From Dawn ’til Dusk… zur Beratung am 28.04.

Für Sonntag, den 28.April hatten das so_ko_wpt und das Autonome Zentrum Wuppertal zur Beratung über Möglich­keiten einer konkreten Unter­stüt­zung antifa­schis­ti­schen Wider­stands in Griechen­land einge­laden. Im Wupper­taler ADA sollte, einen Tag nach einer zweitä­gigen Konfe­renz der nordrhein-westfä­li­schen Rosa Luxem­burg Stiftung zu „trans­na­tio­naler Solida­rität in der Krise” am selben Ort, der grenz­über­schrei­tende Aspekt antifa­schis­ti­schen Engage­ments gesucht werden. Dabei hofften die Veran­stal­te­rInnen auf Betei­li­gung inter­na­tio­naler Gäste der Tagung und auf viele am Thema inter­es­sierte Antifa­schis­tinnen und Antifa­schisten aus Nordrhein-Westfalen.

Diffe­ren­zierte Schil­de­rungen

Während sich  der erste Teil der Hoffnung durchaus erfüllte – so blieb u.a. Christos Giova­no­poulos aus Athen für die Beratung eigens einen Tag länger im Tal, bevor er nach Berlin abreiste, wo er an der Spitze der revolu­tio­nären 1.Mai-Demo zu finden war – blieb die Hoffnung auf viele inter­es­sierte deutsche Antifa­schisten und Antifa­schis­tinnen leider eher unerfüllt. So infor­mierten und berieten sich am Ende nur etwas mehr als zwanzig Menschen über die bedroh­liche Lage in Griechen­land und über Möglich­keiten der Gegen­wehr.

Trotz der überschau­baren Anzahl Teilneh­mender fand ein Gespräch abseits eines reinen Alarmismus und von weitge­hend Bekanntem statt, bei dem schließ­lich erste Ansätze von etwas zu erkennen waren, was den Begriff « konkrete Solida­rität » recht­fer­tigen kann. Verant­wort­lich waren dafür vor allem die beiden einge­la­denen griechi­schen Gäste – neben Christos betei­ligte sich via Skype auch Alexia vom Solida­ri­täts­ko­mitee für politi­sche Gefan­gene aus Thessa­lo­niki an der Beratung.

Die beiden stellten die Situa­tion um das Erstarken der neona­zis­ti­schen „Chrysi Avgi” diffe­ren­ziert dar. So konnte Alexia für Thessa­lo­niki eine etwas weniger alarmie­rende Einschät­zung zur Stärke der „Goldenen Morgen­röte” abgeben, als sie für viele Stadt­viertel Athens gelten muss. Dennoch sieht Alexia die Situa­tion als eine sehr bedroh­liche an – auch in Thessa­lo­niki gibt es Viertel, in denen die Nazis nach der Macht auf der Straße greifen. Christos wiederum, in Athen lebend, bestä­tigte zwar die in der Haupt­stadt viel größere Zahl von Übergriffen gegen Linke und Migranten und Migran­tinnen, betonte jedoch vor allem die derzeit neu entste­henden selbst­or­ga­ni­sie­renden Struk­turen in den Stadt­teilen. Ihnen sprach er beim Wider­stand gegen die Neofa­schisten eine große Bedeu­tung zu. Die Initia­tive Solida­rität für alle, für die Christos bei seinem Deutsch­land­be­such um Unter­stüt­zung warb, arbeitet daher auch mit und für soziale Projekte, die von unten den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­hang wieder neu aufbauen sollen. Christos sieht in ihnen einen wichtigen Weg, den Nazis die Grund­lage ihrer Agita­tion in einer zerfal­lenden Gesell­schaft zu entziehen : Durch die Arbeit sozialer Kliniken oder Apotheken, von solida­ri­schen Lebens­mit­tel­läden und von Tausch­märkten oder durch das Angebot von Rechts­hilfe für alle, sieht Christos bei vielen Griechen und Griechinnen ein neues Bewusst­sein entstehen.

Wie sehr vor allem Rechts­hilfe und Unter­stüt­zung bei Inhaf­tie­rung benötigt wird, ließ sich den eindrück­li­chen Schil­de­rungen Alexias entnehmen, deren Arbeits­schwer­punkt auf der Knast­ar­beit liegt. Diese ist untrennbar mit antifa­schis­ti­schem Engage­ment in Griechen­land verbunden. Die Kolla­bo­ra­tion von Polizei und Justiz mit den Nazistruk­turen ist offen­sicht­lich – eine Einschät­zung, bei der sich beide Gesprächs­part­ne­rInnen bei aller Diffe­renz in der allge­meinen politi­schen Beurtei­lung einig waren.

Alexia schil­derte Haft- und Prozess­um­stände für linke und antifa­schis­ti­sche Aktivisten und Aktivis­tinnen, die jeder Rechts­staat­lich­keit spotten. Dabei ging es nicht nur um oft monate­langes „Verschwinden” in der U-Haft, es ging auch um die Bedin­gungen der Haft an sich, in der jedes Lebens­be­dürfnis Geld kostet. So müssen Gefan­gene in griechi­schen Knästen sogar ihr eigenes Toilet­ten­pa­pier von der Gefäng­nis­lei­tung kaufen. Das Solida­ri­täts­ko­mitee für politi­sche Gefan­gene, in dem sich Alexia engagiert, versucht mit beschei­denen finan­zi­ellen Mitteln, die oft lange Haftzeit für die Betrof­fenen erträg­li­cher zu machen. Es bemüht sich u.a. darum, den betreuten Genos­sinnen und Genossen monat­lich 250 Euro zur Verfü­gung zu stellen, damit wenigs­tens die Grund­be­fürf­nisse abgedeckt werden können. Dabei macht das Solida­ri­täts­ko­mitee, das in Thessa­lo­niki und in Athen arbeitet, keine (links-) ideolo­gi­schen Unter­schiede bei der Auswahl der Betreuten – etwas, was auch in Griechen­land leider nicht selbst­ver­ständ­lich ist. Dabei wäre gerade jetzt, vor dem Hinter­grund gefähr­deter linker Struk­turen und teilweise bis an die Zähne bewaff­neter Nazis, eine gemein­same und vereinte Antifa-Arbeit notwen­diger denn je, wie Alexia betonte.

Beide Initia­tiven bieten auch hier Aktiven einige Möglich­keiten zu konkreter Solida­rität, wobei es – wie eigent­lich immer – in erster Linie um finan­zi­elle Unter­stüt­zung geht.

Wo war die Antifa ?

Dabei wurde jedoch durch das weitge­hende Fernbleiben der hiesigen Antifa eines klar : Noch immer fehlt es auch an persön­li­chen und direkten Kanälen, über die die zum Teil drama­ti­schen Infor­ma­tionen aus Griechen­land zu uns gelangen können. Noch immer ist deshalb zu vielen scheinbar nicht bewusst, um was in Griechen­land gerungen wird – angesichts eines dauer­haft diskre­di­tierten parla­men­ta­ri­schen Systems und einer Gesell­schaft auf der Suche nach einer Alter­na­tive, der dabei von inter­es­sierter Seite die Nazipartei „Chrysi Avgi” vor die Nase gehalten wird.

Bei aller notwen­digen Arbeit „vor der eigenen Haustür” – Antifa­schismus ist immer auch eine trans­na­tio­nale Heraus­for­de­rung. Gerade in Deutsch­land sollten Antifa­schisten und Antifa­schis­tinnen das wissen. Die teils spürbare Ignoranz gegen­über bürger­kriegs­be­reiten Nazis in Griechen­land oder auch in Ungarn ist nicht nur kurzsichtig, sie ist auch ahisto­risch und verleugnet die Bedeu­tung inter­na­tio­naler, antifa­schis­ti­scher Solida­rität in der Vergan­gen­heit.

Auch wenn das Ergebis unserer Beratung nicht ergab, dass bereits wieder die histo­ri­sche Notwen­dig­keit zur Aufstel­lung inter­na­tio­naler Brigaden besteht, so wurde doch deutlich, dass die griechi­schen Genossen und Genos­sinnen auf Hilfe von außen angewiesen sind. Mögliche Ansatz­punkte für konkrete Maßnahmen auch in Deutsch­land wurden auch gefunden. Als Beispiel sei genannt, dass ein wesent­li­cher Teil der Finan­zie­rung der Chrysi Avgi-Nazi-Schläger über Securi­ty­firmen erfolgt, die beispiels­weise in Thessa­lo­niki auch für deutsche Konzerne tätig sind. Leider müssen diese eine solche (direkte) finan­zi­elle Unter­stüt­zung der Nazis bisher in keiner Weise recht­fer­tigen. Aber auch die Verknüp­fung bereits bestehender Kämpfe mit dem Wider­stand gegen Ursachen und Erstarken von Nazistruk­turen in Griechen­land weist in die richtige Richtung, auch wenn der Bezug zum erstar­kenden Faschismus vielfach nur vermit­telt herge­stellt werden kann..

Angriffe auf das europäi­sche Grenz­re­gime, auf FRONTEX, oder auf „Dublin II” müssten nicht nur im Inter­esse der Flüch­tenden geführt werden. Sie müssten auch inten­si­viert werden, um in den mit Lager­sys­temen überzo­genen und mit immer mehr an den EU-Außen­grenzen stran­denden Menschen allein gelas­senen Ländern in Europas Süden eine wesent­liche Argumen­ta­ti­ons­basis der Nazis anzugreifen. Die Themen­felder, um die es dabei geht, sind so vielfältig wie die europäi­sche Krisen­po­litik. Verant­wort­lich­keiten für soziale Verwer­fungen müssen benannt werden, und sie liegen häufig in jenem Land, in dem das Inter­esse an den Entwick­lungen in den von der EU-Politik meist betrof­fenen Ländern noch immer erschre­ckend gering ist. Deutsche Politik bleibt ein Schlüssel für die gesell­schaft­liche Entwick­lung in Griechen­land, Spanien oder Portugal – eine Einschät­zung, der alle Disku­tie­renden zustimmten.

Der schwie­rige, antifa­schis­ti­sche Weg von der Morgen­röte zur Dämme­rung ist ein gefähr­li­cher. Die griechi­schen Genossen und Genos­sinnen dürfen dabei nicht auf sich gestellt bleiben. Das so_ko_wpt wird daher den griechi­schen Kampf gegen die Chrys Avgi weiter begleiten und versu­chen, beim Aufbau solida­ri­scher Struk­turen mitzu­wirken. Als erste verab­re­dete Maßnahme ist zunächst der Aufbau eines Infor­ma­ti­ons­netzes geplant, das an die trans­na­tio­nalen Vernet­zungen der Wupper­taler #cross_­so­li­da­rity-Tagung anknüfen soll. Wir laden alle ein, sich daran zu betei­ligen. Eine konkrete Einla­dung zur Teilnahme geht in den nächsten Tagen an euch raus.

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