Wupper Nachrichten vom 03.07.1993
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Abschiebeknast in Barmen
ÖTV: «Psychisch sehr belastend»
Bereits letztes Jahr begann die Landesregierung mit dem Inkrafttreten des damaligen Asylverfahrensgesetzes landesweit Haftanstalten für Flüchtlinge einzurichten, die abgeschoben werden sollen. Abschiebehaftanstalten wurden unter anderem in Herne und Gütersloh eingerichtet. Jetzt ist es auch in Wuppertal soweit, das direkt neben dem Ausländeramt am Sedansberg gelegene Hafthaus Barmen wird zum 1. August in eine Abschiebehaftanstalt umgewandelt.
Die ÖTV-Betriebsgruppe der bisherigen JVA fühlt sich von der Kabinettsentscheidung der Landesregierung überrumpelt. "Die Kolleginnen und Kollegen empfinden es belastend, daß die verfehlte Asylpolitik nun auf ihrem Rücken ausgetragen wird", sagt Vertrauensleutesprecher Heinz Piel. Erfahrungen in anderen Abschiebehaftanstalten hätten gezeigt, daß die Arbeit dort "psychisch sehr belastend" sei. Hinzu komme bei einem "politisch so hochbrisanten Problem" die "Anfeindung von außen".
Der Abschiebeknast ergänzt zunächst das geplanten Aufnahmelager auf Lichtscheid bei der Umsetzung des Asylverfahrensgesetzes. Während des auf wenige Wochen begrenzten Aufenthalts im Aufnahmelager wird im Schnellverfahren geprüft, ob der Asylantrag Aussicht hat. Wenn nicht, erfolgt die Ausreiseaufforderung, bei Weigerung die Verbringung in die Abschiebehaftanstalt. Unter den Bedingungen des ab 1. Juli diesen Jahres eingeschränkten Asylrechts ist mit Abschiebungen in noch größerem Umfang ist zu rechnen.
Die Situation in den Abschiebehaftanstalten ist grausig. Flüchtlinge wehren sich immer wieder gegen die drohende Abschiebung. In Herne verbarrikadierten sich am 10. November letzten Jahres vier afrikanische Männer aus Protest gegen ihre Abschiebung. Polizei und Feuerwehr machten ihrem Protest ein Ende. Die Gruppe wurde getrennt und auf verschiedene andere Haftanstalten aufgeteilt. Im gleichen Knast gab es bereits zweimal Hungerstreiks rumänlscher Flüchtlinge. Aus Rumänien fliehen vor wiegend Roma, die dort Pogromen ausgesetzt sind.
Die Stadt Herne leistet Amtshilfe bei den Abschiebungen, weist aber jede Mitverantwortung zurück. In der Abschiebehaftanstalt Gütersloh unternahm im Frühjahr ein junges Mädchen einen Selbstmordversuch. Die Anstaltsleitung hielt es nicht für notwendig, die Polizei darüber zu informieren, was in solchen Fällen üblich ist. Die "Aktuelle Stunde" des WDR ging der Sache nach. In Gütersloh sitzen etwa 90 Flüchtlinge und warten auf ihre Abschiebung. Sie werden behandelt wie Kriminelle und auch tagsüber eingeschlossen. Der Justizminister des Landes NRW, Krumsiek, zu den Zuständen in Abschiebehaftanstalten: "Wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß es Tumulte, Aggressionen, Suizidversuche und auch vollendete Suizide in Abschiebehaftanstalten gibt." "Unseren Kolleginnen und Kollegen in der JVA ist nicht zuzumuten, unvorbereitet diese neue und problembelastete Aufgabe zu übernehmen", sagt ÖTV-Sekretärin Sylvia Bühler. Heinz Piel bedauert die Auflösung des offenen Vollzugs in Barmen auch deshalb, weil die Bevölkerung nach anfänglicher Skepsis diese Art des Strafvollzugs voll akzepiert habe.