Neuen Anlauf nehmen !

Aufruf zur Solida­rität aus Griechen­land (direkt zum Aufruf)

Die Situa­tion Griechen­lands und die deutsch-europäi­sche Unter­wer­fungs- und Auste­ri­täts­po­litik waren vor drei Jahren auslö­sender Impuls für einige von uns, sich endgültig aus einer veren­genden Politik, die auf stadt­po­li­ti­sche Themen fokus­siert war, zu verab­schieden und das Blick- und Tätig­keits­feld mit anderen gemeinsam zu erwei­tern. Die sozialen und politi­schen Verwer­fungen die bereits damals in Griechen­land statt­fanden, standen gewis­ser­maßen am Anfang des so_ko_wpt und die Ausein­an­der­set­zungen darum sollten uns in den folgenden Jahren begleiten auch wenn uns zwischen­zeit­lich manchmal andere Themen mehr beschäf­tigten.

oxi

Im Mai 2013 engagierten wir uns im Rahmen der « cross_solidarity»-Tagung der Rosa Luxem­burg Stiftung in Wuppertal. Dabei lernten wir Christos vom Athener Bündnis « Solida­rity 4 All » kennen, der seiner­zeit auch noch einen Tag länger blieb, um mit uns über den Aufstieg der « Goldenen Morgen­röte » zu disku­tieren. Die griechi­sche Situa­tion vor zwei Jahren war eine zuneh­mend verzwei­felte : Die Proteste in Griechen­land waren weitge­hend erstickt, die Nazis befanden sich in der Offen­sive, die antiau­to­ri­täre Bewegung dagegen war in der Krise. Einziger Hoffnungs­schimmer waren die in Griechen­land nach und nach entstan­denen Struk­turen der Solida­rität und Selbst­or­ga­ni­sa­tion.

Doch die Dinge ändern sich. Manchmal erfor­dern Revolten und Wider­stand eine Pause, eine Reflek­tion und einen längeren Anlauf. Rund um das Referendum zur EU-Auste­ri­täts­po­litik kamen wir so mit Christos wieder in Kontakt, als aus Griechen­land für trans­na­tio­nale Unter­stüt­zung für das « OXI » geworben wurde. Binnen weniger Tage rückte auch für uns die griechi­sche Situa­tion und der Wider­stand der griechi­schen Bewegungen gegen weitere Auflagen wieder in den Mittel­punkt des Inter­esses. Am Sonntag feierten wir dann das « Nein » gemeinsam mit den Wirten jenes griechi­schen Restau­rants, in dem das Gründungs­treffen des so_ko_wpt im März 2012 statt­ge­funden hatte.

Nachdem das überra­schend klare « Nein » von vielen Linken in Europa bejubelt wurde, stellt sich jetzt aller­dings die Frage, wie der Mut der griechi­schen Bevöl­ke­rung sich nicht einem EU-Diktat zu unter­werfen, unter­stüzt werden kann und muss. Denn es ist absehbar, dass vor allem die deutsche Regie­rung auf eine Straf­ak­tion für « unbot­mä­ßiges Verhalten » aus ist, was sich konkret in weiter verschärften Lebens­be­din­gungen in Griechen­land ausdrü­cken wird. Ein konse­quentes « Nein » zu bejubeln ist einfach, solange es ohne Folgen für das eigene Leben bleibt – und es sollte feststehen : So, wie es den am Sonntag mit « Nein » Abstim­menden klar war, dass die Verwei­ge­rung Konse­quenzen haben wird, müsste auch der europäi­schen Linken klar sein, dass ihre Unter­stüt­zung für das « OXI » sich nicht in einigen Solidemos zuvor und in den Glück­wün­schen danach erschöpfen darf.

Es wären jetzt Diskus­si­ons­pro­zesse darum angesagt, wie ein wider­spens­tiges Griechen­land konkret weiter unter­stützt werden kann. Das kann zwar vor allem auch materiell erfolgen, wie Christos für « Solida­rity 4 All » in einem Appell an Unterstützer*innen schrieb, indem den oben angespro­chenen Struk­turen der Solida­rität und Selbst­or­ga­ni­sa­tion real geholfen wird. Es sollte aber nicht bei Sammel­ak­tionen und gut gemeinten Hilfen bleiben. Das griechi­sche « OXI » müsste auch bedeuten, die in den letzten Jahren einge­kehrte Ratlo­sig­keit mit neuem Mut zu überwinden. Wir sollten deshalb erneut auch nach politi­schen Strate­gien zu suchen, dem aus Berlin bestimmten EU-Regime « im Herzen der Bestie » Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wir sollten nicht verzagter sein als die Betrof­fenen selber.

Der übersetzte Aufruf von « Solida­rity 4 All » vom 7.7.2015 :

Sieg des „Nein” in Griechen­land. Inter­na­tio­naler Aufruf

Der Sieg des „Nein“ verschärft unseren Kampf.
Wir dürfen nicht zulassen, dass der griechi­schen Bevöl­ke­rung die Luft abgeschnürt wird. Unter­stützt die solida­ri­schen Basis­struk­turen !

Liebe Freun­dinnen und Freunde,

Wir wollen euch von ganzem Herzen für eure bewegende Solida­rität und die starke Mobili­sie­rung danken, die die griechi­sche Bevöl­ke­rung keinen Moment lang alleine ließ in ihrem Kampf gegen Erpres­sung, Lügen und Terror.

Der Sieg des NEIN hat ein klare und trotzige Botschaft ausge­sandt, die unser gemein­sames Kampf­ter­rain verän­dert hat. Dieje­nigen, die unser Leben ausplün­dern und den Willen der Bevöl­ke­rung missachten, können uns nicht länger ignorieren. Jetzt müssen sie uns entweder zuhören oder jegliche „demokra­ti­sche“ Maske fallen lassen und ihre wahren Inter­essen offen machen.

Die nächsten Tage werden entschei­dend werden hinsicht­lich einer weiteren Eskala­tion der Konfron­ta­tion mit den Gläubi­gern und ihren politi­schen Banden, und wir gehen nicht davon aus, dass sie so einfach nachgeben. Wir wissen nur zu gut, dass wir es mit den Bedin­gungen eines wirtschaft­li­chen und sozialen Kriegs­zu­stands zu tun haben, und wir werden gemeinsam harte Schlachten schlagen müssen.

Die solida­ri­sche Basis­be­we­gung hat sich schon bereit gemacht für die nächste Runde des Wider­stands unter den kompli­zierten Rahmen­be­din­gungen erzwun­gener Kapital­kon­trollen, finan­zi­eller Ausblu­tung, weiterer Rezes­sion und humani­tärer Krise.

Wir rufen euch deshalb auf, eindring­li­cher denn je, an unserer Seite zu stehen, an der Seite der griechi­schen Gesell­schaft, indem ihr so schnell wie möglich konkrete und materi­elle Solida­ri­täts­kam­pa­gnen startet.

Spenden und Crowd­fun­ding Campaigns für Nahrungs­mittel und Medizin, Hygie­ne­ar­tikel, Säuglings­be­darf wie Windeln etc. gehören zu den dringendsten Bedürf­nissen. Bitte zögert nicht, uns zu kontak­tieren, wenn ihr mehr Infor­ma­tionen oder Ideen braucht.

Die Fähig­keit der GriechInnen, mit Würde zu leben, ist die Grund­lage, um die verschärften Versuche uns zu ersti­cken abzuwehren und den Mut und Wider­stand aufrecht zu erhalten.

Zusammen können wir das entschie­dene NEIN der griechi­schen Bevöl­ke­rung verwirk­li­chen zu dem großes JA für ein anderes Europa.

Solida­rity for All, Dienstag, 7.Juli 2015

www​.solida​ri​ty​4all​.gr – info [at] solida​ri​ty​4all​.gr

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Perspektiven einer neuen Solidarität

Veran­stal­tungen und Diskus­sionen zu Kurdi­stan in Wuppertal

Mit diesem Beitrag stellen wir einen Audio­mit­schnitt der Podiums­dis­kus­sion zum « Projekt Rojava » und zur Rolle der Türkei im Krieg der IS-Milizen gegen die kurdi­sche Bevöl­ke­rung zum Nachhören zur Verfü­gung. Bei der Veran­stal­tung am 19.Oktober disku­tierten Ayten Kaplan und Ismail Küpeli im Hayat mit uns. Weitere Veran­stal­tungen zum Thema alter und neuer deutsch-kurdi­scher Solida­rität sind bereits in Vorbe­rei­tung. Zunächst gibt es am morgigen Samstag, den 1.November, im Rahmen des « inter­na­tio­nalen Aktions­tages für Kobanê » einen Rückblick auf solida­ri­sche Struk­turen der alten BRD. Dabei versu­chen wir, uns Andrea Wolf zu nähern, die als « Ronahî » für die PKK kämpfte, und am 23.Oktober vor sechzehn Jahren vom türki­schen Militär ermordet wurde. Zwei Wochen später – am 15.November – veran­staltet das « Multi­Kulti » an der Hochstraße in Wuppertal-Elber­feld außerdem ein Follow-Up zu unserer Podiums­dis­kus­sion, bei dem u.a. erneut mit Ayten Kaplan vom Frauen­büro CENÎ über die aktuelle Situa­tion in Rojava und Shingal und über Perspek­tiven einer „neuen Solida­rität” geredet werden soll.

Die Diskus­sion am 19.Oktober.
Ein zweistün­diger Anfang.

Für die Podiums­dis­kus­sion zum « Projekt Rojava » und zur Rolle der Türkei im altehr­wür­digen « Hayat » auf dem Ölberg in Wuppertal-Elber­feld vor etwa 70 inter­es­sierten Zuhörer*innen gab es ein Drehbuch, das einen Rundum­blick zur Situa­tion in Rojava, zur Rolle der Türkei und zum politi­schen Projekt des « demokra­ti­schen Konfö­de­ra­lismus » ermög­li­chen sollte. Als Veranstalter*innen hatten wir zudem den Wunsch, die Entwick­lung deutsch-kurdi­scher Solida­rität zu beleuchten, die sich in den letzten Jahrzehnten merklich abgekühlt hatte. Bei dem strammen Programm war es vorher­zu­sehen, dass nicht alle Punkte zur Zufrie­den­heit aller würden bespro­chen werden konnten. Speziell das sich neu entwi­ckelnde kurdisch-deutsche Verhältnis kam bei der Diskus­sion am Ende dann auch etwas kurz.

Es war ein hochin­ter­es­santer und teilweise auch emotio­naler Abend, der sich in der ersten Stunde haupt­säch­lich mit geostra­te­gi­schen Fragen und speziell mit der Inter­es­sen­lage der türki­schen Regie­rung im Krieg zwischen den Milizen des « Islami­schen Staates » und den Kurd*innen im syrischen Teil Kurdi­stans befasste. In der zweiten Stunde der Veran­stal­tung lag der Fokus dann auf dem politi­schen Projekt in Rojava und Nordkur­di­stan (in der Türkei). Es ging um Einschät­zungen zur weiteren Entwick­lung des kurdisch-türki­schen Konflikts und um mögliche Auswir­kungen auf die Demokra­ti­sie­rung in den kurdi­schen Gebieten. Im Mittel­punkt stand der Wandel der kurdi­schen Arbei­ter­partei (PKK) von einer dogma­tisch marxis­tisch-leninis­ti­schen zu einer eher antiau­to­ri­tären und auf eine nicht­staat­liche Basis­de­mo­kratie hinar­bei­tenden Organi­sa­tion. Während Ayten Kaplan und andere den politi­schen Wandel als folge­rich­tige theore­ti­sche Neuaus­rich­tung nach dem Ende des « real existie­renden Sozia­lismus » ansahen, gab Ismail Küpeli zu bedenken, dass dem Wandel auch eine militä­ri­sche und politi­sche Stagna­tion voraus­ge­gangen war, der die PKK zu Änderungen gezwungen habe. Unstrittig waren die gesell­schaft­li­chen Fortschritte die trotz der in Syrien herrschenden Kriegs­be­din­gungen in Rojava erreicht werden konnten. Ayten Kaplan betonte dabei vor allem die beson­dere Wichtig­keit der Rolle der Frauen in der kurdi­schen Gesell­schaft, die eine Voraus­set­zung zur Errei­chung weiter­rei­chender Ziele sei.

Klar wurde bei der Veran­stal­tung, dass es weit mehr bedarf als einer einzigen Diskus­si­ons­runde, um die politi­schen Entwick­lungen in Kurdi­stan wirklich zu beurteilen, nachdem es in weiten Teilen der deutschen Linken über viele Jahre kaum noch Inter­esse an der Politik der PKK gegeben hatte. Auch die Ausbil­dung einer neuen Solida­rität, sowohl in Bezug auf die kurdi­schen Kämpfe, aber auch in Bezug auf eine neue gemein­same Basis hier, erfor­dert mehr Zeit und einen weiteren Austausch. Angesichts der Entwick­lungen – im Mittleren Osten, aber auch in Deutsch­land – erscheint eine gegen­sei­tige neue Solida­rität aller­dings notwen­diger denn je. Und Gelegen­heit zum Austausch besteht schon in den nächsten Wochen zweimal :

Veran­stal­tung und Lesung zu Andrea Wolf
Solida­rität gestern und heute.

Samstag, 1.Nov., 20 Uhr, Multi­Kulti, Hochstraße 53c, Wuppertal-Elber­feld

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Jahre­lang war Andrea Wolf in der radikalen Linken der alten Bundes­re­pu­blik aktiv – zuerst in München, später in Frank­furt. Als militante Aktivistin aus autonomen Bezügen der achtziger und frühen neunziger Jahre erlebte sie die bundes­deut­sche Repres­si­ons­ma­schine und verbrachte mehrfach einige Monate ihres Lebens in (Unter­su­chungs-) Haft. Doch Andrea Wolf erlebte auch die Krise der radikalen Linken mit, die (auch) infolge der Ereig­nisse zu Beginn der neunziger Jahre mit Wieder­ver­ei­ni­gung und dem « Ende der Geschichte » weiteren politi­schen und militanten Aktivismus zuneh­mend erschwerte.

Als sie von einem 129er-Verfahren wegen einer angeb­li­chen Betei­li­gung am Anschlag auf den neuen Knast in Weiter­stadt bedroht wurde, entschloss sie sich, die BRD zu verlassen und sich dem kurdi­schen Wider­stand anzuschließen. Ende 1996 ging sie « in die kurdi­schen Berge », besuchte ein Ausbil­dungs­lager der Arbei­ter­partei Kurdi­stans (PKK) und betei­ligte sich anschlie­ßend zunächst im inner­kur­di­schen Bürger­krieg im Nordirak in den Reihen einer Einheit der YAJK – dem Freien Frauen­ver­band Kurdi­stans. Später kämpfte sie als « Ronahî », ihrem Nom de Guerre, auch gegen die türki­sche Armee in Nordkur­di­stan. Bei einem Gefecht in Ost-Anato­lien, bei dem bis zu 40 PKK-Guerillas ihr Leben verloren, wurde sie schließ­lich am 23.10.1998 lebend gefangen genommen. Sie überlebte die Gefan­gen­nahme jedoch nicht. Mit anderen wurde « Ronahî » vom türki­schen Militär zu Tode gefol­tert.

Wir wollen uns der Person Andrea Wolf mit unserer Veran­stal­tung am 1.November im Multi­Kulti annähern. Wenige Tage nach dem 16.Jahrestags ihrer Ermor­dung wollen wir jedoch nicht nur der Person « Ronahî » gedenken, sondern auch versu­chen, Grund­lagen militanter Solida­rität in den 90er-Jahren zu beleuchten. Dazu haben wir Wegge­fährten von Andrea einge­laden aus ihren gemein­samen Erfah­rungen zu berichten. Außerdem wird aus dem vergrif­fenen Buch « Im Dschungel der Städte, in den Bergen Kurdi­stans » gelesen werden. Die Veran­stal­tung, die im Rahmen des « inter­na­tio­nalen Aktions­tages für Kobanê” statt­findet, soll uns einen Einblick in die Unter­schiede und Gemein­sam­keiten trans­na­tio­naler Solida­rität gestern und heute geben. Der Eintritt ist frei, die Veran­stal­tung beginnt gegen 20 Uhr.

Wie lässt sich eine neue Solida­rität verfes­tigen ?
Info-Veran­stal­tung zu Kurdi­stan

Samstag, 15.Nov., 20 Uhr, Multi­Kulti, Hochstraße 53c, Wuppertal-Elber­feld

11.15

Nach der ersten Runde mit einer Podiums­dis­kus­sion zum « Projekt Rojava » und zur Rolle der Türkei im Krieg der IS-Milizen gegen die kurdi­sche Bevöl­ke­rung im Hayat am 19.Oktober, folgt knapp einen Monat später ein zweiter Infoabend zur aktuellen Lage in Rojava und Shingal, dem (ehemals) mehrheit­lich von Yeziden bewohnten Gebiet im Nordirak. Neben der Infor­ma­tion zur Situa­tion der bedrohten kurdi­schen Siedlungs­ge­biete soll auch die politi­sche Entwick­lung thema­ti­siert werden : Wie hoch ist der Preis, den die Revolu­tion in Rojava für die lebens­not­wen­dige militä­ri­sche Unter­stüt­zung zu zahlen hat ? Wie verän­dert der Krieg die noch jungen Struk­turen der Selbst­ver­wal­tung in Rojava ? Gibt es neue Allianzen zwischen den Akteuren aller kurdi­scher Siedlungs­ge­biete, oder drohen ein « Roll-Back » und neue inner­kur­di­sche Ausein­an­der­set­zungen ? Welche Chancen hat die einge­lei­tete kurdi­sche Demokra­ti­sie­rung im geostra­te­gi­schen Inter­es­sen­ge­flecht und wie können in Deutsch­land neu entstan­dene solida­ri­sche Struk­turen verfes­tigt werden ?

Diese Fragen sollen bei der vom « Multi­Kulti » organi­sierten Diskus­sion neben anderen u.a. mit Ayten Kaplan (CENÎ, Kurdi­scher Frauenrat) bespro­chen werden. Damit soll der am 19.10. begon­nene Prozess einer Annähe­rung deutscher und kurdi­scher Linker in Wuppertal fortge­setzt und vertieft werden. Der Eintritt ist frei, die Diskus­sion beginnt gegen 20 Uhr.

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