Pressemitteilung zum shoppenstoppen-Aktionstag

Einige „an der Vorbe­rei­tung von shoppen­stoppen Betei­ligte” haben am Wochen­ende eine Presse­mit­tei­lung zum „No Primark”-Aktionstag in der Wuppertal-Elber­felder Innen­stadt veröf­fent­licht. Verlauf der Vorbe­rei­tung und Ablauf des Tages werden sicher noch eine inten­si­vere Ausein­an­der­set­zung erfor­dern. Ein Anfang dazu kann bereits am Diens­tag­abend im „Stil-Bruch” auf dem Ölberg gemacht werden, wenn erneut zu einer aus dem AZ ausge­la­gerten Polit­kneipe einge­laden wird, die sich der Nachbe­rei­tung des 25.4 und der Vorbe­rei­tung der Vorabend­demo und des Autonomen 1.Mai widmen soll.

Am 5.Juni jährt sich die "Punkerschlacht von Wuppertal" zum 33.Mal. Im Vorgriff trafen sich am Samstag einige Punks auf dem von-der-Heydt Platz

Am 5.Juni jährt sich die „Punker­schlacht von Wuppertal” zum 33.Mal. Im Vorgriff trafen sich einige Punks auf dem von-der-Heydt Platz. Der Brunnen schäumte.

Wir dokumen­tieren hier die shoppen­stoppen-Presse­mit­tei­lung im Wortlaut :

Presse­mit­tei­lung einiger an der shoppen­stoppen-Vorbe­rei­tung Betei­ligten zum Aktionstag am 25.4.2015 in Wuppertal-Elber­feld

Am Samstag, 25.4., haben über hundert Menschen an verschie­denen Orten der Elber­felder Innen­stadt in Wuppertal an einem « shoppenstoppen»-Aktionstag teilge­nommen. Mit einer Kundge­bung, einer Demons­tra­tion und mehreren Aktionen sollte gegen unfaire Produk­tions- und Arbeits­be­din­gungen in Textil­in­dus­trie und -handel, gegen die geplante Ansied­lung von Primark am Döppers­berg und gegen die undemo­kra­ti­sche, ledig­lich auf Inves­to­ren­in­ter­essen ausge­rich­tete Stadt­ent­wick­lung in Wuppertal protes­tiert werden. Zwischen­zeit­lich wurde der Eingang des Kaufhauses C&A am von-der-Heydt Platz von ca. 20 Aktivist*innen symbo­lisch blockiert. Anlass des Aktions­tages war der zweite Jahrestag des Zusam­men­bruchs des Rana Plaza in Sabhar/Bangladesh, in dem für viele Modeketten u.a. auch für Primark, produ­ziert wurde. Der Einsturz des Gebäudes kostete damals über 1.000 Menschen­leben.

Dass der Aktionstag trotz der demons­tra­tiven « persön­li­chen Betreuung » für einige Aktivist*innen durch den Staats­schutz und trotz der duch einen rechts­ra­di­kalen Mordver­such an einem Freund vor 14 Tagen angespannten Situa­tion statt­ge­funden hat, wird von einigen der Initiator*innen als Erfolg angesehen. Ob die Nachricht vom Aktionstag gegen die Primark-Ansied­lung auch den irischen Textil­dealer erreicht, muss abgewartet werden.

Bei der Kundge­bung auf der Alten Freiheit wurden durch mehrere Redner*innen ganz verschie­dene Aspekte der Thematik einer Primark-Ansied­lung vor dem Wupper­taler Haupt­bahnhof angespro­chen.

Zuerst ging es dabei natür­lich um die Ausbeu­tung von Arbeiter*innen in Ländern wie Bangla­desh oder Myanmar. Wie elend dort zum Beispiel mit Textilarbeiter*innen umgegangen wird, verdeut­lichte ein Brief einer pakista­ni­schen Gewerk­schaf­terin, der zu Beginn durch eine Vertre­terin von BaSo (Basis­in­itia­tive Solida­rität) verlesen wurde.

Doch shoppen­stoppen richtete sich nicht nur gegen die Arbeits­be­din­gungen in den Produk­ti­ons­be­trieben des Trikont. Auch die Arbeits­ver­hält­nisse der oft prekär Beschäf­tigten in den hiesigen Geschäften der Textil­ketten werden kriti­siert. Das wurde den Verkäufer*innen noch am Morgen des Tages in einem persön­lich überreichten Brief mitge­teilt, in dem versi­chert wurde, dass sich mögliche Blockaden nicht gegen sie oder ihre Arbeits­plätze richten würden, sondern « ausschließ­lich gegen die Konzerne, die unglaub­liche Gewinne auf dem Rücken der Arbeiter*innen machen ».

Konkret wurden bei der Kundge­bung auch einige der Unter­nehmen genannt, die sich noch immer weigern, in die ohnehin mickrigen Entschä­di­gungs­fonds für Angehö­rige und Überle­bende von Katastro­phen wie in Sabhar (1.130 Tote), Karatchi (289 Tote) oder Tazreen (120 Tote) einzu­zahlen, darunter auch in Wuppertal tätige Unter­nehmen wie beispiels­weise die Billig­kette KiK, deren Laden in der Rathaus­ga­lerie diesmal leider ungeschoren davonkam. Dabei wurde betont, dass es nicht nur Billig­an­bieter sind, die von der Ausbeu­tung der Arbeiter*innen profi­tieren : Auch die Edelmarke Benetton war erst in diesem April und nur nach großem öffent­li­chen Druck bereit, in den Fonds für die Rana Plaza-Opfer einzu­zahlen.

Anschlie­ßend machte Bernhard Sander (Stadt­ver­ord­neter, Die LINKE) klar, wie die Stadt Wuppertal durch den Umgang der politi­schen Stadt­spitze mit dem Döppers­berg an Inves­toren ausge­lie­fert wurde. Die von ihm geschil­derte Historie der Kosten­ent­wick­lung des Döppers­ber­gum­baus verdeut­lichte, dass die  « Alter­na­tiv­lo­sig­keit » der Entschei­dung des Stadt­rates für den Investor Signa­ture Capital und seinen Anker­mieter Primark eine durch und durch selbst­ver­schul­dete ist, die bewusst in Kauf genommen wurde.

Frank Jäger vom Erwerbs­lo­sen­verein Tacheles ging danach in seinem Beitrag auf die Lebens­be­din­gungen der über 40.000 Hartz IV-Bezieher*innen in Wuppertal ein, deren für Beklei­dung und Schuhe im monat­li­chen Regel­satz vorge­se­hene 33 Euro ihnen keine andere Möglich­keit lässt, als die unter miesesten Bedin­gungen produ­zierte Billig­ware zu kaufen. Dadurch werden fast 15% der Wuppertaler*innen zwangs­weise zu Komplizen der Ausbeu­tung.

Der Landtags­ab­ge­ord­nete der Piraten, Olaf Wegner, thema­ti­sierte nach den inhalt­li­schen Reden zum Thema eine andere Vorge­schichte des Aktions­tages, die von polizei­li­chen Repres­sionen gegen die teils noch jugend­li­chen Aktivist*innen erzählte. Die Initiator*innen des Protestes hatten mit ihrer « No Primark»-Kampagne und der Ankün­di­gung, « Sand ins Getriebe zu streuen » offenbar einen Nerv der verant­wort­li­chen Lokalpolitiker*innen getroffen. Seit der Übergabe eines Briefes an die Fraktionen von CDU und SPD, die einen solch persön­li­chen « Dialog mit den Bürger*innen » scheinbar nicht mehr aushalten, waren vor allem die jungen Aktivist*innen einer fast tägli­chen Beläs­ti­gung durch Zivilpolizist*innen und Staats­schutz, sowie haltlosen Anschul­di­gungen von Wegners SPD-Landtags­kol­legen, Dietmar Bell, ausge­setzt. Wegner, der im Landtag mit Familien- und Jugend­po­litik befasst ist, kriti­sierte die gezielte Einschüch­te­rung speziell junger Aktivist*innen, sprach sogar von einer « Verfol­gung » engagierter junger Menschen und verlangte, dass mit ihnen verant­wor­tungs­voller umgegangen werden müsse.

Zumal von einer « Bedro­hung » von Politiker*innen im angespro­chenen Brief keine Rede sein könne. Das bewiesen auch die im Wortlaut verle­sene Erklä­rung, die zur Abgabe des so genannten « Ultima­tums » verfasst worden war und ein Beitrag aus der Aktivist*innen-Gruppe, der über Lautspre­cher einge­spielt wurde. In ihm wurde nochmals ausge­führt, warum es eigent­lich einige Menschen als notwendig ansehen, im Sinne einer lebens­werten Stadt­ent­wick­lung gemeinsam mit anderen selbst zu handeln anstatt immer nur wirkungslos an die Lokal­po­litik zu appel­lieren.

Mit Solida­ri­täts­adressen an eine am gleichen Tag statt­fin­dende Kundge­bung an der Berliner « Mall of Shame », bei der um ihren Lohn betro­gene rumäni­sche Bauar­beiter zum wieder­holten Mal ihre ausste­henden Kohle einfor­dern wollten, und mit Genesungs­wün­schen an den vor zwei Wochen durch einen Messer­an­griff rechts­ra­di­kaler Hooli­gans verletzten Freund endete die Kundge­bung vor den City-Arkaden.

Das größte Einkauf­zen­trum der Stadt, vor dessen Türen die Kundge­bung statt­fand, hatte am shoppen­stoppen-Aktionstag eine kurzfris­tige Steige­rung seiner Perso­nal­kosten für Security zu verkraften. Ein Neben­schaden, der aller­dings die richtige Adresse traf, steht es doch an jenem Ort, der noch vor drei Jahrzehnten Aktions­fläche für erfolg­rei­chen öffent­li­chen Protest gegen eine Straßen­sat­zung gewesen war und nun als priva­ti­sierter Stadt­raum unter Hausrecht und Bewachung durch Sicher­heits­dienste steht.

Dass die von Olaf Wegner angespro­chenen Einschüch­te­rungs­ver­suche im Übrigen nicht den gewünschten Erfolg hatten, zeigten nicht nur einige kleinere Spontan­demos und Aktionen in der Innen­stadt, sondern auch die symbo­li­sche Sitzblo­ckade des C&A-Eingangs am späten Mittag. Einige Menschen blockierten am von-der-Heydt Platz den Zugang zum Textil-Kaufhaus, das ebenfalls in Tarzeen produ­zieren ließ, von Kinder­ar­beit profi­tiert und sich auch schonmal weigerte, auf einen Arbeiter*innen drang­sa­lie­renden Zulie­ferer in Bangla­desh einzu­wirken. Die etwa zehnmi­nü­tige Blockade wurde schließ­lich von den Aktivist*innen selber beendet, nachdem sie zunächst von mehreren Polizei­fahr­zeugen umstellt worden waren.

Durch die symbo­li­sche Blockade rückte überra­schend der von-der-Heydt Platz für kurze Zeit ins Zentrum des Gesche­hens, auch weil dort – im Vorgriff auf das am 5.Juni statt­fin­dende 33-jährige « Jubiläum » der legen­dären « Punker­schlacht am Brunnen » – gleich­zeitig ein solida­ri­sches Treffen von Punks statt­fand, das den Anwesenden viel Spaß und dem Brunnen eine wirklich überschäu­mende Zeit einbrachte.

Eine am Nachmittag noch statt­fin­dende Demons­tra­tion einiger Aktivist*innen vom Neumarkt zum verfal­lenden alten Schau­spiel­haus verlief schnell und laut.

Einige an der shoppen­stoppen-Vorbe­rei­tung Betei­ligte am 25.4.2015.

Artikel teilen

Zweiter Text des AZ zum Mordversuch durch Hogesa-Nazis

Zwei Wochen nach dem Mordver­such durch „Hogesa”-Anhänger an einem Antifa­schisten am Autonomen Zentrum in Wuppertal ist aus dem Umfeld des AZ Wuppertal nun eine zweite, sehr ausführ­liche Erklä­rung zu dem Vorfall veröf­fent­licht worden, die wir hier im Wortlaut dokumen­tieren. Auch von unserer Seite wünschen wir dem verletzten Freund viel Kraft.

titel

Eine zweite Erklä­rung

Am Samstag­morgen den 11.04.2015 um 1.00 Uhr wurde ein Freund unseres Hauses, ein Antifa­schist mit türki­schem Migra­ti­ons­hin­ter­grund, auf der Straße vor dem Autonomen Zentrum von mehreren Tätern angegriffen und mit zahlrei­chen Messer­sti­chen in den Rücken und zusätz­lich mit stumpfer Gewalt lebens­ge­fähr­lich verletzt. Vorher hatten die drei Männer mit HoGeSa-Sprüchen AZ-Besucher*innen bedroht. Nach dem Messer­an­griff flohen die Männer.

Der Angriff hat uns alle sehr geschockt und betroffen, teilweise sprachlos gemacht. Unsere erste Sorge gilt unserem lebens­ge­fähr­lich verletzten Freund. Er ist nach kurzer Unter­bre­chung wieder im künst­li­chen Koma. Er wird weiterhin intensiv-medizi­nisch behan­delt, sein Zustand ist weiterhin kritisch.

Unsere Gedanken sind bei Dir ! Wir schicken Dir -auch auf diesem Weg- die herzlichsten Grüße und Wünsche und viel Kraft ins Kranken­haus !

Bereits die wenigen oben genannten Fakten zeigen, dass der Angriff eine wesent­liche politi­sche Dimen­sion trägt, die wir im Folgenden genauer aufzeigen.

Täter

Mindes­tens einer der dringend Tatver­däch­tigen ist ein HoGeSa-Nazi. Aufgrund eines Hinweises einer Passantin, nicht etwa durch Ermitt­lungen der Polizei, wurde der HoGeSa-Nazi Patrick Petri in der Tatnacht an den Elber­felder City-Arkaden aufge­griffen und von der Polizei als „der rechten Szene“ zuzuordnen bezeichnet.

Er hat u.a. offen im Internet zur Teilnahme an der rassis­ti­schen Pegida-Demons­tra­tion am 14. März 2015 in Wuppertal aufge­rufen. Ein Post vom 12.04.2015 auf der öffent­li­chen Facebook-Seite von „Die Rechte - Kreis­ver­band Wuppertal“ von Mario Leise­ring aus Oberhausen weist auf seine Tatbe­tei­li­gung hin und zeigt eine enge Verbin­dung in führende Kreise von HoGeSa-Nazis in NRW.

Seit Montag, den 20.04.2015 sind nach unseren Infor­ma­tionen drei Personen festge­nommen, die nach Aussage der Polizei die drei Tatver­däch­tigen sind.

Ermitt­lungen der Polizei

Reflex­haft funktio­niert bei der Wupper­taler Polizei das Feind­bild gegen Links bzw. gegen Antifaschist*innen.

Das zeigt sich zum einen am Handeln und Verhalten der Wupper­taler Polizei am Abend : Unter Schock stehende Besucher*innen wurden mit Schlag­stock und Pfeffer­spray bedroht. Während der Notfall­ver­sor­gung wurde das AZ von Polizeibeamt*innen gestürmt. Ermitt­lungen und Spuren­si­che­rungen in der Tatnacht und am darauf folgenden Morgen konzen­trierten sich offen­sicht­lich ausschließ­lich nur auf Zeug*innen bzw. Besucher*innen aus dem AZ.

Anstatt mit einem direkt vor Ort angebo­tenen Schlüssel alle Räume im Haus zu betreten, wurden zwecks „Tatort­si­che­rung“ fast alle Türen des Autonomen Zentrums einge­treten und zerstört. Flucht­wege von Tätern wurden nicht überprüft. Zeug*innen und Ersthelfer*innen wurden teilweise bis zum nächsten Mittag in Polizei­ge­wahrsam festge­halten bzw. als Beschul­digte festge­nommen. Ein „blutver­schmiertes Messer“, womög­lich die Tatwaffe, wurde erst am Montag von der Polizei sicher­ge­stellt.

Das zeigt sich zum anderen am Handeln und Verhalten der Wupper­taler Polizei in ihren Erklä­rungen : In ihrer ersten Presse­mit­tei­lung spricht die Polizei von einer „Ausein­an­der­set­zung“. Diese falsche Wortwahl kennen wir bereits aus dem geplanten Überfall von Wupper­taler Nazis auf Besucher*innen des Vohwinkler Flohmarkts und aus dem überre­gional organi­sierten Nazi-Überfall auf eine Vorstel­lung des Medien­pro­jekts Wuppertal im Cinemaxx.

Damals wie jetzt wird bewusst sugge­riert, dies sei ein beidsei­tiger Konflikt zwischen „Rechts“ und „Links“, anstatt eindeutig die brutale einsei­tige schwere Verlet­zungs- und dieses Mal Tötungs­ab­sicht von Nazis zu benennen.

Weiterhin erzählt die Polizei die Geschichte ihres Einsatzes am AZ in inzwi­schen verschie­denen Versionen : In der ersten Presse­mit­tei­lung verlaut­baren sie :

Bei Eintreffen der Rettungs­kräfte wurden Polizei­be­amte und Rettungs­wa­gen­be­sat­zungen im Gebäude von mehreren Angehö­rigen der linken Szene angegriffen und der Zutritt verwehrt. Erst durch den Einsatz von Pfeffer­spray und mittels Schlag­stock konnten die Einsatz­kräfte den Verletzten zur weiteren ärztli­chen Versor­gung aus dem Gebäude retten.“

(Presse­mit­tei­lung der Polizei Wuppertal 11.04.2015 – 08:58)

In der Lokal­zeit vom 11.04.2015 behauptet die Polizei­spre­cherin Anja Meis :

Es gab Wider­stand­hand­lungen, dass heißt wir mussten unter Einsatz von Pfeffer­spray und Schlag­stock in das Gebäude.“

(Lokal­zeit vom 11.4.2015)

In der Lokal­zeit vom 13.04.2015 wird die Geschichte ebenfalls durch die Polizei­spre­cherin Anja Meis wieder anders erzählt :

Die Kollegen sind in das Gebäude rein. Es gab Range­leien und Schub­se­reien. Und da musste man auch zwischen­durch wieder rausgehen, sich sammeln. Die verletzte Person konnte aber aus dem Gebäude gebracht werden und wurde dann aber weiter behan­delt.“

Die verschie­denen Erzäh­lungen der Polizei zeigen deutlich, dass hier absicht­lich und berech­nend Falsch­dar­stel­lungen in Umlauf gebracht werden, die von der Presse bislang ungeprüft übernommen worden sind.

Es wurden mutwillig AZ-Besucher*innen / Antifaschist*innnen von Seiten der Polizei verleumdet.

In dem Wissen, dass die zusam­men­ge­lo­gene Geschichte über die Gescheh­nisse der Nacht womög­lich nicht haltbar sein werden, verbreitet die Presse­spre­cherin der Wupper­taler Polizei immer neue Versionen des Einsatz­ab­laufs, zuletzt am 13.04.2015. Ab diesem Zeitpunkt schweigt die Polizei. Selbst von den Festnahmen der drei Tatver­däch­tigen wird bis heute nicht öffent­lich berichtet. Warum ? Mit welchem Zweck ?

Wir stellen weiterhin klar

Der auf der Straße vor dem AZ Schwer­ver­letzte wurde in einen ruhigen Seiten­flur des Autonomen Zentrums geborgen, es wurde sofort von Besucher*innen des Autonomen Zentrums Erste Hilfe geleistet und ebenso umgehend mehrfach über die Notruf­nummer der Rettungs­dienst alarmiert. Die Rettungs­kräfte kamen zeitnah in das Autonome Zentrum und übernahmen die profes­sio­nelle Erstver­sor­gung. Die eigene Sicher­heit der Rettungs­kräfte war zu keiner Zeit durch Besucher*innen des Autonomen Zentrums bedroht.

Während­dessen verschärfte die Polizei durch ihr unzuläng­li­ches Verhalten die Rettungs­si­tua­tion, indem sie mit Eintreffen von Verstär­kung den durch die Gescheh­nisse unter Schock stehenden AZ-Besucher*innen mit Pfeffer­spray und Schlag­stö­cken drohten und den Eingangs­be­reich des AZs stürmten, um mit Gewalt zu dem Verletzten zu gelangen. Es wurde entgegen der Behaup­tungen der Polizei zu keiner Zeit Pfeffer­spray und Schlag­stöcke einge­setzt, niemand hat Verlet­zungen davon­ge­tragen.

Trotz dringend benötigter Hilfe wurden die bereits behan­delnden, profes­sio­nellen Rettungs­kräfte während­dessen von der Behand­lung des Schwer­ver­letzten wieder abgezogen (auf wessen Anord­nung hin?), um kurze Zeit später die Notfall­ret­tung mit Verstär­kung durch einen Notarzt wieder aufzu­nehmen und den Schwer­ver­letzten in eine Notfall­auf­nahme eines Kranken­hauses zu bringen.

Bezüg­lich des Tatver­däch­tigen wurde in der ersten Presse­mit­tei­lung der Polizei bei der aufge­grif­fenen Person, die der „rechten Szene“ zuzuordnen sei, von einer Stich­ver­let­zung gespro­chen (Presse­mit­tei­lung der Polizei vom 11.04.2015), die im weiteren Verlauf der Woche zu einer Schnitt­ver­let­zung am Bein wurde (Wupper­taler Rundschau 15.04.2015).

Was soll hier sugge­riert werden ? Eine typische Opfer-Täter-Umkehr ? Die Staats­an­waltin Monika Olschak erklärt in der Lokal­zeit :

[Es sei] bedingt durch den Tatort, dass man auch in diese Richtung ermit­telt, aber aktuell haben wir keine festen Anhalts­punkte dafür, dass es tatsäch­lich eine politi­sche Tat bzw. mit rechtem Hinter­grund ist.“

(Lokal­zeit 13.04.2015)

Wusste nicht die Staats­an­walt­schaft zu diesem Zeitpunkt bereits von dem HoGeSa-Nazi-Hinter­grund von den Tatver­däch­tigen ?

Dieser Fakt wird bewusst vorent­halten. Ebenso wird von der Polizei und Staats­an­walt­schaft über mehrere Tage und bis heute verschwiegen, dass drei Tatver­däch­tige festge­nommen worden sind. Es muss den Sicher­heits­be­hörden unter­stellt werden, dass der HoGeSa / Pegida-Nazi-Hinter­grund der Tat verharm­lost, bagatel­li­siert, relati­viert und letzt­end­lich negiert werden soll. Rechte Gewalt wird nicht benannt.

Die Täter haben das Autonome Zentrum ganz bewusst aufge­sucht. Das Autonome Zentrum organi­siert und mobili­siert seit Jahren unablässig gegen rassis­ti­sche Zustände und Nazium­triebe aller Art, so waren wir z.B. selbst­ver­ständ­lich ein tragender Teil der Gegen­ak­ti­vi­täten zu den geplanten Pegida-/ Hogesa-/ Nazi-Aufmarsch am 14.März 2015 in Wuppertal. Am selben Abend dieses Aufmar­sches ist im übrigen das leere Gebäude des AZs bereits von Pegida-Anhän­gern mit Flaschen­würfen angegriffen worden.

Die diffa­mie­rende und stigma­ti­sie­rende These der Ermitt­lungs­be­hörden, wonach Täter zuerst im Umfeld des Autonomen Zentrums zu suchen seien, bleibt in der Öffent­lich­keit bisher weitest­ge­hend unwider­spro­chen. Bislang haben leider große Teile der Presse, ohne eigene Recherche durch bewusste und / oder gedan­ken­lose Übernahme der Polizei­pres­se­mel­dungen in ihren Berichten das einsei­tige, gefähr­liche politi­sche Spiel der Behörden unter­stützt. Wir brauchen endlich einen kriti­schen Journa­lismus in dieser Stadt, der sich nicht von Falsch­mel­dungen der Polizei beein­dru­cken lässt und unabhängig berichtet.

Gegen­wär­tige politi­sche Einschät­zung

Es ist eine neue, zutiefst besorg­nis­er­re­gende Entwick­lung, dass sich alte und neue Nazi-Hooli­gans und rechte Schläger, die das Label ‚Hooligan’ für sich nutzen, sich zuneh­mend rassis­tisch politi­sieren und hoch gewalt­tätig agieren.

Sie sind Teil einer unter­schied­lich zusam­men­ge­setzten rassis­ti­schen Bewegung, die in den letzten Monaten bundes­weit zahlreiche große und kleine Aufmär­sche durch­führt und auf der sie ihre Hetze unver­hohlen verbreiten können. Ebenso treten sie durch angegrif­fene und angezün­dete Flücht­lings­un­ter­künfte und brutale körper­liche Übergriffe auf Anders­den­kende / Anders­le­bende in Erschei­nung.

In ihr Visier geraten dabei verschie­dene Gruppen, insbe­son­dere Geflüch­tete und Migrant*innen, Muslime / Muslima aber auch alle aktiven Antifaschist*innen, die sich menschen­ver­ach­tender Hetze und Handlungen in den Weg stellen.

Dieser Gefahr gilt es gemeinsam und solida­risch entgegen zu treten !

Zum verhee­renden Umgang der Sicher­heits­be­hörden mit Opfer / Zeug*innen von Nazi-Gewalt muss festge­halten werden, dass die derzei­tige Ermitt­lungs- und Presse­ar­beit der Wupper­taler Polizei wieder einmal negativ heraus­ra­gend ist.

Für Wuppertal können wir die empörend schlechte Arbeit der Polizei / Staats­an­walt­schaft bei „rechter Gewalt“ an vielen Beispielen darlegen (vgl. z.B. Presse­er­klä­rung der Opfer­be­ra­tung Rhein­land). Diese machen u.a. deutlich, dass das jewei­lige Handeln der Sicher­heits­be­hörden nicht nur auf ein indivi­du­elles Versagen von Einzel­per­sonen und deren politi­sche Einstel­lungen zurück­zu­führen, sondern system­im­ma­nent, insti­tu­tio­nell und struk­tu­rell ist.

Unsere Stadt ist an diesem Punkt kein Einzel­fall. Als schreck­liche und katastro­phale Beispiele müssen in diesem Zusam­men­hang die Ermitt­lungen um die Morde des NSU und den Nagel­bom­ben­an­schlag auf die Kölner Keupstraße genannt werden. Dieses Vorgehen bzw. Falsch- und Nicht-Vorgehen nach Gewalt­taten mit rechtem menschen­ver­ach­tenden und / oder rassis­ti­schem politi­schen Hinter­grund ist, trotz gegen­tei­liger Behaup­tungen nach der Selbstent­tar­nung des NSU 2011, noch immer tief in den Struk­turen der ‚Sicherheits’-Institutionen veran­kert.

Die Amadeu Antonio Stiftung hat zwei Broschüren mit den Titel „Das Kartell der Verharm­loser. Wie deutsche Behörden syste­ma­tisch rechts­ex­tremen Alltags­terror bagatel­li­sieren“ und „Staats­ver­sagen. Wie Engagierte gegen Rechts­ex­tre­mismus im Stich gelassen werden. Eine Repor­tage aus Westdeutsch­land“ (das Titel­bild zeigt die Schwe­be­bahn ; der Nazi-Überfall auf die Filmauf­füh­rung des Wupper­taler Medien­pro­jekt sowie seine skanda­löse behörd­liche Aufar­bei­tung ist eines der Haupt­themen) heraus­ge­geben, die über diese Struk­turen infor­mieren.

Das Verschweigen und Nicht-Benennen politi­scher Motive von Rassismus und Menschen­ver­ach­tung sowie die Kultur des Tolerie­rens und Wegschauens trägt dazu bei, Dimen­sionen rechter Gewalt zu verharm­losen und führt zu einem weiteren Erstarken rassis­ti­scher, menschen­feind­li­cher Bewegungen jegli­cher Art. Dagegen werden wir uns weiter erwehren und wider­stehen !

¡No pasarán ! Fasizme Karsi Omuz Omuza !
 
Zu Eurer Infor­ma­tion :

Wir wollen auch an diesem 1.Mai entschlossen und kämpfe­risch und vor allen Dingen solida­risch auf die Straßen gehen !

Es ist keine leichte Situa­tion für uns alle. Wir hoffen auf eure Solida­rität !

Gemeinsam können und wollen wir einen Ausdruck finden der unsere Wut, unsere Verzweif­lung zeigt und ein Schritt zu neuer Hoffnung ist.

Setzen wir den menschen­ver­ach­tenden Bewegungen und den herrschenden Verhält­nissen gemeinsam etwas entgegen ! In unseren Gedanken werden wir unseren schwer­ver­letzten Freund dabei haben !

Artikel teilen