Perspektiven einer neuen Solidarität

Veran­stal­tungen und Diskus­sionen zu Kurdi­stan in Wuppertal

Mit diesem Beitrag stellen wir einen Audio­mit­schnitt der Podiums­dis­kus­sion zum « Projekt Rojava » und zur Rolle der Türkei im Krieg der IS-Milizen gegen die kurdi­sche Bevöl­ke­rung zum Nachhören zur Verfü­gung. Bei der Veran­stal­tung am 19.Oktober disku­tierten Ayten Kaplan und Ismail Küpeli im Hayat mit uns. Weitere Veran­stal­tungen zum Thema alter und neuer deutsch-kurdi­scher Solida­rität sind bereits in Vorbe­rei­tung. Zunächst gibt es am morgigen Samstag, den 1.November, im Rahmen des « inter­na­tio­nalen Aktions­tages für Kobanê » einen Rückblick auf solida­ri­sche Struk­turen der alten BRD. Dabei versu­chen wir, uns Andrea Wolf zu nähern, die als « Ronahî » für die PKK kämpfte, und am 23.Oktober vor sechzehn Jahren vom türki­schen Militär ermordet wurde. Zwei Wochen später – am 15.November – veran­staltet das « Multi­Kulti » an der Hochstraße in Wuppertal-Elber­feld außerdem ein Follow-Up zu unserer Podiums­dis­kus­sion, bei dem u.a. erneut mit Ayten Kaplan vom Frauen­büro CENÎ über die aktuelle Situa­tion in Rojava und Shingal und über Perspek­tiven einer „neuen Solida­rität” geredet werden soll.

Die Diskus­sion am 19.Oktober.
Ein zweistün­diger Anfang.

Für die Podiums­dis­kus­sion zum « Projekt Rojava » und zur Rolle der Türkei im altehr­wür­digen « Hayat » auf dem Ölberg in Wuppertal-Elber­feld vor etwa 70 inter­es­sierten Zuhörer*innen gab es ein Drehbuch, das einen Rundum­blick zur Situa­tion in Rojava, zur Rolle der Türkei und zum politi­schen Projekt des « demokra­ti­schen Konfö­de­ra­lismus » ermög­li­chen sollte. Als Veranstalter*innen hatten wir zudem den Wunsch, die Entwick­lung deutsch-kurdi­scher Solida­rität zu beleuchten, die sich in den letzten Jahrzehnten merklich abgekühlt hatte. Bei dem strammen Programm war es vorher­zu­sehen, dass nicht alle Punkte zur Zufrie­den­heit aller würden bespro­chen werden konnten. Speziell das sich neu entwi­ckelnde kurdisch-deutsche Verhältnis kam bei der Diskus­sion am Ende dann auch etwas kurz.

Es war ein hochin­ter­es­santer und teilweise auch emotio­naler Abend, der sich in der ersten Stunde haupt­säch­lich mit geostra­te­gi­schen Fragen und speziell mit der Inter­es­sen­lage der türki­schen Regie­rung im Krieg zwischen den Milizen des « Islami­schen Staates » und den Kurd*innen im syrischen Teil Kurdi­stans befasste. In der zweiten Stunde der Veran­stal­tung lag der Fokus dann auf dem politi­schen Projekt in Rojava und Nordkur­di­stan (in der Türkei). Es ging um Einschät­zungen zur weiteren Entwick­lung des kurdisch-türki­schen Konflikts und um mögliche Auswir­kungen auf die Demokra­ti­sie­rung in den kurdi­schen Gebieten. Im Mittel­punkt stand der Wandel der kurdi­schen Arbei­ter­partei (PKK) von einer dogma­tisch marxis­tisch-leninis­ti­schen zu einer eher antiau­to­ri­tären und auf eine nicht­staat­liche Basis­de­mo­kratie hinar­bei­tenden Organi­sa­tion. Während Ayten Kaplan und andere den politi­schen Wandel als folge­rich­tige theore­ti­sche Neuaus­rich­tung nach dem Ende des « real existie­renden Sozia­lismus » ansahen, gab Ismail Küpeli zu bedenken, dass dem Wandel auch eine militä­ri­sche und politi­sche Stagna­tion voraus­ge­gangen war, der die PKK zu Änderungen gezwungen habe. Unstrittig waren die gesell­schaft­li­chen Fortschritte die trotz der in Syrien herrschenden Kriegs­be­din­gungen in Rojava erreicht werden konnten. Ayten Kaplan betonte dabei vor allem die beson­dere Wichtig­keit der Rolle der Frauen in der kurdi­schen Gesell­schaft, die eine Voraus­set­zung zur Errei­chung weiter­rei­chender Ziele sei.

Klar wurde bei der Veran­stal­tung, dass es weit mehr bedarf als einer einzigen Diskus­si­ons­runde, um die politi­schen Entwick­lungen in Kurdi­stan wirklich zu beurteilen, nachdem es in weiten Teilen der deutschen Linken über viele Jahre kaum noch Inter­esse an der Politik der PKK gegeben hatte. Auch die Ausbil­dung einer neuen Solida­rität, sowohl in Bezug auf die kurdi­schen Kämpfe, aber auch in Bezug auf eine neue gemein­same Basis hier, erfor­dert mehr Zeit und einen weiteren Austausch. Angesichts der Entwick­lungen – im Mittleren Osten, aber auch in Deutsch­land – erscheint eine gegen­sei­tige neue Solida­rität aller­dings notwen­diger denn je. Und Gelegen­heit zum Austausch besteht schon in den nächsten Wochen zweimal :

Veran­stal­tung und Lesung zu Andrea Wolf
Solida­rität gestern und heute.

Samstag, 1.Nov., 20 Uhr, Multi­Kulti, Hochstraße 53c, Wuppertal-Elber­feld

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Jahre­lang war Andrea Wolf in der radikalen Linken der alten Bundes­re­pu­blik aktiv – zuerst in München, später in Frank­furt. Als militante Aktivistin aus autonomen Bezügen der achtziger und frühen neunziger Jahre erlebte sie die bundes­deut­sche Repres­si­ons­ma­schine und verbrachte mehrfach einige Monate ihres Lebens in (Unter­su­chungs-) Haft. Doch Andrea Wolf erlebte auch die Krise der radikalen Linken mit, die (auch) infolge der Ereig­nisse zu Beginn der neunziger Jahre mit Wieder­ver­ei­ni­gung und dem « Ende der Geschichte » weiteren politi­schen und militanten Aktivismus zuneh­mend erschwerte.

Als sie von einem 129er-Verfahren wegen einer angeb­li­chen Betei­li­gung am Anschlag auf den neuen Knast in Weiter­stadt bedroht wurde, entschloss sie sich, die BRD zu verlassen und sich dem kurdi­schen Wider­stand anzuschließen. Ende 1996 ging sie « in die kurdi­schen Berge », besuchte ein Ausbil­dungs­lager der Arbei­ter­partei Kurdi­stans (PKK) und betei­ligte sich anschlie­ßend zunächst im inner­kur­di­schen Bürger­krieg im Nordirak in den Reihen einer Einheit der YAJK – dem Freien Frauen­ver­band Kurdi­stans. Später kämpfte sie als « Ronahî », ihrem Nom de Guerre, auch gegen die türki­sche Armee in Nordkur­di­stan. Bei einem Gefecht in Ost-Anato­lien, bei dem bis zu 40 PKK-Guerillas ihr Leben verloren, wurde sie schließ­lich am 23.10.1998 lebend gefangen genommen. Sie überlebte die Gefan­gen­nahme jedoch nicht. Mit anderen wurde « Ronahî » vom türki­schen Militär zu Tode gefol­tert.

Wir wollen uns der Person Andrea Wolf mit unserer Veran­stal­tung am 1.November im Multi­Kulti annähern. Wenige Tage nach dem 16.Jahrestags ihrer Ermor­dung wollen wir jedoch nicht nur der Person « Ronahî » gedenken, sondern auch versu­chen, Grund­lagen militanter Solida­rität in den 90er-Jahren zu beleuchten. Dazu haben wir Wegge­fährten von Andrea einge­laden aus ihren gemein­samen Erfah­rungen zu berichten. Außerdem wird aus dem vergrif­fenen Buch « Im Dschungel der Städte, in den Bergen Kurdi­stans » gelesen werden. Die Veran­stal­tung, die im Rahmen des « inter­na­tio­nalen Aktions­tages für Kobanê” statt­findet, soll uns einen Einblick in die Unter­schiede und Gemein­sam­keiten trans­na­tio­naler Solida­rität gestern und heute geben. Der Eintritt ist frei, die Veran­stal­tung beginnt gegen 20 Uhr.

Wie lässt sich eine neue Solida­rität verfes­tigen ?
Info-Veran­stal­tung zu Kurdi­stan

Samstag, 15.Nov., 20 Uhr, Multi­Kulti, Hochstraße 53c, Wuppertal-Elber­feld

11.15

Nach der ersten Runde mit einer Podiums­dis­kus­sion zum « Projekt Rojava » und zur Rolle der Türkei im Krieg der IS-Milizen gegen die kurdi­sche Bevöl­ke­rung im Hayat am 19.Oktober, folgt knapp einen Monat später ein zweiter Infoabend zur aktuellen Lage in Rojava und Shingal, dem (ehemals) mehrheit­lich von Yeziden bewohnten Gebiet im Nordirak. Neben der Infor­ma­tion zur Situa­tion der bedrohten kurdi­schen Siedlungs­ge­biete soll auch die politi­sche Entwick­lung thema­ti­siert werden : Wie hoch ist der Preis, den die Revolu­tion in Rojava für die lebens­not­wen­dige militä­ri­sche Unter­stüt­zung zu zahlen hat ? Wie verän­dert der Krieg die noch jungen Struk­turen der Selbst­ver­wal­tung in Rojava ? Gibt es neue Allianzen zwischen den Akteuren aller kurdi­scher Siedlungs­ge­biete, oder drohen ein « Roll-Back » und neue inner­kur­di­sche Ausein­an­der­set­zungen ? Welche Chancen hat die einge­lei­tete kurdi­sche Demokra­ti­sie­rung im geostra­te­gi­schen Inter­es­sen­ge­flecht und wie können in Deutsch­land neu entstan­dene solida­ri­sche Struk­turen verfes­tigt werden ?

Diese Fragen sollen bei der vom « Multi­Kulti » organi­sierten Diskus­sion neben anderen u.a. mit Ayten Kaplan (CENÎ, Kurdi­scher Frauenrat) bespro­chen werden. Damit soll der am 19.10. begon­nene Prozess einer Annähe­rung deutscher und kurdi­scher Linker in Wuppertal fortge­setzt und vertieft werden. Der Eintritt ist frei, die Diskus­sion beginnt gegen 20 Uhr.

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Kobanê ruft zur Tat ! Aufruf zur Demo in Düsseldorf

Heute Mittag erreichten uns die bitteren Nachrichten vom Fall des YPG/YPJ-Haupt­quar­tiers in der seit Wochen belagerten Stadt Kobane in Rojava. Es wird noch gekämpft in der Stadt. Vertei­digt werden nicht nur die Menschen, sondern auch ein emazi­pa­to­ri­sches Projekt. Wir fordern alle emanzi­pa­to­ri­schen Kräfte auf, sich mit dem Wider­stand in Rojava zu solida­ri­sieren !

Für den morgigen Samstag – 11.Oktober –  wird von einer Vielzahl von Organi­sa­tionen zu einer bundes­weiten Solida­ri­täts­demo für den Wider­stand in Rojava und in der Stadt Kobane aufge­rufen. Wir schließen uns dem Aufruf des Antifa AK Cologne an, den wir hier dokumen­tieren :

Biji Berxwe­dana Kobanê !
Es lebe der Wider­stand in Kobanê !

Demokra­ti­sche Selbst­ver­wal­tung statt IS-Dschi­ha­dismus !

Kurdish girl shouts slogans as thousands of Turkish Kurds gather to celebrate Newroz in Diyarbakir

Die Todes­banden der selbst­er­nannten “Gotteskrieger*innen” des “Islami­schen Staates” (IS) sind seit der Nacht vom fünften auf den sechsten Oktober in die kurdi­sche Stadt Kobanê einge­fallen – es droht ein Massaker an der dort verblie­benen Bevöl­ke­rung. Weltweit haben Kurd*innen seit Wochen an die Weltöf­fent­lich­keit appel­liert, ihnen das Recht zur Selbst­ver­tei­di­gung und des Schutzes ihres Lebens einzu­räumen. Doch die Welt schweigt.

Die kurdi­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräfte Yekîneyên Paras­tina Gel (YPG) und die Frauen­ver­tei­di­gungs­kräfte Yuh-Pah-Juh (YPJ) vertei­digen Kobanê bis zur letzten Patrone gegen den Ansturm der hochge­rüs­teten Dschihadist*innen des „Islami­schen Staates“. Mit veral­teten Waffen, Mut und sehr viel Entschlos­sen­heit gelang es ihnen, den Vormarsch zu verlang­samen. Dabei vertei­digen die YPG/YPJ zur Stunde in Kobanê nicht nur ihr eigenes Leben und das Leben der Bevöl­ke­rung, sondern die kurdi­sche Selbst­ver­wal­tung und deren emanzi­pa­to­ri­schen Errun­gen­schaften wie Basis­de­mo­kratie und Frauen­par­ti­zi­pa­tion. In Kobanê kämpfen die Menschen nicht nur für das Leben, sondern vertei­digen die Idee der univer­sellen Humanität.

Die Wahrheit ist konkret. – Demokra­ti­sche Selbst­ver­wal­tung oder IS-Dschi­ha­dismus ?

Der Terror des Assad-Regimes und der Bürger*innenkrieg in Syrien haben ein unermess­li­ches Leid über die Bevöl­ke­rung gebracht und Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Der „Islami­sche Staat“ nutzte die aus dem Bürger*innenkrieg entstan­dene humani­täre wie politi­sche Krise zur Expan­sion ; dort kämpfte er faktisch an der Seite des Assad-Regimes, indem er konkur­rie­rende dschi­ha­dis­ti­sche Gruppen wie die Al-Nusra-Front, aber auch die Freie Syrische Armee und die demokra­ti­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräfte der Kurd*innen, bekämpft hat.

Trotz der katastro­phalen Auswir­kungen des Krieges haben die Menschen in Westkur­di­stan (Nordost­sy­rien) in der Region Rojava seit 2011 begonnen, eine politi­sche und soziale Revolu­tion durch­zu­führen, die eine alter­na­tive Entwick­lung in allen gesell­schaft­li­chen Berei­chen angestoßen hat. Inspi­riert vom Modell des Demokra­ti­schen Konfö­de­ra­lismus wurde eine kommu­nale und regio­nale Selbst­ver­wal­tung durch Rätede­mo­kratie, Frauen­räte und eigene demokra­tisch organi­sierte Sicher­heits­kräfte geschaffen. Die Räte orien­tieren sich an einer multi­eth­ni­schen, multi­re­li­giösen und antipa­tri­ar­chalen Vision jenseits des bürger­lich-kapita­lis­ti­schen Staates. In den Räten ist jede Bevöl­ke­rungs- und religiöse Gruppe vertreten und sie werden immer von einer geschlech­ter­quo­tierten Doppel­spitze geleitet. Im Zentrum dieses basis­de­mo­kra­ti­schen Modells, das angelehnt ist an den kommu­na­lis­ti­schen Anarchismus um Murray Bookchin, steht die Frauen­be­freiung. Zugleich wird versucht eine neue Form von Ökonomie jenseits kapita­lis­ti­scher und “feudaler” Ausbeu­tungs­ver­hält­nisse aufzu­bauen in Form von kommu­nalen Genos­sen­schaften in der Landwirt­schaft wie auch in der Wasser­wirt­schaft und auf dem Energie­sektor. Dieser Versuch eines sozialen Wirtschafts­mo­dells als Antwort auf den Neoli­be­ra­lismus hat unter den schwie­rigsten Umständen von Kriegs­öko­nomie über Militär­ope­ra­tionen bis hin zu Embar­go­po­litik seitens der AKP-regierten Türkei einige Erfolge erreicht. Bei aller Kritik an den Unzuläng­lich­keiten, die gegeben sind, stellen die Anfänge einer demokra­ti­schen Selbst­ver­wal­tung nicht nur eine Bastion gegen den IS-Dschi­ha­dismus, sondern auch eine histo­ri­schen Schritt in Richtung einer Antwort auf die postko­lo­niale Ausbeu­tungs­öko­nomie dar.

Wie einst der europäi­sche Faschismus in der Arbeiter*innenbewegung seinen Erzfeind erkannte, so begreifen die Dschihadist*innen den demokra­ti­schen Aufbruch in Rojava als die größte Gefahr für ihre Vorstel­lung eines Kalifats, also eines rein islami­schen Staates mit Herrschafts­an­spruch über alle musli­mi­schen Menschen der Welt. Geführt wird dieses Projekt vom selbst­er­nannten „Kalifen“ Al Baghdadi. Er spricht jedem anderen Staat in der musli­mi­schen Welt die Legiti­mität ab und befindet ausschließ­lich sein “islami­sches System” für recht­mäßig. Dieses basiert auf den totali­tären (alle Lebens­be­reiche umfas­senden) und unhin­ter­frag­baren politi­schen und „religiösen Macht­be­fug­nissen” von Al Baghdadi. Er allein sei das politi­sche Oberhaupt, er allein sei die “oberste religiöse Autorität“ , er allein zeichnet sich für die “Scharia“, das “göttliche Gesetz“, verant­wort­lich. Wer Al Baghdadi die Huldi­gung verwei­gert, gilt als ein “Abtrün­niger“ (murtadd), was in der Regel das Todes­ur­teil bedeutet. Der “Islami­sche Staat“ ist eine moderne Maschine des Todes, er lebt von einer Vernich­tungs­ideo­logie gegen­über allen “Ungläu­bigen“ und „Abweichler*innen“.

Die scharfe Opposi­tion zu diesem Projekt des Wahnsinns richtet sich nicht primär an der Frage von Religio­sität, in diesem Fall gegen den Islam, aus. Der expan­sive religiöse Funda­men­ta­lismus des “Islami­schen Staates” ist eine höchst autori­täre politi­sche Formie­rung in einem von der Krise politisch wie sozial zerfal­lenen Gebiet, welches sich klar und deutlich als mörde­risch, brutal, funda­men­ta­lis­tisch, sexis­tisch und homophob hervortut. Die Relati­vie­rung dieser politi­schen Dimen­sion auf ein “kultu­relles Phänomen” verdeckt den Bezug auf die kapita­lis­ti­schen Wider­sprüche vor Ort und bedient rassis­ti­sche sowie kultu­ra­lis­ti­sche Argumen­ta­tionen von der politi­schen Rechten. Genauso, wie die kurdi­sche Selbst­ver­wal­tung eine fortschritt­liche Antwort auf die Krisen­haf­tig­keit der Region darstellt, so ist der “Islami­sche Staat” keine “kultu­relle” oder “spiri­tu­elle” Erschei­nung, sondern eine reaktionär-funda­men­ta­lis­ti­sche politi­sche.

Weder Ankara noch Berlin

Während die Menschen zu Hundert­tau­senden vor dem dschi­ha­dis­ti­schen Terror fliehen müssen, erklärt die türki­sche Regie­rung die demokra­ti­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräfte (YPJ/YPG) zu einer vergleichbar großen “terro­ris­ti­schen Gefahr“, während die deutsche Regie­rung durch ihre Handeln dieser Position der türki­schen Regie­rung Rücken­de­ckung gibt. Mit dieser wider­wär­tigen Gleich­set­zung offen­baren Ankara wie Berlin ihre wahren Inter­essen im Nahen Osten. Alle Lippen­be­kennt­nisse den Kurd*innen gegen­über, gegen den IS-Terror prakti­sche Hilfe zu leisten, sind nichts als Lügen-Märchen. Die deutsche Regie­rung verfolgt allein wirtschafts­po­li­ti­sche Inter­essen und steht in geopo­li­ti­schen Fragen an der Seite ihres NATO-Bündnis­part­ners Türkei. Ankara will die drama­ti­sche Situa­tion nutzen um alle demokra­ti­schen Versuche nach mehr Selbst­be­stim­mung der kurdi­schen Bevöl­ke­rung im eigenen Land zu unter­drü­cken und sich zugleich als Beschützer der Sunnit*innen im Nahen Osten aufzu­spielen. Es droht neben dem Massaker an der Bevöl­ke­rung durch den IS auch noch der Einmarsch der türki­schen Armee in die demokra­tisch selbst­ver­wal­teten Gebiete. Ankara lässt die IS-Dschihadist*innen gewähren und unter­stützt diese damit – durch ungestörte Grenz­über­que­rungen oder durch gedul­dete Waffen- und Materi­al­lager in Grenz­nähe. Gleich­zeitig unter­bindet die türki­sche Regie­rung alle verzwei­felten Versuche den Menschen in Kobanê zu helfen mit brutaler polizei­lich-militä­ri­scher Gewalt. Die Katastrophe von Kobanê ist kein Zufall, sie ist der politi­sche Wille der deutschen wie der türki­schen Regie­rung und der vorläu­fige Höhepunkt einer syste­ma­tisch anti-kurdi­schen Politik !

Schluss mit dem Geheu­chel der Regie­rungen !
Humani­täre Hilfe für Kurdi­stan ! Waffen für die YPG/YPJ ! Weg mit dem Verbot der PKK !

Die Menschen in Kobanê werden derzeit weder aus Ankara noch aus Berlin Hilfe erhalten. Es ist an der gesell­schaft­li­chen Linken in der BRD wie in der Türkei das Gewissen der Mensch­heit zu vertei­digen. Aufgrund der Bedro­hung durch den IS-Dschi­ha­dismus bedarf es einer Diskus­sion über andere Kampf­formen und prakti­scher Solida­rität als sie bisher nur in Ansätzen geleistet wurde.
Unmit­tel­barer Ansatz­punkt in der BRD bildet die Lebens­si­tua­tion der geflüch­teten Menschen. Die verlo­gene Moral der bürger­li­chen Regie­rungen zeigt sich im europäi­schen Abschot­tungs­re­gime Frontex. Allein die Etablie­rung eines Ortes, wo Leben und Würde nicht tagtäg­lich bedroht sind, ist die unmit­tel­bare Notwen­dig­keit des tages­po­li­ti­schen Handelns. Gegen die Krimi­na­li­sie­rung der demokra­ti­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräfte von Rojava gilt es die politi­sche Aufklä­rung voran­zu­treiben und das Ende der politi­schen Verfol­gung von kurdi­schen und türki­schen Linken Gruppen einzu­for­dern.

In Nordkur­di­stan (Türkei) und Südkur­di­stan (Irak) und Europa finden grade massive Proteste statt. In vielen europäi­schen Städten besetzen Kurd*innen und Internationalist*innen Medien, Regie­rungs­ge­bäude und Flughäfen. In vielen Teilen Kurdi­stans ist ein Aufstand losge­bro­chen und es kommt zu massiven Ausein­an­der­set­zungen mit Polizei und Militär, wobei inzwi­schen mehr als 22 Menschen ermordet wurden.

Kobanê ruft auf zur Tat !

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