Wieder faschistischer Terror : Fünf Tote in Solingen

 

Antifa­schis­ti­sche Nachrichten vom 04.06.1993
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Wieder faschis­ti­scher Terror :
Fünf Tote in Solingen

Vor wenigen Wochen erklärte der Solinger Oberbür­ger­meister (SPD) bei einer Podiums­dis­kus­sion, er sehe keine rechts­ra­di­kale Gefahr in Solingen. Die Aussage stieß schon da auf Kritik von Antifa­schisten und wurde inzwi­schen in schreck­li­cher Weise wider­legt. In der Nacht vom 28. auf den 29.5. starben in Solingen fünf Menschen bei einem Brand­an­schlag auf das seit zwölf Jahren von der türki­schen Familie Genç bewohnte Fachwerk­haus in der Innen­stadt. Zwei Frauen und drei Kinder im Alter von vier, neun und dreizehn Jahren. Drei weitere Bewohner wurden schwer verletzt. Nach Aussage von Zeugen liefen in der Nähe des Hauses unmit­telbar nach dem Ausbruch des Brandes mehrere Personen aus der Skinead-Szene weg.

Nach anfäng­li­chem Zögern geht auch die Bundes­an­walt­schaft, die die Ermitt­lungen an sich gezogen hat, von einem auslän­der­feind­li­chen Anschlag aus. Über ihre Ermitt­lungen wurde bis Montag jedoch kaum etwas bekannt. Sie verfolgt über 100 Hinweise aus der Bevöl­ke­rung und hat inzwi­schen mehrere Skinheads vernommen, ein 15-jähriger wurde festge­nommen. Der organi­sierte Faschismus scheint bei den Recher­chen jedoch keine Rolle zu spielen. Dabei gibt es in Solingen Faschisten mit guten Verbin­dungen u.a. zur Freien Wälhlergemein?schaft in Düssel­dorf und zur Deutschen Liga in Köln (siehe S. 2).

Der Solinger Brand­an­schlag hat in furcht­barer Weise deutlich gemacht, daß der faschis­ti­sche Terror in keiner Weise gestoppt ist. Nach 17 Toten im letzten Jahr gibt es in diesem Jahr allein bis Ende Mai acht. Offen­sicht­lich wollten die Täter - wie bei fast gleich­zei­tigen Anschlägen in München und Hannover - zwei Tage nach der Abschaf­fung des Asylrechts erneut Zeichen setzen. Staats­tra­gende Politiker und staat­liche Organe tragen für diese Situa­tion Verant­wor­tung. Auch wenn die Bundes­re­gie­rung inzwi­schen 100.000 DM Beloh­nung für Hinweise zur Ergrei­fung der Täter ausge­setzt hat, fühlen sich die Faschisten stark : Am Samstag Abend erhielt z.B. ein türki­sches Reise­büro in Solingen einen Drohbrief („Nur ein toter Türke.. ?”) per Telefax (!).

Der Solinger Oberbür­ger­meister ließ zwar ein Spenden­konto für die Familie einrichten, hielt es aber noch nicht einmal für nötig, das in dem nur wenige Kilometer entfernten Stadt­teil Solingen-Wald laufende „Pfingst­och­sen­fest” der Werbe­ge­mein­schaft zu stoppen. NRW-Minis­ter­prä­si­dent Rau (SPD) trat in einer ersten Stellung­nahme - ähnlich wie Bundes­prä­si­dent von Weisz­sä­cker (CDU) - für mehr „Nachbar­schaft” ein. Dabei haben die Nachbarn der Familie Genç wieder­holt die Polizei darauf hinge­wiesen, daß das „Bären­loch” hinter dem Haus ein Treff­punkt von Skinheads ist und sie sich bedroht fühlen -die Polizei unter­nahm nichts. Die rechten Gruppen, die sich im „Bären­loch” trafen, wußten dagegen bestimmt, daß in dem ausge­brannten Haus ausschließ­lich Ausländer wohnen.

Rund 10.000 Menschen demons­trierten noch am Samstag in Solingen. Auch an den folgenden Tagen fanden immer wieder antifa­schis­ti­sche Demons­tra­tionen statt. Sie waren bestimmt von Losungen wie „Erst stirbt das Recht, dann stirbt der Mensch” und Forde­rungen nach gleichen Rechten, doppelter Staats­bür­ger­schaft und Auflö­sung und Verbot faschis­ti­scher Organi­sa­tionen. Schwie­rige Situa­tionen mit rechten türki­schen Gruppie­rungen, die unter der türki­schen Natio­nal­fahne demons­trierten, blieben an den ersten beiden Tagen die Ausnahme. In der Nacht zum 31.5. wurden jedoch zahlreiche Geschäfte geplün­dert, es gab Straßen­schlachten mit der Polizei. Nach Aussage örtli­cher türki­scher Organi­sa­tionen, waren daran türki­sche Faschisten betei­ligt.

Es kommt jetzt darauf an, den Wider­stand für die oben genannten Forde­rungen zu stärken. Dazu sind in den nächsten Tagen in vielen Orten weitere Aktionen geplant, auch in Solingen.

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Politisch Verfolgte genossen Asyl…

 

Antifa­schis­ti­sche Nachrichten vom 21.05.1993
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Politisch Verfolgte genossen Asyl…

von Ulla Jelpke

Tag X” steht fest : Am 26. Mai wird der Bundestag über den sogenannten, „Asylkom­pro­miss” entscheiden. Ulla Jelpke von der Bundes­tags­frak­tion der PDS/LL hat zusam­men­ge­stellt, welche Maßnahmen beschlossen werden sollen und welche Konse­quenzen sie für Flücht­linge haben werden.

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht - falls sie es schaffen, in unser Land zu kommen.

Abs. 1 des neuen Art.16a verkündet großspurig und selbst­ge­recht „Politisch Verfolgte genieß.en Asylrecht”; die Absätze 2-5 strei­chen diesen Anspruch soweit zusammen, daß buchstäb­lich und praktisch nichts mehr davon übrig­bleibt. Erstellt werden Listen ‚sicherer Dritt­staaten” und Listen „verfol­gungs­si­cherer Herkunfts­länder”. Das Asylrecht wird umfas­send in den Dienst diplo­ma­ti­scher, politi­scher und wirtschaft­li­cher Inter­essen der BRD außen- und innen­po­li­ti­scher Art gestellt. Gegen Flücht­linge ist es konzi­piert als Fernhal­te­kon­zept im Rahmen europäi­scher Verein­ba­rungen mit ausufernden Abschiebe- und Einrei­se­ver­wei­ge­rungs­be­fug­nissen. Ablie­fern müssen Asylbe­wer­be­rInnen, manche bevor sie das werden können, dagegen alles, was hierzu­lande in gewisser Weise noch zur Privat­sphäre gehört : Finger­ab­drücke, Infor­ma­tionen über Reise- und Flucht­wege. Ihre Habe steht zur freien Durch­su­chung nach Anhalts­punkten über diese Wege den Behörden zur Verfü­gung

Der „Kompro­miss”: Statt Asylrecht - Reise­we­ge­kon­trolle

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht” lautet der Abs.1 des neuen Art.16a Grund­ge­setz. Dieser vorge­täuschten Rechts­ge­wäh­rung folgt der tatsäch­liche Rechts­entzug. In den Art. 2 - 5 wird das Asylrecht erwürgt. Engstens verknüpft sind in den Absätzen 2 bis 5 verfah­rens­recht­liche Regelungen, die ja unter dem Stich­wort „Rechts­we­ge­ga­rantie” heiß umstritten waren, weil hier ein weiterer Grund­ge­setz­ar­tikel (Art.19) betroffen war, mit politi­schen Entschei­dungen und Entschei­dungs­mög­lich­keiten. Tatsäch­lich also ist die Rechts­we­ge­ga­rantie für politisch Verfolgte - „falls sie es schaffen, in unser Land zu kommen .. „‚ - ebenfalls einge­schränkt und politi­schen und diplo­ma­ti­schen Erwägungen der Bundes­re­gie­rung, bzw. der Parla­ments­mehr­heit unter­worfen worden.

Dritt­staa­ten­re­ge­lung = sichere Dritt­staaten

Absatz 2 bestimmt, wer sich nicht auf Abs.1 berufen kann. Das sind alle die, die aus einem Land der Europäi­schen Gemein­schaft einreisen oder aus einem „anderen Dritt­staat”, in dem die Genfer Konven­tion und die Europäi­sche Menschen­rechts­kon­ven­tion Gültig­keit haben. Diese „anderen Dritt­staaten” werden durch Gesetz bestimmt. Sicher­ge­stellt wird in diesem Absatz aber auch, daß in den genannten Fällen, „aufent­halts­be­en­dende Maßnahmen” vollzogen werden können, auch wenn Wider­spruch gegen die Entschei­dung einge­legt worden ist. „Damit ist klarge­stellt”, so heißt es in der offizi­ellen Begrün­dung, „daß jeder Ausländer, der aus einem sicheren Dritt­staat einreist, keinen grund­recht­li­chen Anspruch hat, daß die von ihm vorge­brachten Asylgründe in der Bundes­re­pu­blik geprüft werden.”

Hat der Gesetz­geber nun einmal ein Land zu einem derar­tigen Dritt­staat erklärt, so wird in der Begrün­dung unmiß­ver­ständ­lich wieder­holt, kann auch keine „Vorwir­kung” „i.S. eines vorläu­figen Bleibe­rechts entstehen.” Das heißt, es gibt keinen Anspruch darauf, hier im Lande bleiben zu können. Ein einfa­cher Blick auf die Landkarte genügt, um zu sehen, daß die BRD von EG-Mitglieds­staaten und zu sicheren Dritt­staaten erklärten Ländern umgeben ist. Logische Folge : auf dem Landwege gibt es keine legale Möglich­keit mehr, einen Asylan­trag in der Bundes­re­pu­blik zu stellen. Es kann also unbegrenzt abgeschoben oder an den Grenzen zurück­ge­wiesen werden. Den so abgescho­benen oder zurück­ge­wie­senen Asylbe­wer­bern bleibt es dann unbenommen, von „außer­halb des Bundes­ge­bietes ihren Rechts­be­helf vor deutschen Behörden, bzw. Gerichten zu verfolgen” (Begrün­dung).

Die vorläufig letzte Liste „sicherer Dritt­staaten” lautet : Finnland, Norwegen, Öster­reich, Polen, Schweden, Schweiz, Tsche­chi­sche und alle EG-Staaten.

Sichere Herkunfts­länder

In einem weiteren Schritt wird der Vorrang der diplo­ma­ti­schen, außen- und innen­po­li­ti­schen Inter­essen der BRD quasi grund­ge­setz­lich veran­kert. Absatz 3 „eröffnet dem Gesetz­geber die Möglich­keit, verfol­gungs­freie Herkunfts­länder zu bestimmen.” Es entspricht durchaus den realen Verhält­nissen, daß die Türkei als ein derart sicheres Land den Wünschen von CDU/CSU entspre­chend, in die Liste aufge­nommen werden sollte. In letzter Sekunde vor der ersten Lesung wurde darauf verzichtet. Eine Liste von amnesty inter­na­tional macht aber deutlich, daß für alle anderen Länder, Bulga­rien, Ghana, Indien, Liberia, Nigeria, Pakistan, Rumänien, Togo, Zaire, die in der Diskus­sion sind, dieselben oder ähnliche Bedenken, wie im Falle der Türkei, geltend gemacht werden müßten.

Bis heute, wenige Tage vor der endgül­tigen Entschei­dung ist z.B. die Aufnahme Indiens noch umstritten ; der Auswär­tige Ausschuss empfiehlt die Aufnahme…

Krite­rien zur Bestim­mung der Sicher­heit eines derar­tigen Herkunfts­landes werden nur vage formu­liert. Es muß „gewähr­leistet erscheinen” daß „auf Grund der Rechts­lage, der Rechts­an­wen­dung und der allge­meinen politi­schen Verhält­nisse… dort weder politi­sche Verfol­gung noch unmensch­liche oder ernied­ri­gende Bestra­fung oder Behand­lung statt­findet:”

Hinzu­kommen soll als Krite­rium noch die Spruch­praxis im Verwal­tungs­ver­fahren in „einem überschau­baren Zeitraum”. Das bedeutet, die immer restrik­ti­veren bundes­deut­schen Anerken­nungs­quoten begründen selbst wieder einen „objek­tiven” Hinweis auf die Verfol­gungs­si­cher­heit.

Die Hürde für Asylbe­wer­berlnnen, dagegen im Asylver­fahren zu bestehen, ist extrem hoch. Sie können „geltend machen, entgegen der aus der gesetz­li­chen Bestim­mung folgenden Regel­ver­mu­tung ausnahms­weise politisch verfolgt zu sein.” Sie müssen „erheb­liche Tatsa­chen substan­ti­iert” vortragen, um eine Prüfung überhaupt errei­chen zu können. Das heißt also, nicht nur den Kopf unterm Arm tragen, sondern auch noch schrift­lich zu beweisen, daß dies eine Folge politi­scher Verfol­gung in einem ansonsten und den Gesetzen der BRD nach rechts­staat­lich vorge­henden politi­schen Partner­staat der BRD ist.

Die nicht endgül­tige Liste der „sicheren Herkunfts­länder : Bulga­rien, Gambia, Ghana, Polen, Rumänien, Senegal, Slowa­ki­sche Republik, Tsche­chi­sche Republik, Ungarn, Indien (CDU-Vorschlag und Empfeh­lung des Rechts­aus­schusses).

Verfah­rens­re­geln

Im Absatz 4 werden wiederum verfah­rens­recht­liche Einschrän­kungen für Asylbe­wer­berlnnen geregelt. Nur bei ganz ernst­haften Zweifeln werden Abschie­be­maß­nahmen ausge­setzt. In diesen Absatz 4 haben CDU/CSU auch einge­schmug­gelt, daß im allge­meinen abgeschoben werden darf bei dem Vorwurf schwere Straf­taten begangen zu haben oder beim Verstoß gegen „wesent­liche Mitwir­kungs­pflichten im Asylver­fahren.” Die Einschrän­kung der Rechts­we­ge­ga­rantie - eigent­lich Gegen­stand des Art.19 Grund­ge­setz -kann nach der Grund­ge­setz­än­de­rung „der einfache Gesetz­geber konkre­ti­sieren”. Absatz 5 schließ­lich stellt alle Regelungen in den Zusam­men­hang von Schengen und Dublin und ermäch­tigt die Bundes­re­gie­rung, entspre­chende Verträge mit anderen Staaten zu schließen. eine Fortset­zung der Politik der Verträge Schengen-Polen und BRD-Rumänien wird sozusagen grund­ge­setz­lich geneh­migt und zur zukünf­tigen Aufgabe gemacht.

Die sogenannten Begleit­ge­setze oder : was Sie schon immer befürchtet haben, hier wird es Gesetz

Das erste Paket, der „Entwurf für ein Gesetz zur Änderung asylver­farhrens-, ausländer- und staats­an­ge­hö­rig­keits­recht­li­cher Vorschriften”, passt die im Titel genannten Gesetze den neuen Erfor­der­nissen an. Das heißt : geregelt werden die Einrei­se­ver­hin­de­rungs- und Abschie­be­vor­schriften, die weitere Entrecht­li­chung der Flücht­linge und Asylbe­wer­be­rinnen. (Enthalten sind hier auch vorläu­fige Listen mit den „sicheren Dritt­staaten” und den (verfolgungs-),sicheren Herkunfts­län­dern”:) Hier toben sich die Asylbü­ro­kraten aus, die selbst mit besseren Geset­zes­vor­gaben die Rechte der Flücht­linge praktisch erwürgen würden. Ein Beispiel : Die sogenannte Flugha­fen­re­ge­lung : Zwischen der ersten und der zweiten/dritten Lesung spielte die sogenannte Flugha­fen­re­ge­lung in der öffent­li­chen Ausein­an­der­set­zung zwischen CDU und SPD eine gewisse Rolle. Ausgangs­punkt war die Frage, inwie­weit die abseh­bare Umlen­kung eines (kleinen) Teils der Flücht­linge von den Landgrenzen auf die Flughäfen verhin­dert werden könnte. Disku­tiert wurde die Einrich­tung von exter­ri­to­rialen, „inter­na­tio­nalen Zonen” nach franzö­si­schem Vorbild. Vor Betreten deutschen Bodens sollte die Berech­ti­gung zur Einreise, sprich der Reiseweg (sicheres Herkunfts­land, sicherer Dritt­staat, Boden­be­rüh­rung mit einem solchen) überprüft werden. Vor der Einreise soll so die Möglich­keit zur Zurück­wei­sung geklärt werden. Genau dieser Punkt ist aber bereits Konsens zwischen SPD und Regie­rungs­ko­ali­tion ; die Insze­nie­rung des Streits drehte sich bloß um die Frage, ob Zweifels­fälle (unter den oben genannten erschwerten Bedin­gungen) vor der Einreise ein Schnell­ver­fahren erhalten sollten.

Als Konsens steht im nunmehr verän­derten Auslän­der­ge­setz ein neuer Art.74 a : ‚Pflichten der Flugha­fen­un­ter­nehmer”. „Der Unter­nehmer eines Verkehrs­flug­ha­fens ist verpflichtet, auf dem Flugha­fen­ge­lände geeig­nete Unter­künfte zur Unter­brin­gung von Auslän­dern die nicht im Besitz eines erfor­der­li­chen Passes oder eines erfor­der­li­chen Visums sind, bis zum Vollzug der grenz­po­li­zei­li­chen Entschei­dung über die Einreise bereit­zu­stellen.” Gewähr­leistet werden soll damit, daß „der .Ausländer” nicht einreisen kann, um einen Asylan­trag zu stellen. Zuvor nämlich soll geprüft werden, ob er aus einem sicheren Dritt­land oder einem verfol­gungs­si­cheren Herkunfts­land kommt. Tut er das : ab mit ihm ! Fühlt er sich - entgegen der gesetz­li­chen Lage der Bundes­re­pu­blik- dennoch verfolgt, kann er ja von seinem Herkunfts- oder Durch­rei­se­land aus, sein Verfahren betreiben.

Neben den spezi­fisch bundes­deut­schen Zielen - Ausschluß vom Asylver­fahren, Verkür­zung des Asylver­fah­rens, Verhin­de­rung von Mißbräu­chen, Durch­füh­rung erken­nungs­dienst­li­cher Maßnahmen auch durch die Aufnah­me­ein­rich­tung und in den Fällen der Einrei­se­ver­wei­ge­rung und der Zurück­schie­bung (Punkte 1-3 der allge­meinen Begrün­dung) - bedeuten die Änderungen die „inner­staat­liche Umset­zung des Schen­gener Überein­kom­mens” und die Einpas­sung in das Dubliner Abkommen, sowie die in der Zwischen­zeit ausge­han­delten bilate­ralen Abkommen (z.B. mit Rumänien). So heißt es locker in der allge­meinen Begrün­dung. Und dahinter steckt das Einge­ständnis, daß die Bundes­re­gie­rung seit Jahren an europäi­schen Abkommen bastelt in vollem Bewußt­sein darüber, daß deren wesent­liche Bestand­teile gegen die geltende Verfas­sung verstoßen. Jetzt präsen­tiert sie Grund­ge­setz­än­de­rung samt Ausfüh­rungs­ge­setzen mit dem Argument, nur so sei den europäi­schen Erfor­der­nissen gerecht zu werden.

Der „Erfolg” der SPD besteht darin, daß im „Vorgriff” (Begrün­dung) auf eine umfas­sende Reform des Staats­an­ge­hö­rig­keits­rechtes jetzt schon mal die Gebühren für die Einbür­ge­rung gesenkt werden und auf die Forde­rung nach einheit­li­cher Staats­an­ge­hö­rig­keit in der Familie verzichtet wird. Punkt !

Ein zweiter Gesetz­ent­wurf der großen Koali­tion regelt die „Leistungen an Asylbe­werber” neu. „Die Beträge sind gegen­über den derzeit geltenden Sätzen gekürzt”, heißt es kurz und knapp. Das ~„Asylbe­wer­ber­leis­tungs­ge­setz”    ist ganz von der Sozial­hilfe abgekop­pelt und ist „den spezi­ellen Bedürf­nissen dieser Perso­nen­gruppe angepasst”. Diese „Perso­nen­gruppe” hat demnach das spezi­elle Bedürfnis nach „Leistungen grund­sätz­lich als Sachleis­tung. In begrün­deten Ausnah­me­fällen können sie in Form von Wertgut­scheinen, oder anderen vergleich­baren unbaren Abrech­nungen … erfolgen.” Zusätz­lich erhalten „Leistungs­be­rech­tigte bis zur Vollendung des 14. Lebens­jahres 40.-DM” und danach 80.- DM.

Ein §4 regelt die Arbeits­ge­le­gen­heiten. Denn die „Leistungs­be­rech­tigten” sollen (!) zur „Selbst­ver­sor­gung und zur Aufrecht­erhal­tung und Betrei­bung der Einrich­tung” arbeiten. Dafür gibt es 2.- DM/Stunde. Wer sich weigert, bekommt seine Zuschüsse gekürzt. Diese „motivie­rende” Aufwands­ent­schä­di­gung von 2.- DM (allge­meine Begrün­dung, S. 5) gibt es auch für den verpflich­tenden Arbeits­dienst bei kommu­nalen und gemein­nüt­zigen Trägern, der geschaffen werden soll. Dies - und die möglichst vollstän­dige Unter­brin­gung in Sammel­la­gern- sollen ein Leben nach dem „Grund­satz der Menschen­würde” sichern.

Fazit :

1. Diese Änderung des Grund­ge­setzes mit den dazuge­hö­renden Ausfüh­rungs­ge­setzen schafft das bishe­rige Asylrecht nicht nur ab - am Ende einer immer restrik­ti­veren Ausle­gungs­praxis. Die Änderungen verkehren das Asylrecht in ein bwehr­recht des Staates und einen Fernhal­te­me­cha­nismus gegen Flücht­linge, Migran­tInnen und Asylbe­wer­be­rInnen.

2. Die Bundes­re­gie­rung unter­läuft mit diesen Änderungen, der Konstruk­tion von Dritt­staaten, sicheren Herkunfts­län­dern und den diversen Rücküber­nah­me­ab­kommen (BRD-Rumänien, Schengen-Polen, BRD-Polen etc.) inter­na­tio­nale Abkommen wie die Genfer Flücht­lings­kon­ven­tion. Mit den genannten Regelungen sind nicht nur Ketten­ab­schie­bungen, d.h. das Weiter­schieben von Flücht­lingen ohne ein reguläres Verfahren - geprüft werden ja nur Reise­wege und Zustän­dig­keiten gemäß diverser Abkommen ; möglich ist aber auch die „legale” Abschie­bung in Verfol­ger­länder (Beispiel : ein irani­scher Flücht­ling, der über Polen einreist, wird dorthin zurück­ge­schoben. Der Iran ist für Polen kein Verfol­ger­land, also kann er weiter­ge­schoben werden…).

3. Auch bei inten­sivster Aufrüs­tung an den Grenzen wird es illegale Zuwan­de­rung geben ; die soziale und politi­sche Situa­tion der Illegalen - Migran­tInnen, Flücht­lingen und politisch Verfolgten im tradi­tio­nellen Sinne - wird sich erheb­lich verschlech­tern.

4. Im Inland werden Abschie­be­knäste, Abschiebe- und Zurück­schie­be­trans­porte das Bild bestimmen. Parami­li­tä­ri­sche BGS-Truppen an den Flughäfen und bald auch an Eisen­bahn­kno­ten­punkten, Razzien gegen Illegale und (Schnell-) Entschei­de­zen­tren bilden die „Asylin­fra­struktur”.

5. Schon jetzt sind die nach außen wirkenden Folgen der deutschen Asylge­setz­ge­bung zu sehen und zu spüren, Die östli­chen Nachbar­staaten (genauso übrigens für Westeu­ropa insge­samt die Maghreb­staaten, die im Prinzip dasselbe System übernehmen werden müssen) sind bei Strafe der Desta­bi­li­sie­rung und finan­zi­ellen Überfor­de­rung zur Kolla­bo­ra­tion gezwungen. D.h. sie müssen ihre gerade erst einiger­maßen geöff­neten Grenzen wieder schließen und dabei Konflikte der Grenz­be­völ­ke­rungen unter­ein­ander und mit Migran­tInnen und Flücht­lingen zwangs­läufig forcieren. Dort wo latente oder akute ethni­sche Konflikte existieren, werden sie ausbre­chen oder sie verschärfen. Der lange umkämpfte Vertrag zwischen Polen und der BRD über die Rücknahme von Flücht­lingen sieht vor, daß ein großer Teil der 120 Mio​.DM, die die BRD sich das Kosten lässt, in Grenz­an­lagen an Polens Ostgrenze gesteckt werden müssen (techni­sche Anlagen wie Infrarot u.ä. werden in der BRD einge­kauft).

Die BRD expor­tiert also nicht nur Flücht­linge in die Nachbar­länder ; sie expor­tiert gleicher­maßen den hier entwi­ckelten Umgang mit ihnen : Auslän­der­hass und -diskri­mi­nie­rung.

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