Einladung zur Informations- und Mobilisierungsveranstaltung im AZ Wuppertal am Mittwoch, den 19.02. Ab 20:00 Uhr (es gibt auch VoKü…)
Seit Mai letzten Jahres sind etwa 300 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Libyen auf Hamburgs Straßen und im permamenten Kampf mit dem SPD-geführten Senat der Stadt um ihr Bleiberecht. Bisher haben nur wenige politische Aktionen selbst organisierter MigrantInnen eine so breite Welle der Sympathie und Solidarisierung ausgelöst wie dieser Protest einer im Grunde zusammengewürfelten Gruppe meist westafrikanischer Männer, die das gemeinsame Schicksal teilen, über Jahre hinweg in Libyen gelebt und gearbeitet zu haben und durch den NATO-Krieg vertrieben worden zu sein. Erst über das Mittelmeer auf die Insel Lampedusa, dann anderthalb Jahre in verschiedenen italienischen Auffanglagern, aus denen sie schließlich wiederum auf die Straße gesetzt und weitergeschickt wurden, am dann schließlich nach Hamburg zu gelangen.
Keiner von ihnen hatte ursprünglich vorgehabt, nach Europa zu gehen – nun fordern sie ihr Recht ein, endlich sesshaft zu werden und einen Ort zum Bleiben zu bekommen. Sie pochen dabei – eine ungewöhnliche, aber effiziente Waffe – ausgerechnet auf das deutsche Aufenthaltsrecht – genauer gesagt, auf den Paragraphen 23 des Aufenthaltsgesetzes, der den Bundesländern, ergo auch dem Stadtstaat Hamburg – das Recht einräumt, bestimmten Flüchtlingsgruppen aus politischen Erwägungen heraus ein Aufenthaltsrecht zu erteilen.
Und die meisten Menschen in und außerhalb St. Paulis begegnen diesem Anliegen mit vollstem Verständnis : KünstlerInnen, GewerkschafterInnen, auch UnternehmerInnen, AnwohnerInnen aus dem Stadtteil, SchülerInnen und StudentInnen, Medienschaffende und JournalistInnen setzen sich für die Forderung der „Lampedusa in Hamburg”-Gruppe ein. Einzig der Hamburger Senat – namentlich der erste Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Neumann - stellt derartig auf stur, dass man meint, es ginge um die Verhinderung des Untergang des Abendlandes.
Und tatsächlich geht es um deutlich mehr als einfach um dreihundert junge Männer, die irgendwo wohnen und arbeiten wollen : Es geht darum, ob ein europäisches Regulierungssystem der Asylpolitik, das von Deutschland durchgesetzt wurde und von dem Deutschland profitiert, während die süd- und osteuropäischen Länder stöhnen… – ob also dieses vielfach kritisierte Regulierungssystem kippt oder nicht. Es geht um „Dublin II”, inzwischen abgelöst von der – weiter verschärften – „Dublin III”-Verordnung. Es ist nicht zuletzt dem Kampf der „Lampedusa in Hamburg” Gruppe zu verdanken, dass dieser Begriff inzwischen auch dem letzten zeitungslesenden Mensch in Deutschland nicht mehr erklärt werden muss.
Die SPD spielt in der europäischen Asylpolitik eine ähnlich unrühmliche Rolle wie in der Austeritätspolitik : Als sie noch in der Opposition war, vermied sie wenn möglich, überhaupt darüber zu reden ; wenn es sich nicht vermeiden ließ, wurde gelegentlich ein wenig verbal gepoltert und gerumpelt – um dann am Ende doch die schwarz-gelbe Abwehrpolitik vollständig mitzutragen. In den Bundesländern mit SPD-Regierung wurde die genuin deutsche Abschottungs – und Ausweisungspolitik stets bis aus Komma bürokratisch eiskalt durchexerziert. Jetzt, unter GroKo-Bedingungen, rückt ein Kurswechsel aus dem Reich des Unwahrscheinlichen ins Reich des So-gut-wie-Ausgeschlossenen.
Dennoch oder gerade deshalb gab es nicht nur in Hamburg zahlreiche Aktionen und Interventionen aus der antirassistischen Linken, die sich explizit an die SPD vor Ort richteten. Vielleicht in der Hoffnung, unter den einfachen SPDlerInnen aus den Orts- und Kreisverbänden doch noch Verbündete im Geiste zu finden, die ihr Gewicht als Partei-Basis in die Wagschale legen könnten – schließlich opponiert sogar der eine oder andere SPD-Bezirk in Hamburg gegen die harte Scholz/Neumann-Linie.
Auch das so_ko_wpt hat sich im Herbst letzten Jahres an einigen Aktionen in Wuppertal beteiligt und die NRW-Landtagsabgeordneten der SPD zur Stellungnahme aufgefordert. Leider kam vor dieser Seite (mit Ausnahme einer stieseligen bis unverschämten Antwort an die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen Wuppertal) keine Reaktion.
Gleichzeitig gibt es auf der Ebene der antirassistischen und FlüchtlingsaktivistInnen einen regen Austausch zwischen der „Lampedusa in Hamburg”-Gruppe und Wuppertaler AktivistInnen. Zu beiden Konferenzen von „Lampedusa in Hamburg” reiste Anfang Februar jeweils eine Delegation aus dem Bergischen nach Hamburg und diskutierte dort über Fluchtursachen, Verstöße gegen das Völkerrecht, koloniale Kontinuitäten und die oft erbärmlichen Bedingungen, unter denen Flüchtlinge in Europa und Deutschland leben müssen.
Am Mittwoch, dem 19.Februar, wird ein Vertreter der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen im Wuppertaler AZ über die Ergebnisse und Diskussionen dieser beiden Konferenzen berichten.
Die Veranstaltung soll darüberhinaus auch für die am 1.März geplante Groß-Demonstration von „Lampedusa in Hamburg” mobilisieren, über die Verschärfungen der Dublin II-Verordnung informieren und um praktische Solidarität werben.
Denn : Nicht allein in Hamburg sind Menschen von der „Dublin-Verordnung” betroffen und bedroht, quer durch Europa in Krisenländer zurück-abgeschoben zu werden. Auch in anderen Städten, auch in Wuppertal, treffen wir immer mehr Menschen, denen inzwischen sogar die Möglichkeit eines Asylverfahrens verwehrt wird.
Bis „Dublin” endlich kippt, ist wohl noch ein harter Weg zurückzulegen. Wenn wir ihn gehen wollen, dann nur Schulter an Schulter mit den Flüchtlingen, die diesem System ausgeliefert und am härtesten getroffen sind. Das heißt auch, ähnlich breit aufgestellte Netzwerke zu spinnen und zu pflegen und systematisch im eigenen Umfeld nach Menschen zu suchen, die bereit sind, gelegentlich ihre Wohnung, ihre Arbeit, ihr Einkommen, ihre Krankenkassenkarte oder schlicht auch mal ihr Abendessen mit jemanden zu teilen, der oder die unter die Räder einer unsolidarischen Wirtschafts- und Kriegslokomotive namens Europa gekommen ist.