Wir stellen weiterhin klar
Wir stellen weiterhin klar
Der auf der Straße vor dem AZ Schwerverletzte wurde in einen ruhigen Seitenflur des Autonomen Zentrums geborgen, es wurde sofort von Besucher*innen des Autonomen Zentrums Erste Hilfe geleistet und ebenso umgehend mehrfach über die Notrufnummer der Rettungsdienst alarmiert. Die Rettungskräfte kamen zeitnah in das Autonome Zentrum und übernahmen die professionelle Erstversorgung. Die eigene Sicherheit der Rettungskräfte war zu keiner Zeit durch Besucher*innen des Autonomen Zentrums bedroht.
Währenddessen verschärfte die Polizei durch ihr unzulängliches Verhalten die Rettungssituation, indem sie mit Eintreffen von Verstärkung den durch die Geschehnisse unter Schock stehenden AZ-Besucher*innen mit Pfefferspray und Schlagstöcken drohten und den Eingangsbereich des AZs stürmten, um mit Gewalt zu dem Verletzten zu gelangen. Es wurde entgegen der Behauptungen der Polizei zu keiner Zeit Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt, niemand hat Verletzungen davongetragen.
Trotz dringend benötigter Hilfe wurden die bereits behandelnden, professionellen Rettungskräfte währenddessen von der Behandlung des Schwerverletzten wieder abgezogen (auf wessen Anordnung hin?), um kurze Zeit später die Notfallrettung mit Verstärkung durch einen Notarzt wieder aufzunehmen und den Schwerverletzten in eine Notfallaufnahme eines Krankenhauses zu bringen.
Bezüglich des Tatverdächtigen wurde in der ersten Pressemitteilung der Polizei bei der aufgegriffenen Person, die der „rechten Szene“ zuzuordnen sei, von einer Stichverletzung gesprochen (Pressemitteilung der Polizei vom 11.04.2015), die im weiteren Verlauf der Woche zu einer Schnittverletzung am Bein wurde (Wuppertaler Rundschau 15.04.2015).
Was soll hier suggeriert werden ? Eine typische Opfer-Täter-Umkehr ? Die Staatsanwaltin Monika Olschak erklärt in der Lokalzeit :
„[Es sei] bedingt durch den Tatort, dass man auch in diese Richtung ermittelt, aber aktuell haben wir keine festen Anhaltspunkte dafür, dass es tatsächlich eine politische Tat bzw. mit rechtem Hintergrund ist.“
(Lokalzeit 13.04.2015)
Wusste nicht die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt bereits von dem HoGeSa-Nazi-Hintergrund von den Tatverdächtigen ?
Dieser Fakt wird bewusst vorenthalten. Ebenso wird von der Polizei und Staatsanwaltschaft über mehrere Tage und bis heute verschwiegen, dass drei Tatverdächtige festgenommen worden sind. Es muss den Sicherheitsbehörden unterstellt werden, dass der HoGeSa / Pegida-Nazi-Hintergrund der Tat verharmlost, bagatellisiert, relativiert und letztendlich negiert werden soll. Rechte Gewalt wird nicht benannt.
Die Täter haben das Autonome Zentrum ganz bewusst aufgesucht. Das Autonome Zentrum organisiert und mobilisiert seit Jahren unablässig gegen rassistische Zustände und Naziumtriebe aller Art, so waren wir z.B. selbstverständlich ein tragender Teil der Gegenaktivitäten zu den geplanten Pegida-/ Hogesa-/ Nazi-Aufmarsch am 14.März 2015 in Wuppertal. Am selben Abend dieses Aufmarsches ist im übrigen das leere Gebäude des AZs bereits von Pegida-Anhängern mit Flaschenwürfen angegriffen worden.
Die diffamierende und stigmatisierende These der Ermittlungsbehörden, wonach Täter zuerst im Umfeld des Autonomen Zentrums zu suchen seien, bleibt in der Öffentlichkeit bisher weitestgehend unwidersprochen. Bislang haben leider große Teile der Presse, ohne eigene Recherche durch bewusste und / oder gedankenlose Übernahme der Polizeipressemeldungen in ihren Berichten das einseitige, gefährliche politische Spiel der Behörden unterstützt. Wir brauchen endlich einen kritischen Journalismus in dieser Stadt, der sich nicht von Falschmeldungen der Polizei beeindrucken lässt und unabhängig berichtet.
Gegenwärtige politische Einschätzung
Es ist eine neue, zutiefst besorgniserregende Entwicklung, dass sich alte und neue Nazi-Hooligans und rechte Schläger, die das Label ‚Hooligan’ für sich nutzen, sich zunehmend rassistisch politisieren und hoch gewalttätig agieren.
Sie sind Teil einer unterschiedlich zusammengesetzten rassistischen Bewegung, die in den letzten Monaten bundesweit zahlreiche große und kleine Aufmärsche durchführt und auf der sie ihre Hetze unverhohlen verbreiten können. Ebenso treten sie durch angegriffene und angezündete Flüchtlingsunterkünfte und brutale körperliche Übergriffe auf Andersdenkende / Anderslebende in Erscheinung.
In ihr Visier geraten dabei verschiedene Gruppen, insbesondere Geflüchtete und Migrant*innen, Muslime / Muslima aber auch alle aktiven Antifaschist*innen, die sich menschenverachtender Hetze und Handlungen in den Weg stellen.
Dieser Gefahr gilt es gemeinsam und solidarisch entgegen zu treten !
Zum verheerenden Umgang der Sicherheitsbehörden mit Opfer / Zeug*innen von Nazi-Gewalt muss festgehalten werden, dass die derzeitige Ermittlungs- und Pressearbeit der Wuppertaler Polizei wieder einmal negativ herausragend ist.
Für Wuppertal können wir die empörend schlechte Arbeit der Polizei / Staatsanwaltschaft bei „rechter Gewalt“ an vielen Beispielen darlegen (vgl. z.B. Presseerklärung der Opferberatung Rheinland). Diese machen u.a. deutlich, dass das jeweilige Handeln der Sicherheitsbehörden nicht nur auf ein individuelles Versagen von Einzelpersonen und deren politische Einstellungen zurückzuführen, sondern systemimmanent, institutionell und strukturell ist.
Unsere Stadt ist an diesem Punkt kein Einzelfall. Als schreckliche und katastrophale Beispiele müssen in diesem Zusammenhang die Ermittlungen um die Morde des NSU und den Nagelbombenanschlag auf die Kölner Keupstraße genannt werden. Dieses Vorgehen bzw. Falsch- und Nicht-Vorgehen nach Gewalttaten mit rechtem menschenverachtenden und / oder rassistischem politischen Hintergrund ist, trotz gegenteiliger Behauptungen nach der Selbstenttarnung des NSU 2011, noch immer tief in den Strukturen der ‚Sicherheits’-Institutionen verankert.
Die Amadeu Antonio Stiftung hat zwei Broschüren mit den Titel „Das Kartell der Verharmloser. Wie deutsche Behörden systematisch rechtsextremen Alltagsterror bagatellisieren“ und „Staatsversagen. Wie Engagierte gegen Rechtsextremismus im Stich gelassen werden. Eine Reportage aus Westdeutschland“ (das Titelbild zeigt die Schwebebahn ; der Nazi-Überfall auf die Filmaufführung des Wuppertaler Medienprojekt sowie seine skandalöse behördliche Aufarbeitung ist eines der Hauptthemen) herausgegeben, die über diese Strukturen informieren.
Das Verschweigen und Nicht-Benennen politischer Motive von Rassismus und Menschenverachtung sowie die Kultur des Tolerierens und Wegschauens trägt dazu bei, Dimensionen rechter Gewalt zu verharmlosen und führt zu einem weiteren Erstarken rassistischer, menschenfeindlicher Bewegungen jeglicher Art. Dagegen werden wir uns weiter erwehren und widerstehen !
¡No pasarán ! Fasizme Karsi Omuz Omuza !
Zu Eurer Information :
Wir wollen auch an diesem 1.Mai entschlossen und kämpferisch und vor allen Dingen solidarisch auf die Straßen gehen !
Es ist keine leichte Situation für uns alle. Wir hoffen auf eure Solidarität !
Gemeinsam können und wollen wir einen Ausdruck finden der unsere Wut, unsere Verzweiflung zeigt und ein Schritt zu neuer Hoffnung ist.
Setzen wir den menschenverachtenden Bewegungen und den herrschenden Verhältnissen gemeinsam etwas entgegen ! In unseren Gedanken werden wir unseren schwerverletzten Freund dabei haben !
- Inhaltsverzeichnis
- Seite 1 : Zweiter Text des AZ zum Mordversuch durch Hogesa-Nazis
- Seite 2 : Wir stellen weiterhin klar