Sand im Getriebe

Während im Düssel­dorfer Flughafen soviele Menschen wie seit Langem nicht mehr wütend und laut gegen eine Sammel­ab­schie­bung demons­trieren, hebt gegen Mittag die Depor­ta­ti­ons­ma­schine nach Serbien ab. Die Zwangs-Passa­giere an Bord waren vorwie­gend Romafa­mi­lien – ein Klein­trans­porter aus Unna mit kleinen Kindern an Bord wurde für kurze Zeit am Gate blockiert. Viele von ihnen lebten seit vielen Jahren in Deutsch­land, die meisten Kinder dürften hier geboren und aufge­wachsen sein. Der Protest an einem Diens­tag­morgen machte so nochmals deutlich, warum diese Aktions­form an ein (vorläu­figes?) Ende geraten ist.

Der als « Last Call » bezeich­nete letzte Aufruf des Bündnisses « Abschie­be­stop Düssel­dorf » zu Protesten gegen eine Sammel­ab­schie­bung sorgte im Vorfeld für viel Aufmerk­sam­keit. Und tatsäch­lich kamen heute überra­schend viele Leute bereits sehr früh an die außer­halb des eigent­li­chen Flugha­fens gelegenen Gates, an denen die Klein­busse mit den abschie­be­be­drohten Menschen ankommen. Nach mehreren Monaten, in denen meist nur wenige Unter­stüt­ze­rInnen an den Gates gewesen waren, konnte deshalb heute nochmal der Wille gezeigt werden, die Abschie­bungen konkret zu verhin­dern. Doch auch die Polizei war vorbe­reitet : Die Blockade des Bullys aus Unna bei der Einfahrt in den Flughafen wurde nach kurzer Zeit gewaltsam aufge­löst. Andere Fahrzeuge, wie der neue große Depor­ta­ti­onsbus aus Biele­feld (Foto) waren bereits in aller Frühe – noch vor den meisten Aktivis­tInnen – in Düssel­dorf einge­troffen, oder wurden auf dem weitläu­figen Areal durch noch weiter entfernt liegende Gates auf das Gelände gebracht.

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Der leere Bus aus Biele­feld bei der Abreise.

Die lautstarke Demo in Terminal B bahnte sich im Anschluss wie gewohnt ihren Weg durch die auf ihren Abflug wartenden Reisenden und die in Düssel­dorf Ankom­menden, von zwischen­durch ruppigen Truppen der Polizei begleitet . Mit Redebei­trägen sollten die Anwesenden auf die Sammel­ab­schie­bung aufmerksam gemacht werden. Doch neben einzelnen Sympa­thie­be­kun­dungen gibt es entweder kaum Inter­esse für die Vorgänge auf dem Flughafen, oder die Abschie­bungen der Roma stoßen sogar auf Zustim­mung. Manchmal entsteht während der Runden durch die Wartenden der Eindruck, zu ihrer Bespa­ßung beizu­tragen – mit dem Wissen, dass die Maschine mit den Abgescho­benen während­dessen auf ihre Start­po­si­tion rollt, eine frustrie­rende Geschichte.

Es zeigt sich, dass die Strategie der von FRONTEX organi­sierten Charter­flüge aufgeht : In die Unsicht­bar­keit der entfernten Gates verbracht, bleiben die abgescho­benen Menschen für andere Reisende abstrakt und fern. Hinzu kommt, dass durch die richter­liche « Legali­sie­rung » der Demons­tra­tionen in den Flughäfen eine Einhe­gung der Empörung statt­ge­funden hat. Massive Polizei­prä­senz sorgt für ausrei­chenden Abstand beispiels­weise zum Schalter der Depor­ta­tion-Airline Air Berlin, sodass deren Angestellte wie auch das andere Flugha­fen­per­sonal den Protest inzwi­schen routi­niert über sich ergehen lassen. Wer häufiger bei den Protesten gewesen ist, kann zudem eine gewisse Ritua­li­sie­rung des Vorgangs nicht leugnen.

Bliebe das konkrete Eingreifen an den Gates. Doch das extrem weitläu­fige Gelände des Düssel­dorfer Flugha­fens lässt den Behörden zuviel Spiel bei der Abwick­lung der Abschie­bungen. Auch mit einer doppelten Anzahl an blocka­de­be­reiten Menschen ist dort kein Blumen­topf zu gewinnen. Schließ­lich : Kommen die Unter­stüt­ze­rInnen um acht, kommen die Busse mit den Roma eben um sechs. Das alles führte (unter anderem) zum jetzt ausge­spro­chenen Ende der regel­mä­ßigen Demons­tra­tionen im Düssel­dorfer Flughafen.

Doch es führt keines­falls zu einer Aufgabe. Im Gegen­teil : Zahl und Zorn der Demons­trie­renden sind ein Ausdruck des Willens, zukünftig etwas groberen Sand ins Getriebe der Abschie­be­ma­schine zu streuen und sie dabei hoffent­lich ordent­lich zu beschä­digen. Wenn es auf diesem Weg nicht geht, müssen eben andere Wege gefunden werden. Die, die Abschie­bungen durch­setzen und möglich machen, werden sich nicht länger auf bewährten Einsatz­kon­zepten ausruhen können. Die Diskus­sion über neue Aktions­formen und neue Mobili­sie­rungen hat längst begonnen und muss jetzt inten­si­viert werden. Für Verab­re­dungen dazu bleiben die bekannten Kontakt­ka­näle bestehen. Ein guter Anfang kann darin bestehen, die Vorbe­rei­tungen für die am 17.Mai am Düssel­dorfer Flughafen geplante zentrale Demons­tra­tion im Rahmen der « Blockupy-Aktions­tage » zu forcieren.

Stop Depor­ta­tion !

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Was in Kölle geht, soll im Mülheim nicht scheitern !

Alle für Kalle, Kalle für alle und Wissoll­straße erhalten !

Update (04.04.2014): Der Zwangs­räu­mungs­termin wurde vom Landge­richt Duisburg zunächst ausge­setzt. Die, sich aus dem Urteil des Amtsge­richts Mülheim vom 06.03.2014 ergebende Zwangs­voll­stre­ckung wird gegen gegen eine Sicher­heits­leis­tung einge­stellt. Das ist aber ledig­lich ein Etappen­er­folg in der Ausein­an­der­set­zung um die Häuser an der Wissoll­straße. Nach wie vor wird Tengel­mann aufge­for­dert, die Abriss­pläne aufzu­geben und den Dialog mit den Bewohner*innen der Wissoll­straße wieder aufzu­nehmen. Ob’s nächsten Mittwoch tatsäch­lich ohne Gerichts­voll­zieher abgeht, entscheidet sich Anfang der Woche.

Aktuelle Infos : wissoll​stras​se​er​halten​.wordpress​.com/

Im April stehen in der Region gleich zwei ganz beson­dere Zwangs­räu­mungs­ter­mine an, bei denen die Hilfe vieler Aktivis­tInnen gefor­dert ist, damit die Gerichts­voll­zieher nicht zum Zuge kommen. Für den 16.April ruft das Kölner Bündnis « Zwangs­räu­mung verhin­dern ! » mit dem Schlachtruf « Alle für Kalle, Kalle für alle ! » zum zweiten Mal alle auf, ins Agnes­viertel zu kommen, nachdem ihm am 20.Februar ein erster großer Mobili­sie­rungs­er­folg in NRW gelungen war : Die Zwangs­räu­mung von Kalle, der von seinem Vermieter mittels einer fragwür­digen Eigen­be­darfs­klage und infolge eines skandalös vermie­ter­freund­li­chen Urteils aus seiner Wohnung geworfen werden sollte, konnte durch den Wider­stand und das frühe Aufstehen von mehr als 200 Leuten erfolg­reich verhin­dert werden. Für den 16.April ist nun ein zweiter Räumungs­ver­such durch den Gerichts­voll­zieher angekün­digt worden. Nach der Schlappe am 20.Februar wird er wohl diesmal entschlos­sener vorgehen, es wird also wichtig sein, in der Unter­stüt­zung für Kalle nicht nachzu­lassen, sondern noch eine Schippe drauf­zu­legen.

Alle Infor­ma­tionen gibt es auf der Website des Kölner Bündnisses.

Eine Woche vorher, am 09.April, soll an anderer Stelle Miete­rInnen das Mobiliar vor die Tür gesetzt werden. Leider bisher weniger bekannt als der Kölner Fall ist die angedrohte Räumung der ehemals besetzten « Wissoll­straße » in Mülheim/Ruhr durch den Konzern Tengel­mann. Das seit 1995 bestehende alter­na­tive Wohnpro­jekt soll Neubau­plänen der Unter­neh­mens­gruppe weichen. Tengel­mann argumen­tiert mit einem « maroden Zustand » der drei Häuser, ein Urteil, das von den Bewoh­ne­rInnen absolut nicht geteilt wird. Die WG ist ihr Zuhause und sie ist es für viele Menschen vor ihnen schon gewesen (auch wir haben einen persön­li­chen Bezug zur « Wissoll­straße»). Für alle, die dort gelebt haben, waren die Häuser immer bewohnbar, günstig und absolut nicht « marode ». Doch auch hier folgte das Amtsge­richt vor zwei Wochen kritiklos der Argumen­ta­tion des Unter­neh­mens und sprach die Räumungs­ver­fü­gung aus. Dass diese bereits vier Wochen später in die Tat umgesetzt werden soll, ohne eine endgül­tige gericht­liche Klärung abzuwarten, spricht dafür, dass Tengel­mann vollendete Tatsa­chen schaffen will.

Doch die Bewoh­ne­rInnen der « Wissoll­straße » wehren sich und sind nicht gewillt, das Wohnpro­jekt zu verlassen. Sie brauchen eine möglichst breite Unter­stüt­zung, damit eines der wenigen alter­na­tiven Wohnpro­jekte der Region nicht von einem Großkon­zern hinweg­ge­fegt wird. Eine Blockade der Zwangs­räu­mung am 09.April wäre auch ein guter und ermuti­gender Auftakt für die zu erwar­tende Ausein­an­der­set­zung eine Woche später in Köln.

Um am 09.April aussichts­reich blockieren zu können, empfiehlt es sich, möglichst deutlich vor 08:00 Uhr in der Wissoll­straße in Mülheim zu sein. Eventuell ist es auch hilfreich, bereits am Abend vorher anzureisen. Platz dürfte in den bedrohten Häusern genügend vorhanden sein.

CREATOR: gd-jpeg v1.0 (using IJG JPEG v62), quality = 90Alle Infor­ma­tionen zur « Wissoll­straße » und Kontakt zu den aktuellen Bewoh­ne­rInnen finden sich auf der Website. (Hier erfahrt ihr auch jeder­zeit Neues, z.B., ob die letzten juris­ti­schen Versuche, den Termin zu verschieben, vielleicht doch erfolg­reich sind.)

Also alle hin da – Zwangs­räu­mungen verhin­dern !
1.Räumungsversuch in Mülheim, Wissoll­straße : Mittwoch, 09.April ab 0800
2.Räumungsversuch in Köln, Fontan­e­st­raße : Mittwoch, 16.April ab 0800

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