Diese Gesetze erniedrigen uns vor unseren Kindern
Zwar soll frauenspezifische Verfolgung in Deutschland seit 2005 im asylrelevanten Sinne anerkannt werden. In der Praxis werden sie jedoch bis heute oft noch nicht im Sinne einer politischen Verfolgung bewertet, weder vom BAMF, noch von den Gerichten. Der Kampf der Frauen gegen patriarchale Gewalt wird als politischer Kampf nur in wenigen Fällen ernst genommen. Mit der Folge, dass die Frauen kein Asyl und auch keinen Status als Flüchtling bekommen, sondern bestenfalls einen so genannten Aufenthalt aus humanitären Gründen. Dieser „subsidiäre Schutzstatus“ beinhaltet zwar auch einen (prekären) Abschiebeschutz, zieht aber einen deutlich schlechteren rechtlichen Status mit sich. Er eröffnet zum Beispiel im Gegensatz zum Flüchtlingsstatus keine Möglichkeit einer Familienzusammenführung.
Eine Frau aus Kamerun bringt auf den Punkt, was genau das für die Frauen bedeutet, die ihre Kinder in der Heimat zurücklassen mussten : „Diese Gesetze behandeln uns nicht nur rassistisch, sondern erniedrigen uns vor unseren Kindern, die wir nicht zu uns holen und denen wir kein Geld schicken können“. Eine Frau aus Pakistan musste ihre achtjährige Tochter bei deren Onkel lassen und lebt jetzt seit sechs Jahren in Deutschland. Sie war selbst zwangsverheiratet worden und hat jetzt Angst, dass die Tochter auch zwangsverheiratet wird, weil sie keine Möglichkeit hat, sie zu sich nach Deutschland zu holen : „Das Gesetz zwingt mich zu entscheiden, ob ich zurückgehe und mein Gesicht mit Säure überschütten lasse, oder ob ich egoistisch bin und ertrage, dass das Leben meiner Tochter zerstört wird.“
Wie so oft sind auch für die Flüchtlingsfrauen ihre Kinder - und vor allem die Töchter - nicht nur Grund für Sorge, sondern auch die Kraftquelle, aus der die Frauen ihren Kampfeswillen ziehen. Nach einem an Emotionen und Tränen reichen ersten Konferenztag wurde abends im Park gegessen, gesungen und Halay getanzt, bis die Anspannung und der Kummer aus den Körpern und Gesichtern wich.
Im Verlauf des ersten Konferenztages wurde mehr und mehr deutlich, dass es neben den „klassischen“ Herrschaftsverhältnissen und Unterdrückungsformen, die stets benannt werden, wenn es um Flucht und Asyl geht – Kolonialismus, Imperialismus, Ausbeutung von Rohstoffen, Kriege – auch noch das Patriarchat gibt. Auch, wenn sich diese Herrschaftsform nicht ohne weiteres in die Parole der Karawane „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“ einfügen lässt : Das Patriarchat und die gewaltsame Zurichtung von Frauenkörpern im Sinne patriarchaler Werte und Bedürfnisse ist unbedingt mit zu benennen, wenn man die Flüchtlingsfrauen und ihre Geschichten ernst nehmen möchte.
Der letzte Konferenztag sollte ausschließlich der weiteren Planung und der Konkretisierung von Kooperation gewidmet werden. Erfreulich war, dass mit den Women in Exile, dem Migrantinnennetzwerk Respect und dem International Women Space aus Berlin bereits organisierte Frauenzusammenhänge Teil der Konferenz waren und von ihren Kampagnen berichteten. So reflektierte die Konferenz die existierenden, selbstorganisierten feministischen Flüchtlingsfrauenkämpfe in Deutschland recht umfassend. Dass diese autonomen Strukturen weiter auf- und ausgebaut und in verschiedenen Bundesländern verankert werden müssen, wurde überdeutlich, als es zu der Frage konkreter Unterstützungsmöglichkeiten kam. Einige Frauen waren sehr verzweifelt, weil sie und ihre Familien akut von Abschiebung – meist auf Grundlage der Dublin-Verordnung - bedroht sind.
Selbstverständlich kann eine bundesweite Struktur nicht das leisten oder ersetzen, was an lokaler gegenseitiger Unterstützung und Organisierung erst noch aufgebaut werden muss.
So blieb bei vielen auch zum Ende der Konferenz hin das Gefühl von Hilflosigkeit und Wut, aber auch der große Wunsch, dieses Asyl-System wirklich von Grund auf zu verstehen, um gegen das Unrecht in diesem System besser gewappnet zu sein und angehen zu können. Die zahlreichen Proteste und Kampagnen, die von einigen Teilnehmerinnen der Konferenz selbst getragen werden, waren anderen Frauen vor der Konferenz noch überhaupt nicht bekannt – genauso wenig, wie die jahrelangen Kämpfe und Kampagnen gegen die Residenzpflicht.
Vereinbart wurde daher, dass die lokalen Frauengruppen Workshops organisieren, um sich und andere Frauen mit mehr Wissen und Strategien auszustatten. Die bundesweite Struktur der Karawane-Frauenbewegung wird versuchen, dies in den kommenden Monaten möglichst an vielen Orten zu koordinieren. Vereinbart wurde auch, etwa im 6-Monats-Rythmus jeweils ein Wochenende lang zusammen zu kommen, um sich auszutauschen und fortzubilden. Hier steht die Flüchtlingsbewegung insgesamt vor der nicht ganz einfach zu lösenden Aufgabe, historisches Bewegungswissen an Menschen weiterzugeben, die zum Teil erst (und evt. auch nur) sehr kurz in Deutschland sind.
Als Fazit der 2. Konferenz lässt sich mitnehmen : Es gibt sehr viel Kapazitäten, Bereitschaft und Power bei den Flüchtlingsfrauen. Und : Es ist durchaus möglich, die strukturelle Isolation von Frauen zu durchbrechen – wenn man sich die Mühe macht und sich darauf einlässt, dass einige Hürden aus dem Weg geräumt werden müssen.
Es gibt zugleich sehr viele Probleme, die für die einzelnen jeweils Vorrang haben und noch ungelöst sind. Die bundesweite Vernetzungsstruktur wird bei der Unterstützung der einzelnen Frauen jedoch höchstens unterstützend tätig werden können ; die Hauptarbeit wird lokal und regional stattfinden müssen. Eine bundesweite Flüchtlings-Frauenbewegung mit einer eigenen Agenda und Kampagnenfähigkeit ist etwas, was in den nächsten Jahren erst aufgebaut werden muss, und zwar von einem stabilen Kern von Aktivistinnen, die in der Lage sind, den Grundimpuls der Flüchtlings-Frauenkonferenz in einem Aufbauprozess von unten zu verankern.
Diesen Grundimpuls formulierte eine Freundin in dem wunderbaren Satz : „Die Würde ist das, was uns zusammengebracht hat.“
- Inhaltsverzeichnis
- Seite 1 : Bericht zur Flüchtlings-Frauenkonferenz in Frankfurt/Main
- Seite 2 : Diese Gesetze erniedrigen uns vor unseren Kindern