„Ungeklärte Verhältnisse”, eine Veranstaltung des so_ko_wpt zum Thema Antimuslimischer Rassismus und antirassistische Verwirrtheit am Donnerstag, 8.10.2015 um 20:00 Uhr im Café ADA in Wuppertal mit dem Duisburger Politikwissenschaftler Ismail Küpeli – Eintritt frei (Spende erwünscht).
In Deutschland existiert spätestens seit dem 11.September 2001 ein spürbarer antimuslimischer Rassismus, der sich in Propaganda und Hetze, in wiederholten Anschlägen gegen Moscheen und in gewalttätigen Angriffen gegen (vermeintlich) muslimische Menschen manifestiert. Auch wenn bis heute eine solide Datenbasis fehlt, ist festzustellen, dass Angriffe auf islamische Einrichtungen und Gotteshäuser 2014/15 ebenso zahlreicher wurden wie rechte Aufmärsche, die sich gezielt gegen muslimische Menschen richten. Seit Ende letzten Jahres haben sich mit Hogesa und Pegida sogar rechte Sammlungen gefunden, die Hass gegen Muslime explizit in ihren Selbstbezeichnungen ausdrücken und deren « Programm » beinahe ausschließlich aus Ausgrenzungsparolen gegenüber Menschen muslimischen Glaubens besteht. Diese Parolen steigern sich in den Sozialen Medien zudem zu immer konkreteren Bedrohungen gegenüber Einzelpersonen und zu hasserfüllten Vernichtungsphantasien.
Aus einer emanzipatorischen Sicht verlangt der Umgang damit zunächst eine Solidarisierung mit den Betroffenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Dafür braucht es vor allem auch eine Auseinandersetzung mit zugrundeliegenden orientalistischen und kolonialistischen Haltungen und Denkweisen, die sich in Grundzügen selbst bei vielen sich selbst als « aufgeklärt » und vermeintlich « modern » begreifenden deutschen Linken wiederfinden.
Die Auseinandersetzung mit eigenen Vorurteilen und Denkmustern einerseits entbindet andererseits jedoch nicht von einer notwendigen Auseinandersetzung mit der anderen Seite der Menschenverachtung : Den Auswüchsen religiösen Fundamentalismus und Islamismus, die auch eine gesellschaftliche Realität darstellen – im übrigen eine Realität, die vor allem Muslimen und Musliminnen zu schaffen macht. Unter dem Druck sozialer Kontrolle durch reaktionäre und anti-feministische Muslime leiden vor allem Muslima sowie Frauen, die für Muslima gehalten werden. Auch viele muslimische Eltern verzweifeln, weil sich ihre Kinder von djihadistischen Botschaften und von anti-emanzipatorischen Lebenskonzepten angesprochen fühlen.
Diese beiden Seiten des Problems machen es schwierig, die Verhältnisse zu klären. Das ist aktuell vor der eigenen Haustür zu besichtigen : Der Plan der DITIB, an der Gathe eine große Moschee zu errichten, gefährdet das « Autonome Zentrum », das als selbstverwalteter sozialer Ort seit vielen Jahren eine wichtige Funktion erfüllt. Die Auseinandersetzung darüber ist auch von der Schwierigkeit geprägt, dass eine plumpe « Anti-Moschee-Kampagne » Beifall von ungewollter, rechtspopulistischer und rassistischer Seite erzeugen würde. So besteht der linke Diskurs über antimuslimischen Rassismus in Deutschland oft aus sehr vielstimmigen und sich teilweise widerspechenden Debattenbeiträgen.
Was ist die Ursache für das derart ungeklärte Verhältnis zu Musliminnen und Muslimen ? Was hindert die einen, sich gegen gruppenbezogene Diskriminierung zu stellen ; was die anderen, anti-emanzipatorische religiöse Positionen als solche zu benennen ? Wie lässt sich eine legitime und notwendige Kritik an reaktionären und menschenfeindlichen Auswüchsen religiösen Fundamentalismus formulieren und vermitteln, ohne dass sie im Sinne einer gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit benutzt werden kann ?
Darüber wollen wir am 8. Oktober mit Ismail Küpeli und dem Publikum im ADA diskutieren.
Ismail Küpeli ist Politikwissenschaftler und Journalist aus Duisburg. Er schreibt u.a. für neues deutschland, analyse & kritik, Jungle World und VICE. Er beschäftigt sich bereits seit Jahren mit antimuslimischem Rassismus und dessen schwieriger Rezeption in Deutschland sowie mit innermuslimischen Entwicklungen und Auseinandersetzungen. In der Debatte kann er als eine der profundesten Stimmen im deutschsprachigen Raum angesehen werden.
Im September erscheint zudem der von ihm herausgegebene Sammelband »Kampf um Kobanê«, von dem er sicher einige druckfrische Exemplare mit ins ADA bringen wird.