Know your Enemy ! Neue Veranstaltungsreihe des so_ko_wpt

Mit Beginn des Jhres starten wir eine neue Reihe von Veran­stal­tungen unter dem Titel „Politik in der Rechts­kurve”, die sich mit den (weltweiten) Tendenzen zu Natio­na­lismus und autori­tären Politik­kon­zepten befassen wird. Wir wollen versu­chen, Trennendes und Verbin­dendes verschie­dener rechter Politi­kent­würfe heraus­zu­finden und am Ende hoffent­lich auch die in Deutsch­land statt­fin­dende Hinwen­dung zu rechter Politik besser verstehen und bekämpfen können. Geplant sind zur Zeit Veran­stal­tungen zu den Philli­pinen, zur Türkei, zu Frank­reich und natür­lich auch zu Deutsch­land. Für die Veran­stal­tungs­reihe wurde eine eigene Website an den Start gebracht.

Hier ist der Ankün­di­gungs­text zur Veran­stal­tungs­reihe :

Die Politik scheint weltweit auf eine gefähr­liche Rechts­kurve zuzusteuern. Natio­na­lismus, gruppen­be­zo­gene Menschen­feind­lich­keit oder Angriffe auf Menschen­rechte gelten wieder als akzep­table Politik­kon­zepte. Mancher­orts werfen die Flieh­kräfte bereits ganze Gesell­schaften aus der Bahn. Wo das noch nicht passierte, wird die Fahrt dennoch sehenden Auges mit steigendem Tempo fortge­setzt. Das gerade begon­nene Jahr 2017 wird für die weitere Entwick­lung auf vielen Ebenen bedeu­tend sein : Für Europa werden u.a. die Wahlen in Frank­reich, den Nieder­landen und in Deutsch­land mitsamt der jewei­ligen Wahlkämpfe Auskunft darüber geben, ob sich die Furcht vor einer Rückkehr des Natio­na­lis­tisch-Völki­schen an die Macht bewahr­heitet.

Es wird viel darüber geschrieben, wie es zu dieser Entwick­lung kommen konnte. Vielfach fehlen jedoch richtige Beschrei­bungen der Heraus­for­de­rung und oft verbleiben Zustands­ana­lysen im allzu Ungefähren. Unprä­zise Bezeich­nungen der nach der Macht strebenden Akteure als “Rechts­po­pu­listen” oder infla­tionär verwen­dete Faschismus-Zuschrei­bungen sind die Folge. Dabei ist das Auftreten der rechten Bewegungen beinahe so divers wie die Gesell­schaften, die sie bekämpfen wollen. Nur schwer lassen sich beispiels­weise program­ma­ti­sche Überein­stim­mungen zwischen Wilders’ “Partij voor de Vrijheid” in Holland oder der polni­schen “Prawo i Sprawi­ed­li­wocz” (PIS) konstru­ieren und Donald Trump und Tayip Erdogan verbindet auf den ersten Blick allen­falls ihre gestörte Selbst­wahr­neh­mung.

Eine monokau­sale Betrach­tung der politi­schen Entwick­lung ist daher nicht erfolg­ver­spre­chend. Die vor uns liegende Heraus­for­de­rung erfor­dert eine diffe­ren­zier­tere Analyse. Ein genauerer Blick auf die Unter­schiede und unter­schied­liche gesell­schaft­liche Bedin­gungen ist nötig, um trans­na­tional Gegen­kon­zepte zu entwi­ckeln. Zum neuen Jahr bieten wir deshalb mit der Reihe « Politik in der Rechts­kurve » mehrere Veran­stal­tungen an, die sich mit den verschie­denen Ausprä­gungen aktueller rechter Politik beschäf­tigen.

Derzeit festste­hende Veran­stal­tungs­ter­mine :

Die Philli­pinen unter Rodrigo Duterte mit Niklas Reese
Sonntag, 22,1.2017 um 17:00 Uhr im Café ADA, Wiesen­straße 6, Wuppertal-Elber­feld

Die Türkei nach dem Referendum mit Ismail Küpeli
Donnerstag, 27,4.2017 um 20:00 Uhr im Café ADA, Wiesen­straße 6, Wuppertal-Elber­feld

Frank­reich zwischen den Wahlen mit Bernard Schmid
Freitag, 26.5.2017 8m 20:00 Uhr im Café ADA, Wiesen­straße 6, Wuppertal-Elber­feld

 

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VA-Bericht : Krieg gegen Jugendliche und eine Idee

Bericht zur Veran­stal­tung « Endlose Gewalt­spi­rale - der Krieg in der Türkei, in Kurdi­stan und Syrien » mit Ismail Küpeli am 3.März im ADA.

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Der Krieg der türki­schen Regie­rung gegen kurdi­sche Menschen findet in den deutschen Medien noch immer wenig Raum. Aufgrund der schwie­rigen Bedin­gungen für Journalist*innen im Kriegs­ge­biet und in den belagerten Städten fehlen authen­ti­sche Berichte fast ganz. Was über Korre­spon­denten und Agenturen den Weg in die großen Medien findet, unter­liegt einer von der Bundes­re­gie­rung vorge­geben Linie der Zurück­hal­tung. Es hat uns deshalb beson­ders gefreut, dass am letzten Donnerstag über 50 Menschen den Weg in das ADA in Wuppertal-Elber­feld fanden, um Ismail Küpeli zuzuhören, einem der wenigen Journa­listen, die ihren Fokus auf die Gescheh­nisse in der Türkei richten. Häufig auch von großen Medien für Inter­views angefragt und u.a. für das „Neue Deutsch­land” schrei­bend, infor­miert er soweit möglich unabhängig aus dem Propa­gan­da­ge­flecht von staat­li­cher türki­scher Zensur und auch vorhan­denen kurdi­schen Inter­essen – auch auf seinem Twitter-Kanal.

Was die Zuhörer*innen zu hören bekamen, hinter­ließ bei vielen Ratlo­sig­keit und eine Mischung aus Zorn und Traurig­keit. Dafür waren weniger die Berichte von Kriegs­greueln aus Cizre oder Sur verant­wort­lich, sondern eher die von Ismail Küpeli sehr nachvoll­ziehbar geschil­derte fehlende Perspek­tive für eine andere Option als einen weiter eskalie­renden Krieg in der Türkei. Nicht einmal ein mögli­cher Genozid an der kurdi­schen Bevöl­ke­rung erscheint mittler­weile unvor­stellbar. Ismail Küpeli machte das vielmehr davon abhängig, ob die türkisch-natio­na­lis­ti­schen Spezi­al­ein­heiten, die den Krieg im Südosten der Türkei führen, sich verselbst­stän­digen und die „Arbeit”, die sie in den 1990er-Jahren begonnen hatten, ungebremst werden fortsetzen und ausweiten können. Diese Einheiten führten und führen einen ethni­schen Krieg gegen die Kurd*innen, ihre in den Ruinen beschos­sener Orte hinter­las­senen Botschaften sprechen eine überdeut­liche Sprache.

Während der Diskus­sion wurde jedoch deutlich, dass der von Erdogan wieder­be­gon­nene Krieg nicht in erster Linie ein ethni­scher ist, sondern dass es sich vielmehr um den Versuch handelt, die vor allem im Norden Syriens, in Rojava, sichtbar gewor­dene kurdi­sche politi­sche Idee einer basis­de­mo­kra­ti­schen und egali­tären Gesell­schaft zu vernichten. Darauf weist z.B. die Auswahl der vom türki­schen Militär belagerten kurdi­schen Städte hin - durchweg Hochburgen der PKK und der kurdi­schen Bewegung.

Der Friedens­pro­zess endete mit dem Kampf um Kobane

Rückbli­ckend lässt sich sagen, dass der Friedens­pro­zess zwischen der AKP-Regie­rung und PKK wahrschein­lich schon seit dem Herbst 2014, dem Kampf um Kobane, tot gewesen ist, so Küpeli. Die Bedro­hung, die die Revolu­tion der Kurd*innen in Rojava für Erdogan darstellt, sei von vielen unter­schätzt worden. Die Ergeb­nisse der regulären Parla­ments­wahl im Juni 2015, bei der die linke türkisch-kurdi­sche HDP mit über 13% ins Parla­ment einzog, waren zwar Auslöser für Erdogans Feldzug gegen die kurdi­sche Bewegung – doch alle, die danach erwartet hatten, dass nach der für Erdogan erfolg­rei­cheren Neuwahl im November 2015 eine Phase der Beruhi­gung einsetzten würde, hätten sich geirrt, so Küpeli, auch er selber. Im Gegen­teil : Ende 2015 wandelte sich die immer stärkere Repres­sion gegen Linke und Kurd*innen in der Türkei zum offenen Krieg, nachdem bis dahin alle Versuche geschei­tert waren, die kurdi­sche Selbst­ver­wal­tung in Nordsy­rien durch externe Kräfte zu besiegen oder indirekt zu schwä­chen.

Weder die IS-Kämpfer noch die zwischen­zeit­lich mit viel Pathos durch die Türkei gelei­teten Peschmerga von Barzani oder die von der Türkei massiv unter­stützten syrischen Al Quaida Ableger waren in der Lage, an der starken Stellung der kurdi­schen PYD und der Stärke der Selbst­ver­tei­di­gungs­mi­lizen YPG und YPJ viel zu ändern - im Gegen­teil. Den PKK-nahen Kurd*innen in Rojava gelang es, Kobane zurück­zu­er­obern und zuneh­mend selber militä­ri­sche Erfolge zu erzielen. Spätes­tens mit der Einnahme von Tel Abyad (Giré Spi), mit der eine Verbin­dung der zuvor vonein­ander isolierten selbst­ver­wal­teten kurdi­schen Kantone Cizere und Kobane geschaffen wurde, lösten sie bei der türki­schen Regie­rung Panik aus. Verstärkt wurde diese Panik durch das Agieren PKK-naher kurdi­scher Jugend­mi­lizen (YDG-H) in einigen Städten im türki­schen Südosten. Deren Versuche, die Ideen einer Selbst­ver­wal­tung von Rojava z.B. nach Cizre oder Diyarbakir zu übertragen, verstärkten den Handlungs­druck.

Die Bruta­lität, mit der die türki­sche Regie­rung im Südosten auch gegen Zivilisten vorgeht, ist nicht Ausdruck von Vernich­tungs­wille gegen­über „den Kurd*innen” - es ist vielmehr der brachiale Versuch, der Idee einer föderalen Türkei mit multi-religiöser und multi-ethni­scher Selbst­ver­wal­tung durch eine „Bestra­fung” aller mögli­chen Unterstützer*innen die Basis zu entziehen. Sie ist von der despe­raten Hoffnung geleitet, Kurd*innen und Bewegung vonein­ander trennen zu können, wenn der Terror nur groß genug ist. Auch darin ist sicher­lich ein Grund dafür zu suchen, warum die PKK-Führung in den nordira­ki­schen Kandil­bergen bisher eher zurück­hal­tend reagierte und den städti­schen Wider­stand bisher meist den ortsan­säs­sigen Jugend­mi­lizen überlassen hat. Eine durch die PKK provo­zierte weitere Verschär­fung des Krieges für die Zivil­be­völ­ke­rung würde dem Plan Erdogans, der kurdi­schen Bewegung die Grund­lage in der Bevöl­ke­rung zu nehmen, entge­gen­kommen. Dennoch wird die PKK schon in abseh­barer Zeit gezwungen sein, aktiver zu werden, wenn sie auf Dauer nicht radika­leren Gruppen wie der TAK das Feld überlassen will. Mit dem Beginn der von Cemil Bayik angekün­digten „Frühjahrs­of­fen­sive” der PKK sei wohl rund um das Neujahrs­fest Newroz am 21.März zu rechnen, so Küpeli.

Dies, vor allem aber die auf weitere Eskala­tion angelegte türki­sche Politik, die keinerlei Friedens­willen zeigt, lässt die Lage hoffnungslos erscheinen. Auch mit Druck von außen ist nicht zu rechnen. Das machte der zweite wichtige Punkt der Veran­stal­tung deutlich : Die Unter­stüt­zung der deutschen Politik für die Türkei, die laut Ismail Küpeli weit über das hinaus­geht, was manche mit ohren­be­täu­bendem Schweigen umschreiben. Küpeli sieht das als Unter­trei­bung an und wandte sich gegen die auch am Donnerstag zu verneh­menden Stimmen, die reflex­haft auf die USA als verant­wort­li­chem Akteur verweisen, dabei aber die Bedeu­tung der deutschen Unter­stüt­zung für Ankara ignorieren.

Deutsch­land steht fest entschlossen an der Seite Ankaras

Die Rolle der USA ist höchst ambiva­lent in diesem Fall : Ohne die militä­ri­sche Unter­stüt­zung der USA hätten die Kurd*innen den Kampf um Kobane nicht gewinnen können, und die Unter­stüt­zung Washing­tons für die YPG/YPJ und die unter kurdi­schem Kommando in Syrien operie­rende arabisch-kurdi­sche SDF hält weiter an. Neueste Meldungen zu zwei von den USA erbauten Militär- und Zivil-Flughäfen in Rojava deuten ebenfalls darauf hin, dass die USA entschlossen sind, dem Einfluss Ankaras in Syrien etwas entge­gen­zu­setzen. Das zeigt sich auch abseits des Militä­ri­schen : Ohne die Weige­rung der USA, die kurdi­sche YPG für den Februar-Anschlag von Ankara verant­wort­lich zu machen, hätte die BRD die syrischen Kurd*innen wahrschein­lich auf die EU-Terror­liste gesetzt und deren Unterstützer*innen in Deutsch­land krimi­na­li­siert. Die Razzia im « Korn », einem unabhän­gigen Zentrum in Hannover, wies bereits in Richtung einer zuneh­menden Repres­sion gegen die kurdi­sche Bewegung.

Von der Bundes­re­gie­rung ist anderes nicht zu erwarten. Sie ist nicht nur wegen der anhal­tenden Migra­ti­ons­be­we­gung fest dazu entschlossen, an der Seite Erdogans zu stehen, womit sie sich in eine über hundert­jäh­rige Tradi­tion stellt, wie zuletzt mehrere Veran­stal­tungen im ADA zum Gedenken an den Genozid an den Armenier*innen aufzeigten. Die Partner­schaft mit der Türkei äußert sich dabei tradi­tio­nell nicht nur in zugesagten Finanz­mit­teln und in einer konti­nu­ier­li­chen Bewaff­nung türki­scher Sicher­heits­or­gane, sie zeigt sich vor allem auch bei der Verfol­gung türki­scher und kurdi­scher Opposi­tion in Deutsch­land.

Nirgendwo in Europa werden mehr türki­sche oder kurdi­sche Menschen vor Gericht gestellt als in Deutsch­land. Wie die Repres­sion gegen türki­sche und kurdi­sche Linke in Deutsch­land abläuft und welche Inhalte die regel­mä­ßigen Konsul­ta­tionen deutscher und türki­scher Geheim­dienste und Polizei­stellen haben, lässt sich am Beispiel unserer Freundin Latife gut darstellen, die wegen « Mitglied­schaft in einer terro­ris­ti­schen auslän­di­schen Verei­ni­gung » aufgrund des §129b in Düssel­dorf vor Gericht steht, und deren Verhaf­tung auf dem Höhepunkt der Gezi-Proteste und unmit­telbar nach einer jener Konsul­ta­tion der Polizei­be­hörden in Ankara erfolgte. Über das « Europäi­sche Auslie­fe­rungs­ab­kommen » mache sich die BRD sogar zum Richter über Menschen, die überhaupt nicht in Deutsch­land leben, indem sie z.B. die Auslie­fe­rung türki­scher Opposi­tio­neller aus Frank­reich oder Griechen­land an Deutsch­land beantrage und sie hier aufgrund des §129b verur­teile, wie einer von Latifes Anwälten am Donnerstag ergänzte.

Die abschlie­ßenden Worte eines der Mitver­an­stalter richteten sich deshalb auch an die radikale deutsche Linke. Zwar sei es bedau­er­lich, dass die Wieder­an­nä­he­rung zwischen kurdi­scher Bewegung und radikaler Linken, die mit der Aufmerk­sam­keit für den Kampf um Kobane 2014 begonnen habe, inhalt­lich nicht habe abgeschlossen werden können. Angesichts einer auch für Deutsch­land zu erwar­tenden Zunahme der Repres­sion gegen kurdi­sche Organi­sa­tionen und Menschen sei es jetzt wichtig, solida­risch zu sein und am Aufbau gemein­samer Struk­turen mitzu­wirken. Auch wenn wenig Möglich­keiten bestehen, auf das Geschehen in der Türkei und Kurdi­stan einzu­wirken, bedeute das nicht, dass nicht zumin­dest hier agiert werden könne. Eine erhöhte Aufmerk­sam­keit für laufende und zukünf­tige §129-Verfahren sei da ein Anfang.

Ergän­zung : Wie sehr die in Deutsch­land betrie­benen Verfahren nach dem §129b politi­sche Verfahren sind, wurde zuletzt in der Begrün­dung des 5.Strafsenats am OLG Düssel­dorf im Prozess gegen unsere Freundin Latife deutlich, mit der der Antrag ihrer Vertei­diger auf Einstel­lung des Verfah­rens zurück­ge­wiesen wurde : siehe „Das politi­sche Primat”

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