Kurzbericht zum Karawane-Aktionstag

Flücht­linge organi­sieren sich gegen staat­li­chen Rassismus und Isola­tion

Anfang September startete in Würzburg (Bayern) eine beein­dru­ckende Protest­ak­tion : Zu Fuß wanderten über dreißig Flücht­linge und Unter­stüt­ze­rInnen nach Berlin. Unter­wegs besuchen sie andere Flücht­linge in Lagern und Sammel­un­ter­künften und zum Mitmar­schieren einladen. An den verschie­denen Stationen der Reise infor­mierten sie die Menschen über die rassis­ti­schen und ausgren­zenden Lebens­be­din­gungen von Flücht­lingen in Deutsch­land. Es ging ihnen vor allem um die Residenz­pflicht, um die Abschaf­fung des Zwangs, in isolierten Lagern zu leben, und um ein Ende der Abschie­bungen.

Nach mehr als einem Monat, fast 600 Kilome­tern zu Fuß, nach Regen, Kälte, Wind und Bedro­hungen durch Nazis erreichten die zeitweise über 70 Marschie­renden am 6.Oktober endlich ihr Ziel Berlin. Spätes­tens seitdem sie Bayern verlassen hatten, haben sie mit jedem einzelnen ihrer Schritte die Residenz­pflicht gebro­chen.

Die Soli-Kundge­bung in Wuppertal ist im Regen leider etwas wegge­schwommen. Trotzdem kamen 20 Menschen.

In mehreren Städten Deutsch­lands solida­ri­sierten sich Unter­stüt­ze­rInnen mit dem Marsch – in Köln kamen 200 Leute zu einer Demons­tra­tion, um die Ankunft in Berlin zu feiern. Aber auch in Wuppertal fanden sich etwa 20 Personen - u.a. von Karawane und so_ko_wpt - im strömenden Regen zusammen, um an die eher hektisch vorbei eilenden, shoppenden Passan­tInnen Flugblätter und Zeitungen zu verteilen. In einzelnen Gesprä­chen wurde jedoch wieder deutlich, wie auch in Wuppertal viele Menschen direkt oder indirekt von den Abschie­bung oder dem Asylbe­wer­ber­leis­tungs­ge­setz betroffen sind oder Probleme haben, einfach nur weil sie den falschen oder gar keinen Pass haben.

40 Inter­es­sierte kamen am Abend zusammen, um sich zu infor­mieren und auszu­tau­schen.

Abends kamen dann an die vierzig Personen im Cafe Stilbruch zusammen, um im Anschluss an ein fantas­ti­sches persi­sches Essen Filme über den Protest­marsch zu sehen und über die Unter­stüt­zungs­mög­lich­keiten und -notwen­dig­keiten hier vor Ort im Bergi­schen Land zu reden. Denn Isola­tion und Abschie­bung ist auch hier ein perma­nentes, leider von der Mehrheits­be­völ­ke­rung kaum wahrge­nom­menes Verbre­chen.

Hier der Text des vom Soliko­mittee Wuppertal und der Karawane am Samstag verteilten Flugblatts :

Die Karawane für die Rechte der Flücht­linge und Migran­tInnen und das so_ko_wpt (Solida­ri­täts-Komitee Wuppertal) erklären sich solida­risch mit dem Protest­marsch der Flücht­linge, der in Berlin angekommen ist.

Nach mehr als einem Monat, über 500 Kilome­tern zu Fuß, nach Regen, Kälte, Wind und Bedro­hungen durch Nazis erreichten die zeitweise über 70 Marschie­renden endlich ihr Ziel. Auf dem Weg von Würzburg in die Haupt­stadt haben die Flücht­linge nicht nur ihre Forde­rung nach einer Schlie­ßung aller Lager und eine Abschaf­fung diskri­mi­nie­render Gesetz­ge­bung auf die Straßen getragen, sondern auch einen unver­gleich­li­chen Akt der Selbst­be­haup­tung und -ermäch­ti­gung geleistet.

Viele Menschen sind auf dem Weg des Marsches durch die Städte und die Provinz auf die unwür­dige Lage der Flücht­linge in Deutsch­land aufmerksam geworden : anstatt in Sicher­heit, Freiheit und Demokratie anzukommen, geraten Menschen nach einer oft trauma­ti­sie­renden Flucht in Deutsch­land wieder in isolie­rende Sammel­lager und ein bürokra­ti­sches Kontroll­system – ohne jede Teilnah­me­mög­lich­keit am sozialen Leben, ohne die Möglich­keit zu arbeiten, sich zu entfalten und in Würde zu leben.

Warum der Protest der Flücht­linge auch in NRW statt­findet :

Sammel­lager auflösen !
Auch im Rot-Grün regierten NRW leben viele Flücht­linge über viele Jahre hinweg in abgele­genen Sammel­la­gern, in menschen­un­wür­digen Contai­ner­ba­ra­cken, die den Anfor­de­rungen an menschen­wür­dige Wohn- und Lebens­stan­dards nicht gerecht werden. Auch in NRW werden Flücht­linge über Jahre von Deutsch­kursen, vom Arbeits­markt und von gesell­schaft­li­cher Teilhabe ausge­schlossen.

Das so_ko_wuppertal und die Wupper­taler Karawane haben den Protest­marsch der Flücht­linge nach Berlin von Beginn an unter­stützt – denn auch im Bergi­schen werden Flücht­linge unwürdig unter­ge­bracht : z.B. in Velbert, wo erst nach großem öffent­li­chen Druck ein paar Verbes­se­rungen im Heim in der Talstraße erreicht wurden. Oder in Heili­gen­haus, wo in der dortigen Unter­kunft nach wie vor unbeschreib­liche Zustände herrschen. Diese furcht­baren Lebens­be­din­gungen von Menschen in unserer unmit­tel­baren Nachbar­schaft dürfen wir nicht länger ignorieren.

Aufhe­bung der Residenz­pflicht !
Auch wenn die Residenz­pflicht inner­halb NRWs schon seit zwei Jahren abgeschafft ist – Flücht­linge aus NRW, die das Bundes­land verlassen, brechen bereits damit das Gesetz. Deutsch­land ist das einzige Land der EU, in dem Asylsu­chende den zugewie­senen Landkreis nicht, bzw. nur auf Antrag verlassen dürfen. Diese Freiheits­be­schrän­kung dient der räumli­chen Isola­tion und der Kontrolle. Auf ihrem Marsch haben sich die Flücht­linge deshalb bewusst der Residenz­pflicht wider­setzt und dadurch erstmals seit langer Zeit die Erfah­rung selbst­be­stimmter Entschei­dungen machen können.

Abschie­bungen stoppen !
Düssel­dorf ist außerdem nicht nur die Landes­haupt­stadt, in der über die Lebens­be­din­gungen von Flücht­lingen entschieden wird – im Düssel­dorfer Innen­mi­nis­te­rium werden auch die regel­mäßig statt­fin­denden Abschie­bungen geplant und organi­siert.

Zumeist werden sie über den Flughafen Düssel­dorf durch­ge­führt. Für den 13.November ist wieder eine Sammel­ab­schie­bung vom Flughafen Düssel­dorf geplant – wieder werden Menschen, die oft jahre­lang hier gelebt haben, gegen ihren Willen aus allen sozialen Bezügen gerissen und außer Landes trans­por­tiert.

Asylbe­wer­ber­leis­tungs­ge­setz abschaffen !
Noch immer dürfen Flücht­linge in Deutsch­land für lange Zeit nicht arbeiten, und sie bekommen gerin­gere Leistungen als Menschen mit deutschem Pass. Durch den Protest­marsch der Flücht­linge nach Berlin ist nun der diskri­mi­nie­rende Umgang mit Flücht­lingen und Migran­tInnen in der Fokus öffent­li­cher Wahrneh­mung gerückt.

Es ist an der Zeit, politi­schen Druck aufzu­bauen. Der Moment ist günstig. Zur Zeit bemühen sich drei Bundes­länder im Bundesrat um eine Abschaf­fung des rassis­ti­schen Asylbe­wer­ber­leis­tungs­ge­setzes. Dieser Vorstoß kann nur erfolg­reich sein, wenn er von der Rot-Grünen Landes­re­gie­rung in NRW unter­stützt wird. SPD und Grüne müssen sich nun an ihre Verspre­chen erinnern !

Verlangen wir von den beiden Parteien und ihrer Landes­re­gie­rung, sich endlich für die Abschaf­fung des AsylbLG stark zu machen !

Download des Flugblattes als pdf-Datei

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Kundgebung in Wuppertal 06.10.2012

 

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