlin eingesetzte Einheit aus Thüringen konnte bereits wieder an der Räumung eines zwischenzeitlich in Jena besetzten Hauses teilnehmen.
Doch während es für einige Dutzend Menschen in Berlin eine vorläufige Lösung zu geben scheint, geht der Krieg Europas gegen Geflüchtete anderenorts mit unverminderter Brutalität weiter. Zur gleichen Zeit, in der in Berlin verhandelt wurde, räumte die französische Polizei das seit vier Wochen von verzweifelten Flüchtlingen in Calais besetzte Areal von « Salam » mit Tränengas und Schlagstöcken. Über 700 Menschen, größtenteils Familien aus den Kriegsgebieten in Syrien und Zentralafrika, wurden aus ihrer letzten Zuflucht geknüppelt und auf Abschiebelager und -knäste verteilt. Unter ihnen befinden sich auch 123 Kinder.
Wir freuen uns natürlich über die Absage der Räumung der Schule, die auch aufgrund der Solidarität vieler Menschen auf den Straßen des Quartiers in Kreuzberg erreicht wurde. Dennoch ist es – nicht nur mit Blick auf die Ereignisse in Calais – ein bitterer Teilerfolg. Es wurde auch in Berlin zunächst nichts anderes erreicht, als die akute Gefahr für das Leben der in der Schule Verbliebenen abzuwenden, die durch die Räumungsandrohung ausgelöst worden war. Aus der Schule wird daher auch appeliert, die Unterstützung für die Geflüchteten weiter aufrecht zu erhalten. In ihrer Erklärung verweisen die geflüchteten Menschen nicht nur darauf, dass ihnen noch immer kein Bleiberecht nach §23 zugesichert wurde (was CDU-Innensenator Henkel jederzeit tun könnte), sie beziehen sich auch auf einen in letzter Minute für heute auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzten Punkt : Noch vor der Sommerpause will die große Koalition die Verschärfung des Asylrechts beschließen, mit der Geflüchtete aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien noch schneller abgeschoben werden können.
Diese « Ernennung » von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu « sicheren Drittstaaten », die es den Ausländerbehörden möglich macht, Menschen nach der « Dublin III»-Verordnung schneller als bisher in diese Länder zu verschleppen, ist nach allen Berichten humanitärer Organisationen, die sich dort umgesehen haben, ein Hohn. Und sie trifft in erster Linie erneut Roma. Also jene Bevölkerungsgruppe, die ohnehin von Behörden und Teilen der Bevölkerung offen stigmatisiert und schikaniert wird. Auch bei der zum « Umzug » umgedeuteten Teil-Räumung der Schule in der Ohlauer Straße wurde für die dort lebenden Roma-Familien eine « eigene » Lösung durch das Bezirksamt angekündigt, ohne diese zu präzisieren. Im Anschluss gab es Berichte von zuvor in der Schule lebenden Familien, die keine neuen Unterkünfte erhielten und deshalb wohnungslos in der Nachbarschaft campieren mussten. Dass der Bundestag das Gesetz in einer Nacht- und Nebelaktion gerade im zeitlichen Umfeld der Auseinandersetzungen an der Ohlauer Straße durchwinken will, ist kein Zufall.
Es bleibt außerdem bei dem beispiellosen Vorgang, dass über mehrere Tage über 1.000 PolizistInnen ein Polizei-Regime in Kreuzberg errichten konnten, mit dem auf dem Rücken der geflüchteten Menschen ein unwürdiger Machtkampf zwischen Grünen-LokalpolitikerInnen und einem SPD/CDU-Senat in Berlin ausgetragen wurde. Dieses Polizei-Regime hat durch ein unmenschliches Hin und Her nicht nur die BesetzerInnen der Schule eine Woche lang terrorisiert, es bestimmte über Tage auch die Grenzen der Pressefreiheit. Es nahm zudem auch alle BewohnerInnen des Reichekiezes in eine Art Geiselhaft, und gab den dort eingesetzten PolizistInnen mehrmals die Gelegenheit, ihre Gewaltphantasien an unbewaffneten Protestierenden auszuleben. Dabei traf es am Dienstag eine Demonstration von SchülerInnen, an der sich auch viele Minderjährige beteiligten. Einige Presseberichte sprechen davon, dass einer der Schüler durch den exzessiven Einsatz von Pfefferspray ein Auge verlieren wird – ein unerträglicher Vorgang angesichts der Tatsache, dass in diesen Tagen in Stuttgart der Prozess gegen die Besatzung jenes Wasserwerfers begonnen hat, die einem Demonstrierenden am 30.09.2010 ein Auge aus dem Kopf schoss.
Die Übernahme der vollständigen Kontrolle in der Gegend um die besetzte Schule durch Polizeitruppen gipfelte schließlich in einem an die Bezirksverwaltung gerichteten Ultimatum durch die Polizeiführung. In ihm wurde der Bezirk unmissverständlich ausgefordert, die Schule räumen zu lassen, anderenfall werde die Polizei ihre Arbeit einstellen. Auch wenn es (bisher) doch nicht zur Räumung des Gebäudes gekommen ist : Dieser Vorgang negiert die prinzipielle Trennung von Legislative und Exekutive in einer Art, die den Ausdruck « Polizeistaat » rechtfertigt. Er reiht sich damit in eine seit langer Zeit zu beobachtende Entwicklung ein, die den Eindruck hervorruft, dass sich Polizeiführungen und -interessengruppen wie die Deutsche Polizei Gewerkschaft (DPolG) verselbstständigen und immer häufiger eigenmächtig über Repressionsmaßnahmen und Vorgehensweisen entscheiden.
Von den vollständig unterdrückten « Blockupy»-Aktionstagen in Frankfurt 2011, über die verhinderte « Blockupy»-Demo des letzten Jahres und die Zerschlagung der Demonstration in Hamburg am 21.12.2013 bis zur ebenfalls eigenmächtigen Ausrufung eines mehrtägigen « Gefahrengebietes » in Hamburg und dem jetzt erfolgten Feldzug gegen Geflüchtete im Sperrgebiet rund um die Ohlauer Straße zieht sich eine immer breitere, auch blutige Spur unkontrollierten und unwidersprochenen polizeilichen Handelns. Sie führt auch zum skandalösen Umgang der Polizei mit dem Nazi-Überfall nach der Kommunalwahl im Mai aufs Dortmunder Rathaus und zum kürzlichen Bekanntwerden einer Vielzahl « geheimer Gefährdungszonen » auch in Köln – von den vielen, von den Medien meist ignorierten brutalen Angriffen auf Protestierende und dem andauernden « Racial Profiling » im Alltag von MigrantInnen ganz zu schweigen.
Der – gar nicht so – klammheimlichen Errichtung eines Polizeistaates, dem jenes ungebrochen Selbstverständnis als eigenständiger politischer Faktor zugrundeliegt, das die deutsche Polizei auch zum aktiven Mittäter der Nationalsozialisten machte, muss jetzt entschiedener Widerstand entgegengesetzt werden. Die vor wenigen Tagen von der DPolG veröffentlichte Presseerklärung zum Überfall der Nazis in Dortmund lässt keinen Zweifel zu : Auch im Falle eines Wahlsieges der Nazis sieht die DPolG die Aufgabe der Polizei darin, einen in ihren Augen nicht legitimen zivilen Widerstand mit aller Macht zu verhindern – wenn es ein muss, auch gegen PolitikerInnen des « bürgerlichen Lagers ». Das in Berlin ausgesprochene Ultimatum zur Räumung des « rechtsfreien Raums » Gerhart-Hauptmann-Schule basiert auf dem gleichen Un-Geist. Und dass es in Berlin trotz vieler Aufforderungen, sich den Einsatzbefehlen zu widersetzen, nicht zu nennenswerten « Remonstrationen » von Beamten und Beamtinnen kam – wie es unlängst in Hamburg im Anschluss an eine « Lampedusa in Hamburg»-Protestaktion einmal geschah – zeigt leider auch, dass die von vielen PolizistInnen oft beklagten « Pauschalisierungen » im Kern wohl berechtigt sind.
Für uns sind das ausreichende Gründe, auch nach dem Teil-Erfolg des Protestes um die Ohlauer Straße an der für heute geplanten Kundgebung in Wuppertal festzuhalten.
You can’t evict a movement ! Soli-Kundgebung für die Flüchtlinge in Kreuzberg, Hamburg und überall ! Gegen Polizeigewalt ! Staat und Nazis Hand in Hand – Widerstand im ganzen Land !
Donnerstag, 03.07., 18:00 Uhr, Wuppertal-Elberfeld, v.d.Heydt-Platz
(Quelle : linksunten.indymedia.org/de/node/117816)