Ihr Asylrecht : Selektion, Internierung, Deportation

Am Samstag, den 3.Oktober wird es bei mehreren Veran­stal­tungen mit, für und von in Wuppertal lebenden Refugees ein Kontrast­pro­gramm zu den Einheits­feiern geben, die dieses Jahr unter dem zynischen Motto « Grenzen überwinden » geplant sind. Wenige Tage vor der geplanten Verschär­fung des Asylrechts sollen die gefeiert werden, die Grenzen tatsäch­lich überwinden.

Grenzen überwinden ! Asylrechts­än­de­rung stoppen !
3.10. in Wuppertal : All Refugees Welcome !

Wir veröf­fent­li­chen hier eine ausführ­liche Einschät­zung zur Lage und den geplanten neuen Asylrechts­ver­schär­fungen aus dem Umfeld der Initia­tive welcome2wuppertal (w2wtal).

« Dem ‚Sommer des Willkom­mens’ muss eine wider­stän­dige ‚Willkom­mens­kultur’ folgen »

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Nach dem Willkommen : Selek­tion, Inter­nie­rung und Depor­ta­tion

von lobanow­skji (w2wtal)

Die Ereig­nisse an den Grenzen Europas, inner­halb Deutsch­lands und auch in Wuppertal haben sich seit der Ankunft vieler, über die Landroute über Öster­reich geflüch­teter Menschen in Deutsch­land teilweise überschlagen. Nachdem Politik, Behörden und Medien über Wochen der Hetze rassis­ti­scher « besorgter Bürger*innen » und Anschlägen gegen Geflüch­tete und geplante und bewohnte Unter­künfte schwei­gend bis verständ­nis­voll begeg­neten, folgte nach Heidenau und der durch die Flüch­tenden erzwun­genen Grenz­öff­nungen ein von Teilen der politi­schen Elite prokla­mierter ­kurzer « Sommer des Willkom­mens ».

Er war auch Reaktion auf eine in den meisten Fällen selbst­or­ga­ni­sierte Welle von Hilfs­be­reit­schaft aus der Bevöl­ke­rung. In den Aufnah­me­zen­tren oder auf den Bahnsteigen hatte sich wohl auch eine angestaute Verzwei­fe­lung über die « Festung Europa », tausende Tote, über rassis­ti­sche Hetze und eigene empfun­dene Macht­lo­sig­keit entladen : Frontex befindet sich weit weg, diesmal konnte wirklich etwas getan werden. Den ordnungs­be­ses­senen Flügel der Politik erwischte das auf dem falschen Fuß. Erstmals seit Jahren gerieten daher völki­sche Rassisten und die Abschot­tungs- und Abschre­ckungs­pre­diger in eine gesell­schaft­liche Defen­sive.

Darin manifes­tierte sich auch eine in allen Umfragen und Wahlen der letzten Jahre konstant « links von der Union » angesie­delten Mehrheit in der BRD, die sich aufgrund von übergeod­netem Kalkül jedoch nie in realer Macht ausdrückt. So diffus diese theore­ti­sche Mehrheit ist, so diffus war auch das Handeln der so genannten « zivil­ge­sell­schaft­li­chen Willkom­mens­kultur ». Es reichte von offen kultur­pa­ter­na­lis­ti­schen Angeboten bis zu halble­galen Unter­neh­mungen zur Flucht­hilfe. Angela Merkel, die über einen großen Macht­in­stinkt verfügt, weiß gut, dass ihre Partei nicht über eine gesell­schaft­liche Mehrheit verfügt. Fast folge­richtig setzte sie sich so kurzfristig an die Spitze der zivil­ge­sell­schaft­li­chen Manifes­ta­tion für eine « offene Gesell­schaft », indem sie feststellte, für die Gewäh­rung von Asyl gebe es keine Obergrenzen.

Der völki­sche Rollback aus dem Drehbuch

Dieses durch Flüch­tende und « Zivil­ge­sell­schaft » erzwun­gene Bekenntnis soll nun durch einen blitz­ar­tigen Rollback korri­giert werden. Die Reaktion agierte dafür wie aus dem Lehrbuch : Zu Beginn verwei­gern einzelne Minister*innen und regio­nale Player die Gefolg­schaft : Sie schaffen in ihren Zustän­dig­keiten vollendete Tatsa­chen um damit einen behaup­teten « Notstand » zu belegen. So geschehen mit der vom Innen­mi­nister verkün­deten Grenz­schlie­ßung zu Öster­reich binnen 12 Stunden am 14.September. Im Anschluss wird eine überzo­gene « Lösung der Krise » vorge­legt, bei der « Zugeständ­nisse » an die andere Seite einge­baut sind. Schließ­lich wird Druck auf jene Teile des Gesamt­ge­füges aufge­baut, die für gut erpressbar gehalten werden. Hier waren das die Länder und die Kommunen, die dringend auf finan­zi­elle Zuschüsse des Bundes angewiesen sind. Wenn das alles in einem hohen Tempo geschieht, bestehen für die Reaktion und ihren Rollback gute Chancen.

Nach der Grenz­schlie­ßung, die zwar keinen einzigen Refugee am Zugang auf deutsches Staats­ge­biet hinderte, dafür aber wirksame Bilder sich an den Grenzen aufbau­ender Staus und schwer bewaff­neter Bundes­po­lizei produ­zierte, folgte schnell der zweite Schritt. Dafür war es gut, dass die vermeint­liche „Krisen­lö­sung” schon lange in den Schub­laden des Innen­mi­nis­te­riums lag und nun hervor­ge­zau­bert werden konnte. Der am 17. September durch Pro Asyl publik gemachte Entwurf eines neuen Asylrechts forderte für viele Menschen faktisch dessen Abschaf­fung und das Ende jeder Unter­stüt­zung. Viele Ankom­mende sollten nach den Plänen des Bundes­in­nen­mi­nis­te­riums zukünftig ihren Anspruch auf Geld und sogar auf jede medizi­ni­sche Versor­gung verlieren ; auch für eine Unter­kunft sollte nicht mehr gesorgt werden. Ein passender Werbe­slogan für Nazis, die seit jeher « Rückflug­ti­ckets für Asylbe­trüger » fordern, war dem Bundes­in­nen­mi­nister dazu auch einge­fallen : Dublin III-Geflüch­tete sollten außer dem « Ticket für die Rückfahrt » und etwas « Reise­pro­viant » nichts zu erwarten haben.

Das war der Part des « Notstands­plans », der offenbar zur teilweisen Strei­chung vorge­sehen war, damit das letzt­lich Verab­schie­dete als Kompro­miss verkauft werden konnte. In der vorge­legten Form handelte es sich ohnehin um einen krassen Verstoß gegen verfas­sungs­recht­liche Vorgaben. Der Entwurf wurde deshalb in der ersten Koali­ti­ons­runde dahin­ge­hend abgeschwächt, dass nun nicht mehr alle unter die « Dublin»-Regelung Fallenden ausge­hun­gert werden sollen. Die SPD feierte sich prompt für ihre « Stand­haf­tig­keit» ; doch auch das, was nach der nächsten Runde, der am 23. September tagenden « Bund-Länder Kommis­sion » übrig­blieb und mittler­weile auch das Kabinett passierte, verstösst nicht nur nach wie vor gegen das Grund­ge­setz, es wird für viele Geflüch­tete schreck­liche Konse­quenzen haben.

Inter­nie­rungs­lager als neue Willkom­mensorte

Zum Beispiel die schnel­leren und zukünftig unange­kün­digten Abschie­bungen. Die bedeuten nicht nur, den zuletzt immer erfolg­rei­cheren Blockaden solida­ri­scher Menschen einen Riegel vorzu­schieben, auch indivi­du­eller Rechts­schutz für die Betrof­fenen ist kaum noch zu gewähr­leisten. Auch die nach jahre­langen, oft bitteren Kämpfen erst kürzlich teilweise abgeschaffte « Residenz­pflicht » soll eine Renais­sance erleben. Zentraler Punkt der Pläne ist nach wie vor jedoch die gesetz­liche Veran­ke­rung eines Konzeptes von « richtigen » und « falschen » Geflüch­teten. Während einige als « nützlich » und « verwertbar » (so Claudia Roth von den „Grünen ») klassi­fi­ziert und – wie von der deutschen Wirtschaft gefor­dert – zukünftig auch erleich­tert aufge­nommen werden sollen, sollen die anderen in spezi­ellen Lagern inter­niert und ohne wirkli­chen Rechts­schutz schnellst­mög­lich wieder abgeschoben werden. Das ist eine glatte Umset­zung der vor den Unter­brin­gungen heraus­ge­g­ei­ferten Forde­rungen der Nazis.

Neben vielen, die mit unsicherem Status mit uns leben, wird diese Selek­tion per willkür­li­cher Defini­tion weiterer Länder als « sicherem Herkunfts­land » (zum Beispiel des noch immer von Bundes­wehr-Soldaten gesicherten Kosovo) vor allem erneut Menschen aus Mittelost-Europa treffen. Die werden als so genannte « Wirtschafts­flücht­linge » schon seit Jahren entrechtet und diskri­mi­niert. Wie willkür­lich dabei die Defini­tion « sicherer Herkunfts­staaten » tatsäch­lich ist, zeigen aus der CSU bereits gestellte Forde­rungen, auch den sich in Ägypten oder in den « nicht umkämpften Teilen » Syriens befind­li­chen Syrer*innen, « echte Flucht­gründe » abzuspre­chen. Die jetztige Auswei­tung « sicheren » Terri­to­riums richtet sich wieder einmal vor allem gegen Angehö­rige der Roma-Minder­heiten, für die es bekannt­lich nirgendwo jemals « sicher » war. Dabei treibt die deutsche Politik ihre Ausgren­zungs­pläne ungeachtet kollek­tiver Verfol­gung und Vernich­tung so genannter « Zigeuner » im Natio­nal­so­zia­lismus voran. Anstatt den Roma in Deutsch­land eine sichere Zuflucht zu gewähren und ihnen (endlich) einen Opfer­status zuzuer­kennen, stellt sich Deutsch­land damit erneut in eine Tradi­tion von Selek­tion, Inter­nie­rung und Depor­ta­tion.

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w2wtal beim Schusterplatzfest

Die Initia­tive „welcome2wuppertal” (w2wtal) betei­ligte sich dieses Jahr am Schus­ter­platz­fest auf dem Ölberg nach der Autonomen 1.Mai-Demonstration. Wir dokumen­tieren hier ihren Redebei­trag, der auf der Homepage der Initia­tive veröf­fent­licht wurde. (English version)

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Liebe Freunde, liebe Freun­dinnen !

Europa führt einen Krieg gegen Flücht­linge. Wir finden die momen­tane Situa­tion der Flücht­linge und die aktuelle Asylpo­litik unerträg­lich und wollen diese nicht weiter hinnehmen !

Die Festung Europa produ­ziert täglich Tote, vor allem im Mittel­meer und an den Außen­grenzen. Im letzten Jahr starben 3.400 Menschen, und das, obwohl Italien mit der Opera­tion « Mare Nostrum » das größte Programm zur Seenot­ret­tung das es im Mittel­meer je gab, gestartet hatte. Aber weil die EU nicht bereit war, sich an den Kosten von « Mare Nostrum » zu betei­ligen, wurde selbst diese Mission einge­stellt und durch « Triton » ersetzt. « Triton » aber ist, im Gegen­satz zu « Mare Nostrum » keine Seenot­ret­tung, sondern eine von Frontex gelei­tete Grenz­schutz­ope­ra­tion. « Triton » deckt nur ein wesent­lich kleineres Seege­biet ab und ist nicht darauf ausge­richtet, Menschen­leben zu retten.

Die Konse­quenzen aus der misera­blen Politik und des Auflö­sens von « Mare Nostrum » waren in der vorletzten Woche allzu deutlich erkennbar. Inner­halb einer Woche ertranken mehr als 1000 Flüch­tende im Mittel­meer auf ihrem Weg nach Europa.

Trotzdem fällt den Regie­renden nichts Besseres ein, als die Mittel für den Grenz­schutz, also für Frontex, aufzu­sto­cken und Fischer­boote in Libyen zu zerstören, die vielleicht Schleu­ser­boote sein könnten. Europa scheint es weiterhin nur darum zu gehen, das Elend der Welt von seinen Grenzen fernzu­halten. Statt­dessen lassen sie lieber die flüch­tenden und asylsu­chenden Menschen in ihren kriegs­ge­schüt­telten Herkunfts- und Transit­län­dern verre­cken. Bedau­erns­wer­ter­weise trägt ein großer Teil der Bevöl­ke­rung in Deutsch­land diesen menschen­ver­ach­tenden Zynismus mit und verschließt die Augen vor den Flucht­gründen.

Die meisten der Flüch­tenden sind auf Schleuser angewiesen und verdanken ihnen ihr Überleben. Sie nehmen das hohe Risiko auf sich, über den Seeweg nach Europa zu gelangen, weil es ihren Tod oder großes Elend bedeuten würde, in den Herkunfts- und Transit­län­dern zu bleiben. Auf dem Landweg sind ihre Chancen noch geringer in Europa anzukommen, beson­ders für Familien mit Kindern. Es gibt keinerlei Alter­na­tiven. Außer­halb Europas gibt es keine Möglich­keit, ein humani­täres Visum zu beantragen und legal und sicher einzu­reisen. Selbst Kriegs­flücht­linge haben keine Chance, auf sicheren Wegen nach Europa zu kommen.

Genau daraus ergibt sich unsere Forde­rung, die sich als offen­sicht­liche Lösung aufdrängt : Sichere Flucht­wege zu öffnen und Möglich­keiten ein humani­täres Visum außer­halb Europas zu beantragen !

Fähren statt Frontex !

Es ist zum Verzwei­feln, dass angesichts der humani­tären Katastro­phen und des politi­schen Total­ver­sa­gens europäi­scher Asylpo­litik die einzige Reaktion der europäi­schen Regie­rungen in einem « Weiter so ! » besteht. Das ist aller­dings keine neue Erfah­rung, sondern bereits seit zwanzig Jahren der Fall. Wir ziehen daraus unsere Konse­quenz : Appel­lieren allein reicht nicht mehr aus ! Wir selbst, jeder von uns, müssen das mörde­ri­sche Kriegs­re­gime angehen und Initia­tive zeigen ! Wir fragen uns : Wie kann das aussehen ?

Vor über 200 Jahren wurde in den USA die „Under­ground Railroad“ aufge­baut. Diese Initia­tive schaffte Flucht­routen, über die Sklaven aus den Südstaaten in den sicheren Norden flüchten konnten. Betei­ligt waren zum Teil befreite Sklaven, aber auch weiße US-ameri­ka­ni­sche Sklaver­ei­geg­ne­rInnen. Über 100.000 Menschen wurden über diese Schleu­ser­routen aus der Sklaverei befreit. Das Ziel, heutzu­tage ein autonomes Schleu­ser­netz­werk aufzu­bauen ist sicher hoch gesteckt, aber wir wollen in eine ähnliche Richtung gehen und es gibt inner­halb Europas schon einige Ansätze.

Zum einen gibt es « welcome2europe»”, ein Netzwerk, das Flüch­tende unter­stützt und sich für ihre Rechte einsetzt. Zum anderen gibt es das Schiff “MS Sea-Watch ». Das ist ein privates Schiff, das bald ganz praktisch dem unhalt­baren Zustand im Seege­biet zwischen Malta und der libyschen Küste etwas entgegen setzen will. Die « MS Sea-Watch » wird ab nächste Woche Flücht­lings­booten in Not Ersthilfe leisten und die Seenot­ret­tung rufen. Außerdem gibt es das « Watch the Med»-AlarmPhone. Auch das Alarm­Phone ist eine private Initia­tive von politi­schen Aktivis­tInnen. Das « Watch the Med»-AlarmPhone ist 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche für in Seenot geratene Flücht­linge erreichbar. Nach einem Alarm-Anruf rufen die Aktivis­tInnen die Küsten­wache, den UNHCR und die Medien und sorgen dafür, dass Rettungs­maß­nahmen einge­leitet werden.

Das europa­weite Netzwerk « welcome2wurope » unter­stützt Geflüch­tete auf ihrem Weg durch Europa und stellt wichtige Infos oder Kontakte zur Verfü­gung. Doch es gibt ebenso lokale Initia­tiven in den Städten wie « welcome2wuppertal ».

Wir sind zwar keine Seeleute und können deshalb keine Flücht­linge aus Seenot retten. Doch das hält uns nicht davon ab, inner­halb unserer Stadt etwas zu tun ! Wir heißen Menschen, die neu in Wuppertal sind, willkommen und wollen für sie unsere Netzwerke und Freun­des­kreise öffnen. Außerdem möchten wir sie dabei unter­stützen, hier gut anzukommen, zum Beispiel in Form von Hilfe bei der Wohnungs­suche, oder beim Deutsch-Lernen. Dazu haben wir mit dem Café Ada einen selbst­or­ga­ni­sierten Deutsch-Kurs geschaffen. Nicht zuletzt tolerieren wir in unserer Stadt keine Nazis und gehen gegen sie vor, wo immer es nötig ist. Wenn es notwendig wird, sind wir auch bereit dazu, Abschie­bungen zu verhin­dern.

Einmal im Monat – an jedem dritten Sonntag – gestalten wir zusammen mit neu angekom­menen Flücht­lingen und Aktivis­tInnen ein Frühstück im Café ADA. (Das nächste Frühstück findet am 17.5. statt) Aus einem der Treffen ergab sich unsere gemein­same Aktivität beim Schus­ter­platz­fest am 1. Mai. Einige aus unserer Gruppe haben sich dazu bereit erklärt, etwas für unsere Nachba­rInnen zu kochen und Musik zu machen. Danke dafür !

Wir freuen uns über alle, die an unserem Infotisch vorbei­kommen und das Gespräch mit uns suchen.

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welcome2wuppertal (w2wtal)

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