Reorganisation ermöglichen !
Reorganisation ermöglichen !
Bereits im Laufe des Donnerstagnachmittag war die Idee entstanden, die Proteste am Freitag in Frankfurts Umland zu tragen. Um die Tatsache wissend, dass in der « reichsten Stadt » Deutschlands, in Kronberg oder in Bad Homburg, Königstein oder Bad Soden jene wohnen, die jeglichen Protest in der Stadt untersagen ließen, erschien ein neu angemeldeter Protest vor ihrer privaten Haustür angemessen. Sie sollten begreifen, dass es mit ihrer Ruhe in jedem Fall vorbei ist. Wenn sie uns nicht in der Stadt protestieren lassen, kommen wir eben zu ihnen nach Hause… Dass die ausgesprochenen Aufenthaltsverbote für viele der davon Betroffenen dort nicht gegolten hätten, war ein weiterer Aspekt.
Der Freitag in Kronberg bestätigte, dass die Idee gut war. Zwei Hundertschaften, (eine aus Baden-Württemberg und eine aus Sachsen) und ein Polizeihelikopter waren für eine Minidemo ziemlich viele zwischenzeitlich gebundene Kräfte. Und die Reaktion der Bevölkerung im Taunus-Millionärsstädtchen baute zusätzlich auf : Beifall von Busfahrern und Beschäftigten in Pizzerien, verächtliches Genervtsein von jenen, die dort mit ihrem Porsche Boxter von der Villa zum Bio-Supermarkt fahren.
Durch den Totalausfall der Camps und damit der zentralen Strukturen, gab es leider kaum Gelegenheit zu gemeinsamer Reorganisation, nachdem ersichtlich wurde, dass ursprüngliche Planungen kaum mehr durchführbar waren. Nachdem die Polizei am Donnerstag konsequent jeden Versuch, ein Camp zu errichten massiv unterband, gab es während Blockupy kein Plenum, kein Treffen und keine Kommunikationsstruktur, die es möglich gemacht hätten, zwischen vielen kleineren Gruppen gemeinsam koordinierte Aktionen zu verabreden – z.B. in den umliegenden Gemeinden. Die Polizei wäre darauf nicht richtig vorbereitet gewesen. Das ganze Umland schien außerhalb ihres Radars gelegen - wie auch die, am Donnerstag und Donnerstagnacht ungeschützte, Dependance der Deutschen Bank in Eschborn-Süd, die erst am frühen Morgen des Freitags von plötzlich autauchenden Hundertschaften bewacht wurde – für einen aus Frankfurt nach Eschborn ausgelagerten Börsengang, wie die FAZ vermeldet hat.
Das soll keine Kritik an den Organisatorinnen und Organisatoren der Blockupy-Tage sein. Sie waren sichtlich bemüht, Ausweichstellen zu finden nachdem jeder Versuch, eine zentrale Struktur zu errichten, vereitelt wurde. Dass es am Ende ausgerechnet das Haus des DGB war, in dem sich Aktivisten und Aktivistinnen austauschen konnten, ist dabei nicht nur ein Treppenwitz, sondern auch ein bitterer Hinweis darauf, dass in den Städten nicht mehr viel an « selbstverständlicher » linker Infrastruktur, (die automatisch Begegnungen ermöglichen würde), geblieben ist – sprich linke Zentren, linke Kneipen oder Treffpunkte. Infrastruktur, die umso dringender benötigt wird, je weniger gemeinsame Erfahrungen bei den beteiligten Gruppen vorhanden sind. Wenn Menschen aus bis dahin gegenseitig unbekannten Zusammenhängen zusammenarbeiten, kann meist nicht mal eben angerufen werden und vieles ist nicht eingespielt.
Der Aufbau solcher Strukturen und die taktische und technische Vorbereitung auf ein offen autoritär agierendes Regime sind die Aufgabe aller. Das kann eine kleine Organisationsgruppe nicht leisten. Neben der Erkenntnis, dass derzeit nicht mit allzuviel Unterstützung durch « die BürgerInnen » zu rechnen ist, wenn es um die Verteidigung elementarer Freiheitsrechte geht, ist dieses zutagegetretene Paket an Aufgaben die herausforderndste Erkenntnis der Blockupy-Tage. Mit der Frage, wie die in Frankfurt spürbare Solidarität nun weitergeführt werden kann, wären alle eigentlich ohnehin schon genug beschäftigt.
Das war erst der Anfang
Dem gegenüber stehen die positiven Erfahrungen, die bei Blockupy gemacht wurden. Da war das breite Spektrum von Gruppen und Einzelpersonen – aus Deutschland und aus anderen Ländern – das an den Aktionstagen beteiligt gewesen sind. Von reformistisch-Linken über das NoBorder-Netzwerk und verschiedenen Gruppen der radikalen Linken bis zu Attac haben sehr unterschiedliche Akteure zusammengearbeitet. Vermisst wurden leider allerdings viele autonome Gruppen, die derzeit offenbar eine andere politische Agenda verfolgen. Gerade in Situationen, die schnelle Entscheidungen und kleine Gruppen erfordern, hätten sie jedoch mit ihren Erfahrungen zu einem Gelingen viel beitragen können.
Positiv war, dass der Aktionskonsens nicht infragegestellt wurde. Zu keinem Zeitpunkt war von Distanzierungen oder von Absetzbewegungen zu hören – auch nicht als der Druck im Vorfeld der Aktionstage stetig zunahm. Viele neue oder gar zufällige Konstellationen scheinen gut funktioniert zu haben. Eine gemachte Erfahrung, die bleibt, und aus der noch viel Gutes resultieren kann. Das macht Mut, zu sagen, dass die genannten Aufgaben durchaus bewältiget werden können. Mal sehen, was geht.
Positiv war abschließend auch die große Demonstration am Samstag. Die Anzahl der Teilnehmenden und die strategische Klugheit der einzelnen Blöcke macht ebenfalls Mut. Groß, international und entschlossen zog die Demo durch Frankfurts Innenstadt, eine Situation, die den eingesetzten – stark schwitzenden – Hundertschaften sichtlich zu schaffen machte. Sie waren auf einen solch langen Weg offenbar gar nicht vorbereitet, sie hatten wohl auf ein vorzeitiges Ende gehofft. Doch dazu kam es nicht. Andere Orte und andere Zeiten erfordern möglicherweise anderes – am letzten Samstag war es gut so wie es war.
Oder, um’s mit Blockupy zu sagen : Das war der Anfang. Wir lernen. Wir kommen wieder.
P.S.: Das ist die persönliche Meinung eines beim Wuppertaler Soli-Komitees gegen die EU-Krisenpolitik Engagierten. Für den Verfasser – und für das Wuppertaler Soli-Komitee insgesamt – waren die Blockupy-Tage in Frankfurt nur ein Anfang und eine Durchgangsstation eines internationalen und erfolgreichen Widerstands gegen die neoliberale und autoritäre EU-Krisenpolitik. Der Text soll ein kleiner Beitrag zur Diskussion ums « Wie jetzt weiter ? » sein.
P.P.S.: Das Wuppertaler Soli-Komitee gegen die EU-Krisenpolitik möchte sich dem Danke, das letzten Sonntag vom Blockupy-Bündnis allen gewidmet wurde, die die Aktionstage in Frankfurt ermöglicht haben, einfach anschließen. Und sich bei jenen bedanken, die bei den langen Vorbereitungen und an den Aktionstagen geholfen haben : beim AZ Wuppertal, bei den DJs der Mobi-Soliparty, bei den Fahrern und Fahrerinnen, bei denen, die ihre KFZ zur Verfügung gestellt haben, und bei dem großherzigen Frankfurter Menschen, der am Freitagabend jenes fabelhafte Gartengelände zum Zelten zur Verfügung stellte, ohne zunächst etwas davon zu wissen - …diese Liste ist natürlich unvollständig.
Mit solidarischen Grüßen aus Wuppertal an alle an Blockupy Beteiligten. (Und noch ein besonderer Gruß nach nebenan, nach Düsseldorf…)
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