Ein Blockupy-Fazit aus Wuppertal

Ein Blockupy-Fazit aus Wuppertal

Blockupy-Tage in Frank­furt – Ein vorläu­figes Fazit eines Aktivisten.

Die Tage in Frank­furt und im Umland der Haupt­stadt deutscher Banken haben Mut und Spaß gemacht. Und sie müssen – spätes­tens seit der großen Demo am Samstag – auch als Erfolg gewertet werden. Die zahlrei­chen etwas zerknirscht-anbie­dernden Artikel der bürger­li­chen Presse sprechen Bände. Und doch : Es ist einer der Siege, die nicht nur eigene Defizite und Verbes­se­rungs­po­ten­tial aufzeigen, sondern auch einen bitteren Geschmack hinter­lassen.


Ein Sieg will definiert sein, und eine solche Defini­tion kann verschie­dene Aufgaben erfüllen. Ein nur gefühlter Sieg kann dazu dienen, aufkom­mende Resigna­tion in ein Weiter­kämpfen zu verwan­deln – und in diesem Sinne ist es klug (gewesen), die Ereig­nisse von Mittwoch bis Freitag zunächst als Erfolg zu werten und nach innen und außen so zu kommu­ni­zieren. Ob etwas ein Sieg ist, sollte jedoch spätes­tens nach einem Ereignis vor allem danach beurteilt werden, ob es in der Gesamt­schau weiter­bringt. Die Frank­furter Aktions­tage haben auf mehreren Ebenen versucht, den Wider­stand weiter­zu­bringen. Auf inter­na­tio­naler Ebene, auf der Ebene gemein­samer Erfah­rungen neu zusam­men­ar­bei­tender Gruppen, bei neu kombi­nierten Aktions­formen und schließ­lich auch bei soetwas wie einem « zählbaren Erfolg ».

Da beginnt der Zweifel.

Die (zweck­dien­liche) Freude über die sogenannte « Selbst­blo­ckade » einer Stadt verstellt den Blick auf die Gescheh­nisse. Die zeigten vor allem eins : Jeder Ansatz von zivilem Ungehorsam wurde durch eine vieltau­send­köp­fige schwar­z­uni­for­mierte Staats­macht konse­quent erstickt. Erstickt wurde dadurch jedoch auch das Leben in einigen Frank­furter Innen­stadt­be­rei­chen. Wann ist es aber ein Erfolg, den Gegner dazu zu zwingen, mit offener Polizei­staats­hose dazustehen ? Wann ist es weiter­brin­gend, wenn die Unter­drü­ckungs­maß­nahmen und Rechte-Einschrän­kungen ein unaus­halt­bares Maß errei­chen ?

Eigent­lich doch nur dann, wenn dieser Repres­si­ons­ap­parat in offener Schlacht überwunden wird, oder wenn doch zumin­dest die Einschrän­kungen so stark werden, dass die eigene Bewegung immer mehr Zulauf von Menschen erhält, die diese Eingriffe in ihr Leben duch die Staats­macht nicht mehr ertragen. Wodurch die Bewegung stärker wird. So stark, dass die andere Seite sich nicht mehr in jene offene Schlacht traut. Eine Idee, die aller­dings noch nie getragen hat, weil die Bevöl­ke­rung im Zweifel immer jene verant­wort­lich macht, die einen solchen Einsatz durch ihren Protest « heraus­for­dern ». Nur um den Preis einer absoluter Eingren­zung eigener Reakti­ons­mög­lich­keiten war die « Legiti­mität » des Repres­si­ons­ap­pa­rats während der Tage in Frank­furt infra­ge­zu­stellen. Die « Selbst­blo­ckade » war in der Zeit der Proteste ein notwen­diger und auch erfreu­ender Aspekt. In Wahrheit war sie jedoch ein Aufstands­be­kämp­fungs­pro­gramm im Stand-By-Modus.

Die Stadt am Main war an diesen drei Tagen für alle Fremden – Italie­ne­rInnen, Franzosen und Franzö­sinnen (wie auch für Düssel­dor­fe­rInnen, Berli­ne­rInnen, Wupper­ta­le­rInnen…) und für viele Frank­fur­te­rInnen selber, eine « verbo­tene Stadt ». Bewegun­gungen ins und im Zentrum waren meist nur mithilfe von guten Ortskennt­nissen und mit semiklan­des­tinen Strate­gien, (einzeln und schnell gehen, Zwischen­lager für Gepäck und Material schaffen…), unkon­trol­liert möglich, und jede Situa­tion konnte urplötz­lich und beinahe überall in staat­liche Willkür umschlagen. Wir wissen, dass sie ihre eigenen Gesetze nur bedingt und nur für einen Teil der Menschen gelten lassen – und dennoch waren viele von uns entsetzt, wie es sich anfühlt, wenn der Staat ganz einfach vollständig auf seine eigenen Regeln scheisst. Viele kannten soetwas noch nicht. Nicht für so lange Dauer auf so großem Gebiet.

« Legal ? Illegal ? Scheiß­egal ! »

Letzte Woche handelte der Staat gemäß dem Slogan : « Legal ? Illegal ? Scheiß­egal ! » – sichere spätere Urteile einer ihm gegen­über zahnlosen Justiz in Kauf nehmend. Hunderte Kessel, Ingewahrs­am­nahmen, Durch­su­chungen und andere polizei­liche Maßnahmen wurden in der Vergan­gen­heit durch Gerichte für rechts­widrig erklärt. Ohne dass es je zu Änderungen des staat­li­chen Verhal­tens bei der nächsten Demo gekommen wäre. Ohne dass jemals Verant­wort­liche angemessen zur Rechen­schaft gezogen worden wären. Das wird auch diemal nicht anders sein. In diesem Wissen handelte der Apparat – die Begrün­dungen für Gewalt­aus­brüche, für über tausend Ingewahrs­am­nahmen oder tagelange Aufent­halts­ver­bote waren teils so bizarr, dass sie an Monty Python-Späße erinnerten.

Menschen wurden bedrängt und bedroht, weil sie Grund­ge­setze in die Höhe hielten – jenes Grund­ge­setz, das die bigotte Clique um den « freiheits­lie­benden » Bundes­prä­si­denten Gauck zum 60.Jahrestag gestern wieder gefeiert hat – ganz so, als wäre es ihres. Andere erhielten Aufent­halts­ver­bote für eine ganze Stadt und für mehrere Tage, weil es einer der Kontrollen einfiel, als Begrün­dung « Antika­pi­ta­lismus » anzugeben, und wieder andere wurden drang­sa­liert und ernied­rigt, nur weil sie mit der Absicht in Bussen gesessen hatten nach Frank­furt zu fahren. Es ist vieles passiert, was die Atmosphäre trotz sommer­li­cher Tempe­ra­turen kalt und eisgrau machte. Es gab das präsente Gefühl, dass Art und Heftig­keit der staat­li­chen Übergriffe ausschließ­lich von der Willkür der jewei­ligen Einsatz­lei­tung abhing. Sie ließen uns dann doch irgendwo sitzen und ausruhen. Aber sie taten das. Weil sie so wollten.

Es reichte ihnen, uns kurz zu zeigen, dass sie uns nun offen den Krieg erklären könnten. Sie brauchten nicht mehr, um uns klar zu machen, dass nicht viel gehen würde.

In Frank­furt wurde im Dienste des Kapita­lismus für Tage das Grund­ge­setz für obsolet erklärt. Die Reaktion darauf fiel eher bescheiden aus. Ja, es ist ein Erfolg, dass überhaupt tausend Menschen einem generellen Versamm­lungs­verbot («Sie machen sich strafbar, wenn sie das Megaphon benutzen!»…) vor der Pauls­kirche trotzen. Aber bitte ! Eintau­send ? Nur eintau­send ?

Ja, es ist ein Erfolg, dass am Freitag überhaupt ein paar Tausend gewagt haben, die geplanten Blockaden durch­zu­führen. Aber sie hätten dabei auch gut allesamt inter­niert werden können – wäre der Staat konse­quent, beispiels­weise in der « Commerz­bank-Arena ».

Blockupy hatte durch die kurzfris­tige Etablie­rung eines autori­tären und gewalt­tä­tigen Staates ab Anfang letzter Woche eine neue, zusätz­liche Aufgabe : den Wider­stand und das Aufbe­gehren gegen die Abschaf­fung rechts­staat­li­cher Minimal­re­geln. Und dieser Aufgabe waren weder die Frank­fur­te­rInnen noch wir Anrei­senden gewachsen. Dafür waren wir zu wenige. Und dafür fehlt es uns auch (noch) an Strate­gien, vielfach auch an konkreten Erfah­rungen und an Klarheit über das Wesen unseres Gegners. Wir werden aus den Erfah­rungen lernen (müssen).

Wir werden in Zukunft eine bessere Ortskennnis benötigen (an dieser Stelle nochmal vielen Dank an unseren « Scout»). Wir werden zukünftig (noch) bessere Kommu­ni­ka­ti­ons­tech­niken brauchen. Wir werden vor allem auch über soetwas wie einen « Plan B » verfügen müssen – oder zumin­dest Struk­turen schaffen müssen, in denen ein solcher « Plan B » kurzfristig gemeinsam entstehen kann.

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