Etwa 250 Menschen bekundeten am frühen Montagabend in Wuppertal-Elberfeld bei einer spontanen Demonstration ihre Solidarität mit den Opfern des Massakers von Suruç an der türkisch-syrischen Grenze, nur wenige Kilometer von Kobanê in Rojava entfernt. Der Bombenanschlag galt einer großen Gruppe von meist sehr jungen Aktivist*innen aus der gesamten Türkei, die sich am Neuaufbau des weitgehend zerstörten Kobanê beteiligen wollten und im « Amara-Kulturzentrum » der türkischen Grenzstadt zu Beratungen zusammengekommen waren.
Das von einem « IS»-Sympathisanten ausgeführte Selbstmordattentat kostete über dreissig jungen Menschen das Leben, dutzende andere wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Europaweit löste der Anschlag einen Schock bei allen aus, die den kurdischen Kampf um Kobanê verfolgt und nach der Befreiung die Bemühungen um einen Aufbau der Stadt auf irgendeine Art unterstützt hatten. Viele Menschen konnten und können sich eine tatkräftige Mithilfe bei der Unterstützung der Revolution und der Reorganisation der Stadt vorstellen. Auch aus Deutschland befindet sich gerade eine von der « MLPD » organisierte Brigade in Kobanê, um dort ein Krankenhaus neu zu errichten.
In der Türkei kam es infolge des Attentats in den letzten beiden Nächten in Teilen Istanbuls, im kurdischen Amed und anderen Städten zu heftigen Riots, es gab militante Angriffe auf Polizeistationen und zwei Mitglieder einer türkischen Antiterroreinheit wurden wegen einer angeblichen Zusammenarbeit mit den « IS»-Terroristen in ihren Häusern nahe Urfa getötet. Eine Unterstützung der türkischen Regierung für den « IS»-Terror ist mehrfach nachgewiesen und ein Anschlag wie der von Suruç kann ohne Kenntnis der Sicherheitsbehörden, die sonst jede Bewegung in die Grenzregion zu Syrien beobachten, kaum vorbereitet und ausgeführt worden sein. Zur « Strafaktion » gegen die Terroreinheit bei Urfa hat sich inzwischen die « HPG », der militärische Arm der PKK bekannt. Der ohnehin stets fragwürdige « Friedensprozess » zwischen PKK und der türkischen AKP-Regierung steht nun unmittelbar vor dem Scheitern, eine Rückkehr zum offenen Krieg erscheint wieder denkbar.
Bei der Demonstration in Wuppertal, an der erfeulicherweise viele radikale « deutsche » Linke teilnahmen, schwankte die Stimmung zwischen tiefer Trauer über den Verlust vieler solidarischer Menschen und großem Zorn. Der richtete sich gegen den Terror der « IS»-Milizen und gegen die türkische Politik, die zwischen der Erwägung eines Einmarschs in die syrische Grenzregion und einer teils offenen Unterstützung der mörderischen Milizen pendelt, dabei aber zur gleichen Zeit das Embargo gegen Rojava aufrechterhält. Zornig machte viele aber auch die eher unbeteiligte Reaktion der deutschen Öffentlichkeit zum brutalen Angriff auf das Jugendcamp, nachdem viele Politiker*innen und auch Bürger*innen noch zu Beginn des Jahres nicht müde wurden, sich mit den Opfern des Attentats auf die Redaktion der Zeitschrift « Charly Hebdo » in Paris geradezu hysterisch zu identifizieren.
Doch war eine solche Identifikation vor allem im Hinblick auf die deutsche Regierungspolitik auch wesentlich einfacher als eine gleich starke Bezugnahme auf die Opfer des jetztigen Massakers von Suruç. Denn das ginge schließlich nicht ohne eine Aufgabe der engen Zusammenarbeit mit dem Erdogan-Regime und nicht ohne eine Beendigung aller Waffenlieferungen in die Golfstaaten. Bei der Abschlusskundgebung am Montag wurde darauf explizit hingewiesen : Wenn das Morden und Vergewaltigen durch die « IS»-Banden aufhören soll, muss die kollaborative Politik Deutschlands und der EU sofort ein Ende finden. Ohne eine solche Veränderung der Politik bleiben alle Beileidsbekundungen für die Freund*innen und Angehörenden der am Montag Getöteten nichts als schmerzhafte hohle Phrasen.
Wir werden unseren Kontakt zu unseren kurdischen Freund*innen in den nächsten Wochen weiter intensivieren. Die Ereignisse von Suruç werden sich in unserer Zusammenarbeit niederschlagen, gemeinsam geplante Veranstaltungen und Vorhaben können davon und von der weiteren Entwicklung in der Türkei und in Kurdistan nicht unberührt bleiben.
Biji Berxwedana Kobanê !