In der gesellschaftlichen Debatte um einen richtigen Umgang mit flüchtenden Menschen werden von verschiedenen Seiten die dunkelsten Ressentiments bedient. Das Prinzip rechter Politik ist so simpel wie leider oft effektiv : Entrechtete und Einflusslose werden gegeneinander in Stellung gebracht, Ängste um die gerechte Verteilung gnädig gewährter Krumen und Sorgen vor noch weitergehender Ausgrenzung werden geschürt. Neben klassischen echten Konflikten um künstlich verknappte Ressourcen entstehen dadurch zu oft unsolidarische Haltungen und ein wenig widerstandsfähiges Umfeld. Zehn Jahre „Hartz IV” sprechen zum Erfolg dieser Herrschaftsstrategie eine deutliche Sprache – zu besichtigen täglich auf den Fluren der Jobcenter.
Umso begrüßenswerter ist es daher, dass verschiedene, unter dem Dach der Kampagne „AufRecht bestehen” tätige Erwerbsloseninitiativen (in Wuppertal z.B. Tacheles e.V.) sich mit einer Pressemitteilung deutlich und vernehmbar gegen die am 17.9. bekannt gewordenen Pläne des Innenministeriums wenden, das Asylrecht weiter zu verschärfen und in Teilen de facto abzuschaffen. In der noch zu schleppend verlaufenden Debatte über diese Pläne ist diese Positionierung der Erwerbsloseninitiativen ein wertvoller Beitrag. Wir dokumentieren deshalb hier die Pressemitteilung im Wortlaut.
Pressemitteilung der Kampagne „AufRecht bestehen“
Berlin/Wuppertal, 22.09.2015
Die Würde des Menschen ist unteilbar
Erwerbslosengruppen und -organisationen der Kampagne „AufRecht bestehen“ verurteilen die Pläne der Bundesregierung, das Aufenthalts- und Asylrecht auszuhöhlen und Tausenden gerade erst eingereisten Schutzsuchenden das Grundrecht auf Asyl und auf Existenzsicherung zu verwehren.
Noch immer werden geflohene Menschen an deutschen Bahnhöfen von der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Geschenken und Herzlichkeit empfangen. Die Bundeskanzlerin überrascht mit der humanitären Geste, dass Deutschland Menschen in Not nicht im Stich lasse, und pflegt so im Ausland das neue Image eines offenen und hilfsbereiten Landes. Zeitgleich formuliert die Bundesregierung einen 150seitigen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Aufenthalts- und Asylrechts sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), der alle sozial- und rechtstaatlichen Errungenschaften, die Asylsuchende und ihre Unterstützer in den vergangen 20 Jahren mühsam auch vor Gerichten erkämpft haben, wieder zunichtemacht.
Die Erwerbslosenvertreter/innen weisen darauf hin, dass erst im Frühjahr dieses Jahres das Asylrecht verfassungskonform ausgestaltet wurde, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom Sommer 2012 gerecht zu werden. Unter anderem wurde durch die enge zeitliche Begrenzung von Sachleistungen und die Anpassung des Leistungsniveaus an den Hartz-IV-Regelsatz sichergestellt, dass alle in Deutschland lebenden Menschen das Recht auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums erhalten.
Jetzt, wo das AsylbLG und das Grundrecht auf Asyl dringender gebraucht werden denn je, kommt die Verschärfung unter anderem mit Leistungseinschränkungen, erweiterter Sachleistungsgewährung, dauerhafter Unterbringung in Erstaufnahmelagern sowie Einschränkungen bei Bildungsmaßnahmen und der Arbeitsaufnahme einher. Allen über EU-Drittstatten eingereisten, sogenannten „Dublin-III-Flüchtlingen“ droht die Versagung von Leistungen – einschließlich Unterkunft und medizinischer Versorgung – und sie sollen mit einem Ticket zurück in den Herkunftsstaat und einem Verpflegungspacket abschoben werden. Auch tausende Schutzsuchende, die gerade noch über Griechenland, Ungarn oder Slowenien nach Deutschland eingereist sind und einreisen, können so mittels Leistungsversagung zur Rückkehr in diese Länder gezwungen werden, egal ob sie dort menschenwürdig aufgenommen und versorgt werden können oder nicht.
Die „Festung“ Europa hat gerade demonstriert bekommen, dass das „Dublin-System“ und die europäische Flüchtlingspolitik gescheitert ist, und die Bundesregierung versucht auf diesen gescheiterten Instrumenten aufbauend ein Asylrecht zu implementieren, dass das Land gegen Flüchtlinge abschotten und diese durch Androhung von Hunger und Obdachlosigkeit vor der Einreise nach Deutschland abschrecken soll. Die Unterstützer/innen der Kampagne „AufRecht bestehen“ sehen hier die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und die Abkehr des im Grundgesetz verankerten Ziels, die menschenwürdige Existenz aller sicherzustellen. Die Erwerbslosengruppen fordern die vollständige Rücknahme der Gesetzesverschärfung, ein modernes Einwanderungsgesetz und die Stärkung des Asylrechts für Schutzsuchende in diesem Land, auch wenn sie über Drittstaaten eingereist sind.